Dienstag, der 7. März 1972

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Dienstag, 7. März 1972

In Fortsetzung der gestrigen Diskussion und Auseinandersetzung
über die EWG-Verhandlungen wurde eine ausserordentliche inter-
ministerielle Sitzung sofort einberufen. Während die gestrige
Sitzung eine Starbesetzung hatte, es waren alle Präsidenten und
Generalsekretäre der HK, LWK und IV gekommen, wurde jetzt wieder
in einer normalen Besetzung verhandelt. Auch die AK und der ÖGB
konnten im letzten Moment noch eingeladen werden. Die Herren des
FM kamen sowieso um eine Stunde später, da sie erst in der Früh
verständigt werden konnten.

Am Gang traf ich Sekt.Chef Reiterer, der mir neuerdings versichern
wollte, wie gut er sei, da er seinen Plan über den Abbau der Zölle
bei sensiblen Produkten durchgesetzt hat. Ich erklärte ihm, dass
ich die Meinung keinesfalls teile. Mir gegenüber hat er grosse
Zurückhaltung dieses Planes an den Tag gelegt. Wanke musste ihm
das eine Blatt förmlich aus der Hand reissen, wie ich eine Foto-
kopie verlangte. Gleichzeitig hat er berichtet, dass die Handels-
kammer und Industriellenvereinigung zustimmen. Als Entschuldigung
kann man zwar gelten lassen, dass Dr. Placek von der Industrie-
sektion angeblich ihm gegenüber erklärt hat, er ist einverstanden,
müsste aber noch seinen Herren berichten. Ich erklärte Reiterer
dezidiert, in diesem Fall hätte er müssen mit den Funktionären eben-
falls Rücksprache halten und diese überzeugen, bevor er mir mit-
teilt, die Handelskammer und Industriellenvereinigung stimmen
seinem Vorschlag, was nicht der Fall war. Bei der Sitzung erklärten
dann Zöllner und Lachs, dass sie den Vorschlag überhaupt noch nie
gehört hätten und beschwerten sich darüber auch mit Recht. Bei
der Sitzung fragte mich nun Reiterer immer, ob er die Einzel-
informationen den interministeriellen Sitzungsteilnehmern mit-
teilen sollte. Ich erklärte, dass ich dies als selbstverständlich
betrachte. Darauf entschloss er sich dann, nicht nur die einzelnen
Sätze endlich bekanntzugeben, sondern darüber hinaus auch den
Wunsch der Schweden, dass wir die Montan-Union-Produkte 73.15
Kohlenstoff und leg. Stähle, welche von der EG als sensible
Produkte betrachtet werden, bereits jetzt als eine in den frühzei-
tigen Abbau einzubeziehen betrachtet werden. Schweden hoffen,


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dass diese Position vielleicht aus den sensiblen Produkten über-
haupt ausgeschieden werden kann. Mit dem Hinweis, dass in dem
EGKS-Sektor ja besondere Bestimmungen für diese Produkte vorgesehen
sind, eine Preisklausel mit einer Preiskontrolle, ist eine weitere
Sonderregelung nicht notwendig. Österreich hat 1956 über dieses
Produkt sowie über die anderen EGKS-Produkte den Preisvertrag abge-
schlossen, wonach keinesfalls die veröffentlichten Preise unter-
schritten werden dürften. Allerdings kann Österreich sofort in einen
tieferen Preis einsteigen, wenn in der EWG irgendwer einen solchen
verlangt. Dieses Abkommen wird aber kaum eingehalten. Lachs hat
insbesondere dagegen remonstriert, dass vielleicht dann die Stahl-
industrie sowohl die Alpine als auch die VÖEST und die Edelstahl-
werke, nicht mehr bei der Paritätischen Kommission um Preiserhöhungs-
anträge ansuchen werden. Da dies eine rein innerösterreichische Frage
ist, habe ich natürlich erklärt, dass dies ähnlich wie bei der Er-
stattung dann in Österreich zu regeln sein wird. Ich war über diesen
Vorschlag sehr erfreut, obwohl wir vorher gar nicht darüber gespro-
chen haben, denn damit konnte ich beweisen, dass nicht nur die Land-
wirtschaft und die Handelskammer ein innerösterreichisches Problem
auf die Verhandlungsebene mit der EWG brachte, sondern auch der
Gewerkschaftsbund denselben Fehler oder denselben Wunsch hatte.
In beiden Fällen konnte ich nichts anderes als zurückweisen, da
ja auf die Verhandlungsführung und auf die Weisung, die wir der
Kommission für 8. März geben wollten, keine wie immer gearteten
Einfluss haben kann.

Über die landwirtschaftlichen Nachfolgeprodukte einigten wir uns
dann, dass alle der 1059-er-Verordnung unterliegenden von uns
verlangt werden. Die Ausnahme von Hefe, die die Handelskammer verlangt,
wurde von mir gegenüber dem Wunsch der Arbeiterkammer und ÖGB kom-
pensiert nämlich für Teigwaren, eine andere Regelung anzustreben als
die im Prinzip auch von ihnen zugestimmten der Abschöpfung. In diesem
Fall würde nämlich der derzeitige Zoll von 1.80 S auf 4.30 S,
3.50 S beweglicher Teil, 80 Groschen fester Teil, betragen, umgewan-
delt werden. Als Kompromiss, das dann alle akzeptierten, erklärt
ich, dass wenn die EWG die 1059-er akzeptiert, dann Hefe drinnen
bleibt und die Teigwarenregelung der Handelskammer akzeptiert wird.
Leider ist es unwahrscheinlich, dass die EWG die gesamte Verordnung
1059 gegen Österreich anwendet und daher wird wahrscheinlich auch
dieses Kompromiss nicht zum Tragen kommen. Trotzdem habe ich damit


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eine Verhandlungsschwierigkeit überbrückt und bei der nächsten
Verhandlungsrunde wird man ja sehen, ob wir bis dahin eine bessere
Lösung finden können. Ich sehe sie nicht.

Direktor Plattner, VÖEST, Direktor Hanowski, Alpine, und Wohlgemuth
vom Walzstahlbüro, kamen mit Min.Rat Peschke, um sich gegen die
Importe aus den Oststaaten auf dem Stahlsektor zu beschweren. Durch
die Liberalisierung werden sie in Hinkunft durch wesentlich unter
ihren Preisen liegenden Angebote aus den Oststaaten den Markt
derotiert bekommen. Ich erklärte ihnen sofort, dass wir ausserstan-
de sind, die Liberalisierung, die spätestens 1975 eintritt rück-
gängig zu machen. Wenn entsprechende Dumpingpreise vorliegen, dann
müssten sie das Antidumpinggesetz zu Hilfe nehmen. Ich erklärte
aber, dass eine so geringe Anzahl von Tonnen Stahls nach Österreich
kommen, dass kaum das Antidumpinggesetz wird angewendet werden kön-
nen, da ja auch sie eine ähnliche Praxis bei den Exporten ent-
wickeln. Die Alpine hat mit den Ungarn einen Kooperationsvertrag
und deshalb wird von dort der österreichische Markt kaum mehr
derotiert. Ich empfahl auch den anderen Stahlfirmen zu versuchen,
mit den Oststaaten entsprechende Kooperationsverträge abzuschlies-
sen, dadurch ergibt sich nicht nur für sie eine günstige Ausgangs-
basis für die Belieferung von dem entsprechenden Oststaat, sondern
sie haben auch die Gewähr, dass Österreich nicht durch unsaubere
Praktiken von diesen Staaten erobert werden will. Im Einzelfall
könnte Peschke bei den Oststaaten gegen einzelne wirklich unseriöse
Importe Protest einlegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie
uns endlich das genaue Ziffernmaterial zur Verfügung stellen.

Im Ministerrat hat Kreisky seine neue Verteidigungsdoktrin vor-
gelegt und beschliessen lassen. Am Nachmittag soll der Landes-
verteidigungsausschuss endgültig darüber beraten und entscheiden.
Ich glaube, dass damit wirklich das erste Mal eine Formulierung
gefunden wurde, die Österreich zeigen kann, warum wir eine Landes-
verteidigung brauchen und dass nicht nur in der Verfassung seine
Grenzen sondern das gesamte Bundesgebiet aber vor allem die demo-
kratischen Freiheiten ihrer Menschen, Ihrer Verfassungs- und Rechts-
ordnung, ihre Unabhängigkeit und ihre territoriale Unversehrtheit
und die Handelsfreiheit der Republik verteidigt werden soll.



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Kirchschläger meinte noch, man sollte noch die Gesellschafts-
ordnung in diesen Katalog aufnehmen. Kreisky sprach sich dagegen
entschieden aus, denn die Gesellschaftsordnung nach Auffassung der
Sozialisten ändert sich ständig im Rahmen natürlich unserer Ver-
fassung. Die Verfassung selbst soll verteidigt werden, damit ist auch
indirekt die Gesellschaftsordnung, die aber eben nicht fixiert werden
soll, eingeschlossen.

Ich berichtete mündlich über die Verhandlungen mit der Landwirtschafts-
und Handelskammer, und Industriellenvereinigung über die EG und
insbesondere aber über unseren Vorschlag betreffend der Entsendung
von Kommission in die Oststaaten. Vorher bereits hatten mich die
Minister aufmerksam gemacht, dass der Anlass, nämlich die Entsendung
nach Tirana in Wirklichkeit nur das Handelsministerium drei Personen
namhaft macht und die Handelskammer und Arbeiterkammer entsprechende
Leute entsendet. Ich musste zugeben, dass dieser Ministerratsbeschluss
eigentlich mehr gegenüber unser Haus wirken soll, als gegen vielleicht
wirklich notwendige Entsendung von ressortfremden Personen. Inter-
essenvertretungen gehen allerdings auf Kosten des AHF-Beitrages und
damit eigentlich ebenfalls auf indirekte Staatskosten. Ich wies
darauf hin, dass insbesondere der erste Punkt, wo durch relativen
Abschluss der Verhandlungen in einer kürzeren Zeit und vor allem
gleich Paraphierung des Vertragswerkes eine zweite und dritte
Delegationsreise erspart werden soll. Ich glaube ja nicht, dass
wir mit diesem Beschluss bei uns im Hause wirklich den Eindruck
erwecken können, dass diese Idee nicht von uns ausgegangen ist,
sondern dass die anderen Minister eben über diese Entwicklung so
empört waren, dass der Ministerrat einen solchen Beschluss gefasst
hat. Sicher wird man dies gegen uns auslegen und Wanke wird noch
seine Wunder erleben. Trotzdem glaube ich, war es notwendig einen
solchen Beschluss zu fassen. Wanke hat nicht zuletzt mit Recht darauf
hingewiesen, dass er in den vergangenen Jahren immer wieder als
Delegationsmitglied feststellen konnte, wie sinnlos lange Zeit
und wie oft Reisen unternommen wurden, die man im wesentlichen
kürzer und vor allem womöglich gleich durch einen Abschluss oder
Paraphierung bei einer Reise erreichen könnte.

Bei der anschliessenden Sitzung mit den Interessenvertretungen
wollte Androsch sich nach einiger Zeit entschuldigen, da er zu
einer anderen Besprechung gehen musste. Infolge der Wichtigkeit aber


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hat er dann doch eingesehen, und blieb die ganze Zeit, obwohl
Kreisky schon bei der Einleitung eine solche Andeutung gemacht
hat, dass Androsch weggehen wird. Wanke hat sich vorher den Kopf
zerbrochen, ob ich dort einleitend eine entsprechende Erklärung
abgeben werde und wie ich diesen fünften Zwerg, um mit Qualtinger
zu reden, anlegen sollte. Ich habe ihm sofort vorausgesagt, dass
ich gar nicht dort zum Sprechen kommen werde, sondern dass Kreisky
ausgehend von seiner Reise in die Hauptstädte sofort die entsprechenden
Verhandlungen einleiten wird. Ich sagte Wanke auch voraus, wie sich der
weitere Sitzungsablauf darstellen wird und wie dann letzten Endes
ein Kompromiss zustande kommt, da Kreisky nicht einen wirklichen Bruch
der Verhandlungen wird im Hinblick auf seine Parlamentsantworten
nächste Woche brauchen kann. Kreisky eröffnete deshalb wie erwartet und
wies ganz besonders auf die politische Situation hin, die er seinen
Verhandlungspartnern in den Hauptstädten auseinandergesetzt hat.
Dem franz. Ministerpräsidenten Delmas setzte er auseinander,
dass die ÖVP aus einem Drittel der Bauernvertreter im Parlament
besteht und deshalb eine Landwirtschaftslösung gefunden werden muss.
Ebenso ist es für die Handelskammervertreter unakzeptabel, wenn über
die sensiblen Produkte keine befriedigende Lösung erreicht werden
kann. In diesem Fall würde dann der Nationalrat schärfstens dagegen
polemisieren und den Abschluss des Vertrags damit in Frage stellen.
Nach langer Diskussion kam dann auch genau dies heraus. Kreisky schlug
nach Unterbrechung der Sitzung der Landwirtschaft und dem Handelskammer
vor, dass sie in einem Brief, welchen der Finanzminister als Antwort
auf ihre Forderungen schicken wird, vorkommt ein Satz, wonach der Wa-
renverkehr in einem unerwünschten Ausmass steigen sollte, geeignete
Gegenmassnahmen worunter limitierte Erstattungen ebenfalls zu ver-
stehen sind, in Erwägung gezogen wird. Ursprüngliche Forderung, dass
dies nur im Einvernehmen mit den Wirtschaftspartnern geschehen kann,
wo die Handelskammer sofort mit Recht vermutet, dass ein Veto der
Arbeiterkammer dies verhindert, wurde dann abgeändert, dass sich
die Regierung um ein solches Einvernehmen bemühen wird. Kreisky
erwartet dafür, dass in der politischen Debatte im Parlament über
die Integration nächste Woche sich die Debattenredner der ÖVP
einer gewissen Zurückhaltung befleissigen. Er meinte dies nicht auf
seine Person bezogen, sondern nur, damit man nicht erklärt, in diesem
Vertrag wäre wirtschaftlich nichts drinnen. In diesem Fall würde der
Westen sich überlegen, ob er uns weitere Zugeständnisse macht, er würde
da doch mit seinen eigenen Interessenvertretern Patronat Landwirt-


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schaft in grosse Schwierigkeiten kommen, ohne dass er die
Sicherheit hätte, dass der Vertrag wirklich angenommen wird.
Damit müsste sich die Verhandlungsposition unserer Kommission in
Brüssel wesentlich verschlechtern. Gegenüber dem Osten würde
die ÖVP dann das Argument liefern, dass dieser Vertrag an politischer
Vertrag ist, der ausschliesslich Österreich der NATO näherführen
soll, da er wirtschaftlich – wie die Regierung behauptet – von
der Opposition ja nachgewiesen wird, überhaupt nichts Positives
dabei herausschauen kann. Mussil versicherte, er wird sich in seinem
Klub bemühen, dass diese Politik verstanden und entsprechend be-
rücksichtigt wird und Mayer-Gunthof hat zum Schluss noch dem
Kanzler Dank für seine Verhandlungsführung und für das Ergebnis
ausgesprochen. Nur die Landwirtschaftskammer, Dr. Brandstätter
insbesondere, war sehr enttäuscht und erklärte, einen solchen Brief
hätten sie sowieso erwartet und hätten eigentlich konkretere
Zusicherungen bereits vom Finanzminister erwünscht. Auf Grund dieser
Aussprache konnte ich sowohl Botschafter Marquet, der mich fragte,
mitteilen, dass die Delegation entsprechend informieren könnte,
dass eine einvernehmliche Lösung erzielt wurde. Als auch Wanke
hat eine diesbezügliche telefonische Mitteilung Leitner und Reiterer
durchgegeben. Zu meiner grössten Verwunderung hörte ich dann spät
abends, dass die Landwirtschaft nicht befriedigt sei und an der Teil-
nahme der Sitzung in diesem Punkt verzichtet und keinen Vertreter
entsendet.

Wanke, Zöllner und Lachs haben mir beim Mittagessen auseinanderge-
setzt, dass dies ein ganz grosser Sieg von Kreisky sei. Er hätte,
ohne eine konkrete Zusage zu geben, doch jetzt die Integrationsfrage
aus dem politischen Tageskampf herausgenommen. Ich muss zugeben, dass
Kreisky eigentlich ohne viel Zugeständnisse von Mussil eine solche
Erklärung bekommen hat. Ich weiss allerdings nicht, wie weit sich Mus-
sil
in seinem Klub durchsetzen wird können. Sicher ist, dass ich
ja immer geschätzt aber und auch das ist eingetroffen, dass die Handels-
kammer sich letzten Endes kaum gegen den Vertrag stellen kann und
deshalb natürlich auf die ÖVP einen Einfluss nehmen wird, dass sie
in der Oppositionsrolle nicht allzu weit geht. Da nämlich dieser
Vertrag Verfassungsbestimmungen enthält, muss ja die ÖVP dem Ver-
trag zustimmen. Wenn daher die Opposition in allzu starker Weise vorher
die Bevölkerung gegen den Vertrag scharf macht, dann wird sie nachher


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grosse Schwierigkeiten haben, sie davon zu überzeugen, dass sie
trotzdem letzten Endes zugestimmt hat. Natürlich kann auch die
Meinung der drei Genossen dahingehend stimmen, dass die ÖVP sich in
einer derartig schlechten parteimässigen Situation befindet, dass sie
vielleicht dann wie ein Ertrinkender um sich schlägt und selbst einen
solchen Vertrag aus der unmittelbaren Tagespolitik heraus ablehnt.
Dies kann ich mir allerdings beim besten Willen nicht vorstellen.
Hier bewährt sich, wie gut manchmal Verfassungsbestimmungen wie z.B.
auch bei den Preisgesetzen sind. In diesem Fall trägt die Opposition
eine ungeheure Verantwortung und kann nicht so leicht taktieren, als
dies bei einfachen Gesetzen möglich ist.

Die Sitzung über die Maschinenringe, wo Präsident Lehner und ich teil-
nehmen sollten, konnte nur ohne uns abgeführt werden. Jagoda berichtete
mir, dass die Landwirtschaft vernünftige Änderungsvorschläge hat, die
wir in die Gewerbeordnung aufnehmen sollten. Ich erklärte ihm, dass
ich dazu ohne weiteres bereit bin, wenn die Landwirtschaft dann end-
gültig erklärt, dass sie damit zumindestens so weit zufrieden ist,
dass dies eine Verhandlungsbasis im Parlament sein könnte. Wenn die
Landwirtschaft aber glaubt, dass sie ähnlich wie beim EWG-Vertrag
immer wieder ihre Forderungen höherschrauben kann und wenn diese nicht
erfüllt werden, dann erklärt wird, wir sind dagegen, dann bin ich
nicht bereit, ihnen auch bei vernünftigen Vorschlägen entgegenzu-
kommen. Ich möchte nämlich zumindestens mit einem Teil, das ist
der Handelskammer, ein klares Verhältnis in diesen Gewerbeordnungs-
vorschlägen bekommen. Wenn die Landwirtschaft dann bereit ist, in
einem vernünftigen Kompromiss dem auch zuzustimmen, dann werde ich
versuchen, die Handelskammer von einem solchen Kompromiss zu über-
zeugen. Wenn nicht, dann werden wir eine extreme Fassung ins Parlament
hinüberlegen und dort dann eine endgültige Formulierung versuchen.

In der Fraktion berichtete Benya über die Absicht, die Freiheitlichen
in den Bundesvorstand zu kooptieren. Interessant war, dass Häuser
weggehen musste, Benya aber erklärte, dass er im Auftrage auch von
Häuser diesen Antrag an die Fraktion stellt. Zu meiner grössten Ver-
wunderung erklärten nun die Angestelltenvertreter, dass sie trotzdem
gegen diesen Antrag stimmen, da Kindl, der Angestelltenbetriebsrats-
obmann von Semperit, sich bis jetzt nicht bereit gefunden hat, z.B.
den Betrieb voll zu organisieren. Von 800 Beschäftigten gehören nur
400 der Gewerkschaft an. Benya meinte mit Recht, dass dies vielleicht


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zuviel von ihm verlangt sei, da er doch bis jetzt innerhalb der
Gewerkschaft sich nicht verankern konnte. Kindl wird auch nicht als
Vertreter der Privatangestellten, sondern eben als die Repräsentanz der
FPÖ-Betriebsräte in den Bundesvorstand kooptiert.

Sekanina berichtete über den Ärztestreit und meint, dass ein wei-
teres Zugeständnis nicht möglich sei. Die Ärzte hätten eine Automa-
tikklausel vereinbart und ausser Wien und Kärnten sei diese für
alle anderen Länder gültig. Diese mache 4,22 % Erhöhung aus. Der
Hauptverband der Krankenkassen sei bereit, 7,9 % plus 0,3 %
für bundeseinheitliche Positionenregelungen insgesamt also 8,2 %
zu akzeptieren. Dadurch würden die Bezüge der Ärzte um 1.700 S
pro Monat im Durchschnitt erhöht werden. Eine weitere Erhöhung
sei unakzeptabel, erklärte auch Benya. Er würde nicht wie dies
Olah seinerzeit gemacht hat, dann als der Mann auftreten, der
dem Verhandlungskomitee in den Rücken fällt.

Dallinger berichtete, dass bei den Verhandlungen über die Lohn-
steuerreform der Finanzminister bereit wäre, die Zuschläge für
Schmutz- Erschwernis- und Gefahren u. die Sonn- und Feiertags-
zuschläge ähnliche wie die gesamten Überstunden, also nicht nur die
Zuschläge sondern auch den Grundbetrag mit festen Steuersätzen
zu verrechnen. Ihm schwebt eine 7 %-ige Steuerbelastung vor. Dies
würde in einem Grossteil der Fälle eine wesentliche Verkürzung
der derzeitigen Steuerlast oder Steuerbelastung mit sich bringen.
In Einzelfällen allerdings könnte es zu einer Verschlechterung
der jetzigen Situation kommen, deshalb wird es äusserst schwie-
rig sein, eine Regelung zu finden, die die Gewerkschaften auch akzep-
tieren können. Interessant haben jetzt endlich viele Gewerkschaften
verlangt, dass sie bei diesen Verhandlungen zumindestens als Zu-
hörer beigezogen werden. Benya glaubt kaum, dass es auf diesem
Sektor zu einer einvernehmlichen Regelung zwischen ÖGB und Finanz-
ministerium wird kommen können.

Auf besonderen Wunsch Benyas sollte ich über die Preisentwicklung
referieren. Ich setzte der Fraktion auseinander, dass wir jetzt min-
destens einen psychologischen Preisfeldzug starten müssen, und dass
die entsprechenden Vorschläge der Arbeitsgruppe der Regierung über
die Preisfragen erstattet wird.



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Nachdem am Abend Koppe kam, um mitzuteilen, dass der ÖVP-
Pressedienst jetzt wegen der Preiserhöhung für Feber mit 5,7 eine
entsprechende Aussendung macht, habe ich mich mit Kreisky sofort
ins Einvernehmen gesetzt, ob auch nicht wir, vorbeugend immer
eine entsprechende Erklärung abgeben sollten. Kreisky schlug
sofort vor, dass ich so etwas machen sollte. Koppe hat dann
nachdem wir Krämer nicht mehr zeitgerecht erreichen konnten, eine
Erklärung abgegeben, die einigermassen gegen die ÖVP wirken soll.
In Hinkunft aber müssen wir eine solid vorbereitete Aussendung be-
reits im Schubladl haben, damit – wenn dann die Ziffer offiziell
bekannt wird – wir sofort als erste eine diesbezügliche Mitteilung
mit einer Erklärung in die Öffentlichkeit bringen. Das Preisproblem
und das konnte ich abends in unserer Bezirksausschussitzung neuer-
dings feststellen, berührt noch immer die Bevölkerung natürlich sehr
stark. Obwohl eine Erhöhung von 5,7 % noch niemals seit dem
Jahre 1952 nach Ende der Lohn- und Preisabkommen zu verzeichnen
war, so wirkt diese doch jetzt fast schon beruhigend. Die Bevölkerung
glaubt nämlich, dass die Preise um 20, 30 und mehr Prozent gestie-
gen sind. Wenn sie dann erfahren, dass 5,7 % die Preiserhöhung aus-
machen soll, so sind sie teilweise sehr ungläubig und teilweise
aber doch vielleicht beruhigt, dass die Preise nicht noch mehr ge-
stiegen sind. Wie lange werden wir diesen Zustand noch aufrecht-
erhalten können?

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Tagesprogramm, 7.3.1972

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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TB Koppe, 7.3.1972

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Tagesordnung 17. Ministerratssitzung, 7.3.1972




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    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


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          Tätigkeit: Botschafter, Onkel v. Louis Marquet; evtl. Falschidentifikation


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            Tätigkeit: Finanzminister
            GND ID: 118503049


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              Tätigkeit: frz. Politiker


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                Tätigkeit: Präs. LWK


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                  Tätigkeit: FPÖ-Politiker, Gewerkschafter


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                    Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: AK


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                          Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                            Tätigkeit: GD Walzstahlbüro


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                              Tätigkeit: öst. Botschafter EWG


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                                Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                                  Tätigkeit: Dir. Alpine [1972; Snippet-Ergebnis nicht ganz sicher]


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                                    Tätigkeit: GS Präs.konf. LWK AR Verbund
                                    GND ID: 12906288X


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                                      Tätigkeit: Statistiker AK


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                                          GND ID: 118937308


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                                            Tätigkeit: Dir. VÖEST-Alpine; evtl. Falschidentifikation


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                                              Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                                  Tätigkeit: MR; Falschschreibung?


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                                                    Tätigkeit: Syndikus Sekt. Industrie HK


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                                                      Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                        GND ID: 118566512


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                                                          Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                          GND ID: 118723189


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