Mittwoch, der 22. Dezember 1971

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Mittwoch, 22. Dezember 1971

Im Bundesrat wurde die Aussenhandelsgesetznovelle und die Verlän-
gerung des Rohstofflenkungsgesetzes beschlossen. Bei beiden Gesetzen
war, da es sich um formelle Beschlüsse handelt, kaum anzunehmen, dass
eine Diskussion entstehen würde. Trotzdem habe ich mich als erster
und einziger Minister bei Beginn im Bundesrat gemeldet. Zu meiner grössten
Verwunderung hat dann ÖVP-Abgeordnete Dr. Heger beim Aussenhandelsgesetz
einen Diskussionsbeitrag geliefert. Er wies auf die Bedeutung des Ex-
portes hin aber auch auf die preisstabilisierende Wirkung der Importe.
Zum Glück war ich anwesend, denn von unseren Leuten hatte sich niemand
gemeldet, es war auch wirklich kaum etwas dazu zu sagen, aber ich ergriff
dann doch die Gelegenheit, um die Regierungs- und insbesondere die Politik
des Handelsministeriums zu diesen Problemen auseinanderzusetzen. Der
Bundesrat hat nämlich in den letzten Jahren, selbst die ÖVP hat dies
zugegeben, dadurch eine Bedeutung gewonnen, dass viele Regierungsmitglie-
der immer wieder in dieser Institution erscheinen. Früher war es eine
Seltenheit, wenn Minister den Bundesratssitzungen beiwohnten. Ausserdem
haben wir ein gutes Solidaritätsprinzip, also ich vertrat von Anfang an
gleich einmal den Landwirtschaftsminister Weihs, nach mir blieb Broda so
lange bis der Sozialminister kam und dann hat Rösch die Ablöse übernommen.
Dadurch ist zumindestens ein Minister immer im Bundesrat anwesend.

Der Obmann des Rübenbauernbundes Weiss, der nö. Rübenbauernobmann, Landes-
hauptmann Maurer und die oö. Präsidentenkonferenzpräsident Lehner
sprachen bei Kreisky, Weihs und mir vor, um eine Zuckerpreiserhöhung zu
urgieren. Der Antrag wird jetzt fast schon ein Jahr behandelt, in 12
Sitzungen, wie sie sagten, sei aber überhaupt kein Fortschritt zu er-
zielen. Weihs erörterte ihnen, dass die Voraussetzung wäre, dass die
Lohnverhandlungen abgeschlossen werden. Die Bauern wiesen darauf hin,
dass sie derzeit eine verhältnismässig sehr gute Digestion, nämlich
18,1 % in der Rübe haben, durch die Trockenheit bedingt, andererseits
aber ist durch die Trockenheit eine wesentlich geringere Rübe in der
Menge angefallen. Da die Verrechnung so ist, dass 52 % der Bauern und
48 % die Industrie von einer Zuckerpreiserhöhung bekommt, drängen sie
auf einen baldigen Abschluss der Zuckerpreisverhandlungen. Das letzte
Mal hatten sie 30 Groschen wenigstens bekommen. Dadurch haben sie den
Rübenpreis um 1,8 Groschen/kg erhöhen können. Diesmal würden sie, davon
bin ich überzeugt, zufrieden sein, wenn sie ebenfalls wieder 30 Groschen


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bekommen würden, obwohl ihre Forderung natürlich wesentlich höher
ist. Kreisky meinte, es müsste jetzt halt abgewartet werden, bis die
Lohnbewegungen abgeschlossen sind und er kenne das Zuckerproblem, da
er auch die Zuckerindustrie schon einige Male mit ihm gesprochen hat
und dann würden man eine Lösung versuchen. Er erzählte vor allem, dass
er vor kurzer Zeit gerade in der Rübenkampagne im Burgenland sein Auto
irgendwo hat stehen gelassen und spazieren ging und dann war ein Bauer
so lieb und hat ihn mit dem Traktor gerade vom Rübenfeld die Zuckerrübe
in die nächste Station bringend, zu seinem Auto gebracht. Bei dieser Ge-
legenheit sei er von dem Bauern über dieses Problem sehr genau informiert
worden.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Kreisky liebt, ebenso wie ich, das unmittelbare
Erlebnis mit einem Problem. Durch den Hinweis auf Besuche, Aussprachen,
kommt man von der rein theoretischen Diskussion ab. Ich glaube, wir soll-
ten uns einen Plan machen, wie wir das systematisch betreiben können.

Bei der letzten Auszeichnung der Bergmänner mit dem Grubenwehrabzeichen
war auch ein Vertreter des Graphitbergbaues anwesend. Als ich mit Stichwort
über die einzelnen Ausgezeichneten notierte, ging, tatsächlich die
die Füllfeder aus. Ich benützte diese Gag gleich um als ich zu dem
Graphitarbeiter kam, darauf hinzuweisen, dass dies ein Fingerzeig sein
müsse, denn der Graphitbleistift hätte mich nicht im Stich gelassen.
Dies dürfte der Bergmann zu Hause erzählt haben, denn die Fa. Graphit-
bergbau Kaiserberg von Mayr-Melnhof schickte mir nun den Prokuristen
mit einem Dutzend übergrossen Bleistiften mit der Widmung: Herrn
Minister Dr. Josef Staribacher. Wirklich ein sinnvolles Geschenk und vor
allem aber für mich ein Beweis, wie solche Gags nicht nur bei einer Rede
gut ankommen, sondern wie sich dies auch in Betrieben und Firmen fort-
pflanzt.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Vielleicht kannst Du diesen Gag jetzt wieder
weiterverkaufen.

Die Wiener Betriebsansiedlungsgesellschaft, Dir. Mayerhofer, und Ing.
Rögelsperger, der Vertreter der japanischen Wälzlager NTN, erläuterten
Meisl und mit den Plan in Österreich eine Investition vorzunehmen. Rögels-
perger
möchte jetzt als erste Phase ein Lager in Österreich errichten.
In Wirklichkeit benützte er, glaube ich, den Hinweis, dass Investitionen
in Österreich getätigt werden können, um ein grösseres Kontingent für
Kugellager zu bekommen. Heuer wurde das Kontingent, das sonst nur


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200.000 $ beträgt, durch den Importstoss um 75.000 $ erhöht und durch Vor-
griffe auf das Jahr 1972 noch 15.000 $ freigegeben. Rögelsperger hofft nun,
dass auch im nächsten Jahr eine so hohe Menge an Kontingent aus Japaneinfuhren
zustandekommen wird. Tatsächlich hat Meisl 400.000 $ mit den Japanern verein-
bart, ohne dass wir diese Ziffer sagten, konnte ich ihm ein grösseres
Kontingent in Aussicht stellen. Gleichzeit hat ja bekanntlich die Steyr-
Werke ganz entschieden gegen eine Kontingenterhöhung protestiert. Die
Steyr-Werke haben aber selbst im heurigen Jahr für rd. 45.000 $ Kugellager
aus Japan eingeführt. Rögelsperger behauptet, dass ca. 50 % der von ihm
eingeführten Kugellager im Inland nicht erzeugt werden. Die Hauptver-
tretung der Japaner in Düsseldorf, dort sitzt auch ein japanischer Chef,
ITANI, hat nun ein Werk in Deutschland errichtet, das mit Mai 1972 in Be-
trieb gehen wird. Auf vier Bändern soll ein einziger Typ von Kugellagern er-
zeugt werden. Er wird ca. 400.000 Stück pro Monat ausstossen und nur
16 Mann Belegschaft. Die Investitionen sind irrsinnig hoch, es müssen
450.000 DM pro Arbeitskraft investiert werden. Wenn nun Rögelsperger
tatsächlich die Absicht hätte, bei uns in Österreich eine solche Kugel-
lagerproduktionsstätte zu errichten, hiesse dies, dass er auch nur ein
einziger Typ und dies müsste der in Österreich gebräuchlichste sein, von
ihnen erzeugt würde. Dies wäre eine sehr harte Konkurrenz gegen die Steyr-
Werke. Trotzdem wäre es vom politischen Gesichtspunkt günstig, wenn wir
ausser dem Ostwerk Tungsram auch ein japanisches Werk bei uns hätten.
Damit könnte ich als Musterbeispiel immer wieder darauf hinweisen,
dass nicht nur der Westen bei uns in Österreich investiert, sondern auch
der Ferne Osten. Ich bin aber überzeugt, dass es in diesem Fall nur bei
einer Lagerstätte bleiben wird.

Der Vizeministerpräsident Baibakow, der gleichzeitig der Leiter des Gosplanes
ist, war auch der Durchreise durch Österreich und Botschafter Aristow hatte
ersucht, ob wir Opernkarten verschaffen könnten. Da ich keine Gelegen-
heit hatte, mit Baibakow während des Tages zusammenzukommen, nützte
ich die Gelegenheit, um in der Oper mit ihm zu diskutieren. Wir versäum-
ten dadurch fast die ganze Oper, doch das Gespräch war mir wirklich
wichtiger. Da der Gosplan, wie ich dem Vizeministerpräsidenten auch
auseinandersetzte, für mich die bekannt wichtigste Einrichtung der SU ist,
lege ich dem privaten Besuch auch grosse wirtschaftliche Bedeutung bei.
Ich bat ihn deshalb auch, er möge, wenn er jetzt nach Moskau zurückkommt,
doch unsere Wünsche, nämlich dass wir mehr in die SU exportieren wollen,
berücksichtigen. Ich wies ganz besonders auf die schlechte Auftragslage
für z.B. die VOITH hin, einen diesbezüglichen Auftrag geben und mit


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Patolitschew über die Frage reden. Betreffend der Erdgasleitung kam es
zu einer interessanten Diskussion. Baibakow steht auf dem Standpunkt,
sie haben mit den Italiener den Vertrag, dass die mit 1.1.1973 das Gas
übernehmen müssen und er würde das internationale Schiedsgericht anrufen.
Scheinbar aber haben sie keine Pönaleklausel in dem Verkauf. Baibakow
wies aber darauf hin, dass sie, wenn sie Österreich nicht entsprechend ver-
tragsmässig mit Gas beliefern, sofort Pönale bezahlen müssen. Ich er-
suchte ihn, damit wir so schnell wie möglich mit der Verlegung der Rohre
beginnen könnten, uns mitzuteilen, wie gross der Anteil des österr. Gases
sein könnte, den wir auf dieser Pipeline erhalten könnten. Er meinte, er
würde sich mit Kortunow jetzt in der CSSR treffen und bei der Rückkunft
in die SU würden sie unverzüglich die entsprechenden Regierungsvorträge
ausarbeiten lassen. In der SU werden diese Probleme scheinbar im Minister-
rat beschlossen, denn er meinte, dies müsste dann noch in der Regierung be-
schlossen werden. Trotz grösster Beschleunigung sei dies sicherlich nicht
gleich am Anfang des Jahres zu erwarten. Er empfehle mir deshalb, denn er
sieht die Perspektive so, dass man ohne weiters ein Ein-Meter-Rohr ver-
legen könnte. Letzten Endes würde über diese Leitung auch das jug. Gas
geliefert werden und eine grösser dimensionierte Rohrleitung würde mit
einem geringeren Druck wesentlich geringere Transportkosten verursachen.
Meine Gegenargumentation, dass die ÖMV zuerst wissen muss, wieviel
Gas sie von der SU beziehen kann und dass wir doch mit einer Aufstockung der
1?5 Mia m³ auf mindestens die doppelte Menge und dann in weitere Folge
auf 4,5 Mia. m³ Gasbezug aus der SU rechnen, hat er sehr positiv beurteilt.
Allerdings hat er wieder darauf hingewiesen, dass ein diesbezüglicher An-
schluss eines solchen Vertrages längere Zeit dauern wird. Ähnlich wie
Kortunow am Samstag, Sonntag, meint auch er, man müsste doch die kaufmänni-
sche Seit ein bisschen zurückstellen, um technisch jetzt die Voraussetzungen
zu schaffen, so schnell wie möglich die Pipelines zu bauen und zwar in der
grösstmöglichen Dimension. Die Gaspipeline und der Bezug für sowj. Gas wird
uns in den nächsten Monaten und Jahren noch ungeheure Schwierigkeiten be-
reiten. Die Sowjets sind zwar sicherlich bereit, uns mehr zuliefern und den
sowj.-österr. Handel zu verbessern, doch die Tatsache, dass sie uns noch immer
für die Nichtabnahme des italienischen Gases mit 1.1.1973 auch für mitschuldig
betrachten, konnte ich aus den Ausführungen Baibakows heraushören. Der Gen.
Direktor Bauer von der ÖMV ist nämlich meiner Meinung nach der falschen
Auffassung, dass man dies ausschliesslich auf die Italiener abschieben
kann. Ich hoffe, dass unsere Betreuung von Kortunow und jetzt Baibakow
mit dazu beigetragen haben, dass die sowj. Seite ein bisschen beruhigter
und vor allem auf uns nicht mehr so bös ist, als sie sicherlich vor diesem
Besuchen gewesen sind.



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ANMERKUNG FÜR WANKE: Als feststand, dass Baibakow zu uns auf Besuch kommt,
hätten wir doch wesentlich intensiver kleiner einzelne Wünsche an dem Gos-
plan vorbereiten sollen. Hätte ich eine Liste von exakten Wünschen der Fir-
men gehabt, so wäre es möglich gewesen, sie ihm zu übergeben. Ich bin über-
zeugt davon, er hätte dann in Moskau die entsprechenden Untersuchungen zu-
mindestens anstellen lassen, wie man diesen österreichischen Wünschen ge-
recht werden kann. Da ich eine solche Aufstellung nicht besass, musste ich
oder konnte ich nur auf die Aussprachen mit Karmasin hinweisen und bitten,
dass dessen Vorschläge nach Moskau so schnell wie möglich von Gosplan posi-
tiv beantwortet und befürwortet werden.

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Tagesprogramm, 22.12.1971

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: GF NTN Europa Wälzlager GmbH


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD ÖMV


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Präs. Rübenbauernbund


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Präs. LWK


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Gosplan-Vorsitzender


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: ÖVP-BR-Abg., Sbg.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: sowj. Botsch. 1971-73


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Justizminister


                      Einträge mit Erwähnung:
                        GND ID: 125942052


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: sowj. Gasmin. bis 1972


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: nö. LH (ÖVP), AR-Vors. DoKW


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                GND ID: 130620351


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: [sowj.?] Botschaftsrat


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Bundeskanzler
                                      GND ID: 118566512


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Wr. Betriebsansiedlungsgesellschaft, Schwager Staribachers


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                                          Tätigkeit: Importeur


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