Mittwoch, der 5. April 1972

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Mittwoch, 5. April 1972

In der Ministerratsvorbesprechung wird über die Preisentwicklung
kein Wort gesagt, Kreisky beginnt gleich mit der Tagesordnung.
Der Rechnungshof möchte, dass der Geschäftsbericht der ÖBB und der
Post nach seiner Meinung zuerst im Parlament behandelt werden müsste,
bevor diese Organisationen selbständig ihre entsprechenden Jahres-
ziffern bekanntgeben. D.h. es werden dort auch Gebarungsergebnisse
verlautbart. Frühbauer stellt fest, dass er an dieser bisherigen Ge-
pflogenheit auch weiter festhalten wird. Kreisky meint, dass der
Rechnungshof sich jetzt immer mehr als oberstes Verwaltungsorgan gegen-
über der Regierung aufspielt. Er selbst hat den Verfassungsdienst
angewiesen und wir sollten alle darauf achten, dass der Rechnungs-
hof nicht über die gesetzliche Vorschriften der Bundesregierung hinaus,
d.h. der gesamten Bundesverwaltung Supervorschriften aufzwingen will.

Ich selbst erkläre, dass die Tagesordnung ergänzt werden müsste
durch einen mündlichen Bericht, nachdem Kreisky ja wünscht, dass
er den Vertrag über die technische und wirtschaftliche Zusammen-
arbeit zwischen Jugoslawien und Österreich bei der Anwesenheit des
jug. Ministerpräsidenten selbst unterzeichnet und natürlich durch
Ministerratsbeschluss dazu ermächtigt werden müsste. Kreisky be-
streitet ganz entschieden, dass er einen solchen Wunsch geäussert
habe, ganz im Gegenteil, er hätte nur die Absicht gehabt, dass
wenn die Fachminister eine solche Unterzeichnung vornehmen, er
dabei assistieren wird. Er meinte, er würde dann mit der Lösch-
wiege die Verträge trocknen. Er erklärt sofort, da müsste ein Miss-
verständnis von seiten seines Büros vorliegen. Er wünscht auch
nicht, dass der Vertrag vom Unterrichtsminister, den allerdings
der Aussenminister unterzeichnen wird, von ihm gefertigt wird.
Dieser Ministerratsantrag auf der heutigen Tagesordnung muss des-
halb geändert werden. An diesen beiden Beispielen ist wieder typisch
die Bürokratie, sei es im Aussenamt oder im Bundeskanzleramt, über
den Willen des Bundeskanzlers hinweggegangen. Ich nehme an, dass
als mich Wanke verständigte, dass der Bundeskanzler einen solchen
Wunsch geäussert hat, ein Bürokrat in seinem Haus oder im Aussen-
amt den Wunsch des jug. Ministerpräsidenten als Grundlage genommen


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hat, um zu erklären, dass bei uns auch der Bundeskanzler dazu er-
mächtigt werden muss. Kreisky dagegen erklärte klipp und klar, er
wünsche sich nicht in die Kompetenz der dafür verantwortlichen Mini-
ster, auch nur dort eine solche Scheinhandlung einzumischen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: In Hinkunft doch solche Forderungen seitens der
Ministerialbürokratie versuchen bei Reiter zu verifizieren, ob es tat-
sächlich Kreisky wünscht.

Kirchschläger teilt mit, dass der nö. Gemeindevertreterverband der ÖVP
Baden getagt hat, eine Resolution beschlossen hat, wo Grenzgebietser-
leichterungen den Bahnhöfen und den Grenzübergängen besonderes Augen-
merk zugewendet werden soll. Da diese Resolution mehrere Minister be-
kommen haben, wird ersucht, dass sie sich gegenseitig die Antworten
vorher abbesprechen. Der Bundeskanzler selbst wird dann als Koordinator
eine diesbezüglichen Briefentwurf zur Kenntnis bringen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte feststellen, ob auch unser Haus ein solches
Schreiben bekommen hat. Mit Reiter abstimmen.

Bei der angekündigten Auflage aller Akten von der UNIDO haben nun
Beamte grosse Bedenken, da in den einzelnen Akten oft Firmen schlecht
beschrieben wurden. Daraus könnten sich zivilrechtliche Klagen er-
geben. Kritischer ist es noch, wie Kirchschläger mitteilt, dass in
einzelnen Akten über den UNIDO-Vertreter Börkett Äusserungen zu lesen
sind, die zwar zutreffen, aber zweifelsohne uns in grösste Schwierig-
keiten werden bringen. Trotzdem meint Kreisky sollten alle Akten aufge-
legt werden, da – wenn ein Akt nur nicht dabei wäre – dann sofort
die Opposition sagen würde, hier wurde etwas verheimlicht. Ebenso werden
alle Beamten, die jemals von Anfang an mit dem UNO-Projekt beschäftigt
werden, ausnahmslos von der Amtsverschwiegenheit entbunden. Ein diesbe-
züglicher Beschluss wird dann noch in der offiziellen Ministerrats-
sitzung gefasst, ohne natürlich die Einzelheiten durchzubesprechen.

Mit Weihs habe ich über die Reise nach Brüssel vorher noch besprochen,
weil er hat vor längerer Zeit schon vereinbart, dass am 12. auf alle Fäl-
le den Landwirtschaftsminister Frankreichs trifft. Am 13. und 14. will
er dann entweder nach Bonn oder nach Brüssel aber zur zum Landwirtschafts-
minister fahren und nicht zur Kommission. Die Kommission wird er – wenn
überhaupt – erst viel später besuchen. Kreisky selbst wird Freitag, wie
er mitteilt, nach Italien fahren, meine Reise nach Brüssel wird ebenfalls
als zweckmässig jetzt bestätigt. Kirchschläger und ich berichten auch


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über den Staatsbesuch in Frankreich. Kirchschläger charakterisiert,
dass er freundlich war und für französische Verhältnisse
sogar als herzlich bezeichnet werden kann. Der franz. Minister-
präsident Delmas hätte bei einem Essen sogar ihm gegenüber ge-
sagt, wenn er in Wien sitzen würde, würde er dieselbe Politik machen
wie die Bundesregierung.

Meisl hat vorher bei mir schon angeregt, wir sollten eine Art
Weissbuch anlegen, wo alle und welche Aktivitäten die Minister
und ganz besonders der Handelsminister in diesen Fragen entfaltet
hat. Es ist mit Sicherheit damit zu rechnen, dass die Opposition
bei den Verhandlungen im Parlament dann entsprechende Angriffe
wegen Inaktivität insbesondere natürlich meiner Person starten
wird. Wenn wir eine solche Aufstellung jetzt beginnen sollten,
dann müsste allerdings versucht werden, herauszukristallisieren,
wie weit Bock aber ganz besonders Mitterer in den vergangenen Jahren
tatsächlich in Brüssel waren und vor allem aber wie viel er mit an-
deren Ministern bei anderen Gelegenheiten über diese Probleme
so wie wir es gemacht haben, gesprochen hat. Ich nehme an, dass
Mitterer ja damals weder mit dem Bundeskanzler geschweige denn mit
dem Bundespräsidenten bei Staatsbesuchen oder bei anderen offi-
ziellen Anlässen mit herangezogen wurde und daher natürlich gar
keine Gelegenheit hatte, mit Ministerpräsidenten oder gar Präsidenten
von anderen Staaten über die Probleme zu sprechen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich weiss nicht, wer von der Sektion I uns
hier restlos Auskunft geben könnte, bitte dies zu prüfen, ob dies-
bezügliche Aktaufzeichnungen vorhanden sind.

Lütgendorf ersucht, dass die UNO-Medaillen, welche das UNO-Batail-
lon jetzt auf Zypern bekommen soll, generell bewilligt werden und
gleichzeitig auch auf die Stempelgebühr verzichtet wird. Pro
Medaille wären 108.– S zu bezahlen, es macht also ca. 65.000.– S
aus. Da der Finanzminister weder bei der Ministerratsvorbesprechung
noch bei der Ministerratssitzung anwesend war, er befand sich im
Parlament, wegen der Mehrwertsteuerverhandlungen, wurde auch
fiskalisch nicht dagegen protestiert. Vielleicht aber hat Lütgendorf
das sowieso vorher abbesprochen. Erfreulich ist nur, dass Kreisky


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gleich bei dieser Gelegenheit dem Sekt.Chef Jiresch den Auftrag
erteilt, einen entsprechenden Ministerratsvortrag vorzubereiten,
wonach in Hinkunft niemand mehr, der eine ausländische Auszeichnung
annehmen will, der Genehmigung der Bundesregierung bedarf.
Innerlich bin ich von diesem Beschluss sehr befriedigt, weil
wir wieder einen Schritt weiterkommen, dass jeder mit den Aus-
zeichnungen – Annahme, Ablehnungen – selbst entscheiden soll,
ohne dass ein Protokoll oder sonst eine dritte Stelle darüber wacht.

Frühbauer berichtet, dass bei den Vorbesprechungen über die Elek-
trizitätspreisverhandlungen in seinem Ministerium die Handels-
kammer und die Landwirtschaftskammer die Sitzung verlassen haben.
Sie hätten auf die Zuckerpreisentscheidung hingewiesen, die
nicht weitergeht und andererseits insbesondere dagegen prote-
stiert, dass ein Ministerkomitee bereits vor etlichen Monaten die
12 – 14 % entschieden hätten. Aus diesen einzelnen Äusserungen
aber ganz besonders aus der Vorgangsweise und Verhaltensweise
der Handelskammer und der Landwirtschaftskammer entnehme ich,
dass sie jetzt auf dem Preissektor ganz hart und stur schalten
und wahrscheinlich damit die kooperierende Zusammenarbeit auf So-
zial- und Wirtschaftspartnerschaft wirklich einer grossen Belastung
ausgesetzt wird. Vielleicht hat Kreisky dies wieder einmal be-
reits vor Monaten gespürt, wo ich noch geglaubt habe, dass
auf Sozial- und Wirtschaftspartnerschaftsebene Lösungsmöglich-
keiten bestehen und deshalb auch eben die härtere Gangart einge-
schaltet.

Nach der Ministerratssitzung ist seinerzeit beschlossen werden,
stehen die Minister den Journalisten zur Verfügung. Meistens
natürlich wird sowieso nur Kreisky von ihnen gefragt. Trotzdem
halte ich es für unmöglich, dass wir in Hinkunft eine
Sektionsleitersitzung so knapp ansetzen, dass ich bei diese
Besprechungen nicht zumindestens verbleibe. Weis vom Fernsehen
hat mich sogar dann im andren Raum bei meinem Weggehen aufge-
halten und erklärt, er müsste unbedingt ein Interview über die
Preisentwicklung mit mir machen. Bei diesem Interview versuchte
er mit aller Gewalt, neue Prognosen über weitere Preissteige-
rungen von mir zu bekommen. Ausserdem hat er vorher versucht,


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eine Erklärung zur beabsichtigten Steuersenkung, die preisdämpfend,
resp. lohndämpfend wirken sollte, unter allen Umständen von mir
herauszuquetschen. Während ist erklärte, wenn er unbedingt will, bin
ich bereit, über die Preisentwicklung mit ihm zu diskutieren, habe es
aber ganz entschieden abgelehnt, über die Steuerforderungen mit ihm mich
einzulassen. Dafür erklärte ich, sei der Finanzminister ausschliesslich
zuständig, und er müsste ihn fragen. Er hat zwar darauf hingewiesen,
dass er sowieso den Finanzstärkster Nachmittag resp. bei einer anderen
Gelegenheit noch aufs Bild versuchen wird zu bringen, aber ich habe mich
trotzdem standhaft geweigert, über seine Materie Erklärungen abzugeben.

Bei der Sektionsleiterbesprechung war nur interessant, dass auch
jetzt Schipper selbst mit dem Antrag gekommen ist, unser Amtsblatt ein-
zustellen, da 1971 die Staatsdruckerei 121.000.– S Ausfallhaftung
verlangt hat und für 1972 ein noch höherer Betrag entstehen würde.
Er selbst schlug deshalb vor, dass wir den Abonnenten die Abonne-
mentgebühren zurückzahlen und damit das Blatt sofort einstellen. Hauffe
hat nun keine Gelegenheit mehr, uns einen Vorwurf zu machen oder
vielleicht gar zu behaupten, dass wir ihm die Schriftleitung wegnehmen
hätten wollen, die er von Schipper übertragen bekommen hat, ohne dass
ich gefragt wurde. Sein mir gegenüber erklärter Sanierungsversuch
ist daher nicht von uns ungesehen abgelehnt worden, sondern eben mit
der Aussprache bei Schipper als gescheitert zu betrachten.

Reiterer regt in der grossen Sitzung sehr zur Verwunderung von mir, an,
dass wir eventuell die österreichischen Botschafter in den EWG-Staaten
neuerdings auffordern sollen, eine entsprechende Demarche bei den Aussen-
ministern wegen der Integrationsverhandlungen vorzunehmen. Er selbst
hätte mit Marquet über dieses Problem schon gesprochen. Reiterer weist
darauf hin, dass es aus innenpolitischen Gründen notwendig wäre. Da
eine solche Demarche aber erst in Frage kommt, wenn Weihs auch seine
Berufsreihe abgeschlossen hat, zögere ich zuerst, jetzt schon einen
entsprechenden endgültigen Beschluss zu fassen. Ich möchte, erkläre
ich, vorerst mit dem Aussenminister Besprechungen führen. Wenn ich
mir das allerdings jetzt überlege, so sollte man diese Demarche
auf alle Fälle in Angriff nehmen. Bei den Parlamentsverhandlungen
könnte, da es Mitterer sicherlich erfahren wird, sonst ein entspre-
chender Angriff gestartet werden. Bis jetzt kann ich mit Recht
sagen, dass ich alle Empfehlungen der Beamten akzeptiert habe. Selbst


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meine Reise wurde ja zuerst von ihnen erklärt, sei nicht ziel-
führend, und erst jetzt werde dies der beste Zeitpunkt und die
beste Lösung. Ich werde und sollte deshalb jetzt in der Schlussphase
alle entsprechenden Vorschläge der Beamtenschaft, soweit es politisch
einigermassen vertretbar ist, akzeptieren.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte alles für die Demarche nach Rücksprache mit
dem Aussenministerium vorbereiten.

In der wirtschaftspolitischen Aussprache der Paritätischen Kommis-
sion hat als erster Referent Nemschak einen sehr guten Bericht
für die Bundesregierung gegeben. Wirtschaftliche Entwicklung, ins-
besonders Bruttonationalprodukt entwickelt sich weit über dem OECD-
Durchschnitt hinaus und auch in der Preisentwicklung glaubt er an den
4,8 % Preissteigerung im Jahre 1972 nach wie vor festhalten
zu können, auch wenn derzeit der Lebenshaltungskostenindex auf
6,2 % gestiegen ist. Er leitet dies insbesondere durch die Gross-
handelspreisentwicklung, die von 6 % auf 3 % gefallen ist, ab. Er
stellte fest, dass natürlich gewisse Voraussetzungen dafür angenom-
men wurden, die auch eintreffen müssten. Insbesondere meint er,
dass bei der Mehrwertsteuer nicht entsprechende Vorgriffe bereits
zu starken Preiserhöhungen führen dürften und sollten und meint, dass
die Opposition ganz besonders nicht das Preisklima weiter anheizen
dürfe. Auch die Mehrwertsteuer meint er, sollte unbedingt mit 1.1.
1972 eingeführt werden und ein diesbezüglicher Beschluss so bald als
möglich gefasst werden. Er könnte sich einen befristeten Preis-
stopp vorstellen und erwartet und verlangt eine zurückhaltende Lohn-
politik 1972 und 1973. Insbesondere meint er, dass die Tarifverträge-
fristläufe nicht verkürzt werden sollten. Von der Aussenwirtschaft
wünscht er eine weitere Liberalisierung im Osthandel. Ebenso die
Vorziehung der ersten 20 %-igen Zollsenkung bei den EG-Verhandlungen
von 1.4.1973 auf 1.1.1973.

Androsch ergänzt seine Ausführungen und weist ganz besonders darauf
hin, dass die Budgeterstellung und der Budgetvollzug vollkommen
der Konjunktur gerecht erfolgt. Auf die Bankratenproblematik ein-
gehend – es wurde von der Presse erwartet, dass es hier zu einem
Gegensatz zwischen Androsch und Schmitz kommen wird – weist er nur
drauf hin, dass nächste Woche diesbezügliche Besprechungen mit den
Bankenvertretungen insbesondere der OeNB erfolgen würden. Ich weiss


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nicht, ob es Zufall war, auf alle Fälle hat Kreisky, der an-
sonsten immer nach Nemschak Schmitz zuerst das Wort gibt, Androsch
jetzt eine Möglichkeit gegeben, seine Auffassung vor Schmitz zu
präsentieren. Schmitz hat deshalb jetzt als letzter Referent
nur die Möglichkeit, auf die theoretische Begründung, warum
die Bankrate vom aussenwirtschaftlichen Standpunkt gesenkt werden
sollte, einzugehen. Während Schmitz sonst immer von seinem
vorbereiteten Konzept kaum abweicht, habe ich jetzt das Gefühl,
dass er eben replizierend auf Androsch nur sehr vage und weich seine
seinerzeitige Forderung der Senkung der Bankrate aus aussenwirt-
schaftlichen Gründen vorträgt. Er verweist insbesondere darauf,
dass Belgien und die Niederlande ihre Bankrate um 1,5 % aus reinen
binnenwirtschaftlichen Konjunkturgründen gesenkt haben, während
die BRD 1 % der Bankratensenkung aus aussenwirtschaftlichen Grün-
den durchgeführt hat. Durch die Senkung des internationalen Zin-
ses, es wurden die 3-Monat-Euro-Dollar-Gelder von 10 % auf 6 % und
die DM um 10 % auf 3,5 % und die Schweizer Franken von 11,25 %
auf 2 3/8 % in den letzten Monaten gesenkt, glaubt er, müsste auch
Österreich die Konsequenzen ziehen. Er verweist aber ganz be-
sonders darauf, dass eben diese von Androsch angekündigte Aus-
sprache in der nächsten Woche Klärung bringen sollte.

In der Diskussion verlangt Seidel, der sich über den Verlust der
Staatseinnahmen durch Zollsenkungen – wie er mir nachher auch per-
sönlich sagte – immer sehr ärgert, dass man eben Massnahmen setzen
müsste, um weitere Preissteigerungen zu verhindern. Er weist ganz
besonders darauf hin, dass Androsch darauf hingewiesen hat, dass
dies ohne dirigistische Massnahmen erfolgen sollte. Er wünscht ins-
besondere einen Katalog der Vorentlastungen bei Einführung der
Mehrwertsteuer. Hrdlitschka befürchtet, dass die Mehrwertsteuer be-
reits eine Vorziehung von Preiserhöhungen heuer noch veranlassen
wird und deshalb die Prognose mit 4,8 % nicht gehalten werden kann.
Altenburger ganz besonders polemisiert gegen die Index-Entwick-
lung, und meint, die Tarife und alles sei ja viel mehr gestie-
gen, als dies im Index zum Ausdruck kommt. Böck weist darauf hin,
dass die Bauarbeiterlohnverhandlungen deshalb so schwierig waren,
weil die Kollektivverträge mit durchschnittlich 31 % überbezahlt
werden. Auch Hofstetter hat Bedenken, gegen die 4,8 % angemeldet.
In einem Zwiegespräch mit FM Androsch stelle ich fest, dass


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die Forderung, einen Katalog zu erstellen, wenn er einverstanden
ist, von mir jetzt dann festgenagelt wird, da wir ja bekanntlicher-
weise so etwas wirklich dringendst machen sollten. Ich erkläre
ihm, dass er doch die Vorratsentlastung bereits im Gesetz vorge-
schlagen hat, andererseits Frühbauer für die öffentliche Hand
eine diesbezügliche Zusammenstellung gemacht hat und auch der
Fachverband für die einzelnen Industriesparten solche Berechnungen
jetzt in den Umlauf gegeben haben. Androsch erklärt sich einver-
standen, dass ich eine solche Erklärung abgebe. Ich fordere des-
halb dann öffentlich die Bundeskammer auf, nachdem ich mich
zuerst mit der Indexberechnung auseinandergesetzt habe, dass
wir einen solchen Katalog kurzfristig jetzt erstellen sollen.
Seidel ist damit einverstanden, möchte nur aber – wie er mir nachher
sagte – gewährleistet haben, dass die Fachleute aus den Betrieben
teilweise sogar dazu herangezogen werden. Ich ersuche den neben
mir sitzenden Sekt.Chef Römer, die entsprechenden büromässigen
Veranlassungen zu treffen und im Einvernehmen mit dem ebenfalls
anwesenden Dr. Gehart sofort die Arbeiten in Angriff zu nehmen.
Klose meldet sich dann ebenfalls noch zu Wort und weist darauf hin,
dass die Beiratsstudie ja langfristig die Preisproblematik in
Angriff nehmen möchte. Da die 60 akkordierten Vorschläge so auch
die ca. 10 getrennten die Mehrwertsteuer überhaupt nicht berühren,
erklärt er, dass sie hier eben der Regierung keine Vorschläge
erstatten wollten und auch nicht vorgreifen möchten. In Wirk-
lichkeit glaube ich haben sie sich eben nicht einigen können,
resp. waren auch intern nicht imstande, selbst getrennte Vorschläge
zu erstatten. Ich glaube, dass wir propagandistisch jetzt überall
erklären könnten, dass die Bundeshandelskammer selbst wenn sie
uns dann angreifen sollte einen solchen Katalog der Vorentlastungen
ja angeregt hat und deshalb jetzt ihre Unterlagen von den Fach-
verbänden ebenfalls zur Verfügung stellen muss. Römer erklärt
mir nachher, er hätte die Klose sofort darüber gesprochen und
dieser sei bereit gewesen, an einer solchen Katalogerstellung
mitzuarbeiten. Diese wichtige Detailarbeit, die auf die weitere
Preisentwicklung von grössten Einfluss sein wird, steht hiermit
nichts mehr im Wege.

ANMERKUNG FÜR KOPPE UND WANKE: Damit ist offizielles grünes
Licht gegen, sofortige Arbeit bitte einleiten.



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In der anschliessenden Paritätischen Kommission, die nur mehr
der Innenminister präsidiert, da Kreisky bereits während der wirt-
schaftspolitischen Aussprache zu einer anderen Sitzung musste, kommt
es nur mehr über den Tagesordnungspunkt Bierpreis zu einer längeren
Diskussion. Altenburger fühlt sich übergangen, weil Mayerhofer,
der von ihm entsandte ÖAAB-Vertreter, obwohl er von Zöllner aus-
drücklich auf die heutige vormittags stattfindende Unterausschuss-
sitzung aufmerksam gemacht wurde, dort nicht erschienen ist und
dort daher nicht zugestimmt hat, dass ein einstimmiger Beschluss
eben nicht zustande gekommen ist. In Wirklichkeit natürlich steht
die BHK mit Recht auf dem Standpunkt, dass nicht der einzelne
sondern nur die Institution entscheidet, und Lachs ja seinerzeit
ja schon die Zustimmung des Gewerkschaftsbundes ausgesprochen hat.
Altenburger, den ich nachher dann noch besonders beruhige, erklärt
mit, dass auch der Präsident des Arbeiterkammertages ihm vor einigen
Tagen noch erklärt hätte, diese Bierpreiserhöhung käme nicht in Frage.
Jetzt nun sei er im Stich gelassen worden und müsste allein Kämpfen,
er kennt zwar – wie sich dann herausstellt – die Details sehr wenig,
er möchte aber doch noch eine Rückstellung, resp. neue Verhandlungen
erreichen. Da ich ihn in den ÖGB zurückbringe, meint er, dass
hier wie beim letzten Mal im Jahre 1970 Benya allein die Verant-
wortung tragen müsse, verlangt aber, dass in Hinkunft stärker der
ÖAAB eben und die christlichen Gewerkschafter im ÖGB berück-
sichtigt werden sollten.

Ich berichte über dieses Verhalten mit Hofstetter gemeinsam dem im
Spital liegenden Benya. Benya selbst meint, es könnte nur die In-
stitution, d.h. der ÖGB letzten Endes dort entscheiden und er wird
daher im Preisunterausschuss so wie bisher zwar zugezogen aber
die Entscheidung selbst muss der Gewerkschaftsbundvertreter Lachs
treffen. Da ja Altenburger in letzten Phase dann versöhnlich mir
mitgeteilt hat, man soll Benya nicht hier immer wieder aufopfern ist
Benya mit dieser Entwicklung auch ganz einverstanden und ist über-
zeugt, dass er Altenburger wieder auf Vordermann bringen wird,
wenn er aus dem Spital herauskommt. Ich verweise und diskutiere mit
Benya sehr eingehend das Problem, das jetzt momentan scheinbar beide
Seiten, sowohl die ÖVP, teilweise auch die Handelskammer, als auch
Kreisky derzeit nicht allzu viel von einer Sozial- und Wirtschafts-
partnerschaft auf dem Preissektor erwarten. Vielleicht diese sogar
auch teilweise gar nicht wollen. Benya wird, nachdem ihn Kreisky


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in den nächsten Tagen besuchen wird, über dieses Problem
mit ihm sehr eingehend sprechen. Ich selbst glaube aber kaum,
dass es zu einer grundsätzlichen Entscheidung weder auf unserer
Seite noch auf der ÖVP-Seite kommen wird. Man wird die Probleme
zwar diskutieren, aber man wird sich weder in der einen noch
in der anderen Richtung endgültig festlegen. Ich glaube deshalb,
dass wir aus diesem Grund allein schon eben unsere Detailarbeiten
dort wo wir eine Chance sehen, in Angriff nehmen sollten. Ich habe
in den 25 Jahren gelernt, dass es eigentlich niemals
zu spektakulären Entschlüssen kommt, sondern dass sich eine
Entwicklung langsam anbahnt und dann eben eine vollendete Tat-
sache dann meistens irgendwann einmal zutage kommt. Selbst wenn
sie spektakuläre Beschlüsse dann letzten Endes herauskommen,
wie z.B. die Schaffung der Paritätischen Kommission, so war es
keinesfalls so, dass man von vornherein eine solche wollte,
sondern sich eben aus dem Tagesgeschehen heraus ergeben hat,
dass in dem einen Fall oder anderen Fall man Massnahmen setzen
soll, diese befristet dann sogar um nicht auf alle ewigen Zeiten
gebunden zu sein, einmal in Angriff genommen hat und dann sich sehr
bald herausstellte, dass daraus eine Institution wie eben z.B.
die Paritätische Kommission wurde. Ich bleibe auf alle Fälle
auf der Basis der Wirtschaftspartnerschaft mit meiner Politik.
Was immer geschehen mag.

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Tagesprogramm, 5.4.1972

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Tagesordnung 20. Ministerratssitzung, 5.4.1972

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hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)

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Themenliste Meisl SL-Besprechung 5.4.1972

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hs. Notizen (Themenliste SL-Besprechung Rückseite)




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Präs. OeNB


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: AK, ÖIAG
      GND ID: 128336552


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
        GND ID: 119083906


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: SChef HM
          GND ID: 12195126X


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            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: ORF


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM
                GND ID: 133521052


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: SC BKA


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: ÖAAB-Vertreter in der Paritätischen Kommission [1972 von Altenburger entsandt; unklar; Schreibung?]


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Botschafter, Onkel v. Louis Marquet; evtl. Falschidentifikation


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: frz. Politiker


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Finanzminister
                          GND ID: 118503049


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Leiter Wirtsch.pol. Abt. HK


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                              Tätigkeit: ÖGB-Vizepräs., FCG


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                                Tätigkeit: AK


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                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Kabinettschef Kreisky [ident mit Reiter, C; 3.11.1971 Fredi Reiter genannt]]


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                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Personalvertreter HM


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: UNIDO-Vertreter, Falschschreibung [wohl in Wien, 1972], mglw. lautet der Name Burkett?]


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                                                GND ID: 136895662


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                                                    GND ID: 12053536X


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        GND ID: 118586963


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                                          GND ID: 130620351


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            Tätigkeit: Wr. Bau-SR, ÖGB-Vizepräs., Obmann Gew. Bau-Holz


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                GND ID: 118566512


                                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                                  Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                                  GND ID: 118723189


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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