Donnerstag, der 11. Mai 1972

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Donnerstag, 11. Mai 1972

Bei der Verabschiedung des Sonnenzuges machte ich die Feststellung,
dass irrsinnig viel Leute vom Roten Kreuz und von anderen Organi-
sationen mitfahren. Sicherlich müssen die Kranken entsprechend
betreut werden, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass hier nicht
eine grosse Portion Gschaftlhuberei dabei ist. Ich war sehr er-
staunt über die vielen uniformierten Organisationen, die daran
beteiligt sind. Der Leiter und Erfinder dieser Organisation, ein
gewisser Engel, ist gleichzeitig scheinbar der Vorsitzende oder
Obmann oder Führer der Edelweiss-Jugendbewegung, die sich durch
ein besonders grosses Emblem auf ihren Uniformröcken auszeichnet.
Was es ansonsten noch an operettenhaften Uniformen gegeben hat,
ist traumhaft. Trotzdem glaube ich, ist diese Initiative sehr
wertvoll, weil sie doch irgendwie zeigt, dass man sich um Menschen,
die ansonsten kaum Gelegenheit hätten, ein bisschen nach Österreich
und heuer sogar in die Schweiz und nach Italien zu kommen, anzunehmen.
Für mich ist es nur ein Beweis mehr, nachdem der Sonnenzug jetzt
10 Jahre und wirklich ganz klein begonnen hat, wie bei einer guten
Idee, man Geld, das auf der Strasse liegt, für solche Aktionen
mobilisieren kann.

Bei einem Besuch von Veselsky im Hanusch-Krankenhaus erzählt er
mir sein Leid. Insbesondere in der Raumordnung hat er mit
Kreisky grosse Schwierigkeiten. Im Hinblick auf diese Aussprache
ist mir erklärlich, warum Kreisky eben jetzt dieses ganze Problem
scheinbar auf das Handelsministerium überwälzen möchte. Im Raum-
ordnungsgebiet Aichfeld-Murboden geht derzeit auch nichts weiter.
Dies habe ich auch Kreisky gegenüber erwähnt, da ich erklärt habe,
es müsste jetzt endlich die Gesellschaft gegründet werden und man
müsste entscheiden, ob diese Gesellschaft im Bundeskanzleramt
im Finanzministerium oder im Handelsministerium ihren Rückhalt
finden soll. Kreisky möchte es auf alle Fälle vom Bundeskanzleramt
weg haben. Der in Aussicht genommene Geschäftsführer vom Magistrat
Kondit hat bereits einige Mal mit mir gesprochen, zuletzt habe
ich ihn auch bei der Vöslauer Abfüllstationseröffnung getroffen,
und meint, er müsste doch jetzt wissen, wann er endlich beginnen
könne. Kreisky selbst erklärt mir, Veselsky kann sich aber nicht
dazu entschliessen, wie diese Gesellschaft jetzt endgültig zusammen-


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gesetzt werden soll. Er vermutet, dass er den Firmen, die sich in
Hinkunft in Aichfeld beteiligen sollen, entsprechende Zusagen ge-
macht hat. Hecke von Siemens soll der Vorsitzende werden. Über die
Wohnbauten hat er mit der Interbau, einer deutschen Wohnbaugenossen-
schaft, die der SPD gehört oder nahesteht, verhandelt und ihnen
Zusagen gemacht. Nun wehrt sich sowohl Niederl für die ÖVP-Ge-
nossenschaft Rottenmann als auch Haberl für die SPÖ-Genossenschaft
STAL gegen eine solche Lösung. Nach Auffassung Veselskys wird dann
herauskommen, dass der Bund etliche hunderte Millionen in dieses
Gebiet hineinsteckt, aber in Wirklichkeit das Land mit den schon
ansässigen Genossenschaften und vor allem entsprechenden Grundver-
kehrskommissionen und so weiter und Aufschliessungsfonds die politi-
sche Ernte und den Erfolg haben wird. Dies möchte Kreisky verhindern
und meint, wenn man nicht unsere Vorschläge akzeptiert, dann wird
er dafür kein Geld geben. Dann allerdings wird es nach Meinung
Veselsky überhaupt nicht weitergehen, denn das Land selbst
wird sich nicht an einer Genossenschaft oder auch nur einer gemeinsam-
en Planungsgesellschaft beteiligen. Auf die Grundstücke hat aber
bereits das Land oder die Gemeinden oder irgendwelche Organisationen
in der Steiermark bereits der Optionsrecht. Nach Auffassung von Kreisky
ist eben die Raumplanungsarbeit für Aichfeld-Murboden abgeschlossen
und nun agiert eben die Steiermark und die steirischen Organisationen.
Die Gesellschaft selbst müsste von Androsch, dem Finanzministerium,
auf alle Fälle gegründet werden und wir sollten deshalb ruhig zuwarten,
wie sich das ganze weiter entwickelt.

Eine ähnliche Situation bahnt sich jetzt in NÖ an. Im Neunkirchner
Bezirk wurden einige Betriebe wie z.B. die Papierfabrik geschlossen
und LH-Stv. Czettel möchte deshalb einen entsprechend ähnliche Konstruk-
tion wie für Aichfeld-Murboden auch für dieses Gebiet erreichen.
Veselsky sagt mit Recht, dass dort eine wesentlich bessere Infrastruk-
tur herrscht als im steirischen Raum. Schulen sind vorhanden, Wohnbau-
ten genügend und ein Autobahnanschluss liegt bereits vor, ebenso eine
sehr gute Eisenbahnverbindung. Hier seien nur einige zusätzliche
Betriebe notwendig anzusiedeln und er ersucht mich, damit ich Gröger
für die Investorenwerbung einen entsprechenden Auftrag erteile.
Da Gröger schon in Verbindung mit LH-Stv. Czettel und den einzel-
nen Gemeinden ist, glaube ich, kann ich kaum noch Wesentliches
dazu beitragen.



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Was wir aber glaube ich machen müssen, ist, dass wir in Hinkunft
wesentlich mehr in die Öffentlichkeit und vor allem durch
entsprechende Weissbücher usw. in Erscheinung treten. Kreisky
hat die Aichfeld-Murbodener Sache ganz gross aufgezogen und
hat auch entsprechenden optischen Erfolg gehabt und bei der
Durchführung, wo sich ja immer dann Schwierigkeiten ergeben,
bockt es momentan. Die Gefahr, die ich sehe, ist, dass er
jetzt die Durchführung anderen, z.B. dem Handelsministerium,
überlässt und da dann der Eindruck entsteht, dass wir nichts
machen. Um dem auszuweichen, glaube ich, ist es zielführend, dass
wir jetzt bereits darauf hinweisen, wenn wir z.B. jetzt
den Fall Zwettl wirklich finanzieren, dass wir bei einer Aus-
sprache mit den entsprechenden Gemeindevertretern und dem Land
bei meinem Vorsitz, nachdem die vorgesehenen Briefe positiv beant-
wortet sind, an die Öffentlichkeit treten. Hier müssten nämlich
wir genau dasselbe machen, was Kreisky bei Aichfeld-Murboden getan
hat. Wir müssten als die Initiatoren und die Finanziers auf-
treten, die die Vorbereitungsarbeiten leisten und dann dem
Land resp. der Gemeinde die Durchführung übertragen. Dabei
könnten wir uns wirklich in dem Fall Lorbeeren holen, denn
wichtig ist, eine ordentliche vorbereitende Planung. Wenn
auch mit solchen Plänen noch kein einziger Betrieb geschaffen
wird, so ist doch damit erreicht, dass nicht vollkommen falsche
Ansätze gemacht werden, die dann gegebenenfalls in hunderte
Millionen Aufwand gehen kann, ohne dass man wirklich etwas
positives erreicht. Was man nämlich durch unsere Tätigkeit
nur erreichen kann, ist, dass man grösseren Unsinn verhindert.
Dies ist allerdings schon sehr viel wert. Wie weit man damit
aber einen positiven Eindruck in der Öffentlichkeit erwecken
kann, wage ich nicht zu beurteilen. Ich selbst würde in einem
solchen Fall von den Stellen, die dies durchführen, verlangen,
dass sie auch etwas Positiveres dazu beitragen. Dazu bräuchte
ich aber wesentlich mehr budgetäre Mittel, die ich derzeit nicht
habe und die ich niemals bekommen werden. Einzig und allein
Kreisky ist imstande, so wie dies bei Aichfeld-Murboden von
ihm eingeleitet wurde, dass der Finanzminister unter Aufgabe
seiner grossen Zurückhaltung bereit ist, hier Mittel für eine
solche Aktion zur Verfügung zu stellen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Wenn positives Echo vom Land NÖ kommt, glaube
ich, sollten wir bei einer Montagbesprechung der Presse grössere
Mitteilung machen.

Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: GD Siemens
      GND ID: 1066448612


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          Tätigkeit: [Interessent als Gf. Planungsgesellschaft (?) für Aichfeld-Murboden?; 1972 Gespräch mit JS geplant, vielleicht steht dann dort Genaueres?; mglw. auch ident mit Kort, A?]


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            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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              Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


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                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


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                  Tätigkeit: nö. LH-Stv., SPÖ


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                    GND ID: 12254711X


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