Samstag, l3. Mai 1972
Die Verabschiedung der ARBÖ-Autos, die mit PS durch Österreich
nach Deutschland und in die Schweiz liefern, war eigentlich eine
Pleite. Effenberger hoffte, dass das Fernsehen zumindestens mit
einer stummen Aufnahme anwesend sein werde, doch war nur ein
ARBÖ-Fotograf anwesend. Nur die treueste Seele, der Reporter Thury
von der APA ist erschienen. Effenberger hat auch Langer-Hansel
von der Fremdenverkehrswerbung eingeladen gehabt und dieser ist
trotz frühester Stunde und vor allem schlechtem Wetter zur Verab-
schiedung gekommen. Da sie vor der Stadthalle, d.h. der Wiener
Konferenz stattfand, waren auch Präsident Probst und Minister Broda
anwesend. Da zufälligerweise auch ein Parkplatz für Jacobi frei
war und sie ihren Wagen dort parkte, kam sogar noch ein Stadtrat
dazu. Eine mächtige Delegation zur Verabschiedung hat sich da-
durch zusammengefunden. Eine solche Verabschiedung ist in Wirklich-
keit ein unbedeutendes Ereignis, wenn man es aber gross aufziehen
soll oder aufziehen muss, hätte man dies meiner Meinung nach wesent-
lich anders machen müssen. In einem solchen Fall hätte man alle
ARBÖ-Mitglieder resp. Delegierten, die bei der Wiener Konferenz
anwesend waren, einladen sollen, hätte dort und nicht dann beim
Eingang zum Sitzungssaal diese Broschüre "Mit PS durch Österreich"
verteilen sollen und dadurch den einzelnen Delegierten, die sich
an der Verabschiedung beteiligt hätten, ein gewisses Sonderpräsent
gegeben. So wurde dies beim Eingang sowieso verteilt und hat natür-
lich – wenige wussten überhaupt, worum es sich dabei handelt –
kein Interesse bei den Delegierten gefunden.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Das nächste Mal bitte vielleicht solche
Überlegungen im Interesse des ARBÖ anstellen.
Bei der Konferenz hat mich Suttner ersucht, ich sollte jetzt end-
lich die Heizkosten für die Gemeinde Wien preislich regeln. Da
ich dazu einen offiziellen Antrag brauche, habe ich ihm erklärt,
dass wenn sie es tatsächlich wünschten und ein solcher offizieller
Antrag bei mir einlangt, ich ihrem Wunsch nachkommen werde. Ich
warnte sie aber ausdrücklich, dass sie mit der Preisregelung in
Wirklichkeit gar nichts erreichen werden. Derzeit haben sie in den
sozialen Wohnungsbauten 250.– S vertraglich vereinbart. Dem Bund
können sie durch eine Preisklausel, die eingebaut ist, jetzt 281.-
verrechnen. Ihre Kalkulationen stellen sich auf 320.- und sie
11-0596
rechnen, dass 295.– S die Preisbehörde festsetzen wird. Damit können
sie allerdings von vornherein nicht rechnen, denn dies würde erst
das Preisverfahren ergeben. Ich habe sowohl Suttner als auch in
weiterer Folge Nekula, den ich wegen dieser Frage neuerdings an-
sprach, darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich auf ein gewagtes
Gebiet begeben. Bei der Umstellung von Gas auf Erdgas konnte ich
den Wünschen der Gemeinde 100 %-ig Rechnung tragen, weil ich taktisch
entsprechend vorgehen konnte. Ob dies bei der Fernheizwärme auch
der Fall ist, bezweifle ich. Selbst wenn aber für sie ein be-
friedigender Preisbescheid herauskommt, haben sie damit noch gar
nichts erreicht. Ich setzte ihnen auseinander, dass ich nur Höchst-
preise festsetze, und dass deshalb die von ihnen mit den einzelnen
Mietern vereinbarten Sätze von 250.– S überhaupt nicht tangiert
wird. Wenn mit jemand derzeit einen Brotpreis mit einer Lieferfirma
von 6.– vereinbart hat, muss er diesen Brotpreis einhalten oder
er ist vertragsbrüchig. Ganz unabhängig, ob die Preisbehörde jetzt
6.30 oder von mir aus 7.– in Hinkunft für einen Laib Brot festsetzen
wird. Die beiden Stadträte bestehen aber darauf, dass diese Preis-
festsetzung Platz greift. In Wirklichkeit kam ich zum Schluss drauf,
dass sie im Aufsichtsrat der Ferngas einen entsprechenden Krach mit
der ÖVP gehabt haben. Die ÖVP-Fraktion hat dort verlangt, man sollte
doch neuere Unterlagen und genauere Unterlagen ihnen zur Verfügung
stellen, bevor sie einem diesbezüglichen Antrag zustimmen würden.
Die SPÖ-Mehrheit hat dann letzten Endes einen Mehrheitsbeschluss
herbeigeführt und muss nun natürlich zu diesem Beschluss stehen.
Die ganze Konferenz wickelte sich sehr lustlos ab und die wirklichen
interessanten Passagen von Probst in seinem Referat wo er die
ÖVP hart attackierte und fragte, wie lange sie noch diese Doppel-
rolle: Opposition und Kontrolle auf der einen Seite und Mitverant-
wortung ablehnend auf der anderen Seite spielen wollen. Wenn sie
dieses Spiel weitermachen, dann müssten sie sich entscheiden,
aus der Stadtkoalition herauszugehen. Da er dieses sehr interessante
und auch wahrscheinlich weittragende Referat schriftlich aufgesetzt
hatte und sich natürlich ganz genau an die Vorlage hielt, kamen
alle diese Äusserungen nicht so richtig zum Erkenntnis der Zuhörer.
Unglückseligerweise fiel noch die Lautsprecheranlage aus, sodass
der Vortrag auf 10 Minuten unterbrochen werden musste.
Hier zeigte sich, dass der Organisationsverantwortliche der Genos-
se Weisbier vom dritten Bezirk wirklich ein cleverer Bursch ist.
Er schickte sofort ein Auto in die Zentrale und liess eine Not-
anlage zur Übertragung installieren, wenn die Stadthallenanlage
neuerdings ausfallen sollte. Die Hälfte der Anlage war nämlich
schon ausgefallen und die zweite Hälfte konnte ebenfalls jede
Sekunde zusammenbrechen. Weisbier selbst erzählte mir auch,
dass er sich für den Sekretär für die soz. Akademie unter Führung
von Prof. Stadler interessieren würde. Da dieser Posten garantiert
von Kreisky selbst vergeben wird, und Waldbrunner der Mann ist,
der am meisten Einfluss hat, habe ich mit Waldbrunner über den
Wunsch von Weisbier gesprochen. Da er Weisbier, wie er mir versicher-
te, sehr positiv gegenübersteht, wird er sich bei Kreisky dafür
einsetzen. Ich machte Waldbrunner bei diesem Gespräch auch gleich
auf den Unmut unserer Bezirksorganisation über die Entwicklung im
Verhältnis zur Zentrale aber insbesondere auch zur Wiener Organi-
sation aufmerksam. Ich habe das Gefühl, dass insbesondere sich
der Unmut unserer Funktionäre weniger gegen die Zentralen als
gegen unsere Delegierten, sei es die Genossin Jacobi im Wiener
Vorstand und im Parteivorstand, als auch den Genossen Seitler im
Wiener Ausschuss handelt. Ich selbst war vor einem Jahr sehr über-
rascht, als ich erfuhr, dass Jacobi eigentlich seit Jahrzehnten
an den Vorstandssitzungen teilnimmt. Sie hat nämlich noch niemals
auch nur ein Wort von diesen berichtet. Waldbrunner selbst meint,
es wäre jetzt noch viel zu früh, über diese Probleme zu sprechen,
da auf Grund seiner Erfahrungen so lange vor den tatsächlichen
Zeiten, wo sich etwas ändert, nämlich der Gemeinderatswahl,
alle diesbezüglichen Änderungen wünsche oder auch nur Besprechungen
als verfrüht gelten müssen. Er selbst will aber öfters wieder
in unsere Bezirksorganisation auch berichten kommen, damit,
wie er sich ausdrückt, nicht die ganze Last auf meinen Schultern
liegt.
Bei der ganze Wiener Konferenz meldeten sich 3 Debattenredner.
Hindels für die Freiheitskämpfer mit einem flammenden Protest
gegen die faschistoide Entwicklung, VSSTÖ-Vertreter, der für
die Vietnam-Resolution eintrat und ein Genosse, der sich für
die AZ engagierte, weil Traxler, wie er mir nachher sagte,
bei ihm in einer Sektion so positiv berichtet hat. Brunnthaler
11-0598
und Scheuch kamen sogar dazu, um dem Genossen zu danken, es war
wirklich kein bestellter Diskussionsbeitrag. Fast hätte ich noch auf
unseren guten alten Genossen Schiller vergessen, der einen flammenden
Aufruf erliess, wir sollten uns mehr darum kümmern, dass in den Jugend-
gruppen gesungen wird und das wir unsere – er kommt aus der Jugendbe-
wegung – gute alte Zeit von der ersten Republik scheinbar wieder ins
Leben rufen sollten. Er hat scheinbar noch immer nicht mitbekommen,
dass dies alles passé ist. Die Konferenz war mit viel zu vielen Tages-
ordnungspunkten überladen, das Hauptreferat insbesondere von Otto
Probst, da es gelesen wurde, viel zu lange, und die Diskussion über-
haupt nicht organisiert. Der Eindruck dieser Konferenz musste deshalb
ein ausgesprochen fader und flauer sein. Hoffentlich war dieser Ein-
druck nur bei mir so. Ich fürchte allerdings, dass er allgemein so
war.
Tagesprogramm, 13.5.1972