Samstag, 1. Juli 1972
Die Besprechung mit den Betriebsräten unter Anwesenheit des Betriebs-
direktor Felser hat ein wesentlich anderes Bild als Turnauer es mir
schilderte, ergeben. Zumindestens die Betriebsräte glauben, dass die
Verlustzone bereits sowohl für Schlöglmühl als auch für Weissenbach
überschritten ist. Wenn Turnauer in seinem Brief behauptet, dass sie
bis Mai einen Verlust von 1,6 Mill. ab Werkstor erreicht hätten,
so beinhaltet diese Ziffer 1,7 Mill. Zinsen, die zu tragen sind.
Seiner Betriebsabrechnung konnte ich allerdings entnehmen, dass
die Exporterlöse für die Papierproduktion von Schlöglmühl von 6.80
auf 5,75 in den ersten fünf Monaten 1972 zurückgegangen ist. Der Inlands-
preis mit 7,20 ist weitestgehend gleich geblieben. Damit stimmt der
von Turnauer mir angegebene Erlös von 5.20 nicht. Richtig ist allerdings
dass der vor 1 1/2 Jahre präliminierte Preis von 7.50 auch nicht
mehr erlöst werden kann. Als man 1970 die Investitionen mit 25 Mill. S
durchführte, um die neue Maschinen in Schlöglmühl zu installieren,
hatte man präliminiert, dass Kosten von 5.50 ein Preis von 7.50 gegen-
übersteht. In der Zwischenzeit hätte sich nach Angabe von Turnauer
die Kosten auf 7.50 erhöht und der Preis sei wesentlich unter die 7.50
gefallen. Der Zentralbetriebsratsobmann der Neusiedler, der neben
Teschl und NR Samwald ebenfalls anwesend war, meinte, dass die Taktik
von Turnauer die wäre, wenn sich ein Betrieb ein bisschen erholt,
sofort den Verrechnungspreis entsprechend zu ändern. So hätte auch
Weissenbach in den ersten fünf Monaten 3,3 Mill. Gewinn, allerdings vor
Abzug der AfA, erwirtschaftet. Nun soll der Verrechnungspreis von 5,20
S/kg Zellstoff auf 5.– gesenkt werden, wonach wieder ein entsprechender
Verlust entstehen würde. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass natür-
lich die Betriebe jeder einzelne für einen seinerzeit hohen Verrech-
nungspreis als die Papier- und Zellstoffpreise noch wesentlich höher
lagen, erhalten möchten. Die Zentrale und Turnauer selbst werden natür-
lich bestrebt sein, die entsprechenden Korrekturen dieser Preise auf
Grund der derzeitigen Erlöse vorzunehmen. Die Verluste für Schlöglmühl
erklärte der Betriebsdirektor und die Betriebsräte dadurch, dass
im Jänner 7 Tage Stillstand waren, eine Presse war ausgefallen, und
sie jetzt bereits im Mai 600.000 S positiven Abschluss erreicht hätten.
20.000 t gestrichene Papiere könnten leicht abgesetzt werden. Schlögl-
mühl ist die einzige Fabrik in Österreich, die diese Papiersorte er-
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zeugt. Samwald hat mit Czettel noch über die Stillegung von Schlögl-
mühl gesprochen und Czettel hätte ihm gesagt, man könnte mit einer
Unterstützung von Seiten des Landes rechnen. LR Schneider hat auch
am 6. einen Brief an die Neusiedler gerichtet, dass die Landesregierung
bereit sei, 3 Mill. S Ausfallshaftung zu übernehmen und 6 Mill. Kredit
zu geben. Da Turnauer aber 37 Mill. verlangt hat und 6 Mill. Verlust-
abdeckung, wird dieses Arrangement für ihn nicht befriedigend sein. Das
Sozialministerium, Min.Rat Lenert, hätte einen Betrag von 3 Mill. S
aus der produktiven Arbeitslosenfürsorge nicht rückzahlbar zur Verfügung
stellen können, sodass eigentlich die 6 Mill. S Verlustabdeckung
die Turnauer verlangte, aufgebracht wären. Teschl meint, dass es
sich bei der Neusiedler um ein ausgesprochenes Finanzierungsproblem und
keinesfalls um ein Kostenproblem der Werke handelt. Turnauer will
jetzt noch solange die Papierpreise so schlecht sind, Schlöglmühl
und Weissenbach schliessen. Wenn die Neusiedler 440 Mill. S Bankschulden
hat, wovon 200 Mill. kurzfristige Lieferantenkredite noch dazukommen,
von denen 40 sofort fällig sein sollten, möchte er aus Liquiditätsgrün-
den eben Schlöglmühl und Weissenbach abstossen. Teschl, d.h. die Ge-
werkschaft, drängt, dass er scheinbar auch eine kurzfristige Weiter-
führung des Betriebes, weil er sich dadurch erhofft, dass dann die
Papierpreise so hinaufgehen, dass ein Gewinn aus diesen beiden Betrieben
wieder zu erzielen sei. Ich gab den Kolleginnen und Kollegen zu erkennen,
dass ich eigentlich von so kurzfristigen Lösungen nicht viel halte,
sondern wenn sich herausstellt, dass der Betrieb wirklich nicht zu
halten ist, dann es doch zielführender wäre, so viel wie möglich für
die Belegschaft jetzt an zusätzlichen Leistungen herauszuholen. Ich
versicherte den Kollegen, dass ich mich unverzüglich mit der Landes-
regierung und dem Sozialminister ins Einvernehmen setzen werde, um
zu sehen, wie weit wirklich ein gemeinsames Vorgehen Turnauer noch veran-
lassen kann, die Betriebsschliessungen zurückzustellen. Die Maschine,
die in Schlöglmühl mit 2.40 m arbeitet, ist ungefähr halb so gross,
als man sie jetzt in der Welt baut und wie sie derzeit überall läuft.
Daraus ergibt sich diese unglückliche Kostensituation, die nur bei einer
Papierhausse überdeckt werden kann. Andererseits war es für mich natür-
lich erschütternd zu sehen, wie 320 Beschäftigte in einem doch verhältnis-
mässig abgelegenen Gebiet sich dann neue Arbeitsplätze werden suchen
müssen, die sicherlich im Raum Neunkirchen möglich sind, aber doch
für den Einzelnen eine grosse persönliche Belastung darstellen wird.
Dass Turnauer jetzt den technischen Direktor Meindl und jetzt sogar auch
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den Generaldirektor Fürstenberg rausgeschmissen hat, nachdem sie 1970
60 Mill. und 71 80 Mill. S Defizit erwirtschaftet haben, betrachte ich
eigentlich als eine natürliche Folge für diese Verlustpolitik. Immerhin
waren sie dafür verantwortlich, dass in Stuppach 60 Mill. und auch in
Schlöglmühl 25 Mill. neu investiert wurden, obwohl sich diese Investiti-
onen als Fehlinvestitionen auf lange Zeit erwiesen haben. Turnauer, der
bei Isovolta 76 % und bei Teich 70 % Anteil besitzt, kann scheinbar
nicht eine Finanzgruppe zwischen allen Betrieben zustandebringen. In
diesem Fall nämlich würde das Defizit von den anderen Aktivbetrieben
getragen werden und damit für ihn auch eine gewisse finanzielle Er-
leichterung für die Neusiedler sich ergeben.