Dienstag, 15. Feber 1972
Im Klub kritisiert Scheibengraf, dass der Finanzminister nicht an-
wesend ist, denn die Bewertung der Sachbezüge wurde jetzt in der
Steiermark wesentlich geändert. Bis jetzt haben die Mieter von
Werkswohnungen verhältnismässig geringe Summen zu ihren Löhnen dazu-
geschlagen bekommen. Nun soll es Fälle geben, wo die Miete 90.– S
beträgt und bei der Besteuerung 96.10 für die Werkwohnungen aus dem
Jahre 1956 zugrundegelegt werden. Bei Werkswohnungen vor 1914 beträgt
die Miete 54.– S und trotzdem wird 34.73 der Sachbezugsbewertung
zugrundegelegt. In der ÖVP-Zeit meint der Abgeordnete, sei niemals
Erhöhungen der Sachbezüge vorgenommen worden. Da ich leider die
Details nicht kenne, kann ich Androsch nicht verteidigen. Hellwagner
von Ranshofen erwidert, dass dies nicht stimmt. Auch bei ihnen hätte
die FLD in vorhergehenden Jahren solche Erhöhungen durchgeführt
und Interventionen hätten sofort dazu geführt, dass dies wieder rück-
gängig gemacht wurde. Ich kann mir sehr leicht vorstellen, dass
Androsch davon überhaupt gar nichts weiss. Dies ist überhaupt die
grösste Gefahr, die ich in jedem Ministerium und ganz besonders
natürlich im Finanzministerium sehe. Nachgeordnete Dienststellen
oder vielleicht auch sogar Ministerialvertreter machen irgendwelche
Anordnungen, ohne dass der Minister dies weiss oder dass er dies
übersieht. Die Folgewirkungen hat man dann zu ver-
antworten. Häuser hat einmal in einer Regierungssitzung erklärt,
er fühlt sich nur für die Sachen verantwortlich, die er direkt
durch seine Unterschrift angeordnet hat. Im Auftrag des Ministers
Anordnungen werden natürlich auch dann dem Minister in die Schuhe
geschoben und er muss sie auch verantworten, aber natürlich kann
er mit Recht dann argumentieren, hier kann es ja nur eine formelle
Verantwortung sein. Die Reaktion, man stellt alles aus Ministerwei-
sung, um wirklich dann für alles, was man abzeichnet, zu haften,
geht wieder aus arbeitstechnischen Gründen in den anderen Ressorts
die wesentlich mehr Kompetenzen haben, nicht. Ich kenne kein
System, wo man schnell und unbürokratisch arbeiten will und auf
der anderen Seite keine Schnitzer gemacht werden. Ein typisches
Beispiel: Gestern beschwerte ich mich, dass Vogel, der Landesinnungs-
meister vom Bauhilfsgewerbe eine vollkommen sinnlose Vorsprache
bei mir bekommen hat. Heute legt man mir einen Brief vor, an den
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Innungsmeister, wo ich ihn ersuche, ich bin bereit, ihn zu
einer Aussprache zu empfangen und aber vorschlage, er soll sich
zuerst mit einem Referenten meines Hauses Min.Rat Droessler ins
Einvernehmen setzen, der mir dann eingehend berichten wird. Wenn
ich nicht jeden Brief wirklich lese und mir merke, was geschehen
ist, würde auch bei uns ganz oft ein ganz grosser Blödsinn ent-
stehen.
ANMERKUNG AN ALLE: Bitte solche Vorfälle in Hinkunft doch trachten
zu vermeiden.
Im Ministerrat berichtet Kreisky über seine Reise in die Haupt-
städte wegen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Er meint,
er würde das Naheverhältnis zur EG zur Debatte stellen und sich ins-
besondere informieren und den österreichischen Standpunkt darlegen.
In Paris möchte er gleich van Lennep von der OECD wegen der Sonder-
ziehungsrechte, ich kann mir nicht darunter vorstellen, was er
damit meint, besuchen. Er ersucht mich als Handelsminister den
Sektionschef Reiterer ihm mitzugeben und den Aussenminister um
Botschafter Marquet. Jetzt ist glaube ich der Herzenswunsch von
Reiterer erfüllt, da ich mich dafür sehr eingesetzt habe, kann ich
mit ruhigem Gewissen ihm jetzt die Begleitung von mir zum Staats-
besuch nach Frankreich ablehnen.
Waldheim kommt am 2. und 3. März nach Wien und hat den Status eines
Regierungschefs. Zu diesem Zweck wird auch vom Bundeskanzler und
Bundespräsidenten ein Mittagessen gegeben, der Aussenminister gibt
ein Abendessen. Sallinger hat mich ersucht, ich sollte wegen eines
Waldheim-Wunsches, er möchte, dass man der UNO einen Luster schenken
mit Kirchschläger sprechen. Kirchschläger teilt mit mit, dass er
derzeit nicht daran denkt schon ein Geschenk der UNO jetzt zu geben.
Er hat deshalb Waldheim einen negativen Bescheid auf seinen Wunsch
gegeben. In nehme an, dass Sallinger das gewusst hat und wundere
mich, dass er trotzdem erwartet, dass ich bei Kirchschläger inter-
veniere. Kreisky berichtet auch von Wiener Neustadt vom erweiterten
Landesverteidigungsrat. Die nächste Sitzung am 7.III. sollen zwei
Probleme vorbereitet werden. 1. die Formulierung der Verteidigungs-
doktrin. Hier wurden 1965, da man knapp vor Wahlen stand, vage
Formulierungen von der damaligen Koalition akzeptiert. Jetzt dagegen
meint er, es müssten wirklich Grundsätze uni Grundlinien und nicht das
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Wort Doktrin verwendend aufgestellt werden, warum wir verteidigen,
wie wir uns verteidigen und wo wir uns verteidigen. Derzeit steht
ja noch in dem Papier drinnen, an der Grenze und im ganzen Raum.
Also sehr unbestimmte Begriffe. Kreisky kommt es aber primär darauf
an, welche Gesellschaftsordnung verteidigt werden soll und dies der
Bevölkerung klarzumachen. Deshalb wird eine Arbeitsgruppe Bundes-
kanzler, Unterrichtsminister, Äusseres, Justiz, Verteidigung, Inneres
und Vizekanzler eingesetzt, um hier entsprechende Vorschläge zu unter-
breiten. Die wirtschaftliche Landesverteidigung ist als zweiter wich-
tiger Problemkreis ebenfalls von einer kleinen Arbeitsgruppe Bundes-
kanzler, Finanzminister, Handel, Inneres, Landwirtschaft, Äusseres,
Verteidigung und Veselsky vorgesehen. Die Sekretariatsarbeit soll
Jankowitsch oder Reiter sowie Dr. Knittl übernehmen. In diesem Ar-
beitsausschuss möchte er vom Aussenministerium Formulierungen haben,
wie sie in der Schweiz, in Schweden vielleicht in Finnland gefunden
wurden. Insbesondere wollte er von der Schweizer Verteidigung wissen,
wie dort die Wirtschaftsressorts entsprechend eingesetzt werden. Ins-
besondere interessieren ihn die Bestimmungen über die Vorratshaltung.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte von Hanisch sofort Unterlagen vorbereiten
lassen.
Durch reinen Zufall kommt Min.Rat Würzl, um sich zu erkundigen, ob
das Aussenamt schon im bulgarischen Fremdenverkehrsabkommen die
endgültige Formulierung akzeptiert hat. Bei dieser Gelegenheit frage
ich ihn, was es Neues gibt und er berichtet mit, dass er mit Dr. Zedek
den nächsten Fremdenverkehrstag vorbereitet hat. Er erzählte mir,
dass drei Arbeitskreise gebildet werden sollen. In denen über unsere
Studien über Marketing, ein zweiter über den Umweltschutz und ein
dritter über die Service-Probleme im Fremdenverkehr. Die Referenten
sollten Gaisbacher, Hammer und Lissbauer, eventuell Zedek sein. Ich
muss sagen, mehr politisches Spitzengefühl hätte ich von Würzl schon
erwartet. Er kann doch nicht ernstlich glauben, dass wir an einem Frem-
denverkehrstag, den sie sozialistische Regierung einberuft, nur
drei ÖVP-ler über so wichtige Probleme ausschliesslich die Leiter
der Arbeitsausschüsse sein können. Wenn ich dies nicht zufällig erfahre
und rechtzeitig stoppe, kommen wir in die grösste Verlegenheit dann,
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wenn er dies vielleicht schon vereinbart hat, wieder rückgängig
zu machen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Du musst in Fremdenverkehrsfragen mehr auf-
passen.
Der Bundeskanzler hat die Betriebsräte der WTK eingeladen und auf meinem
Tagesprogramm steht nichts, obwohl er angeblich mich dazu auch einge-
laden hat. Der Betriebsratsobmann Oberreiter und sein Stellvertreter
Pöchl sind mit dem Bürgermeister und vier Kollegen von der Metall-
arbeitergewerkschaft erschienen. Sie sprechen sich insbesondere gegen
eine sofortige Schliessung von WTK aus. Zu gründende Ersatzbetriebe
wie GFM, Werzalit, Heinzler sind noch nicht angelaufen. Für GFM
muss die Gemeinde 1,7 Mio. S aufbringen, bei einem Gesamtbudget
von 7 Mill. Ausserdem soll sie noch für den Grunderwerb 255.000 S
Grunderwerbsteuer zahlen. Dem Bürgermeister wird hier von Seiten
Kreiskys zugesichert, er wird das Problem prüfen. Die Betriebsräte
wollen einen fünfjährigen Auslaufprozess und dann die Beschäftigung
von 854 derzeit auf 500 im Jahre 1977 zu reduzieren. Mit diesen
500 Beschäftigten könnte dann in Schmitzberg 500 jato direkt ge-
fördert werden, für die OKA. Die OKA allerdings hat 70 S nur 106
Wärmeeinheit akzeptiert und 78 S wünscht die WTK zu erreichen. Die
ÖDK ist bereits 78.– S in Kärnten für jug. Kohle zu bezahlen und
89.– S für Fohndorfer Kohle. Nur die OKA gibt, obwohl derzeit die
Kosten 220.– S sind nur 175.– S Erlös pro Tonne. Dadurch entsteht ein
Verlust von 14,5 Mill. S. Kreisky bringt sein berühmtes Bei-
spiel und meint, wenn für 9.000 Molkereiarbeiter und für Erhaltung
der Molkereien im Budget 50 Mill. S vorgesehen sind, dann könnte
man für die 7.000 Bergarbeiter nicht so geringe Budgetansätze, er
weiss es nicht oder will es nicht sagen, das sind 68 Mill. S nur
aufwenden. Den Betriebsräten zu beweisen, dass es ihm in diesem
Problem sehr ernst ist, hat er den Gen.Direktor Geist von der ÖIAG
und Dr. Franc sowie Sekt.Chef Gatscha der zuständigen verstaatlichen
Sektion zur Sitzung beigezogen. Reiterer flüstert mir zu, es wäre
höchste Zeit, wenn man in der verstaatlichten jetzt endlich ein
Konzept entwickeln könnte, wie es weitergehen soll. Der Finanz-
minister habe ich das Gefühl, wird für die Bergbauförderung wesent-
lich mehr aufwenden müssen, als er dies beabsichtigt hat.
Mit derselben Starbesetzung nach Verabschiedung der Betriebsräte
wird über die Hirtenberger Verkaufsberhandlung referiert. 36 Mill.
sind noch immer nicht endgültig abgeschlossen. Die CA soll aber
26 %, die Länderbank hat sich noch nicht entschieden, sollte aber
14 % übernehmen. Manireu behält die 20 % und die ÖIAG wird 40 %
kaufen und gegebenenfalls noch Manireu 10 % übertragen. Die Manireu
wird Produktionsmaschinen in Kaufpacht der Hirtenberger zur Ver-
fügung stellen, womit 2 cm und 3,5 cm Munition erzeugt werden kann.
Damit würde das Bundesheer hundertprozentig in seinem Bedarf gedeckt
werden und die Ertragslage von Hirtenberg sich wesentlich bessern.
Ausserdem soll dann von Manireu noch Verpackungsmaschinen für Medika-
mente übernommen werden. Der Finanzminister, der nicht anwesend war,
soll ersucht werden, mit Ockermüller von der Länderbank jetzt end-
gültig zu sprechen. Geist hat diesbezügliche Vage zusagen der Über-
prüfung erhalten, damit ebenfalls hier von Seiten der Länderbank
der Anteil erworben wird.
In meinem Tagesprogramm steht Aichfeld-Murboden, Ministerzimmer,
und ich nehme an, dass dies eine grosse Sitzung sein wird. In Wirk-
lichkeit hat Veselsky nur die Frage wegen der Gründung der Gesell-
schaft zur Diskussion gestellt. Der Finanzminister ist gar nicht
gekommen, er hat Vranitzky geschickt, Kohlbacher und Wagner wollen
nun endgültig eine Formulierung haben, erklären aber gleichzeitig,
dass die Steiermark eine solche Gesellschaft gar nicht wünscht.
Die Steiermark möchte nur vom Finanzminister entsprechende Mittel
haben, aber alles andere macht sie in Eigenregie. Wenn dies tat-
sächlich die Stellungnahme der steirischen Landesregierung sein sollte,
dann ist es ja vollkommen hoffnungslos, eine Gesellschaft vom Bund
aus zu gründen. Selbst die vier davon betroffenen Gemeinden, die soz.
geführt sind, könnten dieser Gesellschaft gar nicht beitreten, weil
sie dann automatisch keine Unterstützung mehr vom Land erhalten würden.
Ausserdem erscheint mir primär gar nicht ob das Kapital 500.000 S
und wer im Aufsichtsrat der Gesellschaft ist, alles Fragen, die
Veselsky besprechen wollte, von entscheidender Bedeutung zu sein.
Richtig ist, ob wir einen Geschäftsführer finden, den die Steirer
akzeptieren. Unsererseits käme nur von der Mag.Abt. 4 Konte in
Frage, der sich als Raumplaner sehr bewährt haben soll. Kohlbacher
kennt ihn und wir mit ihm einmal sprechen.
Heindl wünscht, dass ich von der Fa. Reihberger mit Tauber über
ihre jug. Kooperation spreche. Ich weiss nicht, warum Heindl gerade
Tauber gerade jetzt zu einer solchen Aussprache veranlasst. Er hat
überhaupt keine Ahnung, wie eine solche Kooperation aufgebaut
werden soll. Er hat vage Briefe zwischen Jugoslawien und seiner Firma
gewechselt. Das wäre doch eine typische Frage, die erst mit unserem
Kooperationsreferenten besprochen werden sollte. Wegen der Auszeich-
nung nach § 58 Gew.O, Staatswappenführung, hat Tauber entweder keine
Ahnung oder weiss nicht einmal, was er eigentlich von mir konkret
will. Entweder ist der Mann so schüchtern oder er hat Heindl falsch
informiert oder Heindl hat ihn falsch verstanden und ihn mir als
irgendwelchen Gründen vorführen wollen.
Da eine dringliche Anfrage wegen der UNIDO-Ausschreibung zu erwarten
ist, ersuche ich Heindl Jagoda zu verständigen, dass er nicht kommen
soll. Leider hat dies nicht geklappt und Jagoda versucht nun mit mir den
Gewerbeordnungsentwurf neuerdings durchzubesprechen. Nach ungefähr
einer halben Stunde aber muss ich von der Beamtenecke auf die Regierungs-
bank. Die ÖVP greift uns ganz hart und massiv an. Dabei passieren ihr
aber einige Fehler. Was ich immer in der Opposition befürchtet habe,
trifft nun in der ÖVP hundertprozentig zu. Einige dumme Zwischenrufer
machen bei der Firmennamennennung von Kreisky den Zwischenruf "Jud",
was sich in dem Fall auf die Firma beziehen soll, aber natürlich auch
anders ausgelegt werden kann. Bei der Sitzungsunterbrechung ist die ÖVP
bereit, dass sich der eine klar festgestellte Zwischenrufer Staatssekretär
Haider entschuldigen soll. Der zweite Zwischenrufer, es war ein
Mann aus Kärnten, kommt zu mir und sagt, er hätte nicht Jud gesagt,
sondern das ist a Lug. In der Klubsitzung meint Kreisky, man sollte
nicht immer wieder von diesen oft unter Alkohol Einfluss stehenden
Zwischenrufern Entschuldigungen annehmen und verlangt, dass sich
Koren namens des ÖVP-Klubs entschuldigt. Die ÖVP ist so im Eck,
dass selbst Koren dies macht. Wenn ich bedenke, wie bei uns in der
Oppositionszeit oft die ÖVP-ler mit Faschisten, insbesondere Withalm
bedacht wurde und es maximal einen Ordnungsruf für den Betreffenden
gegeben hat, so muss ich sagen, dass auch in einer Opposition ent-
scheidend ist, wie geschlossen der Klub auftritt. Bei den Zwischen-
rufern der ÖVP ist es meistens so, dass sich die vernünftigen Leute
sofort davon distanzieren und natürlich dann die Klubführung bereit sein
muss, wesentlich grösseres Opfer zur Aussöhnung zu bringen. Die FPÖ
ist in dem Fall der lachende Dritte, die hält sich aus diesem Streit
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möglichst heraus. Je kleiner eine Partei ist, desto mehr Klubdisziplin
besitzt sie und kann man in dieser Frage erwarten und wahrscheinlich
auch durchsetzen. Ich weiss nicht, wie diese ganze dringliche Anfrage
und für welche Partei sie letzten Endes ausgegangen ist. Eines bin ich
nur sicher, dem Ansehen des Parlamentes hat es nicht genützt. Wo wird
das noch hinführen?
Tagesprogramm, 15.2.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 14. Ministerratssitzung, 15.2.1972
09_0207_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)