Sonntag, 16. Juli 1972
Heinzi Kienzl von der ÖNB teilt mit, dass die Kreditausweitung
nur die Hauptursache für die Preissteigerungen sei. Dies ist mir
nichts Neues, da ja in der letzten Zeit bis zu 16 und 18 % die
Kredite zugenommen haben. Mein Motto, mässig aber regelmässig sollen
die Preise steigen, wird von Heinzi Kienzl akzeptiert, doch meint
er, dass dies jetzt nicht mehr mässig geschieht, sondern schon in
einem sehr starken Ausmass. Die Möglichkeiten, die die ÖNB hat sind
sehr gering und vor allem meint er, dass Androsch nicht bereit ist,
sich hier auch wirklich einzusetzen. Waldbrunner als derzeitiger
Vizepräsident bemüht sich, angeblich den Gegensatz zwischen Androsch
und Kienzl zu bereinigen. Kienzl meint, dass jeder Minister fürh
sein sollte, wenn er kritisiert wird, und weist besonders darauf
hin, dass ja ich überall Kritik suchen um ja richtig zu liegen
und mit den Genossinnen und Genossen durch Aussprache zu erfahren,
wo ich eventuell Fehler mache. Ich glaube, dass diese Aussage
den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht wird, da ich bis jetzt
im Rahmen der Sozial- und Wirtschaftspartnerschaft alle Probleme
in Wirklichkeit gemeinsam lösen konnte, habe ich doch verhältnismäs-
sig eine geringe Kritik aus den eigenen Reihen und sogar teilweise von
der Opposition erfahren. Anders sieht dies für andere Regierungs-
mitglieder aus. Hier kann ich mir sehr gut vorstellen, dass durch
ununterbrochene Angriffe und Kritiken der einzelne dann nicht
diese Grosszügigkeit an den Tag legt, die ich leicht machen kann,
weil ich in Wirklichkeit ja noch nicht im harten Kreuzfeuer der
Opposition oder der Sozial- und Wirtschaftspartner gestanden bin.
Ich bin schon sehr gespannt, wie es mir gehen wird, wenn ich z.B.
die gesamte Preisregelung in einem Ressort habe und dann entsprechenden
harten Angriffen von allen Seiten werde ausgesetzt sein. Ob ich dann
auch noch sehr erpicht bin, die kritischen Stimmen der eigenen Ge-
nossen zu hören und sie schalten und walten zu lassen, bezweifle
ich. Derzeit konnte ich alle Angriffe, die z.B. jetzt von seiten
der ÖVP kommen, die Oberösterreicher haben erklärt, dass ich gegen
das Interimsabkommen war, obwohl ja genau das Gegenteil der Fall
war, dass nämlich die Handelskammer das abgelehnt hat, oder die ein-
zelnen Wünsche der Gewerbeordnung, die ich doch im engsten
Einvernehmen oder zumindestens sehr weitgehend mit der Handelskammer
abgesprochen habe, geben mir natürlich jetzt einen guten Start
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und ein leichtes Parieren solcher unsachlichen und meistens auf
Fehlinformationen beruhenden Kritiken. Dass diese Situation
ganz anders sein wird und ich wahrscheinlich auch ganz anders
reagieren werde, wird wahrscheinlich in den nächsten Monaten sehr
bald zutage treten.