Freitag, der 30. Juni 1972

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Freitag, 30.6.1972

Der Verband der Zeitungsherausgeber möchte zwei Aktionen: auf dem
Kreditsektor für die grösseren ERP-Kredite, die beim ERP-Fonds Kreisky
einzureichen wären und dann für die kleineren eine ähnliche Aktion wie
es das Gewerbestrukturgesetz bis 2,5 Mill. S Zinsenzuschüsse von 8 auf
5 %, d.h. 3 % vorsieht. In diesem Fall müsste eine neue Aktion gestartet
werden oder der Zeitungsherausgeberverband wird, obwohl er kein Gewerbe-
betrieb ist, im Gewerbestrukturverbesserungsgesetz mit einbezogen. Da
wir eine Novelle vom Gew.Strukt.Verbesserungsgesetz machen müssen, wenn
wir den Gewerbesteueranteil von 3 auf 5 % erhöhen, könnte – wenn Androsch
die erste Möglichkeit, eine eigene Aktion zu starten, ablehnt, was ich
eigentlich erwarte, gleich bei dieser Novelle auch der Wunsch der Zeitungs-
herausgeber, nämlich Einbeziehung ins Gewerbestrukturverbesserungsgesetz
untergebracht werden. Ich erwarte allerdings, dass hier die Handelskammer
schrärfstens dagegen protestieren wird. Der zweite Wunsch wäre, Tages- und
Wochenzeitungen bis zu einer Auflage von max. 100.000 Stück für das aus
dem Inland bezogene Rotationspapier eine entsprechende Sockelfinan-
zierung, d.h. eine Subvention oder eine Prämie zu geben. Der Forderungs-
punkt konnte zurückgestellt werden, da auch die Zeitungsherausgeber ein-
sahen, dass wir zuerst abwarten müssen, was die Papierindustrie in ihrem
Sanierungskonzept vorschlägt. Da dieses Konzept in den nächsten Monaten
zu erwarten ist, wird erst nachher über den Punkt konkret verhandelt.

Die Besprechungen mit Aussenminister Schumann über die Integration ver-
lief zwar sehr freundschaftlich in der Form, in der Sache konnte fast keine
Zusage von ihm erreicht werden. Ich trug sowohl unsere Forderung über die
Symmetrie über die Verkürzung der sensiblen Produkte-Zeiten, über die
Umstufung des Kapitels hochschmelzende Metalle als auch die Landwirt-
schaftswünsche vor. Kirchschläger hatte bereits am Vortag über die ein-
seitige Erklärung zur Wettbewerbsfrage als auch über die Dringlichkeitsfrage
bei dem Schutzklausel-Verfahren unsere Vorstellung Schumann gegenüber
auseinandergesetzt. Um mich nur auf diese Punkte zu konzentrieren,
habe ich meinerseits nur auf diese zwei Punkte hingewiesen, aber nicht
näher ausgeführt. Schumann replizierte, dass die globale Bilanz schon sehr
günstig für Österreich ist und die Berufsinteressen zurückgestellt werden
müssen. Frankreich war es, das die Industrielle Freihandelszone angeregt
hat und jetzt auch letzten Endes ermöglicht, obwohl die franz. Papier-
industrie keine Ausnahme aus dieser Freihandelszone mehr gibt, als
Verrat betrachtet. Er freut sich, dass die Ursprungsregelung, die Frank-


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reich und Österreich in Gesprächen gefunden haben endgültig jetzt von
der Tagesordnung weggewischt ist, weil sie damit positiv erledigt er-
scheint. Drei Gründe sind es, warum Österreich ein grosser Gewinner von
der jetzt vorgesehen Regelung sein wird.

1. hat die Freihandelszone uns die Möglichkeit gegeben, die Neutrali-
tät hundertprozentig zu wahren. Das jetzt abzuschliessende System ist
sehr grosszügig, denn selbst bei der EFTA und auch bei der EWG-
Gründung war die Übergangsperiode zehn Jahre, jetzt wird sie im
Grossen und Ganzen nur 5 Jahre sein. Die wirtschaftliche Vorteile
stehen keinen politischen Nachteilen gegenüber. Österreich muss sich
nicht an dem institutionellen System der EG beteiligen, Österreich dies
auch nie verlangt, zum Unterschied von Schweden, wo Palme zuerst eine
solche Beteiligung anstrebte.

2. stellt das Interimsabkommen, welches ich natürlich auch wieder forderte,
eine Belohnung dar, da Österreich so lange bereits mit der EG ver-
handelt. Wenn dieses Interimsabkommen 1973 in Kraft tritt, dann wird
eine 30 %-ige Zollsenkung wirksam.

3. Das Handelsvolumen zwischen Österreich und den europ. Staaten wird
sich günstig entwickeln und Sonderregelungen, die Österreich dadurch
bekommt, werden für sie günstiger als sein als für die Schweden, die
Schweiz und Finnland. Es gibt auch für Österreich weniger Probleme als 1
für diese drei Staaten.

Zu den einzelnen konkreten Punkten bemerkte Schumann: Papier wird keine
Möglichkeit sein, die 12 Jahre Übergangszeit zu verkürzen. Mr. Rippon
hat bei einem Mittagessen in Luxemburg im Gegenteil Forderungen über
den Zollaufbau gestellt, wenn eine Verkürzung auf 8 Jahre, die er gleich-
zeitig auch vorgeschlagen hat, nicht kommen sollte. Schumann hätte den
finnischen Minister einmal wegen dieser Problematik auch gesprochen und
dieser wollte eigentlich nur eine neuerliche Prüfung dieses Papierproblems
nach einer gewissen Interimsperiode. Die Edelstahlfrage und Kapitel 81 hat
für Frankreich einen grossen Einfluss. Nachher erörtert dann Schumann
das Problem des Plafonds und meibe, dass es sich hier nur um eine Indika-
tivlösung und nicht um ein Kontingent, das nicht überschritten werden
dürfe. Wenn der Plafonds überschritten ist, dann kann die EG-Kommission
Massnahmen ergreifen, muss aber nicht. Die Landwirtschaft kann in kein
Abkommen aufgenommen werden und deshalb muss man eine Lösung ausserhalb
des Abkommens finden. Für Rinder ist von grösster Bedeutung, dass die
Berechnungsart geändert wird und auch für Butter und Vollmilchpulver,


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das für Grossbritannien von Bedeutung ist, sollte man Lösungen suchen.
Dazu wurde die Kommission beauftragt. Im weiteren Gespräch korri-
gierte er sich und meinte, dass ja die Kommission auch kleine Kon-
zessionen bei Obst und Gemüse und Wein von Österreich erlangen
müsste. Nachdem mir als die wichtige Frage die Symmetrie erscheint,
habe ich neuerdings bei meiner zweiten Wortmeldung auf die Tat-
sache hingewiesen, dass man Unternehmen nicht erklären kann, dass
sie wohl gegenüber den EG-Industrien die Zölle im Züge des normalen
20 %-igen Abbaues in fünf Jahren beseitigt bekommen, sie selbst aber
in Lieferungen in die EG eine 7 resp. 12-jährige Periode für sensible
Produkte hätten. Schumann ging aber absichtlich auf dieses Problem
nicht ein, so wie er ja auch immer bei diesem Problem die Indikativ-
plafondlösung als so günstig darstellt, obwohl sie damit gar nichts zu
tun hat. Ich schliesse daraus, dass in der Symmetriefrage Schumann
zwar nicht zustimmen will, aber andererseits sicherlich erkennt,
dass dies der harte Kern vom Forderungsprogramm gegenüber der EG jetzt
noch ist. Mehr denn je bin ich davon überzeugt, dass wir in Brüssel
unserer Verhandlungsdelegation freien Spielraum geben müssen, um
mit Wellenstein doch zu einer Lösung zu kommen, die dieser dann
auch bei der nächsten Ministerratstagung vertritt. Wenn Wellenstein
nicht sehr positiv über den Verhandlungskommissionsmann Deniau unsere
Standpunkte dort erörtert, bin ich überzeugt, kann Frankreich leicht
auch andere dafür gewinnen, den Wunsch Österreichs oder die Wünsche
Österreichs abzulehnen.

Bundespräsident Jonas war über meine Berichterstattung von Luxemburg
aber auch über die unmittelbar vorangehende Aussprache mit Schumann
eigentlich ein wenig erschüttert. Er hat erwartet, dass Frankreich
grosszügiger die österreichischen Wünsche erfüllen würde. Im
Laufe der Diskussion setzte ich ihm dann allerdings auseinander, dass
dieser Vertrag, wie wir ihn jetzt abschliessen können, wenn ihn die
EG aus einem Guss gleichzeitig angeboten und keinerlei Verhandlungen
mehr ermöglicht, sofort von Österreich akzeptiert worden wäre und
man wahrscheinlich sogar erklärt hätte, dies sei eine Bestlösung.
Trotzdem werden wir uns bemühen, noch den einen oder anderen Punkt
in Brüssel durchzusetzen, obwohl ich mich keinen grossen Illusionen
mehr hingebe.

Bei der Dekretüberreichung hatte ich Gelegenheit auf die Personalpolitik


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näher einzugehen und insbesondere herauszustreichen, dass es jetzt erst-
mals nach etlichen zehn Jahren gelungen ist, vier neue Dienstposten
für das Patentamt zu erreichen. Ich strich ganz besonders heraus, dass
dies der geschickten Führung der Präsidialsektion unter Schipper gelungen
ist. Schipper gegenüber wies ich dann in seinem Zimmer darauf hin, dass
ich von Heindl erfahren hätte, dass er auch einen Opferfürsorge-
ausweis hat und eigentlich sich im Falle der Abberufung als Aufsichts-
ratsmitglied bei der Verbund als politisch Verfolgter brüskiert fühle.
Er meinte, dies sei nun erledigt und werde den Opferfürsorgler Wanke
jetzt durchrechnen lassen, und einen diesbezüglichen Antrag beim Bundes-
kanzleramt stellen. Ich versicherte Schipper neuerdings, dass ich mich
ganz auf seine Unterstützung und Erfahrung und insbesondere seinen
bedeutenden Einfluss im BKA vertraue, wenn dieser Fall positiv erledigt
werden kann und soll. Wanke glaubt zwar nicht mehr an eine mögliche Lösung,
er meint, dass die Zeiten der Kooperation von Seiten des ÖAAB und damit
auch letzten Endes vom CV endgültig vorüber ist.

Turnauer, Gen.Direktor Beranek, Min.Rat Anreiter und Dr. Haffner be-
sprachen den Wunsch der Neusiedler Schlöglmühl stillzulegen. Turnauer
behauptete, sie würden einen Verlust von 13 Mill. S erwirtschaften.
sagt dann, sie hätten doch der Landesregierung 6 Mill. S Verlust mitgeteilt
und diesen Betrag als Verlustabdeckung verlangt. Turnauer behauptete
auch, dass bereits die grossen Kunden, wie z.B. Kurier sich bei ausländischen
Firmen für das Spezialpapier, das er für seine Beilage benötigt und die
nur die Neusiedler in Österreich erzeugt, eindeckt. Daraus leitet er
ab, dass er unverzüglich die Schliessung des Betriebes in Angriff
nehmen muss. Vorerst hatte er beabsichtigt, dies erst im August zu tun.
In Weissenbach müsste er jetzt auf Grund der finanziellen Situation der
Neusiedler jetzt schliessen. Hier will er aber mit Unterstützung der Landes-
regierung bis März 1973 zuwarten, bis zu diesem Zeitpunkt ein Schweizer
Betrieb sich in St. Gallen aufgemacht haben soll, der die Arbeitskräfte
übernehmen könnte. Ich selbst erklärte Turnauer, dass ich am Samstag nach
Schlöglmühl fahren würde, um mit den Betriebsräten die ersten Besprechungen
zu führen. Unter vier Augen wollte ich dann von Turnauer erfahren, was
er bereit wäre, für die eventuelle Stillegung aufzuwenden. Turnauer ver-
sicherte mir, dass er ähnlich der Regelung bei der Stuppacher eine
zusätzliche Leistung erbringen werde. Er ventilierte auch ganz kurze
Zeit, dass er ebenfalls nach Schlöglmühl kommen würde. Zuletzt aller-
dings meinte er, es sei vielleicht doch zweckmässig, wenn ich zuerst
einmal mit den Betriebsräten Verhandlungen resp. Besprechungen führe


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Über sein Projekt mit den Holzhäusern klärte er mich auf, dass
er nicht beabsichtige, selbst in eine solche Produktion einzusteigen.
Er sei momentan in einer derart knappen finanziellen Situation, dass
es ihm unmöglich sei, selbst wenn dies ein sehr lukrative Produktion
sein könnte, einzusteigen. Er stimmte mir zu, dass primär versucht
werden müsste, die Bauordnungen zu ändern, da ansonsten eine Serien-
produktion von 200 Stück zu einem erträglichen Preis nicht möglich sei.
Darüber hinaus müsste noch von Seiten der Hypothekaranstalten eine
bessere Kreditgewährung erreicht werden, worüber er mir ein entsprechendes
Elaborat schicken wird.

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Tagesprogramm, 30.6.1972

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: frz. Außenmin. bis 1973


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: EG-Kommissar bis 1977


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Ybbs?


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: GD auswärt. Beziehungen EWG-Kommission


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              Tätigkeit: brit. Politiker [1971 brit. Delegationsleiter bei EFTA-Treffen in Reykjavik; zugl. Verhandler des brit. EWG-Beitritts - ein anderer Rippon kann wohl kaum gemeint sein?]


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                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


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                      Tätigkeit: SChef HM
                      GND ID: 12195126X


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                        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                        GND ID: 102318379X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Industrieller


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                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                            GND ID: 118566512


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                              Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                              GND ID: 118723189


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                                Tätigkeit: Beamter HM


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