Mittwoch, 31. Mai 1972
Im Klub teilte Gratz mit, dass Fischhof Schieder aufgefordert,
einen Intelligenztest abzulegen. Schieder wollte vorher die Geneh-
migung des Klubs dazu haben. Die Idee war, die drei jüngsten Abge-
ordneten zu testen. Hanreich von der FPÖ hat bereits den Test mit
135 Intelligenzquotient bestanden. Schwimmer hat sogar noch mehr,
nämlich 137 erreicht. Dies ist eine irrsinnig hohe Zahl, es werden
höchstens 1 % der Bevölkerung angenommen, dass sie einen solchen
Intelligenzquotientengrad erreichen kann. Ich bewundere eigentlich
Schieder, dass er sich trotzdem zur Verfügung stellt. Die Prüfung be-
steht aus dem Rorschach-Test, dem Management-Test und Kooperations-
test.
Tull ersuchte den Bundeskanzler, dass auch im Finanzausschuss, wo
immer die entsprechenden Personalgesetze verhandelt werden, stets
zumindestens ein Staatssekretär anwesend sein sollte. Kreisky
gestand freimütig, dass er unmöglich diese Materie noch erlernen
könnte, er meinte, da müsste er 20 Jahre jünger sein, er verwies
darauf, dass der Fachmann der Gewerkschaft Robert Weisz sei, der
alle Details bis ins letzte beherrscht. Zum Aufputz wird er dafür
sorgen, dass ein Staatssekretär im Ausschuss anwesend ist.
Sallinger und Mussil kamen mit den Vertretern der oberösterreichischen
und Salzburger und Vorarlberger Kammern, um über die Abwanderung der
Arbeitskräfte mit Kreisky, Häuser und mir zu diskutieren. Mussil wies
darauf hin, dass er insbesondere auf arbeitsrechtlichem Gebiet bei
z.B. Nebenlohnkosten entsprechende Entlastung wünscht, andererseits
die Überstundengenehmigungen vereinfacht werden sollen. Auf dem
Neukreditsektor wünscht er eine Sonderaktion und dass insbesondere
die Bürges und das Gewerbestrukturgesetz diese Gebiete mehr berück-
sichtigen. Seinen Bemerkungen war zu entnehmen, dass er insbesondere
den Abschluss zwischen Androsch, Kreisky auf der einen Seite und der
FPÖ auf der anderen Seite auf Erhöhung der 3 % Gewerbezuschuss auf 5 %
Gewerbesteuerzuschuss zum Gewerbestrukturverbesserungsgesetz als eine
grosse Niederlage für die Handelskammer empfindet. Er meinte, sie
hätte dies seit eh und je verlangt und der Handelsminister und der
Finanzminister hätten es ständig abgelehnt und jetzt sei es dann
letzten Endes doch andere zugestanden worden.
Dr. Keimel, der ebenfalls anwesend war, hat dann auch im
Nationalrat beim Budgetüberschreitungsgesetz dieses Problem
zur Sprache gebracht. Ich sass zufällig auf der Regierungsbank,
weil Androsch rausgehen wollte und habe ihm deshalb auch
sofort geantwortet. Insbesondere habe ich die Behauptung, das
die Bürges-Aktion von uns verschlechtert wird, zurückgewiesen.
Dies sei ein Beschluss des Aufsichtsrates und bei der Besprechung
mit Kreisky wies ich noch besonders darauf hin, dass der Auf-
sichtsrat sowieso im Juni abläuft und neu bestellt wird. Mussil
hat noch gemeint, man müsste halt den Aufsichtsräten eine
entsprechende Weisung geben, da es sich doch um Beamte handelte.
Da behauptete ich frech, dass ich eine solche Möglichkeit gar
nicht besitze, da die Beamten derzeit schon pensioniert sind,
Mussil meinte, er wird mit den Beamten sprechen und sie ent-
sprechend beeinflussen. Falls er dies wirklich macht, ist damit
der Beweis erbracht, wie sehr die Handelskammer sich in Organe
einmischt und ihre Politik durch Beamte des Hauses in der Bürges
verfolgen lässt.
Landesrat Schneider von NÖ wollte von mir eine Zusicherung, dass
ich bereit wäre, der Neusiedler AG, damit sie den Betrieb in
Schlöglmühl aufrechterhält, 6 Mill. S verlorenen Zuschuss zu
geben. Nur unter diesen Bedingungen überlegt die nö. Landes-
regierung, gegebenenfalls bis zu 40 Mill. Betriebsmittelkredit
für Schlöglmühl aufzubringen. Ich erklärte mich sofort ausser-
stande, 6 Mill. für einen Einzelbetrieb zur Subventionierung
bereitstellen zu können. Da die Papierindustrie aber mit der
Gewerkschaft ein entsprechendes Sanierungskonzept ausgearbeitet
hat, was man mir allerdings bis jetzt vorbehielt, habe ich
darauf hingewiesen, man sollte abwarten, was dieses Sanierungs-
konzept vorschlägt. Schneider war damit sehr einverstanden,
und meinte, ob ich dann bereit wäre, gegebenenfalls eine
Besprechung im Handelsministerium einzuberufen. Eine solche
Zusage habe ich ihm sofort gegeben.
Die konstituierende Sitzung über die Erstellung des Entlastungs-
kataloges für die Mehrwertsteuer wurde in einem grossen Rahmen ab-
gehalten, obwohl keine Spitzenleute der Interessenvertretungen
anwesend waren. Weder ein Generalsekretär geschweige denn ein
Funktionär hat sich für diese Arbeit interessiert. Dies betrachte
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ich als ein gutes Zeichen, weil man scheinbar sofort die Leute
beschickt hat, welche die entsprechenden Arbeiten bis jetzt in den
Kammern und im ÖGB geleistet haben. Am Freitag, wo es um die Be-
sprechungen mit Rösch wegen des Preisgesetzes geht, werden dagegen
zumindestens die Generalsekretäre anwesend sein. Die Verhandlungen
ziehen sich sehr. Ich sehe die Hauptschwierigkeiten weniger darin,
dass wir genau auf ein Zehntel Prozent sogar auf ein Prozent den
Vorsteuerabzug bei jeder Spanne z.B. festlegen als darin, dass
wenn wir eine zu rigorose Berechnung machen die Gefahr besteht,
dass dann der Unternehmer ganz einfach eine höhere Spanne annimmt,
als er bis jetzt gehabt hat. Wenn wir z.B. errechnen, dass an
Stelle eines 25 %-igen Zuschlages des Zuschlag jetzt in Hinkunft nach
Vorsteuerabzug nur 21 % sein soll und der Betreffende diese Regelung
für zu hart empfindet, dann wird er ganz einfach hergehen und er-
klären, er hat bis jetzt 30 % aufgeschlagen und wird halt in Hin-
kunft die errechneten 24 % Aufschlag dazuschlagen. Ich glaube des-
halb, dass es zielführend ist und in dieser Hinsicht werde ich mit
Arbeiterkammer und ÖGB noch speziell reden, eine einvernehmliche
Lösung unter allen Umständen mit der Handelskammer zu erzielen. Nur
unter diesen Gesichtspunkten kann man damit rechnen, dass die Unter-
nehmer dann tatsächlich in der grossen Masse bereit sind, tatsäch-
lich die einvernehmlich festgelegten Abschläge vorzunehmen. Gerade
auf dem Handelsspannensektor, der eminent für die weitere Preisge-
staltung der Letztverbraucherpreise sein wird, hängt es aus-
schliesslich davon ab, wie sehr die Disziplin in den einzelnen
Sparten eingehalten wird. Da es keine einheitliche Spanne auf den
einzelnen Sektoren gibt, selbst der Lebensmittelhandel hat die
verschiedensten Rohaufschläge, muss es bei den Entscheidungen für
das einzelne Unternehmen auf den Unternehmer selbst ankommen,
welchen Abschluss er durchführt. Da es aber auch eine sehr grosse
Differenzierung zwischen normalen Handelsspannen und Diskonthandels-
spannen gibt, wird sich wahrscheinlich der Rohaufschlag für den
Kleinhandel z.B. zwischen 20 und oft 100 % bewegen. Im letzteren
Fall, wo es sich um verderbliche Güter, wie Z.b. Obst und Gemüse
handelt, wird die neue Spanne wesentlich reduziert werden können,
da die Umsatzsteuer bisher auch vom Schwund und von der verdorbenen
Ware bezahlt werden musste. Je mehr man in die Details einsteigt,
umso schwieriger und komplizierter wird eine generelle Regelung
werden.
Mit den fünf Delegierten des Klubs zum Fremdenverkehrstag habe
ich gesprochen. Die Handelskammer hat nun ihr ganzes Forderungs-
programm durch Würzl uns zur Kenntnis gebracht. Ich habe befürchtet
und es hat sich nun bestätigt, dass die Absicht besteht, am Fremden-
verkehrstag alle Wünsche, die irgendeine Gruppe nur hätte, sei es
auf finanziellen, kreditmässigen oder sonstigem Gebiet dort
präsentiert werden. Unter diesen Umständen würde der Fremdenverkehrs-
tag in einen Forderungskatalog an die Bundesregierung ausarten.
Würzl sagt mit Recht, dass dies auch bei den anderen – 1967 und 1969 -
der Fall gewesen ist. Damals aber hat die ÖVP es leichter gehabt, näm-
lich entsprechend eine Forderung an die Regierung durch die
Handelskammer stellen zu lassen und halt dann auf die lange Bank
zu schieben. Jetzt würde dies bedeuten, dass man dann unverzüglich
insbesondere das Finanzministerium, den Finanzminister attackieren
würde, dass der Fremdenverkehrstag einen solchen Beschluss gefasst
hat. Ich habe deshalb unsere Delegierten ersucht, sie mögen unter
allen Umständen versuchen, in den Arbeitsausschüsse III und IV, wo es
sich um die finanziellen Probleme handeln wird, zu gehen und dort ent-
sprechend diesen Forderungen entgegenzutreten. Sicherlich, der Fremden-
verkehrstag kann nur einstimmige Beschlüsse fassen, ich kann als Vor-
sitzender dann entsprechend manipulieren, doch müssen wird doch
schauen, dass dann nicht eine Stimmung aufkommt, wie wenn wir uns gegen
berechtigte Forderungen der Fremdenverkehrswirtschaft stellen wollen.
Aus diesem Grund muss bereits in den Arbeitsausschüssen versucht
werden, ein vernünftige Konzept zu finden. Ich habe Androsch er-
sucht, er soll mir mitteilen, ob er z.B. bereit wäre, die Abschrei-
bungen für die Nass-Einheiten, die bis vor Aufhebung dieser Mög-
lichkeiten durch die Obersten Gerichtshof gegeben war, durch Ge-
setzesnovelle wieder einzuführen. Mit einer solchen Zusage könnte man
z.B. die Forderung, dass die Gebäudeabschreibung überhaupt von 2 %
auf 5 % erhöht werden sollte, entgegentreten. Ich zweifle nicht daran,
dass wir bei der Tagung in Baden dann die ärgsten utopischen Forde-
rungen abbiegen können. Trotzdem darf aber nicht der Eindruck ent-
stehen, dass wir uns ausschliesslich gegen die Fremdenverkehrswirt-
schaft aussprechen. Wenn es auch bisher üblich war, ein reines Forde-
rungsbukett dann auf den Fremdenverkehrstagen der Regierung zu
präsentieren, dürfen wir, um den neuen Stil zu präsentieren, keinen
solchen Weg einschlagen.
Anmerkung für Heindl: Bitte doch alle uns zur Verfügung stehenden
Funktionäre von dieser Taktik zu verständigen.
Tagesprogramm, 31.5.1972 (Kopie mit hs. Notizen)
Tagesprogramm, 31.5.1972 (Original mit abweichenden hs. Notizen)