Montag, 15. Mai 1972
Bei der Eröffnung des Kongresses für Verkehrsschulung und Verkehrs-
erziehung konnte ich wieder feststellen, wie der Präsident der
Handelskammer Sallinger bei seinen Begrüssungsworten herausstreicht,
dass die Bedeutung des Kongresses schon durch die Anwesenheit des
Handelsministers unterstrichen wird. Hier hat man wirklich das Gefühl,
dass er jederzeit bereit ist, zu kooperieren und ein gutes Einver-
nehmen herzustellen. Dabei ist sein Verhalten taktisch sehr klug,
denn er macht es mir unmöglich, gegen die Handelskammer wirklich
mit Härte vorzugehen, wenn ich so etwas beabsichtigen würde. Bei
meiner Eröffnungsrede wies ich darauf hin, dass Anbringung von
Sicherheitsgurten im Auto und deren Benützung zur Voraussetzung hätte,
dass die Fahrschulen bereit wären, bei den Schülern bereits, das
Gurtentragen zu üben und zu verlangen. Da ich vorher darauf hinwies,
dass die wissenschaftlichen Untersuchungen viel mehr Grundlage
unseres Handelns sein müssen, dies gilt für einige Untersuchungen,
die das Handelsministerium beim Kuratorium für Verkehrssicherheit
machen lässt, und dann auch insbesondere die Erkenntnisse der Chirurgie
bei Unfallopfern hinwies, erntete ich sogar zu meiner grössten Über-
raschung für den Vorschlag der Gurtenpflicht Beifall. Beim Abend-
empfang erklärte ich deshalb dem Vorsitzenden Komm.Rat Rainer, dass
ich die Zustimmung der Fahrschulen annehme, dass sie sich in dieses
Programm positiv einschalten. Rainer meinte zwar, ich könnte durch
einen einfachen Erlass alles regeln, doch wies ich darauf hin und
das beeindruckte die anwesenden deutschen Gäste glaube ich sehr,
dass ich doch nicht von oben dekretieren sondern vielmehr mit ihnen
kooperieren, d.h. gemeinsame Wege suchen will. Bei dieser Abend-
aussprache kam aber auch die Frage auf, die immer wieder durchfallen-
den Fahrschüler, im Vorjahr waren es 20.000 oder 55 %. Wenn dies
auf zu geringe Fahrkenntnisse zurückzuführen ist, hätte ich da-
gegen nichts einzuwenden. Ich fürchte aber, dass ein Grossteil davon
noch immer technische Schikanen sind.
Anmerkung für HEINDL UND KOPPE: Ich glaube, hier müssten wir Abhilfe
schaffen.
Die Frühstückspresserunde ist noch immer verhältnismässig sehr gut be-
sucht. Diesmal sollte Min.Rat Kammerhofer, über die Strassenverkehrs-
novelle sprechen. Wir wollen eine Fussgängerzone und insbesondere
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einen Verkehrspflichtunterricht für entsprechende Rowdies
einführen. Da dieser Gesetzentwurf erst in die Begutachtung
geschickt wird, es liegt nicht einmal noch eine Formulierung
vor, habe ich als Aufhänger erklärt, dass der internationale
Kongress uns eben die Gelegenheit gibt, über die Gurtenfrage dort und
natürlich als Ministerium jetzt über die Strassenverkehrsordnungs-
novelle der Presse in diesem Zusammenhang zu berichten. Die
Zeitungen brauchen einen Aufhänger, ich habe deshalb einen solchen
hergestellt, ohne dass dies eigentlich beabsichtigt war. Kammer-
hofer hat sich mit dem ORF-Mann Nidetzky, der im Fernsehen die
ganzen Verkehrsprobleme behandelt, wieder einmal fast zerstritten.
Natürlich liegt Dr. Nidetzky mit einigen Fragen vollkommen falsch,
aber wie Kammerhofer dies beantwortet, muss selbst den gutmütig-
sten Menschen irgendwie reizen. Ich wundere mich immer aufs Neue,
dass so viele Leute zu unserer Frühstücksrunde kommen, dies dies-
mal umso mehr, als wir anschliessend im Institut Frau Dr. Leodolter
präsentierten.
Das Betriebsansiedlungszonen-Projekt Zwettl, welches von uns die
Planung finanziert wird, hat nur bei soz. Redakteuren die Frage
aufgeworfen, ob wir uns damit nicht im Gegensatz zum Raumord-
nungskonzept, d.h. mit der Sitzung des nächsten Tages schneiden.
Unsererseits ist nicht geplant, mit der ÖROK in ein Konkurrenz-
verhältnis zu treten, wohl aber durch konkrete Projekte unser
Interesse an der Raumplanung dadurch zu dokumentieren, dass
für gewisse Gebiete Vorschläge erarbeiten lassen. Das erste Projekt
war die Aussiedlung der Eisenindustrie aus Fulpmes-Industriezone
und das zweite Projekt, das jetzt im Haus konkret bearbeitet wird,
wird die Planung von Zwettl sein. Ich muss zugestehen, dass
hier eine gewisse Doppelgeleisigkeit trotzdem bestehen bleibt.
Die Aichfeld-Murboden-Ansiedlungsgesellschaft ist aber noch immer
nicht gegründet und ich weiss nicht, wie lange das dauern wird.
Darüber hinaus wird es dann fraglich sein, ob wirklich diese
Millionenbeträge zur Verfügung stehen werden. Ich weiss auch
noch nicht, wer letzten Endes die Gesellschaft zu führen und zu
betreuen haben wird. Angelegt war dieses Projekt wirklich – wie
Kreisky gesagt hat – das österreichische Tennessee. Auf der an-
deren Seite versuche ich aber durch kleine Schritte wie in Fulpmes
und jetzt in Zwettl, ohne grosse Aufmachung eine gewisse Unter-
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stützung diesen Gebieten zu geben und ohne dass ich finanzielle
Belastungen übernehme, die ich wahrscheinlich ohne entsprechende
Unterstützung Androschs gar nie erfüllen könnte. Solche Gross-
projekte kann nur der Bundeskanzler durchziehen. Ob es ihm gelingt,
wird übrigens erst die Zukunft zeigen.
Leodolter hat sich beim Pressegespräch im Institut, obwohl sie
davor eine riesige Angst hatte, ganz hervorragend geschlagen. Bestes
Argument war, dass sie sowohl den Prof. Wiesinger von der ÖVP
als auch Scrinzi, der Vorsitzender des Gesundheitsausschusses ist,
deshalb nicht zu einem Komitee einberuft, weil darin eine ge-
wisse Politisierung liegen würde. Sie selbst sie Ärztin und als
solche vielleicht in der Politik nicht so bewandert, obwohl sie
kein unpolitischer Mensch ist und glaubt, dass es am besten ist,
wenn man rein sachlich und fachlich über die Probleme spricht,
und der Bevölkerung die grösste Unterstützung in diesem Gebiete
geben kann. Der Versuch, sie gegen andere Minister in der Kompe-
tenzfrage, in der Finanzierungsfrage auszuspielen, wurde von uns
erfolgreich abgewendet. Mir fiel die ähnliche Situation auf
meinem Gebiet Fremdenverkehr ein, die ich also dann ebenfalls
in die Diskussion warf. Die Gesundheits- und Umweltschutzfragen
haben nämlich die Länder die Kompetenz und ich konnte im Vergleich
eben darauf hinweisen, dass es auch in der Vergangenheit am Frem-
denverkehrssektor nur möglich war, im Einvernehmen mit den Ländern
und natürlich mit dem Finanzminister irgendwelche Pläne, z.b. den
Zehnjahresplan zu erstellen. Fragen, was das Ganze kostet, z.B.
Fremdenverkehrswerbung oder Gesundheitsplan oder Umweltschutz,
sind deshalb ganz sinnlos, weil zuerst mit den Ländern abgestimmt
werden muss, was alles geschehen sollte und vor allem einmal,
was sie bereit sind zu zahlen. Ich weiss nicht, wie die Zeitungen
und das Fernsehen letzten Endes berichten werden, eines ist auf
alle Fälle sicher, dass sie durch diese erfolgreiche Pressekon-
ferenz ungeheures Selbstvertrauen gewonnen hat. Da sie nächste
Woche in der Concordia den Gesundheitsplan als Ganzes präsentieren
möchte, war diese Generalprobe für sie glaube ich ungeheuer wichtig
Ich muss gestehen, die grösste Freude an der Regierungstätigkeit
ist für mich, wenn ich wirklich jemandem helfen kann. Nichts
als Überheblichkeit, dass ich besser bin, sondern weil ich glaube,
dass in der Solidarität in der Zusammenarbeit in Wirklichkeit,
wenn überhaupt, der einzige positive Punkt einer Regierungspolitik
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zu sehen ist, der sich dann auch in den Ergebnissen niederschlägt
und letzten Endes auch von den Wählern honoriert wird.
Umso mehr war sie dann am Abend bei der Ministerratsvorbesprechung
enttäuscht, dass es ihr dort vollständig vorgelegter Gesundheitsplan
neuerlich auf entsprechenden Widerstand stiess. Androsch erklärte,
er hätte diesen Gesundheitsplan erst jetzt bekommen und die soz.
Korrespondenz hätte bereits gemeldet, dass er bei ihm geprüft wird.
Wenn er gefragt wird, müsste er deshalb sagen, dass er ihn noch nicht
kennt. Häuser meinte, dass in der Präambel die Presse und das Fern-
sehen sowie verschiedene Vereinigungen und Wissenschafter als die
Träger des Gesundheits- und Umweltschutzgedankens herausgestrichen
wurden und nicht das Humanprogramm und insbesondere der Regierungs-
beschluss vom 26.7.1970, wo ein interministerielles Komitee ge-
gründet wurde. Kreisky meinte, dass insbesondere die Regierungserklä-
rungen 1970 und erst recht die von 1971 als die wirkliche Ursache gelten
müssten, dass jetzt ein solcher Plan erstellt wurde. Gleichzeitig aber,
und das hat wieder mir recht gut gefallen, meinte er, man müsste die
Minister Leodolter jetzt unterstützen und er hätte deshalb Verständnis
dass man der Presse und dem Rundfunk ein gewisses Friedensangebot mit
einer Erklärung, er verwendete zwar diese Worte nicht, gemacht hat.
Insbesondere strich er heraus, dass Koppe von ihm ersucht wurde, die
Leodolter zu unterstützen und diese Umarbeitung deshalb in seinem Auf-
trage auch erfolgt ist. Leodolter meinte noch, dass ja Koppe mit dem
Finanzministerium gesprochen hat und deshalb für sie als erledigt
angenommen wurde. Androsch erwiderte, dass wenn zwei gute Freunde, wie
Vranitzky und Koppe über ein solches Problem sprechen, damit noch
lange eine Prüfung oder gar seine Zustimmung daraus abgeleitet werden
kann. Dies hat Leodolter allerdings auch gar nicht behauptet, weder in
der Pressekonferenz noch in der Regierungssitzung. Mich wundert nur
immer, wie Androsch doch Vranitzky, der mehr oder minder doch seine
rechte Hand ist, bei solchen Gelegenheiten desavouiert. Kreisky ent-
schied aber letzten Endes, dass dieser Plan jetzt acht Tage von den
Einzelnen studiert werden kann, nächste Woche den Ministerrat passie-
ren kann und nachher zur Diskussion steht und entsprechende Korrekturen
noch immer möglich sein werden.
Ich verständigte spät abends Koppe von dieser Aussprache und
er teilte mir mit, dass er in der Präambel genau drinnen gehabt hat
eine Bestimmung, wonach über diesen Plan eben bis September dis-
kutiert werden soll und bis dorthin das Finanzministerium die
Prüfung durchgeführt haben wird und man dann über den endgültigen
Plan und deren Finanzierung wird entscheiden können. Genau dieser
Passus wurde aber von den Bürokraten des Gesundheitsministeriums
oder vielleicht auch von Leodolter selbst herausgestrichen.
Die Sitzung begann verhältnismässig spät, weil Kreisky mit Ge-
werkschaftern und dem Finanzminister über die Gebührenregelungen
verhandelte und dann auch abschloss. Am 1.12.1972 werden ent-
sprechende Erhöhungen vorgenommen werden. Wie mir Robert Weisz
von der Gewerkschaft mitteilte, sollen die Minister dadurch auch
Gelegenheit haben, gewisse Leute besonders zu entlohnen. Er hat
hier z.B. an Reiter gedacht, der heute im BKA irrsinnige Dienst-
leistungen erbringt, finanziell ganz schlecht gestellt ist und
deshalb vom Klub noch einen Ergänzungsbetrag bekommen muss. In
Hinkunft wird er bis zu 3.600.– S vom Bundeskanzler bekommen
können.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte interessiere Dich wie weit wir hier
ebenfalls entsprechende Möglichkeiten der Gehaltsgestaltung haben.
Bei Kreisky war die Fleischerinnung und hat sich über die Preiskon-
trolle weniger geäussert, als dass bei dieser Preiskontrolle
die Qualitätskontrolle unberücksichtigt bleibt. Sie haben des-
halb ihm ein ganzes Schwein aufgebaut und die Qualitätsunterschiede
gezeigt. Zu meiner grössten Verwunderung hat er zu dieser Aus-
sprache gar nicht Rösch zugezogen, obwohl sie sich über ihn dann
letzten Endes beschwerten, sondern nur vereinbart, dass auch
Rösch von ihnen informiert werden soll. Der Innungsmeister wird
ihn in sein Geschäft einladen und wird ihm auch die Qualitätsunter-
schiede zeigen. Ressortmässig und vor allem auch Erlass-mässig
hat Rösch die ganze Aktion Fleischkontrolle gestartet, es war des-
halb in meinen Augen eine reine Beschwerde der Innung über den
dafür zuständigen Minister beim Bundeskanzler. Auch wenn dies
als eine Aufklärung und Information nur getarnt war, ist es
als eine solche zu verstehen und ich verstehe daher die Reaktion
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Kreiskys nicht ganz, warum er nicht sofort Rösch dazu zugezogen
hat. Wenn sich Kreisky – wenn ich dann die Kompetenz haben werde –
weiter so für Preise interessiert und so aktiv sein wird, sehe
ich schon einige schwierige Situationen für mich voraus.
Der Zeitungsherausgeberverband möchte nun mit dem Ministerkomitee
weitere Verhandlungen führen und Kreisky erwartet exorbitante
Forderungen, die wir nicht erfüllen können. Trotzdem meint er,
wir könnten uns nicht von den Zeitungen loskaufen sondern müssten
eine Auseinandersetzung mit ihnen in Kauf nehmen.
Die Ausschreibung für die Besetzung des Bundespräsidenten hat
keine geeigneten Bewerber gebracht. Kreisky möchte gerne, dass
diese Stelle als Pressesprecher fast einem Staatssekretär ähnliche
wäre. Die Stelle wird deshalb derzeit nicht besetzt.
Von Santiago de Chile der UNIDO-Konferenz wurde angefragt, ob
wir einen kanadischen Vorschlag: 500 Mill. $ aufzustocken, d.h.
in der Summe 2 Mia. $ für die Entwicklungsländer zu geben, zustimmen.
Die Skandinavier und Benelux haben dem schon zugestimmt. Dies
bedeutet, dass wir um 100 Mill. S pro Jahr mehr leisten müssen.
Der Finanzminister konnte, nachdem Kreisky positiv votierte, kaum
etwas dagegen sagen und es wurde deshalb einstimmig eine diesbezügli-
che Weisung an die Delegationsleitung beschlossen.
Da ich den Aussenminister vertrat, hat Kreisky, der zuerst glaubte,
er sei für ihn hier, obwohl er ja jetzt dann wegfährt, das Problem
der Delegation zum Umweltschutztagung nach Stockholm zur Sprache
gebracht. Insgesamt würden 18 Delegierte zustande kommen und er meint,
dass dies ganz unmöglich ist. Er ging die Liste durch und hat vor
allem gleich bei der Landwirtschaft den zweiten Delegierten Kittin-
ger gestrichen. Auch beim Verkehrsministerium, Frühbauer war nicht
anwesend, soll man versuchen, ob Janisch nicht ebenfalls zu Hause
bleiben könnte. Zum Schluss einigten wir uns dahingehend, dass wir
die Delegation im Prinzip beschliessen, dass aber noch jeder Mini-
ster schauen wird, ob er nicht eine entsprechende Einsparung vorneh-
men kann und dass vor allem die Beamten nicht während der ganzen Ta-
gung sondern nur dann anwesend sind, wenn sie gebraucht werden. Die
Schweiz schickt angeblich 12 Delegierte nach Stockholm.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND HEINDL: Bitte klären, wie sich eine zeit-
weise Anwesenheit bei uns im Haus auswirken würde.
Weihs wollte in der Vorbesprechung einen gewissen Krätzer vom
Bundesforste als Betriebsdirektor durchbringen. Krätzer sei un-
parteiisch und nur durch die Namensgleichheit mit dem EDV-Leiter
der ein verbissener CV-ler ist, käme er immer wieder in den Ver-
dacht, als ÖVP-ler zu gelten. Der Zentralbetriebsratsobmann, ein Ge-
nosse von uns, Brandl, Landtagsabgeordneter auch in der Steiermark,
aus St. Sebastian, soll sehr positiv zu der Ernennung von Krätzer
stehen. Androsch meinte, dass er mit Gratz über dieses Problem jetzt
gesprochen hat, und sich entschuldigen muss, weil er bis jetzt
Weihs hat wissen lassen, dass er auch niemanden hat und nun sei
man draufgekommen, dass eigentlich Dipl.Ing. Haiden von uns der
richtige Mann dazu wäre. Weihs meinte, dass ist nicht nur ein Forst-
wirt sein muss, sondern dass er auch Betriebswirtschaft kennen muss,
nachdem er dort Direktor für die betriebswirtschaftlichen Fragen
werden müsste. Darauf meldete Häuser an, dass er mit Pansi, dem
Gewerkschaftsobmann, gesprochen habe, der dagegen protestieren
würde, dass ein so prononcierter ÖVP-ler jetzt in diese Position
aufrückt. Vier Direktoren gibt es in den Bundesforsten und eine
alte Parteienvereinbarung sieht vor, dass mindestens einer ein
Sozialist sein sollte. Weihs behauptet, er hat dieses Personal-
problem mit den entsprechenden Stellen auch Pansi abgesprochen
und wird aber neuerdings jetzt klären, ob Heiden überhaupt will.
Kreisky meint nämlich, dann hätte er seine politische Karriere
abgeschlossen. Personalfragen sind verdammt heikel und äusserst
kompliziert. Dies hat sich wieder für mich in der Angelegenheit
dokumentiert. Weihs hat hier wirklich vorher wahrscheinlich mit
allen Leuten gesprochen und jetzt im letzten Moment fällt ein neuer
Mann ein, der vielleicht von Weihs auch schon in Erwägung gezogen
wurde und halt nicht entsprechend mit den dafür betroffenen, insbeson-
dere der Gewerkschaft Vereinbarungen getroffen werden konnten.
Vielleicht aber auch hat Weihs hier zu sehr auf beiläufige Bemer-
kungen verlassen, ohne wirklich ins Detail bei den Verhandlungen
zu gehen oder überhaupt keine wirklichen Detailverhandlungen geführt.
Auf alle Fälle soll uns dies ein lehrreiches Beispiel sein, dass
wir im Hause weiterhin bestrebt sein müssen, wenn wir personal-
politische Entscheidungen treffen, dies entsprechend vorher bereits
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abzustimmen. Allerdings kann es passieren, dass dann, wenn
Schwierigkeiten auftauchen, Zusagen oder irgendwelche vorgesehene
Wege durch andere ersetzt werden müssen.
Weihs berichtet über die Hochwasserschäden in der Steiermark, die
beim Flussbau 28 und beim Wildbachbau 10 Mill. derzeit betragen.
Eine endgültige Schadenssumme wird mit 107 Mill. S, die sich
auf mehrere Jahre erstrecken wird, angenommen. Derzeit hat das Land-
wirtschaftsministerium 8 Mill. bereits ausgezahlt, bedarf aber
noch weitere 22 Mill. für Flussbau und 8 Mill. für Wildbach. Zu
diesem Zweck möchte das Ressort, die 15 %-ige Bindung, die immerhin
12,2 Mill. auf diesem Sektor ausmacht, dass der Finanzminister
aufhebt. Androsch war sehr zurückhaltend und erklärt, dass jetzt ein-
mal die Mittel, die er bereits in seinem Ressort frei hat, d.h. die
restlichen 85 % verwendet werden sollten. Mehr – hätte man ihm er-
klärt – könnte die Wildbachverbauung sowieso nicht verbrauchen, da
sie ja keine zusätzlichen Arbeitskräfte bekommen könnte. Weihs
replizierte, dass derzeit die Wildbachverbauungen nicht ganz ausge-
lastet sind und deshalb sehr wohl mehr Mittel ohne weiteres von
ihm verbraucht werden könnten. Androsch will trotzdem die Bindung
scheinbar nicht aufheben. Für mich ergibt sich daraus die Lehre,
dass wir auch mit unseren Wünschen, die Bindung für die Bürges-Kre-
dite aufzuheben, kaum auf positive Zustimmung derzeit stossen würden.
Ein Interview mit 5 französischen Wirtschaftsjournalisten konnte
deshalb verhältnismässig kurz in 3/4 Stunden abgewickelt werden,
weil Meisl die französische Übersetzung unserer EG-Problematik, die
wir in Paris abgegeben haben, mitgebracht hat. Dadurch konnte wir
jedem eine Fotokopie zur Verfügung stellen und sie waren in diesem
Punkt sofort zufrieden. Überhaupt komme ich immer mehr drauf, dass
bei solchen Delegationen meistens nur ein, höchstens zwei Fragende
sind und die anderen sehr passiv in Wirklichkeit nur dabei sitzen.
Schon daraus ersieht man die Unterschiede auch bei Journalisten,
selbst wenn man nicht weiss, von welchen Zeitungen sie sind und wenn
man sie vor allem persönlich überhaupt nicht kennt. Erstklassige
Journalisten dürften ja bei solchen Sightseeing-Reisen kaum dabei
sein.
Die angekündigte Delegation von Steinach am Brenner unter Führung
des Bürgermeisters, die angeblich Verkehrsprobleme mit mir bespre-
chen wollten, stellte sich dann heraus, wünschten in Wirklichkeit eine
Finalisierung eines Kulturzentrum und Fremdenverkehrszentrums in
Steinach für das gesamte Tal. Da seinerzeit bei einer Wahlreise ich
dieses Projekt durch kennengelernt hatte, und keinerlei Zusagen
gemacht, sondern nur erklärt habe, wenn sie sich mit den Gemeinden
geeinigt haben, sollen sie sich dann mit Würzl bei uns ins Einver-
nehmen setzen, der ihnen die entsprechenden Wege zeigen wird, wie
und wo sie Unterstützung bekommen können. In weiterer Folge hat Würzl
dann einmal bereits eine diesbezügliche Informationstour gehalten
und nun wurde das Projekt von ihnen vorgelegt. Die Hauptschwierigkeit
ist, dass sie bei einer Finanzierung von 26,4 Mill. S nur 2 Mill.
Eigenaufbringung durch Grundkauf haben. Dabei dürften sie hier schon
eine gewisse Aufwertung vorgenommen haben, denn sie gaben mir auf
Anfrage zu, dass sie den Grund mit 1 Mill. S 19.000 m² erworben haben.
Sie selbst haben die Kurtaxe von 2.– auf 5.– S erhöht. Die Fremden-
verkehrsabgabe von 5 ‰ auf 11 ‰ erhöht, um grössere Einnahmen
zu haben und die Zinsen zurückzahlen zu können, die sie für Dar-
lehen auf 20 Jahre dringendst brauchen würden. Würzl hat mit ihnen
Besprechungen geführt, damit das Verhältnis Eigenkapital zu Darlehen
entsprechend verbessert wird. Abschliessend benützte ich aber dann
doch die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass die Darstellung im
Fernsehen, wonach man mit dem Handelsminister nicht reden könne und
die ganze Verkehrsproblematik falsch war. Der Obmann des Fremdenver-
kehrsvereins meinte, sie hätten dort nichts manipuliert, gab es
aber dann doch indirekt zu und wollte damit nur erreichen, dass end-
lich der Zustand, dass die Laster durch die Ortschaft fahren, abge-
stellt wird. Der Bürgermeister, den ich hart attackierte, meinte
dann, er wäre ja nicht dabei gewesen. Was mich in aller Freundschaft
veranlasste, lächelnd zu sagen, die Methode kenne ich in Tirol,
doch da sich dieser Angriff wieder einmal gegen das Handelsministerium
und damit gegen die falsche Stelle richtete. Die Delegation gab dies
auch zu und meinte, dass in Wirklichkeit der Landeshauptmann daran
schuld sei, der ihnen so viel versprochen hätte, was er bis jetzt
nicht halten konnte oder wollte. Die Delegation, die ansonsten jetzt
noch kommen würde, wird sich erübrigen, weil die Bürgermeister und
Stellvertreter und Fremdenverkehrsleute in Steinach über diese
Aussprache berichten werden. Ich erklärte aber, dass ich - wenn sie
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es wünschen - jederzeit zu ihrer Verfügung stehe.
Der Fachverband der chemischen Industrie kam mit einer Riesen-
delegation bedeutender Leute, um gegen die chemische Konsum-
güterverordnung zu protestieren, d.h. eine gewisse Änderung für
bestimmte Bestimmungen zu erreichen. Im Prinzip glaube ich,
haben sie in Einzelpunkten wirklich recht und wir einigten uns,
dass wir den konsumentenpolitischen Ausschuss unter Dr. Blaschek,
vor allem aber den Arbeitsausschuss aktivieren, um entsprechende
Vorbesprechungen über die Änderung zu führen. Ich erklärte mich
bereit, wenn es dort zu einvernehmlichen Auffassungen zwischen
den Interessenvertretungen kommt, sofort einen entsprechenden
Erlass herauszugeben. Ich muss glaube ich in Hinkunft doch mehr
auf die Interessen der Industrie schauen als nur auf die
Konsumenten.
Tagesprogramm, 15.5.1972