Montag, der 29. Mai 1972

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Montag, 29. Mai 1972

Glück muss der Mensch haben! Für den internationalen Getreidekongress,
den ich eröffnen sollte, hatte ich keinerlei Unterlagen und Facts be-
kommen. Beim Saaleingang wurde die Fachzeitschrift des österr. Getreide-
handels verteilt. Ein Artikel darin handelte über die Leistungs-
fähigkeit des Handels, der noch immer im Durchschnitt 40 % des Getreides
in Österreich übernimmt, wobei Kontraktweizen festgehalten wurde,
dass es knapp über 30 % sind, da die Genossenschaften ihre Machtposition
zum Abschluss des Kontraktes mit den Bauern ausnützen, um doch in grösserem
Masse dann auch von diesen beliefert zu werden. Der Druckfehlerteufel
hatte statt Kontraktweizen Kontaktweizen geschrieben. Ich stellte die
Frage, ob dies tatsächlich ein Druckfehler war, oder vielleicht von dem
Schreiben eine Freud'sche Fehlleistung, was man eben Kontakt mit den zu
vergebenden Stellen haben muss, damit man eben den grösseren Anteil erhält.
Ich hatte die Ziffern, die ich so dringend brauchte, einen Gag und ausser-
dem konnte ich bei dieser Gelegenheit gleich über die international
schwierige Situation des Getreidehandels sprechen. Auf der einen Seite
als freier Handel im Westen organisiert und doch mit dem Genossenschafts-
problem konfrontiert und den Marktordnungen, die es in allen Staaten gibt,
auf der anderen Seite der Osten mit den Staatshandelsmonopolen, darüber
hinaus aber noch die inländischen Probleme der preisgeregelten Ware und
damit die Schwierigkeiten, die sich Verfechter der freien Wirtschaft,
die meistens aber nur am Papier verlangt wird, ergibt. Bei dieser Gelegen-
heit konnte ich neuerdings meine Forderung anbringen, man möge sich über
die Preisgestaltung und über die weiteren Möglichkeiten einer Reglemen-
tierung auf dem Getreidesektor den Kopf zerbrechen, um uns vielleicht
bessere Vorschläge zu machen. Auf alle Fälle sagte ich auch in diesem
Kreis, dass die Marktordnung und die Preisregelung, wie wir sie
derzeit haben, auf die Dauer nicht wird zu halten sein. Da Sallinger
und Slavik vor mir sprachen hatte ich auch einige Beziehungspunkte zu
ihren Ausführungen. Alle, die die Vorbereitungen aus unserem Haus, die
so mangelhaft waren, nicht kennen, würden annehmen, dass es eine gelungene
und wohldurchdachte und vorbereitete Rede gewesen ist.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Warum haben wir eigentlich nicht Hauffe vor längerer
Zeit aufgefordert, entsprechende Unterlagen zu liefern?

Die Integrationsbesprechung, die leider nicht anders festgelegt werden
konnte als zu einem Zeitpunkt, zu dem ich eben den Kongress eröffnen


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musste, und dann sehr bald wieder weggehen musste, weil wir dann die
Frühstücksrunde mit den Journalisten haben, befasste sich ausschliess-
lich mit den landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten. Ich war noch
nicht anwesend, wie Dr. Strasser von der Landwirtschaftskammer dezidiert
erklärte, seine Anwesenheit dürfte als eine Zustimmung seiner Interessen-
vertretung aufgefasst werden. Schön langsam beginnt sich die Landwirtschaft
von den Verhandlungen formell zu distanzieren. Ich bin neugierig, wann
die Handelskammer diesem Beispiel folgen wird. Noch immer behaupte
ich aber steif und fest, dass alles im engsten Einvernehmen mit den Inter-
essenvertretungen geschieht und mir wird es kaum wer widerlegen können.
Solange sie anwesend sind und solange sie keine Alternativvorschläge
für Brüssel wohl in der Erstattungsfrage für die innerösterreichische
Problematik machen, solange glaube ich, werde ich auch mit diesem Argument
durchkommen und recht behalten.

Bei der Aussprache mit Sallinger und Mussil griff ich letzteren ganz
hart an. Erst warf ich ihm vor, dass bei der letzten Nationalrats-
debatte über die Integration er auch eingestimmt hat in den Ruf:
Staribacher verrät die Landwirtschaftsinteressen. Er versuchte dies
abzustreiten und wir werden uns mit dem stenographischen Protokoll noch
einmal mehr beschäftigen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte dieses sofort mir vorlegen, wenn es erscheint.

Der Vorschlag von ihm in der Pressekonferenz, den EWG-Vertrag schlimmsten-
falls um ein halbes Jahr später in Kraft zu setzen und länger zu verhan-
deln, geht nach seinen Ausführungen auf die ununterbrochenen Fragen
von Journalisten insbesondere Romés zurück. Romé hätte einen Tag vorher
eine Aussprache mit einem bedeutenden Wirtschafter, er wollte mir nicht
sagen, wer es war, und der hätte ihm erklärt, man würde den Vertrag auch
akzeptieren, so wie er jetzt von Seiten der EWG-Kommission vorgelegt
wird. Um mir meine Handelsposition zu verbessern, hätte er eben
jetzt erklärt, dass - wenn der Vertrag eben nicht verbessert wird - man
gegebenenfalls ein halbes Jahr länger halt verhandeln müsste. Er selbst
wollte mich hier nur unterstützen und keinesfalls einen Vertragsabschluss
sabotieren, obwohl er sich klar ist, dass dieses Verlangen nicht erfüllt
werden kann, sondern eben der Vertrag so wie alle anderen Verträge
mit den Nicht-Beitrittskandidaten Mit 1.1.1973 in Kraft treten müsste.



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In der Chinafrage, wo ich ihn am härtesten angriff und er meinte, er
sei scheinbar heute überhaupt nur hier, um von mich attackiert zu werden,
hätte er nur einen Beschluss des Vorstandes, der allgemein zugänglich
sei, den Journalisten interpretiert. Er hätte von der Abteilung einen
Bericht bekommen, dass wir die Liberalisierung weiter treiben wollen
und vor allem die Zollämterermächtigung den Oststaaten einräumen wollen
und dies im Vorstand eindeutig auf seinen Bericht dahin abgelehnt worden
und nichts anderes hätte er den Journalisten mitgeteilt. Da er sich seiner
Schuld vollkommen klar ist, ich habe neuerdings mit Gleissner, den ich
getroffen habe, auf diese Fehler hingewiesen, versucht er sich jetzt
auf den Vorstand und deren Veröffentlichung auszureden. Gleissner selbst
wollte darüber hinaus mir sogar einreden, dass dies unsere Verhandlungs-
position gegenüber den Chinesen stärkt, wenn wir den Chinesen erklären,
dass wir sie nicht so behandeln wie die Russen, mit denen sie ja derzeit
politisch übers Kreuz sind. Blödere Argumente eben wie was der Vorstand
beschliesst, sei öffentlich und müsste daher auch in Pressekonferenzen
erörtert werden oder die Chinesen werden froh sein, dass wir sie nicht so
behandeln wie die Russen, in dem Fall allerdings schlechter, gibt es ja
gar nicht. Ich werde trotzdem diese falsche Politik in der Öffentlichkeit
nicht hochspielen, denn ich glaube, dass wir dies als Argument noch
irgendwann einmal gut gebrauchen können. Es wurde von mir in aller Schärfe
vorgebracht und damit auch Sallinger dokumentiert, der sich nebenbei bemerkt
deutlich sichtbar auf meine Seite stellte. In krassen Gegensatz zu Sallinger
kam ich allerdings mit dem Problem der Kommerzialräte. Kärnten hat der
neue Handelskammerpräsident mit Sima vereinbart, einen Sozialisten zu
befürworten, gleichzeitig aber der BHK vorgeschlagen, auf ihr Kontingent
den Mann zu übernehmen. Die Bundeskammer hat mir nun einen Brief ge-
schrieben, wo sie das befürwortet, erklärt aber, dass sie kein Kontingent
dafür hat. Ich verlangte von Sallinger, dass sein Mann in Kärnten
mit Sima sich in diesem Fall nicht nur so einigen kann, dass er formell
dann bei mir diese Frage landet, sondern dass es tatsächlich zu einer
befriedigenden Regelung kommen muss. Ich wies neuerdings darauf hin,
dass sowohl die Herren des Hauses als auch der Herr Bundespräsident
auf dem Standpunkt stehen, dass in Kommerzialratstitelverleihung ich
ausschliesslich allein zuständig bin und ich diese Zuständigkeit galanter-
weise allerdings gegen Aufteilung zwischen Freiem Wirtschaftsverband
und Wirtschaftsbund der Bundeshandelskammer übertragen habe. Ich werde
von allen Stelen gedrängt, diese mir allein zustehenden Rechte auch
wieder auszuüben. Auf die Frage von Sallinger, wie ich denn da vorgehen
würde, sagte ich, nach dem Proporz des Nationalrates, denn dann könnte


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man mich kaum angreifen. Ich glaube, man sollte jetzt schön
langsam die Handelskammer wissen lassen, dass wenn sie mit mir
nicht im Einvernehmen vorgehen will oder kann, dass es für sie
bei den AHF-Gebühren und bei den Kommerzialratstiteln andere Lösungen
als die derzeitige gibt. Bei diesem politischen Spiel muss man nur
taktisch sehr vorsichtig vorgehen, damit nicht irgendjemand dann dieses
Problem wirklich aufgreift, hochspielt und mich dann in eine Angriffs-
position bringt, von der ich nicht mehr zurück kann.

In der Frage des Weltdokumentationszentrums hat Auracher darauf ver-
zichtet näher mit der Gemeinde und härter zu verhandeln, um zuminde-
stens seinen Raumbedarf durch Beistellung der Gemeinde Wien zu decken.
Slavik, den ich abends bei den Zauberern traf und deshalb ansprach,
meinte, die Gemeinde Wien könnte doch nicht für den Bund solche Sach-
leistungen erbringen. Obwohl er, bevor wir die Weltdokumentation
vertragsmässig nach Wien gebracht hatten, bereit war, uns weitest-
gehend zu unterstützen. In Hinkunft habe ich die Lehre gezogen, wird
man eben Versprechungen oder Andeutungen bereits schriftlich fixieren
müssen, bevor es zu einem Abschluss kommt.

Im Direktorium für die österr. Fremdenverkehrswerbung beschwerte
sich Dr. Zedek von der Handelskammer, dass wir in so grossen Abständen
erst Direktoriumssitzungen machen. Er glaubte, dass ich solche
bis jetzt abgelehnt habe, um meinen Zeitkalender nicht zu sehr zu
belasten. Ich erwiderte sofort, dass dies ausschlesslich vom Ge-
schäftsführer abhängt und ich jederzeit bereit bin, natürlich in kürzeren
Intervallen Sitzungen einzuberufen. Die zwei wichtigsten Fragen in
meinen Augen waren: die Möglichkeit, ob wir nicht, nachdem der Bund
ein grosses Bedürfnis hat, unsere Räume für die Sektion IV, die der-
zeit bei der ÖIAG sitzt, zu bekommen, mit der ÖIAG nicht einen ent-
sprechenden Vertrag schliessen könnten, dass wir bei irgendeinem
stillgelegten Gebäude der verstaatlichten Industrie billig ein-
ziehen können, wenn wir die Räume in der Hohenstaufengasse zur Ver-
fügung stellen. In der Hohenstaufengasse haben wir überhaupt nur
einen Vertrag, dass wir gegen dreimonatige Kündigungszeit jederzeit
auf die Strasse gesetzt werden können. Ich könnte mir z.B. sehr
gut vorstellen, dass wir ein stillgelegtes Verwaltungsgebäude kaufen.
Ein weiteres Problem ist das AUA-Lokal und der Wunsch, dass wir es
übernehmen in New York. Hier erklärte ich, dass die AUA, wenn sie uns


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entsprechende Flugbegünstigungen gibt, mit einem weiteren Entgegen-
kommen unsererseits rechnen könnte. Das zweite Problem ist der Film-
auftrag von 530.000 S, den wir Satel geben sollen. Ich weigerte
mich strikte, hier entsprechende Zusagen zu machen, solange nicht
bei ausländischen Fernsehgesellschaften klargestellt ist, wann unsere
Beiträge kommen würden. Der allgemeine Hinweis, dass dies im Sinne
eines Programmaustausches geschehen würde, ist nichtssagend, denn
wir können dann zu einer Nachtzeit gesendet werden, die vollkommen
uninteressant ist. Für Pausenfüller würden wir keinesfalls eine halbe
Million ausgeben. Nach der Sitzung habe ich den Geschäftsführern und
Zolles und Kübler noch einmal auf diese drei Punkte aufmerksam ge-
macht und erklärt, dass sie hier keinerlei Zusagen machen sollen,
ohne vorher mit mir resp. Heindl Kontakt aufgenommen zu haben.
Zedek hatte bei der Sitzung noch erklärt, dass sie beim Fremden-
verkehrstag die Forderung aufstellen werden, die Abschreibungssätze
für Gebäude von 50 Jahren auf 20 Jahre herabzusetzen. Ich sprach
mich sofort gegen eine solche weitgehende Forderung ganz entschieden
aus. Ich wies darauf hin, dass doch die ursprünglich Absichten darin
bestehen, dass die Nasseinheiten, wie sie vor dem Entscheid des Obersten
Gerichtshofes der Fall war, in der Abschreibung günstiger war.
Durch diesen Gerichtsentscheid werden sie jetzt zum Gebäude dazu-
gerechnet und mit 2 % Abschreibung begünstigt. Dr. Stix schloss
sich dann meiner Argumentation an, und meinte, es wäre sinnvoll
nur die Nasseinheit-Abschreibungserhöhung zu verlangen, wie sie vor
dem Gerichtsurteil bestanden hat, denn dies würde nur den Fremden-
verkehrsbetrieben zugutekommen. Die allgemeine Herabsetzung für
Gebäude würde dagegen allen Wirtschaftszweigen zugutekommen, viel
Geld kosten und natürlich damit sofort auf den Widerstand des
Finanzministers stossen. Aus dieser Diskussion habe ich entnommen,
welche grosse Gefahr uns beim Fremdenverkehrstag drohen wird. In
den Arbeitsausschüssen wird man ein ganzes Bukett von Forderungen an
den Finanzminister ausarbeiten. Selbst wenn ich mich als Vorsitzender,
der dann die Zusammenfassung machen wird, mich noch so bemühen werde,
dies nicht in einem reinen Fundierungsprogramm an den Finanzminister
ausarten zu lassen, wird natürlich eine ganze Reihe von Wünschen an
ihn gerichtet sein. Zedek hatte z.B. auch die Idee, dass wenn schon
die Getränkesteuer eingeführt wird auf Bier, diese ausschliesslich
für Fremdenverkehrsaufgaben zweckgebunden werden soll. Der Finanz-
minister wird und muss einen Grossteil, um nicht zu sagen, alle
diese Forderungen wahrscheinlich ablehnen. Das Endergebnis wird dann


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sein, dass wir im Laufe der nächsten Monaten uns immer werden aus-
einandersetzen müssen mit der Öffentlichkeit, dass die Fremdenverkehrs-
wirtschaft unter meinem Vorsitz die und die Forderung gestellt hat
und der Finanzminister keine einzige oder unbedeutende nur erfüllt hat.
Ich sehe also eine ganz schwierige Zeit auf diesem Sektor vor uns.
Ideal wäre es, wenn wir den Fremdenverkehrstag umfunktionieren könnten
wie den Verkehrstag, den der Verkehrsminister führt. Dort werden in der
Diskussion nach dem Referat von Frühbauer immer die Wünsche der
einzelnen Stellen berücksichtigt und vorgetragen. Dies erstreckt sich aber
meistens auf den Wunsch, dass der Zug dort hält und dass das Schiff doch
nicht eingestellt wird und der kleine Flughafen von einem Flugzeug
doch angeflogen werden soll usw. Die Bundeskammer-Vertreter werden
jetzt bereits in Vorbesprechungen ihre Linie fixieren. Wenn wir hier nicht
entsprechenden Einfluss ausüben können, muss es in ein paar Monaten in
diesen Fragen zum Debakel kommen.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Sofort eine Fraktionsbesprechung, gegebenenfalls
für Samstag Vormittag einberufen.

Bei der Ministerratsvorbesprechung zeigte Kreisky den Film, den der
ORF ausgestrahlt hat von der Nixon-Demonstration und den Zusammenstoss
mit der Polizei und auch die Stellen, die angeblich vom Fernsehen
nicht gebracht werden konnten, weil sie noch furchtbarer waren. In
Wirklichkeit stellte sich dann genau das Gegenteil heraus. Das Fernsehen
hat genau die wüstesten und für sie sensationellsten Stellen gesendet.
Endgültig konnte jetzt festgestellt werden, dass 33 Demonstranten
und 25 Polizisten verletzt wurden. Sachschaden wurde für 90.000 S fest-
gestellt. Rösch wird das nächste Mal einen Film zeigen, den die Gendarmerie
aufgenommen hat.

80 Honorarkonsuln kommen am 6.6. zu Kreisky und um 13 Uhr gibt er
ein Buffet.

ANMERKUNG: Bitte den Termin vormerken.

Der Unterausschuss für die Mehrwertsteuer ist geplatzt, da die ÖVP
erklärte, Verhandlungen zwischen SPÖ und FPÖ über die Mehrwertsteuer
seien eine Brüskierung des Parlamentes. Mussil hat eine diesbezügliche
Äusserung auch vormittags bei der Besprechung mir gegenüber gemacht.
Ich habe ihm gegenüber schon erklärt, dass ich darin keine
Brüskierung sehe, wenn eine Partei mit einer anderen Partei Besprechungen


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führt. Aufgabe des Unterausschusses ist es ja nur, Formulierungen
zu finden und gegebenenfalls die Gesetzesstellen entsprechend abzuändern.
wenn eben ein Einvernehmen erzielt werden kann. Da diese Argumentation
sehr schwach ist, hat jetzt die ÖVP erklärt, dass sie deshalb die Ver-
handlungen im Unterausschuss abgebrochen hat, weil entsprechende Aus-
künfte der Finanzminister verweigerte.

Ein schwedisches Architektenteam hat nun die UNIDO-Ausschreibung
und vor allem die Baupläne und die Absichten der österr. Bundesregierung
studiert und festgestellt, dass vom Funktionellen und vom baulichen
Standpunkt gegen das Projekt überhaupt nichts einzuwenden ist. Bedenken
haben sie, dass hier gigantische Kosten entstehen werden und dass
dieses architektonische Monument sehr viel über die wirklich notwendigen
Bauten hinausgeht. Kreisky teilte dies mit, ohne allerdings irgend-
welche Konsequenzen daraus zu ziehen. Hier ist wenigstens die Gemeinde
Wien mit einem gewissen Prozentsatz daran gebunden, während-
dem wir beim Weltdokumentationszentrum derzeit alles allein tragen
müssen.

Fischer wies darauf hin, dass im Parlament jetzt im Unterausschuss
über die Bundesländer-Kompetenzübertragung zu einem Stillstand gekommen
ist. Die VP wird solange die Arbeit nicht fortsetzen als wir nicht
zustimmen, dass unser einziger Wunsch, nämlich das Landarbeitsrecht in
die Bundeskompetenz zu überführen, zurückgezogen wird. Kreisky lehnt
ganz entschieden ab, dass wir der ÖVP entgegenkommen. Wenn sie weiter-
hin die Verhandlungen boykottieren, dann werden eben die ca. 48 Kompe-
tenzen, die wir vom Bund den Ländern übertragen werden, liegen bleiben.
Das geht dann eindeutig auf Schuld der ÖVP.

Häuser und andere Minister schnitten das Problem des Bundeshaushalts-
gesetzes an. Der Finanzminister hat bei den Beamtenbesprechungen
erklären lassen, dass auf politischer Ebene über die offenen Probleme
geredet werden sollte. Nun möchte Androsch den Entwurf das nächste Mal
in den Ministerrat bringen. Androsch war leider nicht anwesend, konnte
daher dazu nicht Stellung nehmen. Kreisky meinte aber, jeder Finanz-
minister hat bis jetzt das Bestreben gehabt, als Superminister
über die anderen zu herrschen. Dies gehe aber nicht an und man wer-
de deshalb, selbst wenn er nächste Woche kommt, ganz einfach die Materie


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zurückstellen. Den Ministern schwebt vor, dass ähnlich wie das seiner-
zeit beim Kompetenzgesetz war, zuerst auf der politischen Ebene,
d.h. unter den Ministern eine Abgrenzung erfolgen müsste.

Eine lange Diskussion spielte zwischen Häuser und Broda wegen der
NS-Prozesse. Beide stimmten darin überein, dass eine Identifizierung
von Tätern nach so langer Zeit durch Zeugen ganz unmöglich ist.
Deshalb wird es immer einen Irrtum der Person geben können und des-
halb entscheiden die Geschworenen immer auf Freispruch. Natürlich
werden die Geschworenen durch die Richter entsprechend beeinflusst
und in Wirklichkeit – und da stimme ich mit Kreisky und insbesondere
Kirchschläger vollkommen überein – dass in Wirklichkeit die Geschworenen-
gerichte überfordert sind. Früher, als die Richter aus einem anderen
Klassenstand gekommen sind, war es vielleicht noch erklärlich, dass
man erklärt hat, gegen die Klassenjustiz sollte man Geschworene,
d.h. Volksgerichte errichten. Aber schon allein in der ersten Republik
hat sich gezeigt, dass die Geschworenen in den politischen Prozessen
nicht nur immer gegen die sozialistische Auffassung entschieden haben,
siehe 15. Juli – sondern dass auch meistens wirklich Fehlurteile
zu verzeichnen waren. Kirchschläger bemerkte mir gegenüber, dass
man eben richterlich ausgebildet sein muss, um über Schuld urteilen
zu können. Dies trifft bei den Geschworenen eben nicht zu und bedingt
deshalb diese unbefriedigende Entwicklung auf gerade diesem Rechtssektor.
Broda aber sind die Geschworenen ein unantastbares Rechtsgut, wel-
ches die Demokratisierung der Gesellschaft weiter vorgetrieben hat.

Der Bericht des BM f. Finanzen übe die Lage der Bundesfinanzen vom Prof.
Seidel wird nur zur Kenntnis genommen, nicht wie im Antrag von Androsch
vorgesehen auch dem Parlament zugeleitet, damit nicht wieder eine
Diskussion im Finanz- und Budgetausschuss darüber abgeführt werden
muss. Insbesondere ist diese Vorgangsweise, wie Fischer erklärte,
notwendig, weil im Antrag selbst steht, dass das Finanzministerium
nicht notwendigerweise mit jenen der Ausführungen Seidels überein-
stimmt. Leider war Androsch nicht anwesend, sodass wir seine Meinung
nicht hören konnten. Für mich hat sich nur wieder bestätigt, dass
es nicht sehr sinnvoll ist, unbedingt alle Aktivitäten in Form eines
Berichtes an den Nationalrat zusammenzufassen. Gratz hat sich
seit längerer Zeit dagegen gewehrt, dass wir immer im Parlament
nur Berichte behandeln und wichtige Gesetzesbeschlüsse dadurch
zurückgestellt werden müssen. Die Integrationsberichte, die ich


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dem Parlament geschickt habe, bilden vielleicht wirklich eine
Ausnahme, weil wir ansonsten überhaupt keine Chance dem Parlament
geben würden, über die Integrationsverhandlungen informiert zu
werden und zu diskutieren. Ausserdem waren die Integrationsberichte
ein ausgesprochener Wunsch der Oppositionsparteien, dem ich nachge-
kommen bin. Wir selbst sollten allerdings keine weiteren Initiativen
bezüglich einer Berichterstattung an das Parlament auf anderen
Gebieten ergreifen.

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Tagesprogramm, 29.5.1972

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: SChef HM
GND ID: 12195126X


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Dir. ÖVP-Bauernbund


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: HK, Syndikus Bundessektion Fremdenverkehr, ÖFVW


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Finanzminister
          GND ID: 118503049


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: LH Ktn., SPÖ
              GND ID: 139418636


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: -obmann


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ehem. AZ-Redakteur


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
                      GND ID: 107489872


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Justizminister


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


                            Einträge mit Erwähnung:
                              GND ID: 125942052


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: erst AK, dann GF INPADOC


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                                  GND ID: 12053536X


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Außenhandel BWK


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                                      Tätigkeit: Direktor ÖFVW


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                                        Tätigkeit: GF ÖFVW


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                            Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                                              Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                              GND ID: 102318379X


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                                                Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                GND ID: 118723189


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                                                  Tätigkeit: MR HM
                                                  GND ID: 133521052


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                                                    Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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