Dienstag, 22. August 1972
Vor der Ministerratsvorbesprechung fragt Häuser Klubobmann Gratz,
ob eine Volksbefragung in unserer Verfassung oder sonst irgendeinem
Gesetz verankert sei. Er bezieht sich auf die Mitteilung vom Kurier,
daß ich eine Volksbefragung durchführen würde, wenn der Beirat in
Frage des Ladenschlußgesetzes eine solche vorschläge. Häuser weiß
genauso wie ich und Gratz, daß es eine solche natürlich nicht gibt
und daß es sich hier um eine falsche Ausdrucksform des Kuriers ge-
handelt hat. Der Kurier hat hier nur die Volksbefragung von Vorarl-
berg, die Keßler durchführen will, als Grundlage der Anfrage an mich
genommen um zu erkunden ob ich bereit bin, einen ähnlichen weg einzu-
schlagen. Skritek selbst, mit dem Häuser vorher gesprochen hat, möchte
natürlich überhaupt nichts machen. Ich kann mich deshalb sehr auf
meine Äußerung zurückziehen, daß ich ja nur tätig werden will, wenn
der Konsumentenbeirat, d.h. im speziellen Fall die neueingesetzte
Arbeitsgruppe mir einen solchen Vorschlag unterbreiten würde. Ich
stelle ausdrücklich fest, daß ich nicht die Absicht habe irgendwo
aufzuklären, daß eine Volksbefragung nur von mir erst durch eine ver-
fassungsmäßige Klärung oder durch eine gesetzliche Möglichkeit
erschaffen werden soll, sondern daß ich eben darunter u.a. z.B. meine
Meinungsumfrage oder vielleicht sogar nur eine ganz unzulängliche
Information von kleinsten Kreisen schon ehemals eine Befragung des
Volkes betrachten könnte, wenn ein diesbezüglicher Vorschlag an
mich herangebracht wird. Interessanterweise ist nachher beim Presse-
gespräch auch der Vertreter der Presse zu mir gekommen um zu fragen,
ob diese Auskunft an den Kurier bereits in der Frühstücksrunde abgegeben
wurde, da er sich über seinen Kollegen schon beschwert hat, daß er
ihn nicht in dieser wichtigen Frage informiert hat. Redakteur Bogner
der mich diesbezüglich interviewt, hat glaube ich, mit dem Pressere-
dakteur Edel, der bei der Besprechung anwesend war, eine harte Ausein-
andersetzung gehabt, weil er befürchtete, daß eine so wichtige Frage
ihm nicht sofort mitgeteilt wurde. Daraus kann ich entnehmen, daß die
Ladenschlußgesetzgebung ein sehr heisses Eisen, das wirklich
die Presse ungeheuer auch interessiert. Die größten Vorwürfe hat
Skritek zu erwarten, der immer und überall erklärt, es dürfte sich
überhaupt nichts ändern. Bogner meinte dann sogar zu mir, es wäre
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unerklärlich, wo ich doch so ein große liberale Haltung in der Ge-
werbeordnung einnehme, sich in diesem Punkt bis jetzt noch überhaupt
nicht persönlich geäußert habe. Ich bin überzeugt, daß dies die
heisseste Frage in den nächsten Monaten sein wird. Bis jetzt ist es
noch deshalb so gut gegangen, weil ich mich immer auf den Standpunkt
gestellt habe, daß dieses Problem aus der politischen Auseinandersetzung
herausgelöst gehört und daß doch eigentlich die Interessenvertretungen
dazu eine wesentliche entscheidende Stellungnahme abgeben müßten. Ja
selbst müßte und würde mich nach wie vor bemühen, eine einvernehmliche
Regelung zwischen allen Beteiligten, auch der Arbeiterkammer als
Konsumenteninteressenvertretung, zu erzielen. Diese Arbeitsgruppe
wird eine harte schwierige Arbeit im Herbst zu leisten haben.
Anmerkung für WIESINGER:
Bitte die konstituierende Sitzung unbedingt so vereinbaren, daß ich
daran teilnehmen kann.
Der Ministerratssitzung spielt das Aide-Mémoire der Jugoslawen über
die Infiltration der 19 Terroristen das ausschließliche Gesprächs-
thema. Kreisky hat seinen Urlaubsort in Kärnten den jugoslawischen
Botschafter empfangen, der ihm dieses Aide-Mémoire gegeben
hat und Häuser hat es mitgebracht. Der eigentlich dafür zuständige
Außenminister Kirchschläger hat überhaupt noch kein Material besessen.
Ich kann wieder feststellen, wie Kirchschläger souverän ein solches
Problem angeht. Wir beschließen, daß wir diese Terrortätigkeit im
Rahmen der österr. Gesetze mit allen Mitteln bekämpfen werden und
sie verabscheuen und die dafür zuständigen Minister jetzt das Aide-
Mémoire studieren werden.
Heinzi Fischer vom Klub teilte mit, daß die ÖVP an alle Regierungs-
mitglieder die Frage gestellt hat, wie die budgetären Wünsche der
einzelnen Ressorts der Finanzminister behandelt wurden. Da Androsch
noch abwesend ist, wird mit der Anfragebeantwortung zugewartet.
Die Anfrage wegen der Personalpolitik der einzelnen Ressorts wurde
bereits von Fischer koordiniert und die einzelnen Minister sollen
sich in ihrer Beantwortung weitestgehend auf diesen koordinierte
Stellungnahme einigen, resp. sie als Grundlage verwenden. Zum Glück
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habe ich diese Anfragebeantwortung noch nicht unterschrieben
und wollte sie genau studieren und muß nun feststellen, daß
wir innerhalb unseres Ministerbüros keine Koordinierung durchge-
führt haben. Wanke hat zwar durch telefonische Information während
seines Urlaubes die ärgsten Schnitzer aus dem Entwurf von Fabrizii
verhindern können, das Präsidium Böhm hat nämlich unter anderem
unbedingt reinschmuggeln wollen, daß die neue Abteilung 25 a Arbeiten
der derzeit bestehenden Abteilung 25 wegnimmt. Noch ist die Anfrage-
beantwortung mit dem Entwurf von Heinzi Fischer im System abgestimmt.
Bitte auch im Urlaub die Koordination nicht zu unterschätzen und ver-
gessen.
Im Ministerrat ist der 50. Tagungsordnungspunkt der weder auf meiner
Tagesordnung verzeichnet ist, noch wird die Unterlagen vom Haus mitge-
geben werden, ein Punkt des Handelsministeriums. Zum Glück muß man
überhaupt nichts referieren, sondern Kirchschläger macht mich nur auf-
merksam, daß ich nur den Antrag auf Genehmigung zu stellen habe. Ich
erstelle deshalb einen Antrag ohne zu wissen, was eigentlich in
diesem Punkt von uns gefordert wird. Zum Glück gibt mir Kirchschläger
auf meinen Wunsch nachher den Punkt und ich erkenne, daß dies ein Antrag
für die iranische Fremdenverkehrsdelegation, wo Würzl daran teilnimmt,
ist. Ich habe als ich den Antrag am Vortrag unterschrieben habe, so-
gar noch verlangt, daß die detaillierte Kostenberechnung für Würzl
aus dem Antrag herausgestrichen wird, was auch geschehen ist. Habe
aber total vergessen, daß es sich um diesen Antrag handeln könnte und
bin nur durch ein taktisches Manöver, ohne daß die anderen meine Un-
wissenheit bemerkten, darüber hinweggekommen.
Anmerkung für WANKE:
Bitte wirklich jetzt Vorsorge treffen, daß auch vor weggehen die
endgültige Tagesordnung bekomme. Es hat auch anderes Material ge-
fehlt.
Kienzl und Rieger, Nationalbank, kamen um mich zu ersuchen, wir sollten
doch die Wirtschaftsprobleme im Rahmen der sozialistischen Wirt-
schaftskommission, deren Obmann ich bin, besprechen. Ich bin sehr
froh, daß ich ihnen mitteilen kann, daß Wanke und ich schon vereinbart
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haben, eine solche Sitzung, an der Prof. Frisch und Heinzi Kienzl
und ich eine Grundsatzdiskussion einleiten soll, für die nächste Zeit
in Aussicht genommen haben. Kienzl und ganz besonders Rieger sind
über die Entwicklung auf dem Preissektor ungeheuer beunruhigt. Sie
befürchten, daß ein Punkt erreicht werden könnte, wo die Inflations-
rate ausgesprochen verheerende Wirkungen auf andere Faktoren wie z.B.
Sparneigung, Investition, usw. haben könnte. Rieger beschwert sich
deutlich sichtbar, daß die Nationalbank heute mehr gehemmt ist, als je
in den vergangen 26 Jahren und überhaupt nicht aktiv werden kann. Die
Ursache sieht er darin, daß die Bankmanager mit Androsch regeln und
nicht bereit sind, im Generalrat Wünsche, die die Bankleitung macht,
wenn es gegen ihre Geschäftsinteressen geht, zu akzeptieren. Der Finanz-
minister wieder muß über seine Beamten versuchen, die Bundesschuld
von 14 Milliarden S unterzubringen, d.h. zu prolongieren und ist des-
halb nicht bereit, gegen die Bankgewaltigen vorzugehen. Rieger meint
er hätte die Möglichkeit, wenn die österr. Banken ihn nicht in dieser
Tage entsprechend unterstützen, zu erklären, er würde dann die Bundes-
schuld im Ausland unterbringen und die überschüssige Liquidität der
österreichischen Institute dann durch wesentliche Erhöhung der Mindest-
reserven entsprechend beschränken. Da die Mindestreserven unverzins-
lich bei der Nationalbank gehalten werden müßten, würden die Banken
sehr gerne die Bundesschuld von ihm wieder abnehmen. Kienzl ist pri-
mär beunruhigt, daß die Kreditzunahme in den letzten Monaten seit
November immer gegenüber dem Vorjahr 19–20 % beträgt. Insbesondere
wird auch der Konsumentenkredit bis zu 40 % gegenüber dem Vorjahr ausge-
weitet. Als ich hier nicht um Fragen, die in meine Kompetenz fallen,
bin ich nicht bereit, eine detaillierte Besprechung und vor allem nicht
eine Stellungnahme abzugeben, die sich gegen den Finanzminister richtet.
Ich bin aber selbstverständlich bereit, in einem größeren Kreis die
Probleme zu diskutieren und entsprechende Lösungsvorschläge versuchen
zu finden. In der wirtschaftspolitischen Kommission wird sicherlich
auch Vranitzky vom Finanzministerium anwesend sein und dann sollte man
über dieses Problem freimündig diskutieren. Ich fürchte allerdings,
daß es genauso sein wird wie seinerzeit im Kautsky-Kreis, wo auch
ein Vortrag von Androsch keinesfalls von der Opposition gegen ihn
dazu benützt wurde, um freimütig die Probleme zu besprechen sondern
nicht einmal andeutungsweise die Schwierigkeiten damals zur Sprache
kamen. Vielleicht hat sich die Situation aber in der Zwischenzeit
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geändert. Ein weiterer kritischer Punkt ist die mangelnde Baukoordi-
nierung und damit eigentlich die Überhitzung in der Baukonjunktur.
Rieger meint, wir hätten seinerzeit im Beirat dafür gekämpft, daß
ein Bautenministerium errichtet wird, um diese dämpfende Maßnahme
auszuführen und in Wirklichkeit wurde das Bautenministerium schon unter
der ÖVP-Regierung gegründet, aber auch von uns nur jetzt dazu benützt,
um alle Bauwünsche des Bundes noch mehr herauszustreichen und dadurch
die Konjunktur nur anzuheizen. Anstelle der Dämpfungsfunktion wurde
jetzt ein Anheizministerium daraus. Kienzl befürchtet, daß die Über-
hitzung der Konjunktur und ganz besonders damit die weiteren Preis-
steigerungen die Gewerkschaften auf die Dauer nicht aushalten werden
können. Er meint ganz besonders, daß Benya dann außerstande sein wird,
die Wünsche der einzelnen Gewerkschaftsmitglieder nach höheren Löhnen
zurückzudämmen und wenn er dies trotzdem macht einen Erfolg erreicht,
wie ihn die englische Gewerkschaftsführung feststellen mußte. Nämlich
daß die Betriebsräte und vor allem die Gewerkschaftsmitglieder sich
dann von der Gewerkschaft selbst distanzieren und eine eigene Politik
machen. Wir kommen überein, daß Kienzl, aber auch Frisch und Wanke
morgen im Institut eine diesbezügliche grundsätzliche Besprechung
über ein Programm haben werden und daß vor allem jeder einzelne
sich überlegt, welchen Beitrag er punktmäßig für ein Stabilisierungs-
programm vorschlagen wird. Wir werden dann in Arbeitsgruppen in der
Wirtschaftskommission dieses Problem in Detail bearbeiten, um eine
gemeinsame Linie mit allen beteiligten Ministern zu finden.
Langer-Hansel ersucht mich um Zustimmung, daß wir in Amsterdam
ein neues Lokal mieten. Das derzeitige Lokal mit 100 m² kostet
1.400 Gulden + 250 Gulden, die wir für ein auswärtiges Lager im
Monat bezahlen müssen und ist uns schon viel zu klein. Bilder die
ich sehe sind wirklich verheerend, der Fernschreiber, der jetzt
in den Aussenstellen installiert wird, mußte in einem Klosett auf-
gestellt werden. Wir bekommen nun in der Nähe ein ganzes Haus mit
468 m² für 4.200 Gulden im 2. u. 3. Stück würden dann noch 309 m²
für uns zur Verfügung stehen, da man in Amsterdam, wie man mir mit-
teilte, nur Gassenlokale und 1. Stock günstig verwerten kann, höhere
Bauwerke stehen in der Innenstadtviertel meistens leer und werden
als Draufgabe für die Keller, Parterre und 1. Stock Vermietung gratis
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dazugegeben. Wir müssen darüber hinaus noch 100.000 Gulden für die
Investitionen und 70.000 Gulden für die Ausstattung bereitstellen.
Die größere Gefahr sehe ich aber darin, daß dann der Zweigstellen-
leiter mit Personalwünschen kommen wird, da er derzeit nur 7 be-
schäftigt und meint, daß in England, wo halb so viele Touristen nach
Österreich kommen, die doppelte Anzahl zur Verfügung steht. In der
BRD weist er darauf hin, hätten 30 Beschäftigte derzeit die Aufgabe
zu erfüllen, die er mit 7 Leuten erfüllen muß. Ich glaube wir
sollten wirklich, wenn jetzt die Bezüge der Aussenstellenleiter
neu regeln, gleichzeitig auch versuchen, eine klare Richtlinie über
Neueinstellungen zu finden. Natürlich kann sich dies nicht ausschließ-
lich danach richten, wie viele Gäste aus diesem Land nach Österreich
kommen. Es muß aber doch ein gewisser Richtsatz sein. Wenn die Österr.
Fremdenverkehrswerbung in einem Land nicht imstande ist mehr Gäste nach
Österreich zu mobilisieren, dann muß man daraus auch personalpolitische
Konsequenzen ziehen. Es wäre wahrlich eine schlechte Leistung von mir,
wenn ich mich zuerst mit Erfolg so bemüht hätte, die Budgetmittel
der österreichischen Fremdenverkehrswerbung entsprechend aufzustocken
und als einziges Ergebnis nur ein riesiger Behördenapparat aufge-
zogen wird. Dies gilt sowohl für die Zentralstele als auch für die
Aussenstellen.
Anmerkung für HEINDL:
Bei der Ausarbeitung des Gehaltsschemas diese Gesichtspunkte be-
rücksichtigen.
Tagesprogramm, 22.8.1972
Tagesordnung 37. Ministerratssitzung, 22.8.1972
12_0997_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
Fernschreiben APA-Meldung betr. sowj. Memorandum Bez. EWG-Öst.
Inoff. Übers. sowj. Memorandum Bez. EWG-Öst., 18.8.1972
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