Montag, 13. März 1972
Der nordkoreanische Botschafter aus Prag hat – wie mir Kirch-
schläger am Abend dann mitteilte, er möge den Bundespräsident, den
Kanzler und den Handelsminister besuchen. Kirchschläger hat selbst-
verständlich abgelehnt, dass der Bundespräsident überhaupt nicht in
Frage kommt, solange nicht diplomatische Beziehungen zwischen beiden
Staaten existieren und der Bundeskanzler auch einen westlichen Bot-
schafter doch 8–10 Tage infolge Terreinschwierigkeiten warten lassen
muss. Kirchschläger kennt den Botschafter aus seiner Prager Botschafter-
zeit und hat deshalb als Vergleich ihn gefragt, wie oft er denn in
Prag Gelegenheit hatte, Ministerpräsidenten zu sehen. Selbst dort
musste der Nordkoreaner zugeben, dass er ein einziges Mal oder viel-
leicht zweimal erst beim Ministerpräsidenten war. Aus diesem Grund
verblieb nur mehr der Handelsminister und Kirchschläger hat mich ja
vor etlichen Tagen gefragt, ob ich etwas dagegen hätten den nordkorea-
nischen Botschafter zu empfangen. Ich erfüllte ihm diesen Wunsch gerne,
da ja für mich keine Komplikationen daraus entstehen könnten. Das
einzige Problem war, dass wahrscheinlich der DDR-Vertreter dies frü-
her oder später erfahren wird und dann sicherlich über eine weitere
Diskriminierung sich beklagen wird. 1970 haben die Koreaner über 100
Millionen von Österreich gekauft. U.a. von Elin und SGP eine Kraftwerks-
ausrüstung, wo wir nicht einmal wissen, wo dieses Kraftwerk dann er-
richtet wurde. 1971 waren es auch fast 50 Mill. Demgegenüber konnten
wir aus Nordkorea nur Waren von 7–8 Mill. S beziehen und ausser
50 – 100.000 S Bekleidungsprodukte grösstenteils Rohstoffe. Die Dif-
ferenzen wurden aber von Korea pünktlichst bezahlt. Das Kammerabkommen
läuft bis Ende des Jahres und selbstverständlich hat der Botschafter
versucht, ob es nicht möglich wäre, auf einer höheren Basis, d.h. also
ein Handelsabkommen auf staatlicher Basis abzuschliessen. Ich konnte
ihm versichern, dass ich alles unternehmen werde und insbesondere mein
Haus jedweden Handelsverkehr zwischen den beiden Staaten fördern wird.
Eine Anerkennung aber ist ausschliesslich mit dem Aussenministerium
zu verhandeln. Ebenso eine Änderung des Status d.h. auch die Organi-
sationsform unseres Handelsverkehrs. Der Botschaft hat einige Firmen
wie Haid, Voith, Waagner-Biro besucht und ist davon überzeugt, dass
jetzt gute Geschäfte mit der Firma Ruthner, Klinker und der SGP laufen.
Die Überreichung von Orden und die Führung zur Genehmigung des Staats-
wappens läuft schön langsam nach meinem System. Puffler bemüht sich,
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über die einzelnen Firmen und über die Ausgezeichneten einiges zu er-
fahren und gibt mir nachher Stichworte. Vielleicht hat er mit der Abtei-
lung 12, Min.Rat Fries und seinen Leuten so wenig Kontakt oder er machte
nur eine abfällige Bemerkung, dass manche nur griesgrämig dort unten herum-
rennen, auf alle Fälle hat er mir über diese Leute überhaupt nichts ge-
sagt. Ein grosses Minus war, dass Min.Rat Ottahal nicht einmal wusste,
wer die Übernehmer der Auszeichnung für das Staatswappen-Führung sind. In
Hinkunft bitte ich folgendes zu beachten: Ich möchte einen Tag vorher
die Liste der Auszuzeichnenden in der Reihenfolge wie sie dann vorgerufen
werden. Die Liste soll ungefähr drei Zeilen Abstand haben. Diese Liste
wird dann von mir handschriftlich ergänzt auf Grund des Vortrages, wie
ihn auch diesmal Puffler mir gehalten hat. Darüber hinaus muss festge-
stellt werden, wer von den Firmen die Auszeichnung übernimmt. Für die Beam-
ten des Hauses, die ausgezeichnet werden, muss die Personalabteilung mir
entsprechende Informationen geben, die gegebenenfalls noch durch die Per-
sonalvertretung zu ergänzen wären. Diesmal muss ein schiefer Eindruck ent-
standen sein, denn die 4 Ausgezeichneten der Abteilung des schon auch in
Ruhestand gegangenen Min.Rat Fries waren wesentlich schlechter von mir
mit Worten bedacht als Min.Rat Steiger, dessen Arbeit ich natürlich jetzt
kannte und besonders herausstreichen konnte. Eine solch ungleichgewichtige
Würdigung ist aber schlecht, denn sicherlich sind die anwesenden Beamten,
die ja die Schwierigkeit bei der Unterlagenbeschaffung nicht kennen, dann
ein bisschen enttäuscht. Ausserdem wäre es nicht schlecht, wenn ich einige
Gedanken, die ich bei der Einleitung dieser Auszeichnugszeremonie sage,
bekommen könnte. Ich denke sonst meistens bei dem Musikstück verzweifelt
nach, was ich diesmal sagen werde. Das Ganze möchte ich aber nicht 5 Minuten
vor der Auszeichnung haben, sondern wirklich einen fixen Termin: einen Tag
vorher. Traurig ist, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis endlich einmal
ein so ein Firlefanz einigermassen funktioniert.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Da Du dies bei Marek jahrelang gemacht hast, bitte
organisiere dies jetzt endgültig.
Da zur gleichen Zeit beim Bundeskanzler die Vorsprache der Zeitungsheraus-
geber und des Verbandes der Zeitschriftenherausgeber tagte, kam ich natür-
lich wesentlich später hin. Kreisky Absicht bestand darin, die Zeitungen
auf die grosse Gefahr aufmerksam zu machen, die eine Erhöhung der Werbe-
zeiten im Rundfunk, die Bacher anstrebt, für sie bedeutet. Portisch er-
klärte gerade und auch der Vertreter der Presse schloss sich dem dann an,
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welche Nachteile dies für den Annoncenteil der Zeitungen haben würde. Er
schloss daraus, dass es zielführender wäre, wenn die Regierung doch
vielleicht einer Gebührenerhöhung zustimmen könnte und auf lange
Frist gesehen meinte er, dass der Rundfunk und das Fernsehen doch nur um 4
% im Jahre teurer werden. Hier musste sich der Kurier und auch die
anderen Zeitungen sagen lassen, dass immerhin die Erhöhung von 7.– S für
den Hörfunk auf 20.– S eine exorbitante Steigerung gewesen ist. Damit
hat auch diese Sparte dasselbe gemacht, was jetzt die Zeitungen der öffent-
lichen Hand immer vorwerfen, dass sie nämlich die Preise zu abrupt er-
höht. Im Index ist der Rundfunk mit 285 weit über dem Durchschnitt von
125. Die Herausgeber hatten sich die Punkte einzeln sehr geschickt ver-
teilt. Dr. Schrotter z.B. griff die Umsatzsteuerbelastung und die zu er-
wartende Mehrwertsteuerregelung besonders an. Die Wochenpresse–Vertreter
hat Untersuchungen vom Kurier und der Kronen-Zeitung und einer Bun-
desländerzeitung sowie zwei Wochenzeitungen als Grundlage seiner Erhebung
genommen. Danach soll die Umsatzsteuer 4,97 bis 7,5 % betragen. Dieser
Vorbelastung steht eine hinkünftige Umsatzsteuerleistung von 8 % gegen-
über. Derzeit sind die Verlage aber stufenbefreit. Ganz systemwidrig
hat man nämlich vor einigen Jahren, um die Zeitungen zu gewinnen, im
Parlament – ich glaube sogar einstimmig – beschlossen, diese Stufen-
befreiung ihnen zu gewähren. Der Vertriebserlös der Tageszeitungen soll
840 Mill. pro Monat betragen. Wenn ein Anzeigenerlös davon aber nicht
mindestens 70 % der Einnahmen ausmacht, so ist eine Zeitung zum Sterben
verurteilt. Kreisky versprach ihnen, nachdem sich Androsch in eine
echte Befreiung mit Vorsteuerabzug ausgesprochen hatte, in einem kleinen
Komitee diese Frage weiter zu diskutieren.
Den Fall der Anzeigenabgabe griff der Generalsekretär der Zeitungs-
herausgeber auf. Ausser Tirol und Burgenland haben alle sieben anderen
Bundesländer eine 10 %-ige Anzeigenabgabe zu bezahlen. Dies ist einmal
in Europa. Allerdings hat sie im ersten Halbjahr 1971 815 Mill. S
den Ländern gebracht. Der ORF-Anteil ist allerdings 50 %. Der General-
sekretär des Zeitungsherausgeberverbandes Schaffelhofer ist ein ausge-
sprochen junger, agiler und rühriger Mann. Demgegenüber macht der Zeit-
schriftenverband-Präsident Hailwax nur die Bemerkung, dass für die Zeit-
schriften das ein ähnliches Verhältnis ist, dass sie ungefähr l/6 bis
l/5 von den Zeitungen maximalst erlösen. Bei den Krediten hat der
Präsident des Zeitungsherausgeberverbandes Sassmann nur gewünscht, dass
bei ERP-Ansuchen sie bevorzugt behandelt werden. Die Vertriebsfragen
verhandelte Dkfm. Wawig von der Kronen-Zeitung. Er wies darauf hin, dass
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Österreich um 183 % mehr als die Schweiz um 96 % als Norwegen und
24 % mehr als die Niederlande verlangt. Nur die Post dürfte günstige
gegenüber der BRD sein, wo man 35 Groschen pro Exemplar bezahlen
muss. Österreich verlangt zwar 4,50 pro kg, doch dürfte dies
billiger sein als in der BRD, worauf er sofort erklärt hat, dass
dort ganz ein anderes Leistungsprinzip existiert. Angeblich macht
die Postgebühr 29 % des Abonnementpreises der Kronen-Zeitung und beim
Kurier sogar 46 % aus. Die Post verlangt in ganz Europa für eine
Beilage eine entsprechende Gebühr, bei uns in Österreich beträgt
sie 15 Groschen und die wollen sie vor allem weghaben. Die Papier-
frage erörterte Egger von Vorwärts. Da seine Darstellung nur den
Standpunkt der Zeitungsherausgeber charakterisierte, musste ich
mich melden und die tatsächliche Entwicklung kurz schildern. Ich
hoffte, dass es gelingen werde, eine entsprechende für alle akzepta-
ble Lösung zu finden. Kreisky meinte dann zusammenfassend, dass
es zielführend wäre, in kleinen Arbeitsgruppen diese Probleme
weiterzubesprechen. Da der ORF die ganze Zeit mitgeschnitten hatte,
bin ich neugierig, wie er auf diese neue gemeinsame Front zwischen
Regierung und Zeitungsherausgeber reagieren wird. Für mich ist
ganz keine Frage, dass 17 Tageszeitungen in Österreich zu viel sind.
Da der ORF 1971 für 811 Mill. S Werbekosten brutto eingenommen
hat, ergibt darauf maximal 8–9 % Rabatt, so geht diese Einnahme
des ORF den Annoncen der Tageszeitungen ab. Die Druckauflagen sind
von 1,9 Mill. 1937 auf 2,5 Mill. 1946 gestiegen, wo auf 1,2
Mill. 1957 herabzufallen. 1969 waren sie 2,4 Mill. wieder hoch und
sind in der Zeichenzeit, 2,2 Mill. 1971 herabgefallen. Die Wiener
Tageszeitungen haben dabei eine wesentlich grössere Schwankung
zu verzeichnen als die Auflagen der Bundesländer. Ich bin neu-
gierig, was Kreisky ihnen für Zugeständnisse am Steuersektor machen
wird. Auf alle Fälle behauptet er, noch niemals hätte ein Minister-
rat sich so intensiv mit ihren Probleme beschäftigt.
Die Wirtschaftspartneraussprache beim Finanzminister stand ganz
im Zeichen der Preispolitik. Tichy vom Wirtschaftsforschungs-
institut hat zwar eine Prognose der Wirtschaftsentwicklung ge-
geben, die nicht allzu schlecht ist. Die revidierte hat für
1971 einen Zuwachs von 5 % BNP real ergeben. Für 1972 könnte –
wenn nicht – wie er sich ausgedrückt hat – eine automatische
Explosion der Preis- und Lohnsektor vor allem unterbleibt mit
4 % gerechnet werden. Sollte die Sozialpartnerschaft aber flöten
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gehen, dann könnte es leicht zu einer Null-BNP-Entwicklung kommen.
1973 erwartet er eine maximale Zuwachsrate von 2 – 3 % und dann würde
erst der Brennpunkt hier wieder 1974 eine Aufwärtsentwicklung ergeben.
Unwahrscheinlich und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies zu-
trifft, ist die Preisprognose von Szuppan im österr. Institut für
Wirtschaftsforschung. Diese soll im ersten Halbjahr 5,5 % betragen
und im zweiten Halbjahr auf 4,5 % zurückfallen, sodass 1972 mit
4,8 bis maximal 4,9 % Lebenshaltungskostensteigerung zu rechnen ist.
Zur Jahreswende würde sogar nur 4 % mehr die Lebenshaltungskosten-
steigerung betragen. Androsch wollte die anwesenden ÖVP-Mitglieder
dieser Institution auch dann, wenn es nur Kammerinteressen sind, die
dort vertreten werden sollen, festlegen auf ihre Preispolitik. Ins-
besondere meinte er, dass die Landwirtschaft jetzt doch Stellung
nehmen müsste zu grösseren Fleischimporten und damit einer entsprechen-
den Stabilisierung auf diesem Sektor. Auch den Zuckerpreis brachte
er neuerdings in die Diskussion. Brandstätter antwortete sofort, dass
die Landwirtschaft auf dem Maschinensektor 8 Mia. S ausgibt. Wenn er
nur eine 2,5 %-ige Verteuerung durch die Lohnkostenerhöhung rechnet,
ergibt dies eine Belastung von 200 Mill. Am Bausektor investiert die
Landwirtschaft 7 Mia., eine 10 %-ige Erhöhung gibt wieder 700 Mill.
Dafür wünscht die Landwirtschaft Preiskorrekturen bei ihren Produkten.
Dr. Lachs spielte das erste Mal das Argument aus, dass er hofft,
wenn es zu einem EG-Abschluss kommt und die Mehrwertsteuer mit
1.1.1973 eingeführt werden sollte, die erste Zollsenkungsetappe
vom 1. April auf 1. Jänner vorgezogen werden sollte. Androsch hat
sich dazu nicht geäussert. Betreffend der Löhne machte Lachs darauf
aufmerksam, dass es für den ÖGB sehr schwer ist, wenn immer wieder
argumentiert wird, das Realeinkommen erleide einen Verlust, dann
nicht höhere Lohnforderungen zu stellen, oder zumindestens in den
Betrieben der Wegde-Drift entsprechend wachsen wird. Tichy meinte,
dass der ÖGB leicht diese kurzfristige Marktposition für sich in
Anspruch nehmen könnte, dass dies aber auf lange Sicht gesehen
für die gesamte Wirtschaft ausgesprochen schädlich sein müsste.
Interessant war die Bemerkung von Klose, der meinte, dass es die
Unternehmer in den westlichen Ländern ganz gerne sehen würden,
wenn die Löhne jetzt endlich dem westeuropäischen Niveau so
schnell wie möglich angeglichen werden. Hier erwiderte ich, dass
diesem Wunsch sofort Rechnung getragen werden könnte, zumindestens
vom Standpunkt der Lebensmittelarbeiter aus gesehen. Sofort hakte
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Kottulinsky von der Industriellenvereinigung ein und meinte, es
wären nur einzelne Unternehmer, die solche Ideen hätten. Nach den
vorliegenden Zahlen von Tichy hätten die Gewerkschaften 1971 eine
guten Erfolg, da die Lohn summen um 15 % gestiegen sind, wovon nur
3,5 % auf den Mehrbeschäftigungseffekt zurückzuführen seien. Dem gegen-
über betrufen die Gewinne nur maximal 3 % mehr, da die Landwirtschaft
infolge minus 7 % Wertschöpfung das Nicht-Lohneinkommen entsprechend
drücken. Zuerst hatte man angenommen, dass mindestens plus 5 % heraus-
kommen würde. Über die Preispolitik ihrer Spitzenfunktionäre, die
meistens ja auch Abgeordnete der ÖVP sind, äusserten sich die Kammer-
angestellten fast überhaupt nicht. Sie wiesen höchstens darauf hin,
dass es natürlich zielführender wäre, wenn dieses ganze Problem sach-
licher behandelt wird, aber in Wirklichkeit natürlich können sie
sich innerhalb der ÖVP ja gar nicht durchsetzen und ich bin auch gar
nicht überzeugt, ob sie dies auch wirklich wollen. Sie erkennen ganz
genau, dass die Preismasche für uns das grösste Problem ist und warum
sollen sie uns hier schonen.
Über den zweiten Punkt Mehrwertsteuer kamen wir überhaupt nicht einmal
zu einer Diskussion, da Androsch über die allgemeine Wirtschaftslage
so lange debattieren liess. Ich glaube, auch das war Absicht von ihm,
denn Helbich konnte nur anmelden, dass wenn der Beginn der Mehrwert-
steuer mit 1.1.1973 eingehalten wird, ausser der zu erwartenden
Preissteigerung von 4 % nachher noch ein Mehrwertsteuereffekt dazu-
kommt, der also weit über 6 % die Preise hinaustreibt. Als zweiten
Punkt bekrittelte er, dass die EWG-Aussenzölle dann noch immer
existent sind und deshalb der Export entsprechende Subsidien, wie er
sich ausdrückte, bekommen müsste. Darüber wäre noch zu diskutieren.
Androsch ergänzte aber auch noch über entsprechende Preiskontrollen.
Ich glaube, dass es zielführend ist, jetzt einmal von unserem Stand-
punkt aus abzuwarten. Wenn der Finanzminister hier die Initiative er-
griffen hat und Kreisky ihn in dieser Beziehung auch hundertprozentig
unterstützt, dann sollten wir abwarten, wieweit die Handelskammer und
die anderen Interessensvertretungen insbesondere dem Finanzminister
in dieser Frage entgegenkommen. Nach der abgeführten Diskussion glaube
ich wird dies nicht der Fall sein.
Unter vier Augen fragte ich Androsch, ob er unbedingt auf dem
Termin 1.1.1973 beharrt und er erklärte, dass ihm der Plan der
ÖVP oder einiger Unternehmen, dass wir gegebenenfalls mit 1.1.1976
der Termin festgelegt werden könnte, nicht seine Zustimmung findet.
Ich stellte noch einmal die Differenz in unserer Auffassung in der
Regierungspolitik klar. Während ist doch immer wieder versuchte,
mit den Interessensvertretungen einen gemeinsamen Weg zu finden,
meinte Androsch, dass dies eine Art subsidiäre Regierungspolitik
sei. Ich habe dies allerdings schon in der Oppositionszeit immer
Klaus vorgeschlagen, indem ich meinte, die Regierung sollte sich
auf Übereinstimmung der Auffassungen der Interessenvertretungen
stützen und nur dort wo dies nicht zustande kommt, dann eben ent-
sprechend regieren. Androsch meinte, dass eine solche Politik
nicht seiner Auffassung nach zielführend ist, denn die Regierung
müsste in jedem Fall aktiv bleiben, er räumte allerdings ein,
dass dieses System z.B. im Handelsministerium möglich sein.
In der Regierungsvorbesprechung kam auch diese differente Auffas-
sung über die Preise zur Diskussion. Androsch wollte nämlich wissen,
wie sehr der Klub ihn und Kreisky in dieser Frage bei einer eventuel-
len dringlichen Anfrage unterstützen würde. Androsch meinte, man
sollte dann gar nicht erst auf die z.B. 72 Punkte des Wirtschafts-
beirates eingehen, sondern ganz hart die ÖVP mit der gewünschten
Zuckerpreiserhöhung und sonstigen Preisanträge attackieren. Ich hoffe,
er ist sich darüber klar, dass damit im Gegensatz zu dem Einlen-
kungsversuch von Benya kommen wird. Für mich stellt sich immer
klarer und deutlicher heraus, dass eben Kreisky und vielleicht noch
mehr er bestrebt ist, der Regierung grössere Aktivitäten zu reser-
vieren. Ich selbst glaube halt, dass wir aus dieser ganzen Frage
besser herausgestiegen wären, wenn wir mein Prinzip vor zwei
Jahren akzeptiert hätten. Damals habe ich schon erklärt, man sollte
den Lohn- und Preissektor als ein den Interessensvertretung autonomes
Gebiet vorbehalten und nur dort wo keine befriedigenden gemeinsamen
Lösungen von ihnen erzielt werden, entsprechend eingreifen. Da wir
ja über die AK und den ÖGB jederzeit die Möglichkeit gehabt hätten,
das Gebiet genau abzugrenzen – es wäre dann eben kein einver-
nehmlicher Vorschlag bei ihnen erfolgt – wären wir beweglicher ge-
wesen und hätten vielleicht doch nicht die ganze Schuld zutragen,
wie dies jetzt der Fall ist. Rösch wies darauf hin, dass gegen
70 Fleischhauer Anzeige wegen Preiserhöhung erstattet wurde.
Mitterer hat sich in einem Brief an ihn und er glaubt auch an alle
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anderen Minister darüber beschwert und verlangt, dass die Ver-
fahren eingestellt werden. Mir ist von einem solchen Brief
nichts bekannt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte wenn so ein Brief tatsächlich bei uns
eingeht, muss ich ihn unbedingt sofort sehen.
Gratz möchte, dass die bedeutenderen Gesetze für die Frühjahrs-
session bis 10. Mai eingebracht werden müssen für letzten Mini-
sterrat. Im Herbst seien dann nur mehr die EWG-Verhandlungen,
29. ASVG, das Budget und einige Finanzgesetze als politisch schwere
Brocken zu verhandeln.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte auf die Bergbauförderung nicht zu ver-
gessen.
KREISKY kam später, da er beim Wiener Ausschuss war. Er meinte, die-
ser hätte seine eigenen Probleme, ein deutlicher Seitenhieb auf
die Slavik-Affäre, aber es sei eine sehr gute Aussprache gewesen.
Schweda hätte ihm auch bezüglich der Wirtschaftsförderung einige
"Belehrungen" gegeben, da er glaubt, man müsste diese auf die Bal-
lungszentren konzentrieren. Insbesondere hätten sich auch die
Wiener gegen die Schulbücheraktion im Herbst ausgesprochen. Bei
dieser Gelegenheit kritisierte Kreisky, dass er über die Scheck-
aktion ebenfalls erst aus den Tageszeitungen von Sinowatz erfahren
hat. Sinowatz klärte auf, dass er bei einer Telefonaktion eine
solche Bemerkung nur gemacht hätte und die SK hätte dies jetzt ganz
gross herausgebracht. Er selbst sei auch darüber sehr unglücklich.
Kreisky hat eine Versammlungstour in NÖ gemacht, von den 250.000
Wählern zu den neu zusammengelegten Gemeinden erwartet er sich
folgende Erfolge: St. Pölten ist fraglich, die KP könnte eventuell
wieder ein Mandat dazugewinnen. Bei den Betriebsratswahlen bei
Voith und Glanzstoff hatte die KP gewonnen. Amstetten wird sehr
gut abschneiden, auch in Pöchlarn erwartet er einen guten Zuwachs.
Waidhofen ist fraglich. Bei den Bauerngemeinden wie z.B. Gall-
brunn oder Bautmannsdorf würde es an Wunder grenzen, wenn wir
Erfolge erzielen könnten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte die Ergebnisse mit den Prognosen
dann vergleichen.
Obwohl es sich hier um Gemeinderatswahlen, die örtlich bedingt
sind, handelt, sind es eigentlich doch die ersten grösseren Test-
wahlen. Kreisky hat natürlich kein Wort davon gesprochen, ich bin
aber gespannt, ob daraus irgendwelche Trends abgelesen werden können.
Sicherlich werden sie durch die örtlichen Funktionäre insbesondere
durch die Bürgermeisterkandidaten weitestgehend beeinflusst. Trotzdem
glaube ich aber, müsste man bei einer sachlichen Analyse und vor
allem gründlichen Analyse einiges erkennen. Ich bin wirklich sehr ge-
spannt, wie es ausgehen wird.
Tagesprogramm, 13.3.1972