Mittwoch, 23. August 1972
Jetzt haben wir mit Bulgarien das Debakel. Handelsrat Teofilow und sein
Begleiter haben mir einen Brief von Aussenhandelsminister Nedew ge-
bracht, wo er mir zwei Termine vorschlägt, um nach Bulgarien zu kommen
wie wir bei der letzten Gemischten Kommission in Wien ausdrücklich und
mit Unterschrift besiegelt vereinbart haben. Die Idee von Fälbl, dass
wir, wenn wir den Besuch absagen, die Bulgaren dazu zwingen können, un-
seren Vorschlag oder zumindestens ein für uns erträgliches Kompromiss
für den langfristigen Handelsvertrag zu akzeptieren, ist nicht aufge-
gangen. Die Bulgaren trennen fein säuberlich die Verhandlungen über
den neuen Handelsvertrag und die Tätigkeit der Gemischten Kommission.
Zu den beiden vorgeschlagenen Terminen kann ich aber wirklich nicht
fahren, bei der Eröffnung der Plowdiwer Messe ist Patolitschew noch hier
am zweiten Termin habe ich EFTA-Verpflichtungen. Ich bin aber überzeugt,
dass ich irgendwann in diesem Jahr noch nach Bulgarien fahren muss, weil
die Bulgaren auf den Vertrag wie auf einem Shylock-Schein bestehen
und wenn ich nicht komme, wir auf alle Fälle vertragsbrüchig werden. Ich
glaube, dass es in einem solchen Fall besser ist, ich fahre zur Plowdiwer
Messe, wenn auch nicht zur Eröffnung so doch in dieser Zeit und kann
damit ein bisschen unsere Niederlage tarnen, indem ich eben die Plowdiwer
Messe besuche. Die Gefahr ist nur, dass ich, wenn ich ausländische Mes-
sen zu besuchen beginne, dann auch andere Staaten mit dieser Forderung
an mich herantreten werden.
Der Fraktionsführer der BAWAG, Mahler, und der BRO von Herzmansky, Kulf,
wollte unbedingt eine Aussprache mit mir und ich prognostizierte Wanke,
dass es sicherlich den Kommerzialratstitel für den neuen Direktor Flöttl
wünschten. Wie recht sollte ich haben! Die Begründung war dabei ganz
toll. Mahler meinte, dass sich Flöttl in seinem Büro unmittelbar mit
Akademikern umgibt, was ich ja für vollkommen richtig halte, und des-
halb durch eine Kommerzialratstitel stärker herausgestrichen werden sollte,
was ich für vollkommen falsch halte. Es gibt wegen der Personalpolitik
zwischen dem Betriebsrat und Flöttl grössere Differenzen und man hofft
von seiten der Fraktion, dass mit einer Verleihung des Komm.Rat-Titels
sich diese Situation verbessern könnte. Ein vollkommener Nonsens.
Zum Glück habe ich mit all diesen Titelverleihungen nichts mehr zu tun,
ausser den formellen Akt dann abzufertigen und verweise sie deshalb
an den Freien Wirtschaftsverband, der das Kontingent verwaltet und
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auch Flöttl der Handelskammer vorschlagen müsste.
Interessanter ist aber dann ein anschliessendes Gespräch mit Kulf
über die Ladenschlussverordnungsproblematik. Kulf beginnt selbst damit,
was mir sehr recht ist, denn ich wollte ihn auf alle Fälle fragen.
Die Funktionäre der Handelsangestellten rechnen damit, dass es doch
zu einer Änderung der Ladenschlussgesetze kommen wird. Bei dieser Ge-
legenheit möchten sie aber mit dem freien Samstag gegen eine Verlängerung
und 1 oder max. 2 Stunden an einem Wochentag eintauschen. Richtig ist
dass ich mir nicht vorstellen kann, dass in Ostösterreich, wenn bis
10 Uhr abends die Geschäfte offen halten, tatsächlich die Bevölkerung
in dieser Zeit ihre Einkäufe tätigen wird. Da sitzt der Österreicher
zumindestens im Osten schon längst vor seinem Bildschirm und denkt
nicht daran einen Einkauf zu planen. Natürlich kann vereinzelt jemand
der etwas vergessen hat, schnell noch irgendetwas einkaufen, aber in die-
ser Zeit kann sicherlich nicht ein grosse Umsatz gemacht werden. Anders
ist dies an einem Samstag und ich glaube deshalb kaum, dass man ein
solches Angebot im Interesse der Käufer und der Konsumenten akzeptieren
könnte. Kulf meint, dass man ja gegebenenfalls für die Ausverkaufssamstage
oder für die Samstage vor Weihnachten, dann den ganzen Tag offen haben
könnte, um dem Käufer eine entsprechende Möglichkeit zum Einkaufen
zu bieten. In der Schweiz haben sie den ersten Samstag jeden Monates den
ganzen Tag offen, diese Lösung halte ich wieder deshalb für un-
zweckmässig, weil man doch nicht die jetzige Möglichkeit, doch am Sams-
tag den Familieneinkauf zu ermöglichen wenn auch nur gegen mittags
gegen vereinzelte ganztägige Samstageinkäufe abzutauschen. Ich sehe
schon, dass aus dieser ganzen Diskussion schwerlich eine alle
befriedigende Lösung gefunden werden kann. Ich bin deshalb sehr
froh, dass wir die Arbeitsgruppe im Konsumentenbeirat eingesetzt haben,
die soll sich jetzt den Kopf zerbrechen und mir entsprechende Vorschlä-
ge, wenn sie imstande ist, welche zustande zu bringen, zu machen. Wahr-
scheinlich wird man nach längerer Überlegung beim Status quo bleiben.
Interessant war, dass mich von der Liberalen Partei jemand angerufen
hat und erklärt, er möchte, nachdem die Initiative der Kaufzeiten-
änderung von ihnen ausgegangen ist, an den Verhandlungen teilnehmen.
Ich erklärte, dass ich dem Beirat nicht vorschreiben kann, wen er
allen zu diesen Verhandlungen zuzieht, die liberale Partei soll
mir aber ihre Vorschläge schicken oder vielleicht am besten gleich
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dem Beirat selbst und dann wird dieser sicherlich zu den Vorschlägen
entsprechend Stellung nehmen.
Ausser dem Ladenschlussproblem kamen wir auch auf die Kostensituation
in den einzelnen grossen Kaufhäusern oder Organisationen zu sprechen.
Kulf meinte, dass seine Direktion ihm erklärt, dass eine besonders hohe
Lohntangente in der Jelmoli-Gruppe, d.h. bei Gerngross, Herzmansky,
Steffl usw. von 16 % existiert. Demgegenüber behaupten sie hätte der
Konsum nur 4 % Lohnkosten. Ich fragte Kulf, ob nicht die Betriebsräte
der einzelnen Grosskaufhäuser oder Kettenorganisationen wenigstens
in groben Zügen ihre Kosten vergleichen und des deshalb ein Leichtes
sein müsste, diese Behauptung seiner Geschäftsführung zu widerlegen.
Zu meiner grössten Verwunderung musste ich feststellen, dass auch
bei der Angestelltengewerkschaften in den einzelnen Sparten kein so
enger Kontakt zwischen den Betriebsräten besteht, so dass man solche
prinzipielle Behauptungen mit Ziffernunterlagen glatt widerlegen
könnte. Ich habe in einer Unternehmerzeitung gelesen, dass ein Sympo-
sium, welches die Persil-Gesellschaft mit den Handelsketten vorgenommen
hat, angeblich Gesamtspannen von unter 10 % incl. der Umsatzsteuer
scheinbar, um als Kette oder Diskonter existieren zu können incl. der
Personalkosten hat. Diese Behauptung wurde bei einer Afrika-Reise,
welche die Persil-Gesellschaft als moderne Form der Bestechung den
Ketten-Vertretern gegenüber organisiert hat, aufgestellt.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich glaube, solche Behauptungen und Untersuchungen
sollten wir in unserem Haus überprüfen, vor allem als Kennzahl parat ha-
ben.
Mit Prof. Frisch, Kienzl, Wanke, Gehart diskutierten wir ein Arbeits-
programm für die wirtschaftspolitische Kommission der Partei. Wenn
das grosse Kompetenzgesetz im Herbst ins Parlament kommt und dann
im nächsten Jahr vielleicht bis Mitte des Jahres beschlossen ist,
werde ich die Preiskompetenz im Handelsministerium ausschliesslich
und allein haben. Für diesen Fall möchte ich, dass nicht nur dann
administrative und organisatorische Änderungen und Massnahmen von uns
ergriffen werden, sondern dass wir doch auch ein umfassenderes Konzept
besitzen, wie wir vorgehen wollen. Auf legistischem Wege werde ich,
da jede Preisänderung eine Verfassungsbestimmung ist, immer die
Zustimmung der Handelskammer resp. der ÖVP benötigen. Ich muss des-
halb ein Konzept erarbeiten, welches auch von seiten der Industriellen-
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vereinigung und der Handelskammer akzeptiert wird. Zu diesem
Zweck erscheint es mir sinnvoll neben dem Wirtschafts- und
Sozialbeirat, der gewisse Vorschläge zur Stabilisierung ge-
macht hat, auch wie Wanke ganz richtig vorschlug, einen
wissenschaftlichen Beirat für diese Preisproblematik
zu bestellen. Frisch könnte dann der Vorsitzende eines solchen
Beirates sein, da er als einziger Professor, die ich in Österreich
und besonders in Wien kenne, an diese Problematik mit moderner
Auffassung herantritt. Ausserdem habe ich feststellen können,
dass seine Auffassungen sich weitestgehend mit meinen decken.
Wenn ich mich seinerzeit in der AK gegenüber dem damaligen
Abteilungsleiter für die wirtschaftswissenschaftl. Abteilung
Prof. März durchgesetzt hätte, hätten wir bereits jetzt doch
ein gewisses theoretisches Fundament für unsere Arbeiten.
Edi März dürfte es aber nicht in sein Programm gepasst haben
und deshalb ist mein Wunsch damals nicht erfüllt werden. Der
grosse amerikanische Nationalökonom und Lehrer Samuelson hat
dann vor etlicher Zeit eine theoretische Grundlage für das
Inflationsproblem skizziert, und zwar, was das neue und wichtige war,
unter dem Gesichtspunkt steigenden Wachstums des Bruttonational-
produktes. Prof. Frisch versucht nun auf österreichische Ver-
hältnisse aufbauend ebenfalls theoretische Grundsatzarbeit auf
diesem Gebiet zu leisten. Gehart u. Wanke werden von unserem
Haus aus und Frisch von sich sowie Kienzl jetzt auf Urlaub ent-
sprechende Überlegungen anstellen und wir werden uns im September
bei einer wirtschaftspolitischen Kommissionssitzung über dieses
spezielle Programm noch unterhalten.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte versuche einen Termin zu bestimmen,
an dem aber zumindestens Vranitzky vom FM teilnehmen kann.
Wanke hat in Erfahrung gebracht, die beabsichtigte Reise
Heindls nach China im Haus grosse Empörung ausgelöst hat.
Der Personalvertreter Engelmayer ist, nachdem er die Dele-
gierung von Heindl erfahren hat sofort zu Schwarz gelaufen und
Schwarz, der sonst sehr loyal uns gegenüber sich verhält,
erklärte, damit würde er sogar in die Zeitung gehen. An und
für sich würde mich das gar nicht allzu sehr stören, denn es
würde gerade in der jetzigen Saure-Gurken-Zeit eine ungeheure
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Presse-Polemik damit entfacht werden. Wenn sich jetzt die ÖVP-Ver-
tretung aufregt, dass ein Minister seinen Sekretär mitnimmt, dann
werde ich nicht zurückhalten darauf hinzuweisen, dass früher wenn die
Frau des Ministers gefahren ist, auch diese Reise vom Staat bezahlt
wurde. Ich hätte dies nicht für möglich gehalten, wenn nicht bei der
Russlandreise Sekt.Chef Schipper zu mir gekommen wäre und erklärte,
dass selbstverständlich auch die Fahrtkosten meiner Frau bezahlt wer-
den. Ich habe dies natürlich kategorisch abgelehnt und erklärt, dass
diese Fahrt von mir selbst beglichen wird. In der ÖVP-Zeit hat man also
von seiten der Personalvertretung toleriert, dass selbst die Frauen
auf Staatskosten Dienstreisen gemacht haben, während jetzt nicht
einmal der Minister seinen Sekretär zu dieser Fahrt mitnehmen dürfe.
Trotzdem finde ich aber die Idee von Wanke hervorragend, dass wir
versuchen sollten, mit Heindl gemeinsam eine andere Stelle zu finden,
welche die Reise finanzieren wird. Da es sich ja hier meistens nur
um die Flugkosten handelt, könnte ich mir vorstellen, dass die Gemeinde
einen Grossteil davon übernimmt. Die Stadt Wien legt grössten Wert
darauf, dass die Chinesen sich an der WIG 74 beteiligen. Zu diesem Be-
hufe habe ich bereits einige Mal mit dem Botschafter hier gesprochen
und ihn gebeten, dass er alles daran setzt, dass sich China an dieser
WIG beteiligt. Vielleicht sogar auch noch ein chinesisches Feuerwerk
hier veranstaltet. Heindl könnte nun diese Spezialaufgabe für die Gemeinde
in Peking übernehmen und leicht dann von der WIG einen Kostenzuschuss
zur Reise bekommen. Dies alles müsste natürlich streng vertraulich
abgewickelt werden, so dass wir dann schlagartig parieren können, wenn
ein diesbezüglicher Angriff gestartet werden sollte. Wenn sie aber
einen solchen Angriff starten, dann werden wir in Hinkunft sämt-
liche Auslands- aber auch Inlandsreisen der einzelnen noch strenger
perlustrieren, als wir dies jetzt machen. Derzeit haben wir wirklich
nur die sinnlosesten Reisen eingeschränkt, die in Wirklichkeit ja schon
längst hätte das Präsidium von sich aus machen müssten. Ich glaube,
dass die einzige Möglichkeit, mit der Personalvertretung, die jetzt auf
eine harte Linie vom ÖAAB getrimmt wird, fertig zu werden, die ist,
dass wir entsprechend hart zurückschlagen. Wenn die Angelegenheit
Wanke – wie immer sie auch ausgeht, erledigt sein wird, werden wir
auch in der Personalpolitik andere Seiten aufziehen. Hier war genauso
das Verhalten der Personalvertretung skandalös, denn immerhin ist
Wanke Mitglied der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes und hät-
te in Wirklichkeit von ihnen vertreten und nicht bekämpft werden dürfen.
Scheinbar will die Personalvertretung die harte Sprache, sie kann
sie haben. Persönlich tut mir diese Entwicklung nur sehr leid,
doch das Beispiel mit der Errichtung der Abteilung 25 a hat gezeigt,
dass in Wirklichkeit sie scheinbar nur eine solche Sprache verstehen.
Tagesprogramm, 23.8.1972