Montag, 24. Jänner 1972
Sallinger und Mussil haben nur kurz Zeit, da sie um 10 Uhr bei Schlein-
zers Integrationssitzung sein wollen. Aus dem Fernsehen erfährt man,
dass auch Mitterer bei dieser Besprechung anwesend war. Der Presse-
dienst der ÖVP macht dann eine grosse Aussendung und sogar im Fern-
sehen wird auf diese so wichtige Besprechung hingewiesen. Sallinger
und Mussil haben zwar erklärt, sie werden mich unverzüglich verstän-
digen, haben dies aber dann nicht mehr gemacht. Sallinger weist allerdings
auf meinen Vorwurf, dass sie Schleinzer die Namen gegeben haben, dies
entschieden zurück, macht allerdings die Bemerkung, dass wenn Schlein-
zer ihn oder die Handelskammer fragt, wer davon betroffen ist, dann
müssten sie ihm unbedingt die Branchen sagen. So schuldlos an dieser
Zusammenkunft dürfte also die Handelskammer auch nicht gewesen sein.
Ich gebe allerdings zu, dass sie vielleicht konkret nicht geahnt
haben, dass Schleinzer auf eine Information, die sie ihm schein-
bar gegeben haben, dann doch ein so grosses politisches Geschäft machen
will. Walter Hacker von der SK wird von mir daher entsprechend infor-
miert.
Die Bundeskammer weiss noch immer nicht, ob sie in den Iran wirklich Liss-
bauer, Skardarasy und Schimka schicken soll. Der Adjutant des Kaisers
hat beim Bundespräsidenten angeblich interveniert, damit man eine
Delegation von Fremdenverkehrsfachleuten nach Persien schickt. Dort
gibt es 48 Staatshotels, die alle schwer passiv sind. Mussil möchte nur
jemanden schicken, wenn ich dies ausdrücklich wünsche. Ich erkläre so-
fort, dass ich kein Interesse hätte, denn das kostet auch dem
Handelsministerium viel Geld, wenn wir Würzl schicken, sondern
dass dies ausschliesslich ein Wunsch des Bundespräsidenten sein soll.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte feststellen, ob tatsächlich die Präsident-
schaftskanzlei ein solches Verlangen an uns gerichtet hat.
Neuerdings will die Handelskammer, dass wir die Gemischte sowjetische
Kommission mit einem entsprechen Pendant für Manschulo, in diesem
Fall müsste dies Reiterer sein, mit der Vorsitzführung beauftragen.
Die Bundeskammer würde nämlich dann Vizepräsident Seidl in diese
Gemischte Kommission schicken. Ich erkläre neuerdings, dass ich diese
Kommission für nicht so wichtig halte, dass die Sektionschef, die immer-
hin die Vertreter des Ministers, bei mir zumindestens, sein sollen,
nur die Tagesordnung und das Vorbereitungsprogramm treffen sollte.
Endlich wird auch die schriftliche Forderung der Handelskammer, die
europäischen Staaten nicht in die 30 %-ige Präferenz für die Entwick-
lungsländer einzubeziehen vorgebracht. Da wir seit Monaten insbesondere
Rumänien vom damaligen Staatsbesuch her, versprochen haben, dass wir
diese Staaten ebenfalls in die Präferenz, wenn sie sich selbst wählen,
das Prinzip der self selection soll ja aufrechterhalten bleiben, einbe-
ziehen werden, können wir jetzt unmöglich zurückgehen. Ich setze dies
der Handelskammer insbesondere was Jugoslawien betrifft, ganz besonders
auseinander. Die Handelskammer stimmt dem zwar ganz bestimmt nicht zu,
nimmt dies glaube ich aber zur Kenntnis.
Die Bundeskammer hat jetzt eine grosse Diskussion, wer aller das
Staatswappen führen darf. Ich verweise auf die 1961 festgelegten Richt-
linien, wonach die Firma eine ausserordentliche Leistung erbracht
werden muss. Selbstverständlich können darunter auch Handelsbetriebe fallen.
Die konkrete Diskussion hat ein Handelsbetrieb ausgelöst, der nach Auf-
fassung von Sallinger nichts anderes tut, als Fakturen für Armaturen und
Sanitärkeramik ausstellt. Vor einigen Monaten war auch ein Häusermakler
in Diskussion. Hier kamen wir überein, würde es unzweckmässig sein,
nach § 58 Gew.O ihm das Staatswappen zu verleihen.
Mussil ist unentschlossen, ob er zu den Detailbesprechungen von Sekt.
Chef Jagoda über die Gewerbeordnungsabgrenzung gegenüber der Land-
wirtschaft erscheinen soll. Ich berichte über meine Aussprache mit Präs.
Minkowitsch vom Bauernbund und insbesondere die sture Haltung von
Dr. Brandstätter der Präsidentenkonferenz. Übereinstimmend bestätigen
mir beide, dass Brandstätter der radikalere Vertreter ist. Die Handels-
kammer möchte, dass wir maximalst ein kleines Zugeständnis für die
Maschinenringe machen, keinesfalls aber für die Maschinenstationen
und vor allem keine Zugeständnisse auf dem Sektor der Nachbarschafts-
hilfe bei Transportleistungen auf dem Druschgebiet. Das wirkliche Prob-
lem erkläre ich, wären die Molkereigenossenschaften sein und hier müssen
wir doch auch bestrebt sein, eine gemeinsame Lösung zu finden. Sallinger
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meint, dass Brandstätter insbesondere die gesamten Vereinbarungen, die
wir ja bereits mit den Genossenschaften im Vorjahr getroffen haben bzgl.
der Lagerhaus- und Winzergenossenschaften wieder über den Haufen werfen
wird.
Mussil urgiert die Zuckerpreisregelung, da er behauptet, die Zuckerindustrie
hätte 13,9 % Lohnerhöhung angeboten, die Zuckereiarbeiter würden aber
noch 14,5 % verlangen und dann müsste man sich in Kürze über die Löhne
einigen und dann müsste der Zuckerpreis unverzüglich in Kraft treten.
Ich erwiderte, dass die Zuckerpreisangelegenheiten mit dem Löhnen
keinesfalls verknüpft werden könnte weil die Gewerkschaftsvertreter keine
wie immer geartete Möglichkeit haben, der Zuckerindustrie zu einem Zucker-
preis zu verhelfen, der bekanntlicherweise von der Regierung derzeit
abgelehnt wird.
Das Berufsforschungsinstitut, welches bekanntlich von der AK und ÖGB
nach Aussage von Mussil allein geführt wird, möchte Mussil unbedingt durch
einen Vertreter der Handelskammer ergänzt und er würde gegebenenfalls
sogar finanzielle Leistungen erbringen. Ich erwidere, dass ich schon mit
Ingrisch über das Berufspädagogische Institut gesprochen habe und dass
aber hier scheinbar auf einer falschen Leiche gewesen bin. Die Aus-
sprache mit Krwitschka , die ich anschliessend und insbesondere auch
mit der Arbeiterkammer führte, hat dann geklärt, dass tatsächlich es
kein Berufsforschungsinstitut, wie das Mussil, der die Details scheinbar
auch nicht kennt, behauptet hat, sondern nur ein Berufspädagogisches
Institut existiert, wo Ingrisch tatsächlich der Leiter ist. Die Bundeskam-
mer befürchtet nun, dass alle Aufträge, die dieses Institut vom Sozial-
minister und vom Wissenschaftsminister bekommen haben, an ihnen spurlos
vorübergehen wird und möchte deshalb sich an diesem Institut beteiligen.
Ich ersuche die Genossen nur, sie sollten sich überlegen, ob man nicht
mit der Handelskammer in Verhandlungen eintreten könnte. Wie immer dann
das Ergebnis lautet, liegt natürlich dann ausschliesslich bei dem
berufspädagogischen Institut, da sie ja jetzt eine feste Organisations-
form haben und die Handelskammer eigentlich dazukommen möchte.
Die Arbeitsgemeinschaft Management sollen nach Wunsch Mussils auch die
volkswirtschaftlichen Gesellschaften aufgenommen werden. Ich erklärte,
dass ich darauf keinen Einfluss nehmen will, dass es aber bei der kon-
stituierenden Sitzung schon gesagt wurde, es würde das nicht ein exklu-
siver Verein sein, sondern es würden entsprechende Mitglieder neu aufge-
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nommen, wenn sie die Qualifikation mitbringen. Dies entscheidet aus-
schliesslich der Vorstand.
Das briefliche Verlangen sowohl der Handelskammer als auch der Präsidenten-
konferenz, eine Lösung für die Verarbeitungsprodukte im Rahmen der Verhand-
lungen mit Brüssel vorzubereiten, weise ich darauf hin, dass wir eine
Arbeitsgruppe unter Führung von Min.Rat Hauffe gründen. Dies befriedigt
Mussil sehr, da auch er mit bestätigt, dass das Verhalten der Beamten im
Vorjahr, wo sie im letzten Moment einen Initiativantrag zu einem Zeitpunkt
im Parlament anregten, wo es vollkommen unmöglich war, zumindestens auch
so erschüttert hat wie mich. Ich weise darauf hin, dass wir hier
gegebenenfalls mit den Beamten des LWM insbesondere Sekt.Chef Pultar einen
entsprechenden Krieg auslösen können. Die Arbeit dieser Arbeitsgruppe wurde
bisher nämlich vom Landwirtschaftskomitee wahrgenommen, d.h. in dem Fall
eigentlich nicht wahrgenommen.
Direktor Cifer von der Fa. Bauer Bewässerungsanlagen kommt neuerdings,
um mir zu erklären, welche gute Beziehungen er zu den Oststaaten hat und
er deshalb um Unterstützung, damit endlich seine Bewässerungsprojekte
dort aktiviert resp. abgeschlossen werden könnten. Cifer behautet, er sei
Berater der ungarischen Regierung und würde dafür sogar 40.000 Forint im
Jahr bekommen und zur Jagd eingeladen werden. Er wäre auch am Sonntag bei
einer Jagd in Ungarn gewesen und hätte dort versucht, ein 40-Mill.-$-Pro-
jekt Bewässerungsanlagen zu starten. Die Schwierigkeit bereitet, dass
die Österreichische Kontrollbank 7 5/8 % Zinsen für dieses Geld verlangt.
In der CSSR hätte er ein 450-Mill.-S-Projekt derzeit laufen. Das rum.
Projekt, wo ich ihm seinerzeit eine schriftliche Empfehlung für den rum.
Aussenhandelsminister gegeben habe, dürfte eigentlich noch immer kein konkre-
tes Ergebnis gezeitigt haben. Dieser Direktor Cifer ist für mich eine
vollkommen undurchsichtige Figur. Angeblich kennt er die Elat , sei
es in Ungarn, in der CSSR oder in Rumänien sehr gut, er spricht auch fast
alle Ostsprachen. Seine Consulting-Engineering-Firma arbeitet in angeb-
lich 72 Staaten. Cifer hat in Erfahrung gebracht, dass Zentralkomitee-
mitglied Nyers, der für Industrie und Landwirtschaft zuständig ist,
die Kooperationen auf eine neue Basis stellen will. Nach ungarischem
Vorschlag werden in Hinkunft gemischte Gesellschaften errichtet, zu 51 %
im Besitz der Ungarn sein. Der Sitz dieser Gesellschaften soll in Wien
sein. Cifer glaubt kaum und auch in teile diese Meinung, dass sich
jemand finden wird, der solche Gesellschaften errichtet, die natürlich
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durch den 51 %-igen Besitzanteil in der ausschliesslichen Führungs-
gewalt der Ungarn liegen. Wenn diese Mitteilung zutritt, wird die
Kooperation mit den Ungarn in Hinkunft schwieriger werden.
Min.Rat Lenert vom Sozialministerium wird sich bemühen, ob er für
die regionale Industriepolitik einen Mann aus der Arbeitsverwaltung
der Bundesländer uns zur Verfügung stellen kann. Nur so könnten wir
ein wirkliches Konzept für eine Umschulung der Bergarbeiter und an-
derer strukturschwacher Betriebe aufstellen. Ich erfahre z.B. auch zum
ersten Mal, dass unbegrenzte Mittel für diese Umschulung zur Verfügung
stehen. Dem Arbeiter werden 80 % ihres Bruttolohnes bezahlt und das
Sozialministerium übernimmt die entsprechenden Leistungen an die Sozial-
versicherung. Da diese 80 % steuerfrei gegeben werden, müsste sogar
noch ein kleines Geschäft für die Leute herausschauen, die sich um-
schulen lassen.
Hofrat Lackinger von der oö. Landesregierung, der in unserer Grundsatz-
gruppe über die Abwanderung aus dem oö. Raum nach Bayern schon ein-
mal referiert hat, hat diese Studie jetzt durch weitere Erhebungen
ergänzt. Danach ergibt sich, dass keinesfalls 82.000 Österreicher
in der BRD in den letzten Jahren arbeiten, sondern dass eigentlich
seit dem Jahr 1945 82.000 Österreicher in die BRD gewandert sind.
Dort wurden sie teilweise aus verschiedensten Gründen noch nicht als
deutsche Staatsbürger anerkannt und erscheinen daher noch immer als
Österreicher. Tatsächlich pendeln 8.100 aus Oberösterreich, 3.600
auf Tirol, 3–4.000 aus Vorarlberg und 6.000 aus Salzburg, ins-
gesamt also 22.000 Österreicher nach Bayern. Im Innviertel und dem
Rohrbacher Bezirk, wo 10 % der Wirtschaftskapazität nur liegt, sind
20 % Arbeitskräfte insgesamt 37. Dazu kommen 7.000 Pendler in der BRD,
6.500 pendeln in innerösterreichischen, oberösterreichischen Zentral-
räumen und 2.500 nach Salzburg. Zur Auffüllung der Arbeitskräfte-Lücke
werden in diesem Raum 1.900 Fremdarbeiter verwendet. Meine Auffassung,
dass wir daher in Westösterreich gegen diese Abwanderung gar
nichts unternehmen können, vielleicht auch gar nichts unternehmen
sollen, wird von Lackinger voll geteilt. Durch die Arbeit in der BRD
haben die Gewerbebetriebe und sonstige Dienstleistungen nur gute Konsu-
menten wenn sie wieder nach Österreich zurückkommen und hier ihr in
Deutschland verdientes Geld ausgeben. Hier handelt es sich also nicht
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um eine wirtschaftliche Benachteiligung des Gebietes, wie dies
z.B. in dem wirklichen Notstandsgebiet in der toten Grenze NÖ,
teilweise auch im Burgenland der Fall ist. Ein Gesetz, welches
des Unternehmungen in diesem Gebiet eine besondere steuerliche Be-
günstigung gebe, ist daher von unserer Seite ganz entschieden abzu-
lehnen. Kritisch wird es nur, wenn in dieser offenen Grenze dann
die Abwanderung dazu führt, dass die betreffenden Arbeiter dann in
Deutschland ansässig werden und dort sogar die Staatsbürgerschaft
erlangen. Um die österreichischen Arbeitskräfte ansässig zu machen,
wird jetzt die Wohnbauförderung im bayrischen Raum auch österreichischen
Staatsbürgern gewährt.
Vertreter der Kitzbüheler Bergbahnen, die zu 37 % der Gemeinde und zu
14 % dem Land gehören, sprechen vor, um sich gegen die Behauptung,
dass die als Monopolbetrieb die kleinen Leute unterdrücken, dies
bezieht sich auf den Bauer Schroll, wehren. Ich erkläre ihnen, dass
ich mich ausschliesslich von Rechtsstandpunkt mit dieser Frage
beschäftigt habe und weniger versuche, ob ein Monopolbetrieb oder
ob ein Einzelner den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs Rechnung trägt.
Min.Rat Metzner klärt sie dann über die rechtliche Situation im ein-
zelnen auf.
Im wirtschaftlichen Ministerkomitee frägt Kreisky zuerst, wer eigent-
lich Probleme hat. Ich selbst bringe die Eier-Preisentwicklung zur Spra-
che und Weihs erklärt, dass er bereit sein wird, über den 31.1.
hinaus eine Liberalisierung zu verlängern, allerdings wird er es
sich noch überlegen, ob er wieder 50 % der Abschöpfung, die ca.
10 Groschen je Ei bedeuten, wird dekretieren.
Weihs berichtet, dass sich die Zuckerarbeiter jetzt bei 14 % mit den
Unternehmern geeinigt haben und die Industrie jetzt 60–70 Groschen
Zuckerpreiserhöhung erwartet. Weihs möchte 30 Groschen ihnen zuge-
stehen, da allein die Wohlnbewegung 45 Mill. ausmacht, das wären
34,5 Groschen je kg Zucker. 30 Groschen würden den Index um 0,03 %
verteuern. Kreisky teilt mit, dass Lehner bei ihm war und ihn ersucht
hätte, der Bundeskanzler möge doch 40 Groschen geben. Kreisky meint
nun, dass wir in der Preispolitik sehr schlecht liegen. Ausser bei
Benzin, wo es geglückt sei, zuerst 60 Groschen den Preiserwartungen
der Unternehmer hinaufzuschrauben und dann mit 20 Groschen abzuschliessen.
und bei Margarine, wo wir anstelle der vorgesehenen Erhöhung die Umsatz
von 5,5 auf 1,7 % gesenkt haben und deshalb keine Preiserhöhung haben,
liegen wir bei allen anderen Produkten schlecht. Die Pensionisten würden
zwar jetzt 7,4 % Pensionserhöhung kriegen, aber die Steuerprogression
nimmt ihnen einen Teil weg und die argumentieren auch immer mit den
steigenden Preisen. Bei der Mehrwertsteuer nehmen die Unternehmer jetzt
schon die Verbilligungen durch Preiserhöhungen vorweg. Die Paritätische
Kommission hätte früher die Preise im der unteren Hälfte beschlossen
jetzt aber liegen sie oben. Sollte deshalb ein Ministerkomitee aus
der Bundeskanzler, Land- u. Forstwirtschaft, Finanzen und Handelsmini-
sterium gegründet werden, das sich mit der Preisbeobachtung und
Preisinformation beschäftigt. Dieses Komitee würde dann auch z.B.
Weihs sagen, dass eben der Zuckerpreis nur um so und so viel steigen
darf und er könnte dann gegenüber der Landwirtschaft erklären, selbst
wenn er sich noch so eingesetzt hätte, es war eben nicht mehr zu be-
kommen. Ich sprach mich nicht gegen das Komitee aus, hatte aber Bedenken,
dass wir die Paritätische Kommission auf diese Art desavouieren. Ich
meinte, dass man mit dem Gewerkschaftsbund über die einzelnen Preis-
erhöhungen – sei es durch Vorbesprechungen oder selbst in der PK –
ja versuchen könnte, entsprechende Reduzierungen der Preisanträge zu
erreichen. Kreisky meint, es könnte für den ÖGB auch angenehm sein,
wenn in dem einen oder anderen Fall die Regierung halt erklärt, dass
eine Preiserhöhung in diesem Ausmass nicht möglich ist. Überdies hätte
er dies mit dem Gewerkschaftsbund abgesprochen.
Frühbauer hat mit der Mehrwertsteuer grosse Bedenken. Der elektrische
Strom ist derzeit mit 4,3 % belastet und würde in Hinkunft auch
mit dem halben Steuersatz 8 % bezahlen müssen. Scheinbar ist der Vor-
steuerabzug nach Frühbauers Meinung nicht gross genug, um hier einen
Ausgleich zu den derzeitigen Umsatzsteuerbelastungen von 4,3 % herzu-
stellen. Bei Sozialtarifen hat er derzeit überhaupt keine Belastung
und wird in Hinkunft ebenfalls 8 % (halber Mehrwertsteuersatz) bezahlen
müssen. Moser wieder weist darauf hin, dass die Grundzinse derzeit
nicht belastet sind, dass aber in Hinkunft bei Neubauten 8 % Mehrwert-
steuerbelastung eine grosse Belastung darstellt. Die Neubauten, wo 80 %
der Grundzins ausmacht und nur 20 % Betriebskosten, kann der Vorsteuer-
abzug aus Betriebskostenanteil nicht sehr gross sein. Besser sieht
es bei Altbauten aus, wo bekanntlicherweise die Betriebskosten ein wesent-
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liches Vielfaches des Friedenskronenzinses, der derzeit 2.– S je
Krone ist, ausmachen. Weihs meint, dass bei Milch eine 10-Groschen-
Verteuerung, Butter und Käse dagegen 8–10 % Verbilligung aus der
Mehrwertsteuer kommen müsste. Androsch sagt, dass es notwendig ist,
ein solches Komitee zu gründen, denn jetzt hätte z.B. die letzte Kennedy-
Runde, die mit 1.1.1972 in Kraft getreten ist, 200 Mill. S Zollausfall
ihm gekostet und trotzdem seien keine Preissenkungen eingetreten.
Kreisky fasst zusammen, dass keinerlei Zugeständnisse der ÖVP – sei
es beim Mehrwertsteuergesetz oder auch bei anderen Gesetzen im Parlament
– gemacht werden dürften. Es müsste sich, wenn man jetzt wirklich nicht
die Mehrwertsteueransätze ändern will, das nur auf Intervention des Ge-
werkschaftsbundes oder der Mietervereinigung erfolgen. Wenn dies der
Fall sein soll, erklärte ich, müsste man sofort den ÖGB und die Mieter-
vereinigung auf diese Möglichkeit aufmerksam machen. Wenn erst die
Diskussion im Parlament begonnen hat, dann wird natürlich die ÖVP
erklären, dass es auf ihre Intervention zurückzuführen ist. Kreisky
meint nämlich, es wird sicherlich keinesfalls von der ÖVP eine Zu-
stimmung zu diesem Gesetz zu erhalten sein.
Kreisky weist dann noch darauf hin, dass die Wirtschaftsgesetze novelliert
werden müssen. Wir haben derzeit eine teure Agrarverwaltung und es werden
von den Massnahmen nicht nur der Landwirtschaftsminister sondern auch
das Budget und die Konsumentenpolitik berührt. Die Überbesetzung der
Molkereien – Weihs erklärt seit 1955 wo 555 Molkereien waren sind
jetzt nur mehr 296, aber auch die Beschäftigten in den Fonds, Milch-
wirtschaftsfonds sagt Weihs, 120, Getreide 60–70, Vieh 12 Beschäftigte
– sei keine allzu grosse Agrarverwaltung, wird von Kreisky entschieden
bestritten. Kreisky schlägt deshalb vor, es sollte ein Komitee aus
Vorsitz Weihs, Finanzminister und Handelsminister, unverzüglich über-
prüfen, ob auch im Hinblick die Förderung und die Agrarveraltung so
bleiben sollte. Weihs meint, dass bei Getreide er sich jetzt überlegt,
ob gewisse Mengen, die man im Inland als bedarfsdeckend annehmen
kann, übernommen wird und alles andere dann eben als Futtergetreide
Verwendung finden soll. Nur für diese Übernahmsmenge möchte er einen
höheren Preis bezahlen. Bei Milch denkt er derzeit nicht daran, ihnen
ein Zugeständnis zu machen.
Kreisky urgiert wieder, was mit der Subventionsüberwachung, die wie ich
nun erfahre, mit den Freiheitlichen vereinbart wurde, in der Endausführung
jetzt geschehen soll. Weihs meint, er hätte sie bereits in die Förderungs-
richtlinien eingebaut. Danach würden die Vertreter des allgemeinen Bauern-
verband oder der freiheitlichen Partei soweit sie in den Landwirtschafts-
kammern vertreten ist, mit den Arbeitsbauernbündlern und dem Bauernbund ent-
sprechende Kontrollmöglichkeiten haben. Schwierigkeiten ergeben sich nur,
wo keinerlei Vertreter der Freiheitlichen oder des Allgemeinen Bauern-
verbandes in Landwirtschaftskammern sind. Nach Behauptung von Weihs
ist dies nur in Vorarlberg der Fall. Hier müssten noch Detailverhandlungen
stattfinden, um den Wunsch und die Vereinbarung, die seinerzeit abgeschlos-
sen wurde, zu erfüllen. Die jetzt dazu startende Bergbauernhilfe, wofür die
Landeshauptleute verantwortlich sind, weil dies Landessache ist, würde
dann bereits über diese Untergruppen, wo die Interessensvertretungen an-
wesend sind und die Projekte vorgelegt und geprüft werden, abgewickelt
werden. Auch das Landesarbeitsamt, sagt Weihs, würde in diesen Untergruppen
wegen der entsprechenden Berufsumschulung zu Worte kommen.
Bei der Ministerratsvorbesprechung bringt Kreisky diese beiden Arbeits-
gruppen wobei er für die Wirtschaftsgesetz, LWM als Vorsitzenden, FM
und HM und in diesem Fall auch den IM neu vorschlägt. Für den Preisaus-
schuss schlägt er nun vor: HM, FM, SM, BK und IM und ergänzt durch den
jeweiligen Sachminister, z.B. bei Wohnungsfragen den Bautenminister
und bei Landwirtschaftsprodukten Weihs. Rösch teilt mit, dass er jetzt
den § 3a neue Fassung modellartig durchexerziert hat und ihm dem FM
und mir zur Stellungnahme übermittelt hat. Kreisky meint, dass die Freunde
des ÖGB in der PK nicht desavouiert werden sollen. Andererseits wird
es jetzt wahrscheinlich wieder beim ORF eine Erhöhung der Werbetarife
geben. Häuser weist darauf hin, dass die Berichterstattung im Fernsehen
skandalös ist. Z.B. sei unser Wunsch, dass wir keine Weihnachtsgrüsse
schicken, verzerrt wiedergegeben werden. In Sapporo wird nicht die
Stellungnahme Sinowatz herausgearbeitet, sondern Bacher seine Eskapade.
Sinowatz erklärt, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Ich empfehle
ihm Anschluss an die Sitzung, er sollte doch im Weissbuch dann ver-
öffentlichen, womit Bacher entsprechend blamiert erscheint. Kreisky will
dass nun die wirtschaftspolitische ökonomische Konferenz und auch alle
anderen Konferenzen ausgelöst durch eine Humankonferenz über Gesundheits-
politik jetzt unsere seinerzeitigen Mitarbeiter wieder aktiviert. Man
musste Bericht erstatten und vor allem unseren Genossen und sonstigen
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Mitarbeiter wieder fester an die Ministerien binden, damit sie nicht
so sehr verärgert sind. Er meint, wir haben schöne Erfolge erzielt,
nur das Strukturkonzept über die staatliche Verwaltung bei ihm sei
nicht weitergekommen, weil er dafür keine Leute hat. Fischer meint,
man müsste horizontale Koordinationen ähnlich wie die schwedische
Regierung mit dem Gleichheitsreport gemacht hat, zwischen den einzelnen
Ministerien in einem Sachproblem, eben z.B. Bekämpfung der Armut
herbeiführen. Kreisky hat dagegen nichts einzuwenden, fürchtet nur
eine Gefahr der Isolierung der Bundesminister, die heute
Fortsetzung nächste Seite.
die heute überhaupt mehr mit der Bürokratie arbeiten, als dies
wahrscheinlich gut ist. Seiner Auffassung nach dürfte dies
nie passieren, was den Schweden zugestoßen ist. Die haben sich
untereinander nicht einigen können und haben deshalb jetzt
mit Hilfe der Bürokratie in Wirklichkeit eine schlechte wirt-
schaftliche Situation und politische seien sie unter 40 % ge-
sunken. Kreisky will also scheinbar jetzt, daß doch wieder eine
stärkere und breitere Mitarbeiterbasis in den einzelnen Ministerien
gefunden wird.
Frühbauer weist darauf hin, daß das Landeselektrizitätsgesetz
von Niederösterreich nach Auffassung seiner Leute teilweise ver-
fassungswidrig sei. Trotzdem müßte man dieses Gesetz jetzt ge-
nehmigen, weil ansonsten ein Genehmigungsverfahren für das Kern-
kraftwerk gar nicht möglich ist. In der Grundsatzgesetzgebung
des Elektrizitätsgesetz, welches noch immer nicht erlassen ist, haben
die Länder heute breiteren Spielraum.
Lütgendorf frägt, ob er außer dem Sanitätskontingent auch auf
Wunsch der UNO eine Polizeitruppe in Höhe von 270 Mann stellen
soll. Derzeit haben wir ein UNO-Bataillon mit 700 Mann in Reserve,
das bereits fünf Instruktionen über sich ergehen hat lassen müssen.
Er würde nun die einzelnen Mitglieder dieses Bataillons anschreiben
ob sie bereit sind, ein 1/2 Jahr mindestens in Zypern als Polizei-
truppe neben den Sanitätskontingent zu verbringen. Die Truppe kostet
110.000 Dollar pro Monat, wird allerdings von der UNO bezahlt.
Ich informierte Kreisky, daß ich auf Wunsch von Rabus den griech.
Industrieminister nach Österreich einladen werde. Die Einladung
geht, so wie ich dies bei VÖEST und ÖMV gemacht habe, auf Kosten
des Unternehmens. Kreisky meinte, ich würde damit sicherlich einer
entsprechenden Kritik in Österreich ausgesetzt sein. Insbe-
sondere erkläre ich aber, daß Pittermann sicherlich dagegen pole-
misieren wird, ich aber nicht mit einem Privatunternehmer schlechter
behandeln kann auf einen Wunsch, als wie ein verstaatlichtes Unter-
nehmen. Kreisky meinte, dann würde die Verantwortung übernehmen,
worauf ich ihm sofort erklärte, daß die Verantwortung ausschließ-
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lich ich zu tragen habe. Ich ihn nur informiere, damit er nicht
dann erklärt, er hätte dies nicht gewußt.
Tommy Lachs ruft mich in der Nacht an und erklärte, daß das Fernsehen
und der Rundfunk ausgestrahlt hätten, daß die Regierung jetzt ein
Ministerkomitee einberuft, weil die Paritätische Kommission zu lax die
Preise behandelt hat. Lachs sieht darin einen Vorwurf gegen die
Tätigkeit der Paritätischen Kommission und insbesondere natürlich
gegen den Gewerkschaftsbund. Ich versuchte ihn zu beruhigen,
daß dies in der Regierungsbesprechung nicht so kraß ausgesagt wurde
und daß er eigentlich hier vielleicht wieder zutrifft, was Häuser
Rudi erklärt hat, daß nämlich die Berichterstattung des ORF skan-
dalös ist. Ich kann allerdings nicht erklären und weiß es auch nicht,
wie weit die Informationen des Fernsehens auf Informationen vom
Bundeskanzleramt zurückzuführen sind. Tatsächlich müßte sich hier
eine schwache Nahtstelle in der Politik der Regierung und des Ge-
werkschaftsbundes befinden, wenn hier die Gegner einstoßen. Ich
glaube auch, daß es auf die Dauer für den Gewerkschaftsbund unerträg-
lich wird, wenn die Regierung eine härtere Haltung in Preisfragen
einnimmt, als dieser z.B. der Gewerkschaftsbund als Konsumentenver-
treter tatsächlich in den vergangenen Monaten gemacht hat. Natürlich
gibt Lachs unumwunden zu, daß er oft aus Gründen, daß es zu einer
Einigung kommen muß, in verschiedensten Preisfragen nachgeben mußte.
Er befürchtet, daß nun Bundeskammerpräsident Sallinger Benya anrufen
wird um zu fragen, ob eine Zusammenarbeit in der Paritätischen Kommission
in diesem Falle überhaupt noch möglich und zielführend ist. Ich glaube
auch, daß es für die Paritätische Kommission und für die Interessen-
vertretungen eine schwere Belastung darstellen würde, wenn die Bundes-
regierung sich jetzt in ihre Politik, sei es auch nur indirekt, durch
Kritik einschalten würde.
Tagesprogramm, 22.1.1972
Tagesprogramm, 23.1.1972
Tagesprogramm, 24.1.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm 24.1. Rückseite)