Freitag, 14. Jänner 1972
Bei der interministeriellen Besprechung zeigte sich wieder die über-
ragende Fähigkeit von Botschafter Marquet, durch seine Logik und
Argumentation sich durchzusetzen. Sowohl Reiterer als auch Marquet
hatten mir vor einigen Tagen schon auseinandergesetzt, dass der
jetzige Zeitpunkt der denkbar schlechteste wäre, um in den Hauptstädten
der EWG-Staaten zu intervenieren. Während Reiterer meist nur formelle
Gründe vorbrachte, hat Marquet durch seine Brillanz in
Wirklichkeit klar und eindeutig bewiesen, wie schlecht es wäre,
diese Intervention bereits jetzt durchzuführen. Reiterer wies vor allem
darauf hin, dass wir jetzt für den nächsten Ministerrat der EWG, der
Ende Jänner zusammentreten wird, bereits zu spät daran wären. Die
Bundeskammer hatte ja bereits am 17. Dezember mir vorgesprochen und
eine solche Intervention in den Landeshauptstädten verlangt. Zuerst
hatte ich daran gedacht, auch die Interessenvertretungen zu einer
solchen Intervention heranzuziehen, damit wir insbesondere die Land-
wirtschaft mehr an die Ablehnung, die zu erwarten war, binden. Kirch-
schläger aber sagte mit Recht, dann würde die Delegation zu gross
sein und würde damit überhaupt nicht zu den wichtigsten Männern vorge-
lassen werden. Marquet setzte nun der Bundeskammer und auch der Land-
wirtschaft ganz besonders auseinander, dass sie noch gar nicht so weit
wären, um ihn und Reiterer, denn nur die beiden kommen ja für die
Intervention in Frage, ein wirkliches Schwerpunktprogramm mitzugeben.
Wenn sie nun bei den einzelnen Hauptstädten intervenieren und dort
nur ein Fact finding darlegen, dann würden sie sich nicht nur abwerten,
sondern auch diese Intervention als sinnlos abgetan werden. Sie müssen
schon, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt einmal in einer Stadt inter-
venieren, genau wissen, welche Punkte sie erstens dort zur Sprache
bringen und zweitens, welche Kompromissvorschläge sie versuchen müssen
dann dort durchzusetzen. Darüber hinaus hatte er mit Recht darauf hin-
gewiesen, dass grosse Gefahr besteht, dass man dann in allen sechs
Städten die Verhandlungen führt und in Brüssel dadurch nur eine Ver-
ärgerung bei der Kommission bereits jetzt auslöst. Am brutalsten hat
Zöllner die Bundeshandelskammer angegriffen, indem er erklärt, er
hält nicht von solchen Interventionsreisen, meint aber, wenn die
Bundeskammer die Suppe sich einbrockt, dann sollte sie diese auch
auslöffeln und er müsste darauf bestehen, dass ganz genaue Richtlinien
dem Marquet und Reiterer mitgegeben werden. Gleissners Argumentation
brach deshalb in kürzester Zeit zusammen und wir verblieben dann so,
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dass zuerst einmal die Bundeskammer intern genau abklären sollte,
wie die einzelnen Branchen zu den einzelnen Punkten stehen. Zu
diesem Behufe hat ja die Bundeskammer derzeit Enqueten, wobei sie
in den einzelnen Sparten versucht, die Firmen erstens einmal zur
Darlegung ihrer tatsächlichen Situation zu verhalten und zweitens
Reiterer und unsere Leute mit entsprechendem Material zu ver-
sorgen. Obwohl die Bundeshandelskammer am 17. Dezember bereits
bei mir interveniert hat, kann sie durch die Feiertage, wie
Gleissner zugeben musste, noch immer nicht einen abschliessenden
Bericht vorlegen. Der finden noch immer diese Enqueten statt und
damit liegt das Verschulden der Verzögerung eindeutig bei der
Bundeskammer. Die Landwirtschaft dagegen hat natürlich wieder
verlangt, dass wir mit einer anderen inneren Einstellung an die
Verhandlungen herantreten sollten. Ich habe nämlich neuerdings
Dr. Strasser von der Präsidentenkonferenz klar und deutlich aus-
einandergesetzt, dass wir zwar alles tun werden, um zu einer Lösung
die auch die Landwirtschaft befriedigt, zu kommen, doch glaube
ich kaum, dass auch nur die Spur einer Chance besteht, dass die
Landwirtschaft in das Abkommen einbezogen wird. Strasser selbst
musste zugeben, dass sie ebenfalls bei jeder Gelegenheit, ihre
Interessen den landwirtschaftlichen Stellen in den EWG-Staaten
zur Kenntnis bringen, dort auch wohlwollende Zusagen erhalten,
wenn es aber dann zur Arbeitssitzung in den entsprechenden Gruppen
der EWG kommt, werden die österreichischen Wünsche kaum berück-
sichtigt. Reiterer flüsterte mir dann zu, nachdem alle verzichtet
hatten, dass die Intervention im jetzigen Zeitpunkt stattfinden
sollte, dass er doch gute Vorarbeit geleistet hat. Bei einem
Mittagessen bei der Generalversammlung des Rates der Europäischen
Industrieverbände hat wie mir Präsident Mayer-Gunthof auch zuge-
flüstert, dass Reiterer ein so guter Mann ist. Ich glaube, er
hat die Gespräche deshalb auf dieses Problem gebracht, weil ich
dort Marquet getroffen haben und vor Sallinger und Mayer-Gunthof
das Ergebnis der heutigen vormittägigen Besprechung ihnen gleich
brühwarm mitgeteilt habe. Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich,
dass es ein Verbrechen war, dass man Marquet seinerzeit vom
Handelsministerium weggehen hat lassen. Mayer-Gunthof bestätigte
mir, dass Marquet einer der besten Leute ist und Sallinger meinte
nur, er hätte damals nichts dazu beigetragen, dass Marquet
tatsächlich ins Aussenamt gekommen ist. Ich glaube das ohne weiteres,
denn damals hat Sallinger kaum noch etwas in der Politik zu reden
gehabt. Reiterer dürfte zu seinem Protegé, nämlich Mayer-Gunthof,
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sich beschweren gehen, dass wir viel zu wenig ihm vertrauen und
wird wahrscheinlich die Schuld ausschliesslich beim Büro und
bei mir suchen. Mayer-Gunthof meinte, er hätte damals sich mit seiner
ganzen politischen Kraft müssen einsetzen, dass Reiterer den Sektions-
chefposten bekommt, denn der CV hätte sich wegen der nichtkirchlichen
Trauung von Reiterer gegen eine Bestellung als Sektionschef gewendet.
In der Fraktion des AK-Vorstandes, wo ich wesentlich zu spät kam, hat
Hrdlitschka die Nachfolge von mir eingehend erörtert. Benya war des-
halb sehr ungehalten, als er bei meinem Erscheinen neuerdings von
Anfang an beginnen wollte. Ich erklärte sofort, ich hätte den Ver-
trag noch nie gesehen, da ich mit Häuser, seinem Vertreter, noch
leider keine Gelegenheit gehabt hatte, darüber zu sprechen. Wie sich
aber herausstellte, werden sie den Vertrag sowieso neuerdings ändern,
sodass ich ihn sowieso nicht unterschreiben konnte. Viel wichtiger
erschien mir, der Fraktion und insbesondere Benya auseinanderzusetzen,
wie es in der Preispolitik weitergehen solle. Ich ersuchte die Genos-
sen, keine Illusion zu haben, dass wenn wirklich das grosse Kompetenz-
gesetz mir die gesamte Preiskompetenz überträgt, ich dann Wunder
wirken könnte. Rösch hat immerhin den Apparat der Gendarmerie und
Polizei zur Verfügung gehabt. Ich selbst würde überhaupt keinen
Apparat haben und müsste deshalb an die Mitwirkung der Interessen-
vertretungen appellieren. Die Idee von Androsch, dass wir durch die
Neueinführung der Mehrwertsteuer einen Art Preisstopp für eine gewisse
Zeit proklamieren können, hielt ich nicht für sehr zielführend, da
ich nicht annehme dann, dass die Handelskammer dem wirklich zustimmen
wird. Benya bestätigte meine Meinung und erklärte sich bereit, dass
der Gewerkschaftsbund aber auch die Areiterkammer, so wie dies seiner-
zeit einmal der Fall gewesen ist, einen Informationsapparat aufbauen
soll.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Wenn das grosse Kompetenzgesetz im Parlament be-
schlossen wird, müssen wir einen propagandistischen Feldzug starten,
dass die gesamte Bevölkerung uns jetzt unterstützt, denn es wäre glau-
be ich sehr zweckmässig, darzulegen, dass ich sonst vollkommen hilflos
dieser Entwicklung gegenüber stehen würde.
Die VÖEST hat mich ersucht, beim rumänischen Botschafter wegen des
Abschlusses eines Liefervertrages einer Verzinkungsanlage zu inter-
venieren. Da ich vom rum. Botschafter in dem Fall etwas wollte, hatte
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ich rein optisch beschlossen, zu ihm in die Residenz zu fahren.
Die VÖEST hat bereits Vorleistungen in der Höhe von fast 40 Mio. S
erbracht bei einem Gesamtrahmen von 56,5 Mill. S. Die Preisdifferenz
betrug, wie mir der Botschafter mitteilte 8 %, das waren ca.
550.000 $. Davon hat die VÖEST 4 % bereits nachgelassen, hat aller-
dings einen Anteil von 32 % am Gesamtgeschäft. 68 % macht die
deutsche Firma Hörtey , ich wies den Botschafter besonders darauf
hin, dass ich mich sehr für die Kooperation mit allen Oststaaten
eingesetzt habe und dass ich deshalb von der VÖEST mir Recht kri-
tisiert werde, dass bei einem ersten grösseren Kooperationsversuch
mir Rumänien die Rumänen jetzt von einer Kooperation nichts mehr
wissen wollen, sondern einem billigeren französischen Offert den
Zuschlag geben wollen. Der Botschafter wies darauf hin, dass
am Montag zwischen der Firma Hörtey und dem deutschen Handelsrat
und dem rumänischen Botschafter in Deutschland Verhandlungen
stattfinden, um ebenfalls eine Preisreduktion, die derzeit nur
1,5 % betragen soll, zu erreichen. Er wird seiner Regierung be-
richten, dass doch wenn irgendwie möglich, dieses Geschäft mit
Österreich gemacht werden soll. Auf alle Fälle wird Anfang dieser
Woche noch keine Entscheidung getroffen werden, wie mir VÖEST-Gen.-
Direktor Koller mitteilte, sondern es wir Handelsrat Dumitrescu
erst nach Bukarest fahren, um die Details der Regierung mitzu-
teilen.
Dr. Stern, Prof. Krapfenbauer und der Geschäftsführer Dr. Schrofner
sollten jetzt von mir erfahren, wie sie eine Genehmigung zu Spren-
gungen für ihren Steinbruch in Hohenems erhalten können. Das Ganze
sei ihrer Auffassung nach ein Politikum, da sowohl der Bürgermei-
ster als auch von den Sozialisten Landesrat Winder, Neururer als
auch Bundesrat Abrahm von der ÖVP jetzt sich dieser Sache ganz be-
sonders annehmen. Prof. Krapfenbauer meinte, dass der General-
direktor Berchtold von den Illwerken, dessen Frau an dem Steinbruch
beteiligt sei, überall herumerzähle, dass Krapfenbauer, der als
Sachverständiger der Firma eingesetzt war, seine Obliegenheit
gröblichst verletzt und selbst angibt, dass auf diesem Steinbruch
nicht mehr gesprengt werden kann. Stern wollte von mir die Zusi-
cherung haben, dass wenn sie noch ein Gutachten bringen, dass
ich dann bereit wäre, eine entsprechende Sprengerlaubnis zu geben.
Ich wies sofort darauf hin, dass es sich hier immer nur um Privat-
gutachten handeln könnte, die natürlich im Verfahren berücksich-
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tigt werden, dass für mich aber ausschliesslich ein Gutachten
der Landesregierung des Amtssachverständigen massgebend wäre.
Hier hat ein Geologe auf den Sprengsachverständigen, dieser sich
wieder auf einen Dritten berufen und noch immer keine positive
Äusserung abgegeben. Min.Rat Beran und auch Sekt.Chef Jagoda meinen,
dass ich niemals ein solches Gutachten erhalten werde. Ich setzte
der Delegation, so wie ich das seinerzeit auch Gen.Direktor
Berchtold gegenüber schon getan habe, auseinander, dass es
zielführender wäre, wenn sich die Firma um einen anderen Steinbruch
umschauen würde. Der Einwand, dass auch auf Gemeindesteinbruch
gesprengt wird, konnte ich insofern sofort für mich entkräften,
als ich erklärte, dass hier die Landesregierung eine Sprenggenehmi-
gung gegeben hat und kein Anrainer sich dagegen ausgesprochen.
Ich selbst würde, wenn die Probleme bis zu mir heraufkommen, auf
alle Fälle ein Gutachten der gesamten Wand verlangen und erst dann
meine Entscheidung treffen. Die Firma möchte dieses Problem auf
die Staubentwicklung bei dem Aufarbeiten des Gesteines beschränkt
wissen und hat angeblich sogar bereits beschlossen, gegebenenfalls
eine Million Schilling zu investieren, um eine staubfreie Brech-
anlage aufzubauen. Ich selbst warnte den Herrn Schrofner als
Geschäftsführer eine solche Investition zu machen, da heute mehr
denn je abzuwarten ist, ob überhaupt eine Sprenggenehmigung er-
teilt werden wird.
In der ERP-Fachkommission für Fremdenverkehrskredite wurden die
Restkredite für das Jahr 1971/72 gegeben. Da bis 30.6. damit über-
haupt keine weitere Zuteilung mehr an ERP-Kredite zu rechnen ist,
setzte ich der Kommission den Plan von mir und Androsch ausein-
ander, wonach wir die restlichen maximal 450 Mill. S in zwei Jahres-
raten ausfinanzieren wollen. Der Landeshauptmannstellvertreter von
Salzburg, Haslauer war über diese Mitteilung sehr erfreut, da er für
den Fremdenverkehr – wie er sich ausdrückte – ebenfalls
eine grosse Leistung erbracht hat. Er wünscht nur, dass nicht wie-
der eine mit dem Land gemeinsame Aktion gestartet wird, sondern
dass der Bund allein diese Zuschüsse für die Ausfinanzierung
übernimmt. Obwohl dies tatsächlich bei uns zuerst beabsichtigt
war, neige ich immer mehr dazu, dass wir doch eine Aktion starten
sollen, wo auch die Länder herangezogen werden. Ich könnte mir vor-
stellen, dass wir hier 2:1 wie dies bei den sonstigen Fremden-
verkehrskrediten der Fall ist den Zinsenzuschuss gewähren.
Der Vorteil wäre, dass wir nicht nur einen geringeren Teil dann der
Mittel aufbringen müssten, sondern dass wir uns dann wenn es irgendwie
ins Stocken gerät, mit Recht wahrscheinlich auf die Länder ausreden
können. Ich glaube überhaupt dass wir – wenn die Länder schon die
Fremdenverkehrskompetenz haben wollen und unbedingt behalten wollen –
sie auch finanziell immer mit den entsprechenden Leistungen belasten
sollen. Worauf wir nur drängen müssen ist, dass die Methoden und die
Erhebungen wesentlich vereinfacht werden sollten. Dies wirkt sich
bei den Kreditwerbern, d.h. der Wirtschaft als erstes ganz positiv
aus.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte in diesem Sinne mit Würzl und Poppinger
Verhandlungen führen.
Vom Bürgermeister in Zell am See wurde ich verständigt, dass die
Gemeinden beginnen, die Fremdenverkehrsstatistik zu boykottieren.
Sie werden dies in dem Sinne machen, dass einige Gemeindevertreter
ihm bereits mitgeteilt haben, sie würden Hausnummern in die
statistischen Formulare einsetzen. Seine Frau hat sich einmal die
Mühe gemacht für seien Betrieb die Formulare wahrheitsgetreu auszu-
füllen und hat sich stundenlang damit herumschlagen müssen. Da ich
bei einer seinerzeitigen Parteiwahlreise mit ihm bekannt wurde und
ihm erklärt habe, er könnte sich jederzeit an mich wenden, will er
nun hilferufend meine Unterstützung, dass wir hier eine Änderung vor-
nehmen. Ich habe sofort Würzl ersucht, er soll im Einvernehmen mit
dem Statistischen Zentralamt die dafür notwendigen Stellen zusammen-
rufen, um eine Vereinfachung des Fragebogens unverzüglich in die Wege
zu leiten. Ich höre so viele Klagen und in der Presse wurden wir des-
halb, obwohl der Gemeindebund, der Städtebund und alle anderen – Handels-
kammern usw. – zuständig zugestimmt haben, derartig heftig angegriffen,
dass es höchste Zeit ist, hier einen Rückzieher anzutreten. Ich glaube
hier müsste man mit Stichprobenerhebungen und mit Hochrechnungen eben-
falls zu einem brauchbaren Ergebnis kommen. Ich erinnere mich noch
sehr gut, dass ich vor Jahrzehnten festgestellt habe, dass in der
Schweiz die landwirtschaftliche Erhebung meistens auf Stichproben aufge-
baut ist und sie wahrscheinlich auch nicht viel schlechter ist als
die österreichischen Vollerhebungen. Wir können mit einem solchen
Stichprobensystem wahrscheinlich genauso annähernd gute Resultate
erzielen wie bei einer Vollerhebung, verärgern nicht die Bevölkerung,
können aber andererseits mit wesentlich geringeren finanziellem Aufwand
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ebenfalls zu einem brauchbaren Ergebnis kommen. In meinen Augen
sind diese Vollerhebungen längst überholt und müssten durch ein System
von sinnvollen und bis ins letzte Detail durchdachten Stichprobenerhebung
ersetzt werden.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte dieses Problem mit Krämer besprechen und
dann vielleicht initiativ auf unserem Sektor werden.
Tagesprogramm, 14.1.1972