Samstag, 15. April 1972
Die franz. Industriedelegation unter Führung von Präs.
Huvelin und Mayer-Gunthof war eine grosse Delegation. Meisl
hat mir berichtet, dass am Vortag Mayer-Gunthof verzweifelt
versucht hat, die Delegation davon zu überzeugen, dass sie
bei der franz. Regierung für die österreichischen Interessen
intervenieren sollte. Dies wurde aber abgelehnt. Reiterer
meinte, bevor wir in die Besprechung gingen, es wäre ziel-
führender, wenn ich nicht mehr die Probleme anschneiden würde
sondern vielleicht mehr Höflichkeitsphrasen, wie ich es bezeich-
nen würde, austauschen sollte. Ich war davon überzeugt, dass ich
genau das Gegenteil machen müsste, denn sonst könnte man mir
einmal vorwerfen, ich hätte eine Gelegenheit vorübergehen lassen,
ohne die österreichischen Interessen ganz entschieden zu vertreten.
Ich habe deshalb, was sonst ungewöhnlich ist, in einer langen
Einleitung den österreichischen Standpunkt neuerdings mit dem
Wunsch, die Franzosen mögen diesen unterstützen, vorgetragen. Ins-
besondere verwies ich auf die politische Bedeutung, die letzten
Endes auch Frankreich und damit die franz. Delegation berücksichti-
gen müsste. ? erwiderte ganz offen, dass er glaube, dass
die Verhandlungen mit fünf anderen Staaten ebenfalls geführt wür-
den und nicht mit Österreich allein, man entsprechend entgegen-
kommen würde. ........ strich heraus seien vom franz. Stand-
punkt und der Delegation bemerkenswert. Erstens hätte die
Presse erklärt, dass wenig Interesse Frankreichs an den österr.
Interessen bestehen. Dies hätten sie – die Delegation – nicht
verdient. Frankreich verhandle nicht mit Österreich über die
sensiblen Produkte sondern die EG. So sei doch z.B. Papier aus-
schliesslich gegen Schweden und Finnland gerichtet, nicht
gegen Österreich. Zweitens zwei Probleme sollten zwischen den
französischen und den österr. Unternehmungen besprochen werden,
für diesen Zweck sollten sofort Kontakte hergestellt werden
und von allen Seiten auch von der franz. Seite ausreichend
unterstützt werden, doch eine Intervention der Patronats bei
der frz. Regierung sei allein schon in kurzer Frist unmöglich
deshalb könnten sie keine Verpflichtungen übernehmen. Inter-
essanterweise haben dann – vielleicht durch meine ununterbrochene
Forderung, dass ich überzeugt bin, dass auch Frankreich uns in
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der Frage unterstützten wird und die Presse damit Lügen ge-
straft wird mit ihren Artikeln – letzten Endes dann doch
bereit erklärt, unverzüglich der franz. Regierung unsere Stellung-
nahme mitzuteilen. Da Reiterer nicht unmittelbar neben mir
sitzen konnte, stand er einige Mal auf, um mir Ezzes zu geben,
während Mayer-Gunthof neben mir sass und scheinbar beweisen
wollte, dass er entsprechenden Einfluss auf die gesamten Ver-
handlungsführung nimmt. wollte ich sie vollständig
negieren, z.B. erinnerte er mich, dass am 24. April der Rat
in Brüssel entscheidet und deshalb die franz. Delegation un-
verzüglich bei der frz. Regierung vorsprechen müsste. Diese
Selbstverständlichkeiten wollte ich vorerst vollkommen
negieren, überlegte es mir aber dann doch und wies in einem Ne-
bensatz zum Schluss auf die Dringlichkeit einer eventuellen
Intervention im Hinblick auf den Rat hin, damit Reiterer dann
nicht einmal erzählen kann, dass ich seine bedeutenden Ezzes
missachtet hätte. Bei der Vorbesprechung hat er mir sogar
auch jetzt zugegeben, dass sein Vorschlag, man sollte die Bot-
schafter neuerdings in den Hauptstädten intervenieren lassen,
gar nicht sehr zielführend sei, da ja bereits von höchster
Stelle bei Regierungsstellen resp. Ministerpräsidenten von
Bundeskanzler und Fachministern interveniert wurde. Mayer-
Gunthof zeigte sich über die Aussprache sehr befriedigt, da
doch noch einmal alle Anstrengungen unternommen wurden,
um die franz. Stellen von der österr. Situation genau zu in-
formieren. Kottulinsky wieder kam nachher zu mir und sagte,
dass einige Diskussionspassagen mit einem Florettgefecht zu
vergleichen wären und sowohl für ihn sehr interessant waren,
da er einige feine erörterte. Ich bin auch
überzeugt, dass sich die franz. Delegation, insbesondere dessen
Präsident nicht zu einer Intervention bei der franz. Regierung
veranlasst werden kann, dass aber doch einigermassen die österr.
Wünsche vielleicht bei offiziellen oder mehr inoffiziellen
Anlässen von der franz. Industrie nicht mehr so negativ
beurteilt werden. Der franz. Botschafter, der ebenfalls anwesend
war, meinte zum Schluss, dass Frankreich in Österreich immer eine
sehr schlechte Presse habe.
Da ich den Landwirtschaftsminister vertrat, bin ich zwar ver-
spätet aber doch noch zum letzten Teil der spanischen Hofreit-
schule für Min.Präs. Bijedic gekommen. Zur Verabschiedung fuhr
ich mit Häuser und Snuderl gemeinsam in einem Auto, da natürlich
wieder nicht in der Wagenkolonne vorgesehen war, dass ich mit-
fahren könne. Wir besprechen neuerdings die offenen Probleme
und insbesondere, ob Jugoslawien sich an der GATT-Erweiterung
beteiligen wird. Snuderl hat, nachdem er mit Jugoslawien
neuerdings telefoniert hatte, mitgeteilt, dass noch immer keine
Entscheidung von Seiten der SU vorliegt. Sie haben also scheinbar
nur einen prinzipiellen Vorvertrag und eine Zusicherung 500 Mill.
m³ Gas bekommen können. Ich versuchte auch, dass der ÖMV-Gen.Direk-
tor Bauer mit ihm telefonisch Kontakt aufnimmt, was aber, da
Snuderl scheinbar sehr besetzt war, nicht möglich war. Bauer
hat dann mir gegenüber erklärt, dass sich die Jugoslawen mit einem
entsprechenden Prozentsatz, der ihren Lieferungen entspricht,
beteiligen können. Die Grösse sei bereits mit 34,36 Zoll fest-
gelegt, doch könnte dann noch immer die 500 Mill. in die Leitung
gepumpt werden. Bauer teilte mir auch mit, dass jetzt die Italiener
neuerdings Schwierigkeiten machen, weil sie angeblich beim Ver-
trag mit der VÖEST mit den italienischen Stahlfirmen unter
Lieferung von Rohren resp. vier Rohre von der VÖEST
vorsieht. Frühbauer legt grössten Wert darauf, dass wir ein Fremden-
verkehrsabkommen womöglich heuer noch abschliessen. m Ver-
kehr ressortiert noch dorthin, obwohl er eigentlich gar keine
klar erkennbare Ressortabgrenzung gibt, ist er, wie er mir mitge-
teilt hat, für die ECE GATT- und EWG-Verhandlungen, d.h. besser
für die wirtschaftspolitischen Verhandlungen zuständig.
Und zwar dürfte er für den gesamten Fremdenverkehr die gesamte
Kompetenz haben, soweit aber auch in Jugoslawien
dass wir zum Abschluss auf alle Fälle nach Jugoslawien
kommen. Falls es Schwierigkeiten geben sollte,
Tagesprogramm, 15.4.1972