Dienstag, 11. Jänner 1972
Die ganztägige Klausurtagung zeigte wieder die verschiedenste
Auffassung der einzelnen Minister von einer notwendigen Politik
ihrer Ressorts. Ich hatte in Wirklichkeit die Absicht, nur einen
einzigen Gesetzentwurf, nämlich die Gewerbeordnung herauszustreichen,
und als legistische Massnahme anzukündigen. Nur noch Weihs und auch
Kirchschläger hatten eine ähnliche Stellungnahme. Die anderen Ressorts
insbesondere das Sozialministerium und das Justizministerium, aber
auch teilweise Inneres und selbst Bauten und Verkehrsministerium
hatten eine ganze Unzahl von Gesetzentwürfen, die sie in der nächsten
Zeit im Parlament einbringen müssen. Manchmal hatte man den Eindruck,
dass gerade ich und vielleicht auch noch Weihs, da wir so wenig Gesetz-
entwürfe – Weihs hatte ja nur das Forstrechtsgebiet angekündigt – weniger
leisten, da wir uns direkt-ärmlich gegen die Dutzende von Gesetzent-
würfen der anderen Ressorts abhoben. Allerdings muss ich zugeben, dass
z.B. als ich dann nach Aufforderung von Kreisky auch über die sonstigen
Aktivitäten berichtete und über die Warendeklaration die Absichten
ausführte, natürlich sofort gefragt wurde: Und das wirst Du alles
ohne gesetzliche Grundlage machen können? Ich erwiderte, dass ich
versuchen würde, ohne Gesetz mit dem derzeitigen UWG auszukommen und
ich werde ja, wenn es nicht anders geht natürlich entsprechende
gesetzliche Regelungen anstreben müssen.
Über die Filmförderung habe ich bereits in der Regierungsvorbesprechung
gestern berichtet und der Unterrichtsminister hat nur eine Idee des
Filmförderungsgesetzes auf kulturpolitischem Sektor dargelegt. Er will
eine Jury aufstellen und einen Staatspreis verleihen. Es sollen Prämien
und Zinsenzuschüsse, Ausfallhaftung und Drehbuchprämien, ein Kosten-
beitrag für ein Filmfestival und sonst noch vieles was Geld kostet
vom Finanzminister bezahlt werden. Ich habe so das unbestimmte Ge-
fühl, dass gerade in allen anderen Ressorts doch noch immer davon
ausgegangen wird, die beste Lösung ist, man macht ein Gesetz und
irgendwo wird dann vom Finanzminister die entsprechenden Mitteln ver-
langt und damit kann man dann natürlich entsprechende Förderung durch-
führen. Niemand hat bis jetzt daran gedacht, dass es auch Möglichkeiten
geben muss, wo man ohne Gesetzliche Subventionen eine entsprechende
Förderung aufbauen könnte.
Der Verteidigungsminister hat über die umfassende Landesverteidigung
berichtet und ich habe dann ergänzt, dass wir die wirtschaftliche Lan-
desverteidigung ohne Staatszuschuss nicht lösen könnten und deshalb
von uns nur die entsprechenden Organisatorischen Vorbereitungen getrof-
fen werden durch Ausarbeitung aller Pläne bezüglich der Verteilung von
Rohstoffen, Brennmaterial usw., dass wir aber keinesfalls einen diesbezüg-
lichen Gesetzesentwurf einzubringen beabsichtigen, wo dann der Finanz-
minister ausschliesslich Milliardenbeträge dafür bereitstellen müsste
und wenn er es nicht macht dann die Wirtschaft entsprechende Zinsenzu-
schüsse dann aber leisten müsste. Lütgendorf möchte auf Grund des Militär-
leistungsgesetzes 1968 18.000 LKW aber auch sonstige Geräte und Maschi-
nen erfassen. Zu diesem Zweck möchte er – und dagegen habe ich mich
ganz entschieden ausgesprochen – die entsprechenden Firmen auffordern,
ihre LKWs und Geräte bei ihm vorzuführen, dort zu registrieren und
feststellen, dass er in einem Notfall anfordern wird. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass dies ruhig über die Bühne gehen wird und vor
allem, dass es überhaupt einen Sinn hat. Wir haben derzeit 120.000 LKW
und ich glaube, wenn es wirklich ernst wird, brauchen wir eine Ermäch-
tigung, dass er vor dem Mob.-Fall oder unmittelbar bei der MOB
diese tatsächlich 18.000 LKW requirieren kann. Rösch meinte allerdings,
davon verstände ich nichts, denn er müsste, dass jetzt genau im Einzelnen
wissen, welche Typen und wo er diese LKW dann hinbeordert. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass dies in Österreich ohne grössere Aufregung über
die Bühne geht und dass hier nichts anderes als ein riesiger bürokra-
tischer militärischer Apparat jeden einzelnen LKW verfolgen wird
mit dem Endergebnis, dass die Firmen natürlich bestrebt sind, so schnell
wie möglich diese von ihm requirierten LKW ganz einfach halt so zuschan-
den zu fahren, dass er dann in Wirklichkeit sowieso nichts davon hat.
Die von ihm bezeichneten notwendigen LKW werden nämlich von den Firmen
sicherlich dann so schnell wie möglich so eingesetzt, dass sie in kürzest
Zeit unbrauchbar sein werden. Die schlechteste Arbeit wird von diesen
LKW zu leisten sein und im Notfall wird er damit kaum etwas anfangen
können.
Ich verwies - nachdem mich Kreisky aufgefordert hatte, über unsere
sonstigen Aktivitäten zu berichten – auf die Häuselaktion und ganz
besonders auf unsere ERP-Situation. Ich erklärte rundheraus, dass
ich mit Androsch einig bin, dass wir für die A1-Hotels eine Aktion
starten wollen, um die 750 Mill. S die wir durch die ERP-Mittel
nicht decken können, durch Zinsenzuschüsse doch noch auszufinanzieren.
Androsch erklärte sich auch tatsächlich dazu in aller Öffentlichkeit jetzt
bereit und meint nur, wir sollten die zweimal 150 Mill. S ERP für zwei
Jahre den Rest von 450 Mill. S dann ebenfalls durch zwei Jahre auszu-
finanzieren. Seine Berechnungen hätten ergeben, dass wir im ersten Jahr
6 Mill. S und im zweiten Jahr 12 Mill. S und in den weiteren Jahren
fallend Zinsenzuschüsse dafür benötigen würden.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Androsch hat hier wirklich konkretere Zahlen bereits
gekannt und auch genannt. Er war aber so loyal zu erklären, dass er diese
Anregung nicht nur aufgreift, sondern mit mir gemeinsam jetzt unmittelbar
verwirklichen will.
Er forderte Frühbauer auf, für die Seilbahnen, wo für ERP 60 Mill. S zur
Verfügung stehen, aber bereits für 250 Mill. S Ansuchen vorliegen, eben-
falls ein solches System zu machen und Frühbauer meinte, dafür würde er
3,5 Mill. S Zinsenzuschüsse pro Jahr benötigen.
Beim Gesundheitsministerium wurde primär darüber diskutiert, wie für den
Gesundheitsplan, der im März/April vorgelegt werden soll und für den
Umweltschutzplan, die notwendigen beiden Sektionsleiter gefunden werden
können. Leodolter hat glaube ich grosse Schwierigkeiten, wirklich
gute Leute zu bekommen, die in den Ressorts anstehenden Genossen, meistens
Ministerialräte, dürften hier nicht die besten Leute sein. Sie wird es furcht-
bar schwer haben, wirklich sich mit der Bürokratie dann entsprechend
für eine solche umfassende Arbeit die notwendigen Fachleute zu beschaffen.
Eine wirklich interessantere und ich würde fast sagen eine etwas harte
Diskussion gab es mit dem Bericht des Androsch. Androsch meinte, dass er
die Einkommen- und Lohnsteuer-Regelung doch mit 1.1.1973 machen wollte
denn, wenn nichts geschieht, so drückte er sich aus, so müsste man damit
rechnen, dass 2 Milliarden Schilling trotzdem verpulvert werden und nur
sinnvoll könnte es werden, wenn er eben mit 1.1.1973 1,5 Milliarden dann
noch dazu gibt, d.h. mit 3,5 Milliarden Schilling Ausfall rechnen muss.
Dieses "Nichts geschehen" bezog sich darauf, dass er sich gegen eine
Regelung ausspricht, die mit 1.7.1972 Platz greift. Nun hat aber der
Gewerkschaftsbund und sowohl Häuser als auch ich haben besonders darauf
hingewiesen, dass ich sehr weit festgelegt und ich glaube, dass tatsäch-
lich mit Mitte des Jahres etwas geschehen muss. Bereits bei meiner Ankunft
in Vöslau ist Hrdlitschka, der uns begrüssen wollte, mit Androsch an einem
Tisch gesessen und hat mich sofort gebeten, ich soll mich dazusetzen.
Hrdlitschka wollte unbedingt von Androsch eine dezidiertere Erklärung,
09-0012
wie er sich die Lohn- und Einkommenssteuerregelung vorstellt. Da ein
Gewerkschaftspräsidium heute stattfand und Hrdlitschka dort womöglich
schon die Richtung kennen wollte, die Androsch bei der Tagung mitteilte,
versuchte er, ihm die Würmer aus der Nase zu ziehen. Androsch aber dachte
nicht daran detaillierte Informationen weiterzugeben. Auch bei der Tagung
selbst meinte er nur, natürlich werde er dann mit dem Gewerkschaftsbund
verhandeln, er möchte aber schichtenspezifisch, d.h. Gruppenlösungen
finden, damit eine wirksamere Senkung möglich wäre. Er hat die Absicht,
doch eine Vereinfachung der Lohnsteuern herbeizuführen, aber und das
habe ich versucht, ihm auseinanderzusetzen, dabei wird er auf den ent-
schiedenen Widerstand der einzelnen Gewerkschaften stossen. Wenn er näm-
lich – und sie haben das in den vergangenen 25 Jahren einige Male versucht –
ein gerechteres System herbeiführen will, dann werden einzelne Gruppen
und dies sind gerade die Starken des Gewerkschaftsbundes, wie z.B. die
Bauarbeiter sich ganz entschieden gegen eine solche Regelung aussprechen.
Natürlich ist es richtig – und ich setzte ihm dies auch in der Diskussion
auseinander – dass hier Ungereimtheiten entstehen, aber wer gibt schon ein
Steuerprivilegium auf, auch dann, wenn er dadurch keinen materiellen Schaden
erleidet durch die allgemeine Steuersenkung also sowieso bevorzugt oder
zumindestens nicht benachteiligt wird, hat bis jetzt immer noch die Dis-
kussion so gelautet, dass er den Vorteil, den die anderen Gruppen haben,
nicht ebenfalls bekommt.
Androsch war und ist sehr verärgert, dass über die politische Korrespon-
denz erfahren musste, dass angeblich Mitte Jänner mit dem Gewerkschaftsbund
verhandelt wird und er vermutet, er hat dies sogar sehr dezidiert erklärt,
dass von gewerkschaftlicher Seite, in dem Fall würde dies Tommy Lachs
sein, diese Mitteilung an die ÖPK gegeben wurde. Da das Klima zwischen
Androsch und Lachs sehr vergiftet ist, habe ich mich neuerdings – allerdings
umsonst – bemüht, hier schlichtend einzugreifen.
Die Mehrwertsteuer soll auf alle Fälle mit 1.1.1973 über die Bühne gehen,
er hat hier sehr gute Terminbegründungen, die ich nebenbei bemerkt alle
als richtig finde und ich ihn daher auch in dieser Beziehung hundet-
prozentig unterstütze. Ebenso glaube ich, da das Wirtschaftsforschungs-
institut mir mitgeteilt hat, 14,9 bis 15,4 % Steuersatz berechnet hat,
wobei – wie er sich ausdrückt – noch einige Gesichtspunkte nicht be-
rücksichtigt wurden, er vollkommen recht, wenn er auf dem 16 %-igen Steuer-
satz beharrt. Die Stellungnahme des Gewerkschaftsbundes, die ja sehr ab-
lehnend war, bezeichnet er als sehr unbefriedigend und meinte, bei der
09-0013
AK-Stellungnahme, dass seine konkrete Vorschläge zum Durchbruch
gekommen, währenddem eben der ÖGB eine Wischi-Waschi-Stellungnahme
abgegeben hat. Vor der Besprechung hatte ich bereits mit Androsch
vereinbart, dass der Wirtschaftsbericht auch von uns mit verfasst wird
und er schlug selbst vor, man sollte dazu ein nicht allzu grosses Komitee
festsetzen. Er selbst wird Seidel beauftragen, den Bericht abzufassen
und von unserem Haus soll Gehart dabei mitwirken. Bei der Tagung selbst
hat sich dann sofort Kreisky gemeldet und er meinte, dass auch von ihm je-
mand dabei sein müsste und so kam ein Team: Vranitzky, Gehart und
Buchauer vom Staatssekretariat zustande.
Tagesprogramm, 11.1.1972