Samstag, 17. Juni 1972
Die Austria-Ferngas hatten eine Vorstands- resp. Aufsichtsratssitzung
und mich nachher gebeten um eine Aussprache. Die Austria-Ferngas,
wo die einzelnen Landesgesellschaften sich seinerzeit zusammengeschlos-
sen haben, um ihre Interessen gegenüber der ÖMV aber auch gegenüber
der Ausland entsprechend vertreten zu können, möchte nun in einen
algerischen Liefervertrag für Ferngas einsteigen. Fünf Gesellschaften,
nämlich die Distrigas aus Belgien, die die Sprecher sind und
saarländische und südwestdeutsche und bayrische Gesellschaften
haben sich zusammengetan, um von Algerien, welches 10–13 Mia.
m³ Gas liefern kann, ebenfalls für Europa zu sichern. In der
letzten Phase ist auch Frankreich – Gaz de France – eingestiegen.
Dieses Konsortium verlangt nun, dass die Austria-Ferngas sich
spätestens in 30.6. bereiterklärt, eine Kaufabsichtserklärung
zu geben. Bis 31.7. müsste dann der Vertrag, der Lieferungen ab
1977/78 vorsieht, perfekt sein. Die Austria-Ferngas möchte 1,5 Mia.
+ 500 Mill. m³ Option abschliessen. Der Preis würde sich auf
40 Cent stellen. Indexmässig soll eine 2 % Preiserhöhung pro Jahr
dazukommen. Dadurch würde der Preis für dieses Gas 62 Groschen
ab Grenze betragen. Hauptsprecher waren Dr. Gruber von der Niogas und
Geschäftsführer Schmidt der Austria-Ferngas. Die bisherigen Ver-
handlungen über weitere Lieferungen mit der ÖMV seien bis jetzt
sinnlos gewesen und hätten kein Ergebnis gezeitigt. Die ÖMV kann
allerdings und dies habe ich den Herren deutlich erklärt. solange sie
selbst von den Russen keinerlei bindende Zusagen oder Verträge hat,
auch der Austria Ferngas nicht mehr Gas zur Verfügung stellen. An-
dererseits wies ich aber darauf hin, dass schon einmal die Niogas
durch Dr. Huber die ÖMV-Verhandlungen insofern torpediert haben,
als sie 42 Groschen/m³ Gas den Russen boten. Damals wurde von
Mitterer einvernehmlich mit den Gesellschaften entschieden, dass
nur die ÖMV gegenüber den Russen als Importeure auftreten solle und
dann auch 39,34 Groschen/m³ vereinbart. Ich erklärte, dass ich
zuerst die Besprechungen mit der ÖMV aufnehmen werde, bevor ich
eine endgültige Zustimmung zu dieser Absicht geben könne. Für die
zu erwartenden Lieferungen der Sowjetunion von unserem Wunsch weiterer
1,5 Mia. m³ stehen jetzt die Preisverhandlungen bevor Ich habe gröss-
tes Interesse daran, dass eine zweite Einspeisung ausser dem sowj.
Gas erfolgt. Doch müsste man hier wirklich Garantien haben, dass
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auch dann das Gas tatsächlich preiswert zu kaufen ist. Dr. Gruber
behauptete, er hätte vergeblich versucht, mit der ÖMV darüber in
Kontakt zu kommen. Ich erklärte sofort, dass die ÖMV unverzüglich
die Verhandlungen mit der Austria-Ferngas aufnehmen wird.
Beim Hinausgehen erklärte ich dann noch dem mich begleitenden Stadt-
rat Nekula, dass man dies doch auch unter politischen Gesichtspunkten
sehen müsse. Dr. Gruber wird jetzt die Verantwortung für die Gasversorgung
der Regierung aufhalsen wollen, deshalb müssten wir uns unbedingt
fraktionell vorbesprechen. Zu diesem Zweck habe ich dann den ganzen
Tag versucht, Direktor Feichtinger von der ÖMV zu erreichen und mit
ihm vereinbart, dass wir fraktionell eine Besprechung im Ministerium
zwischen Stadtwerken, ÖMV und mir stattfinden sollen. Unsere Politik
muss sein, dass wir selbstverständlich ach von wo anders Gas be-
ziehen aber doch nur seriöse Verträge abschliessen. Dies muss auch
in einer Art und Weise geschehen, dass die SU nicht beleidigt ist
oder den Beleidigten spielt und uns dann entweder überhaupt kein
zusätzliches Gas oder zu einem horrenden Preis gibt. Die jetzigen Wünsche
lauten: Gaz de France 2.175 Mia., Distrigas Belgien 1,85 Mia.,
Saarland 2,3 und Süddeutschland Württemberg 1,6 und Bayern 1,5 Mia.
Dazu käme Österreich mit 1,5 Mia. Das Konsortium hat noch eine
zusätzliche Option von 3 Mia. und weitere 500 Mill. würde Österreich
Option anmelden. Darüber hinaus interessiert man sich jetzt auch
in der BRD Rheingegend mit 1,5 Mia. zusätzliche Gaslieferung. Mein
erster Vorschlag, es sollte sich ein anonymes Konsortium an diesem
Vertrag beteiligen, hat keine Chancen, da man bereit seinerzeit einen
Wunsch dieser anonymen Gesellschaft, die sich Ogen-Gas genannt hat,
von Seiten der Algerier abgelehnt hat. Die Algerier sind nur bereit,
konkrete Geschäfte mit konkreten Firmen abzuschliessen. Angeblich
interessieren sich jetzt bereits auch die Amerikaner für dieses Gas
und es ist die grosse Gefahr, dass in Hinkunft Österreich, wenn es
nicht akzeptiert, ausgeschlossen bleibt. Gen.Direktor und ich
vereinbarten, dass die fraktionelle Besprechung bei uns im Mini-
sterium am Montag stattfinden soll, dass aber die Verhandlungen dann
zwischen der ÖMV und der Austria-Ferngas zuerst ohne meine Anwesen-
heit stattfinden sollten. Ich hatte gegen diese Vorgangsweise nichts
einzuwenden, da ich ja überhaupt auf dem Standpunkt stehe, dass ich mich
hier nur dann einschalten werde, wenn es zu keiner einvernehmlich Auf-
fassung zwischen ÖMV und Austria-Ferngas kommen sollte.