Montag, der 13. Dezember 1971

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Montag, 13. Dezember 1971

Leitner und Reiterer kamen für eine Vorbesprechung zum Interims-
abkommen. Leitner berichtete, dass er die Möglichkeit hätte,
wenn das Interimsabkommen, wie es die EWG jetzt vorschlägt, im
Prinzip akzeptiert wird, dass er für die sensiblen Produkte er-
reichen könnte, dass sie dann aus der Liste gestrichen werden, wenn
am 16. Jänner der Ministerrat den Beschluss fasst, für die einzel-
nen, dann namentlich angeführten Produkte ein Verhandlungsmandat der
Kommission für das Globalabkommen zu geben. Leitner könnte es so
arrangieren, dass als nächster Tagesordnungspunkt dann erst
das Interimsabkommen zur Verhandlung kommt im EWG-Ministerrat
und dass dann die sensiblen Produkte, die jetzt in einem Anhang
einzeln aufgezählt sind und alle Wünsche der Franzosen beinhalten,
dann gestrichen werden, damit nur mehr der Rest übrig bleibt, über
den die EWG tatsächliche Verhandlungen im Globalabkommen wünscht
und dann im April auch durchführen wird. Durch diese Regelung wäre
das Interimsabkommen nur mehr auf die sensiblen Produkte be-
schränkt geblieben, die eben im Globalabkommen einer Lösung zugeführt
werden. Auch die sensiblen Produkte, die nur einer Überwachung
in Hinkunft unterliegen soll, würden im Interimsabkommen gegebenen-
falls als solche konkret bezeichnet werden und man könnte sicherlich
auch diese einfachen Überwachungsprodukte dann bereits im Interims-
abkommen als solche bezeichnen. Gegen eine solche Überwachung könnte
die österreichische Industrie auch im Interimsabkommen kaum etwas
dagegen einwenden. Zu meiner grössten Überraschung hat Reiterer
dann noch verlangt, dass im Artikel 18, wo eine Wettbewerbsklausel
besprochen ist, ebenfalls die Formulierung aufgenommen werden soll,
dass diese Regelung wie im Globalabkommen zu behandeln wäre. Es war
dies das erste Mal, dass Reiterer auch für Schutzklauseln einen
Vorbehalt anmeldete. Interessant für mich war nämlich, dass dann
am Nachmittag von der Handelskammer und von der Industriellenvertretung ebenfalls die Schutzklausel in Frage gestellt wurde und
eine diesbezügliche Vertagung bis zur Globalregelung verlangt wurde.
Marquet hat dann in einer sehr scharfen, aber, wie ich glaube, treffen-
den Antwort darauf hingewiesen, dass dies ein ganz ein neuer Ge-
sichtspunkt und eine neue Philosophie der Handelskammer ist. Bis
jetzt hätte er geglaubt, dass Österreich die Schutzklauseln braucht,


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damit seine Industrie gegebenenfalls geschützt werden kann, jetzt
dagegen will man diese Schutzklausel für die österreichische Export-
industrie, d.h. gegenüber der EWG zur Anwendung bringen, damit sie
der österreichischen Exportindustrie den EWG-Markt öffnet, ohne dass
dieser mit Hilfe der Schutzklausel sich abschirmen kann.

Leitner berichtete über die Vorsprache des Amerika-Vertreters Eberle
bei der Kommission. Die USA verlangt heute die Vorteile, die aus dem
Haager Komitee den Rest-EFTA-Staaten zufliesst auch zu bekommen. Eberle
verlangte dies in einer Form, dass die Kommission nur als Methode
texanischer Cowboys bezeichnete. Gen.Direktor Heisen versicherte,
dass die EWG nicht nachgehen wird. Rogers, der amerikanische Aussen-
minister, benützte seinen Aufenthalt bei der NATO-Tagung in Brüssel
um mit seinem Begleiter Samuels bei Malfatti vorzusprechen. Dort
wurde dem Präsidenten der Kommission mitgeteilt, dass sie kein Ver-
ständnis dafür hätten, dass die EWG die neutralen Staaten, ins-
besondere Schweiz und Schweden entgegenkommt. Nur für Österreich sind
sie bereit, den als einen Spezial Case zu behandeln.

Leitner meinte, dass wir unter allen Umständen diesen Vorteil nützen
sollten und ein Interimsabkommen abschliessen. Er würde dieses Ab.
kommen aber nicht wie dies vielleicht irrtümlich geplant wird, para-
phieren, sondern, es würde darüber nur ein Briefwechsel zwischen den
beiden Delegationsleitern Wellenstein und ihm stattfinden, wonach
das Interimsabkommen nun den vorgesetzten Instanzen vorgelegt wird.
Leitner meinte, wenn hier Schwierigkeiten von Seiten der BHK viel-
leicht zu erwarten sind, dann könnte man gegebenenfalls das Inkraft-
treten dieses Abkommens erst mit Paraphierung des Globalabkommens ver-
einbaren. Eine solche Möglichkeit sieht er in Brüssel zu erreichen.

Ich hatte in der Früh Sallinger bereits angeboten, dass bevor sie
in ihrem Präsidium eine endgültige Entscheidung treffen, den Botschafter
Leitner zu ihren Besprechungen zuziehen sollten. Leitner selbst ist aus
der Handelskammer gekommen und ich habe angenommen, dass er noch immer
das Vertrauen dieser Leute besitzt. Vor allem aber wollte ich, dass
Leitner ihnen die volle Verantwortung klar vor Augen führt. Sallinger
teilte mir mit, dass noch niemals ein Vertreter beim Präsidium gewesen
ist und sie deshalb auf alle Fälle unter sich bleiben würden. Er würde
aber bitten, dass Leitner um 11 Uhr zu ihrer Verfügung steht.



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Leitner berichtete mir nach dieser Aussprache, dass wir bei
der Handelskammer auf Granit stossen werden. Ich wurde damit
nur in meiner Überzeugung bestätigt, dass es niemandem gelingen
würde, die Handelskammer auch von der Zweckmässigkeit eines Interims-
abkommens zu überzeugen. Meine Fuss-Theorie war damit allerdings
gefallen. Ich muss allerdings sagen, dass durch eine neue Bestimmung.
die wir bis jetzt nicht gekannt haben, meine Fuss-Theorie sehr einge-
schränkt wurde. In dem Abkommen ist nämlich vorgesehen, dass das Abkom-
men bis zu 1.1.1974 in Kraft sein sollte und die Bestimmungen der
folgenden Artikel ab 1.7.1974 nicht mehr anwendbar sind. Mit anderen
Worten, es hätte das ganze Interimsabkommen, wenn es zu keinem Global-
abkommen kommt, nur mehr bis zu diesem Zeitpunkt Gültigkeit der An-
wendung. Meine Fuss-Theorie ging davon aus, als dieser Artikel
noch nicht bekannt war, dass wir ein Interimsabkommen auf unbe-
stimmte Zeit haben, wenn es zu keinem Globalabkommen kommt. Zum
Glück hatte ich die Interessensvertreter um 14 Uhr bestellt und
einen reichlichen Zeitraum bis 16 Uhr zuerst war nur beabsichtigt
von der Sektion nur 1 Stunde, um 15 Uhr bereits die interministeriel-
le Sitzung einzuberufen, längere Zeit den Interessensvertretungen zur
Beratung zu geben. Die BHK ist auch mit einem ganzen Funktionärs-
kader incl. dem Abgeordneten Mitterer und Vizepräsident Seidl, die
Industriellenvereinigung ebenfalls mit einer starken Delegation
erschienen. Selbst die Landwirtschaftskammer erschien mit Präsident
Lehner, Gen.Sekr. Brandstätter, Dr. Strasser, Dr. Korbl und einem
Mann, den ich nicht genau kannte. Die Vertreter der Arbeitnehmer,
Präsident Hrdlitschka mit Zöllner und Krywult und Gen.Sekr. Hofstet-
ter
mit Tommy Lachs, waren direkt in der Minderheit. Leitner
erörterte die Entstehungsgeschichte und dann vor allem die Mög-
lichkeit, die er noch in Brüssel sieht. Sallinger lehnte einleitend
gleich ab und bat Mussil Ergänzungen vorzunehmen. Mussil meinte,
dass es sich hier nicht um ein Gleichgewichtiges oder symmetri-
sches Abkommen handelt. Er bezeichnet es als eine societélenonina,
d.h. Österreich würde aus diesem Vertrag ungemein ungleich behandelt
und schlechter behandelt als die EWG. Da nur 43,8 % unseres Exportes
in dem Fall nach seinen Berechnungen einen Vorteil haben, meinte er
müssten Gegenlisten erstellt werden, die die EWG dann akzeptieren
sollte, damit dann also eine Gleichwertigkeit des Vertrages ent-
steht. Leitner sprach sich mit Recht und mit meiner Unterstützung
natürlich gegen solche Gegenlisten aus, denn das würde ein gefährliches


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Präjudiz bedeuten, da wir dann über die sensiblen Produkte
verhandeln würden und damit mit Recht die Schweizer oder die
Schweden präjudizieren könnten. Mitterer meinte, Österreich
würde mit diesem Interimsabkommen Vorschub leisten, wie gegen die
Schweiz und Schweden die EWG bei sensiblen Produkten Massnahmen
ergreifen will. Ausserdem seien die Arbeitsplätze der Industrie,
welche sensible Produkte erzeugt, gefährdet, Darüber hinaus sei
es noch GATT-widrig. Leitner meinte, dass die GATT-Konformität
bei Ausnahmen sicherlich nicht gegeben ist, doch gilt dies natür-
lich auch für der Globalabkommen. Hier meinte Mitterer noch, dass
wenn dann noch 6 Staaten die EFTA-Reststaaten sich einigen, die
GATT-Widrigkeit weniger leicht durchzusetzen ist, resp. der Angriff
in Genf dann weniger stark sei als wenn wir allein als einziger
Staat mit der EWG einen solchen Vertrag jetzt momentan schliessen.
Hrdlitschka führte aus, dass kein Präjudiz durch diesen Vertrag
auf Grund der Ausführungen Leitners und wenn über keine einzelnen
Produkte verhandelt wird, entstehen könnte und dass wenn man jetzt
nicht dieses Abkommen einigermassen so akzeptiert, dass es mit
1. Jänner vom EWG-Ministerrat genehmigt werden kann, für ungewisse
Zeit eine Regelung dann verhindert wird. Lehner wies darauf hin,
dass die Landwirtschaft wieder ausgeschlossen ist und dass wir
jetzt nur Zusicherung bezüglich Maresi und Einstellrinder im
bilateralen Besprechungen bekämen. Belgien und Italien seien sehr
positiv für die Landwirtschaftslösungen zu gewinnen, doch Frankreich
sei immer wieder ablehnend. Er könnte sich vorstellen, damit die
Gefahr, dass keine Ostrinder über Österreich in die EWG einge-
schleust werden können, dass man sich mit einer Obergrenze z.B.
100–120.000 Stück Export in die EWG beschränken sollte. Brand-
stätter
wollte als Ergänzung dann immer wieder haben, dass ich
ihnen zusichere, dass die österreichische Bundesregierung bereit
ist, der Landwirtschaft, wenn sie das Abkommen akzeptieren soll,
sofortige Zusagen betreffend der Erstattung machen müsste. Die EWG
hat ein gutes Schutzsystem und Österreich müsste deshalb ähnlich
diesem System ebenfalls eine Erstattung den österreichischen Bauern
geben. Brandstätter meinte, die österreichische Regierung müsste
eben jetzt sofort sich entscheiden, und ihre Wünsche befriedigen.
Brandstätter gebrauchte die radikalste Formulierung, dass eben die
Regierung die Verantwortung trägt und entscheiden muss. Ich ging
sofort auf diesen Antrag ein und erklärte, dass die Regierung dies


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machen wird und ich mich nur immer bemüht habe, die Interessens-
vertretungen zu einer einstimmigen Auffassung zu bekommen, damit
auf breitester Basis Lösungen gefunden werden. Wenn die Handels-
kammer ebenfalls die Meinung der Landwirtschaft vertritt, dann
soll man mir dies sagen und ab sofort würde eine neue Periode
beginnen. Ich versuchte durch Festlegen der einzelnen Positionen
herauszuarbeiten, dass die Möglichkeit für die Delegation in Brüssel
versteht, Unter Wahrung des Gesichtes, wie Leitner mit vormittags vor-
geschlagen hatte, die Handelskammer festzulegen. Ich bemerkte, wie
Mussil Sallinger flüsterte, und Gleissner unterstützte ihn dabei,
da will uns Staribacher hineinlegen. Mussil und Brandstätter wollten
also scheinbar die politische Linie wahren und unter allen Umständen
verhindern, dass es zu diesem Interimsabkommen kommt. Vizepräsident
Seidl machte nämlich einen ganz interessanten Vorschlag, der sicher
mit der Meinung Leitners sich weitgehend deckte, das Interimsab-
kommen sollte erst in Kraft treten, wenn das Globalabkommen ausgehandelt
ist. Dieser Vorschlag beinhaltete keine Gegenlisten mehr und vor allem
stellt er nicht mehr den gesamten Vertragsentwurf in Frage. Gleissner
sollte dann noch das Problem der Schutzklausel neben den sensiblen
Produkten die Ursprungsregelung in die Debatte weren, Marquet
antwortete dann äusserst scharf und meiner Meinung nach sehr begrün-
det. Als sich Mayer-Gunthof dem Vorschlag Seidls anschloss, ver-
suchte ich jetzt diese Formulierung herauszuarbeiten. Seidl
war nämlich, wie mir Leitner mitteilte, in der Vormittagssitzung
einer der heftigsten Gegner gegen eine Lösung und dürfte sich dann
doch im Laufe der Diskussion und der Verhandlungen davon überzeugt
haben, dass sein Standpunkt nicht zu halten ist. Schliesslich kam ein
Einvernehmen zustande über einen Entwurf eines Briefwechsels anläss-
lich des Abschlusses der Verhandlungen. Der Wortlaut heisst:
Es besteht Einvernehmen, dass sich beide Delegation auf den Wort-
laut der diesem Brief beigeschlossenen Abkommens mit folgender
Massgabe geeinigt haben: Die Bestimmungen hinsichtlich der Ursprungs-
regelung sowie des Warenkreises – damit ist auch die Landwirtschaft
eingeschlossen – und die landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte –
auf den sich dieses Abkommen bezieht, werden in das Interimsabkommen
aufgenommen werden, sobald hierüber zwischen Österreich und der
Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der Globalverhandlungen Einigung
erzielt worden ist. Diese Formulierung bedeutet, dass also erst


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die Globalverhandlungen abgeführt werden und dann ein
Interimsabkommen in Frage kommt. Kirchschläger hat mit dieser Formu-
lierung keine besondere Freude, hat sie aber mehr oder minder bei
der Regierungsvorbesprechung ebenfalls dann akzeptiert. Weiters lautet
dann der Wortlaut: Hierauf werden beiderseits unverzüglich die gemäss
dem Abkommen vorgesehenen Prozeduren, die zum Inkrafttreten des Ab-
kommens erforderlich sind, eingeleitet werden. Hier mein Kirchschläger
mit Recht, dass nie mehr ein Interimsabkommen zustandekommen wird,
denn wenn das Globalabkommen mit der EWG vereinbart ist, dann wird man
sich ja auch von EWG-Seite nicht wegen einer Zeitdauer von maximal einem
halben Jahr bis 3/4 Jahr die Prozedur und vor allem die ja doch
andere Regelung im Interimsabkommen akzeptieren. Über diesen Punkt
kam es deshalb in der Regierungsvorbesprechung zu einer Diskussion.
Kreisky war nicht anwesend und Häuser führten den Vorsitz. Androsch
stürzte sich sofort auf diese Diskrepanz und meinte, dann hätte es
doch gar keinen Sinn, den Vorschlag von der Handelskammer zu akzeptieren.
Wenn sie uns politisch den Erfolg des Interimsabkommens nicht gönnen
dann müssten sie allein die Verantwortung tragen. Veselsky meinte, dass
doch nur Papier offen sei und dass doch eigentlich mit Papier auch zu
einer Regelung kommen könnte und müsste und dass man damit automatisch
den Erfolg eines Interimsabkommens in der Tasche hätte. Zum Glück
hatte ich das Abkommen schon so weit studiert, um ihnen sagen zu können,
dass die sensible Liste, die niemand kannte, sehr umfangreich ist
und als ich sie Kirchschläger und anderen vorlas, haben sie eingesehen,
dass man hie wirklich nicht von mir verlangen kann, wenn die Handels-
kammer nicht zustimmt, dass ein solches Abkommen abgeschlossen wird.
Ich hatte vorher Kreisky ebenfalls informiert und er meinte, ob die
Handelskammer überhaupt mit der von mir vorgelegten Formulierung
des Briefentwurfes einverstanden ist. Er hätte mit Sallinger gesprochen,
Sallinger hat bei ihm scheinbar interveniert und zugesichert, dass
man auf die sensiblen Produkte Rücksicht nehmen wird. Rein gefühlsmässig
hat mir also meine Philosophie wieder recht gegeben, dass ich auf alle
Fälle mit der Handelskammer eine gemeinsame Lösung anstreben muss, denn
bei einer scharfen Gangart hätte mich der Bundeskanzler, nachdem er ja
Sallinger irgendwelche Zusicherungen gegeben hatte, nicht unterstützt.
Das wichtigste Argument kannte ich aber in diesem Zeitpunkt noch
nicht. Ich hatte unmittelbar nach der Besprechung mit der Interessens-
vertretung die interministerielle Kommission eingeleitet. Dort wurde
dann vom Verfassungsdienst festgestellt, dass mindestens im vorgelegten
Entwurf vier Artikel Verfassungsbestimmungen enthalten. In diesem


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Falle würde es mir gar nichts nützen, die Mehrheit mit der FPÖ
z.B. im Hause oder gar nicht SPÖ allein zu suchen und zu beschliessen,
weil ich dazu eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Meine Philosophie,
auf alle Fälle das Einvernehmen mit der Handelskammer zu suchen, hat
sich auch in diesem Punkt wieder einmal als richtig erwiesen. Hätte
ich einen Alleingang versucht, dann hätte im verfassungsmässigen Be-
schlussverfahren mir die ÖVP die Zustimmung verweigern können. Wahr-
scheinlich hätte sie dies beim Interimsabkommen auch gegenüber der Öf-
fentlichkeit mit einem sehr guten Argument machen können. Damit Stariba-
cher
einen Erfolg hat, werden die Interessen der österreichischen Wirt-
schaft und der dort beschäftigten Arbeiter verraten und verkauft. Ohne
dass man bei der EWG versucht hätte, die Liste der sensiblen Produkte zu
ändern, hat die Bundesregierung unverantwortlich einem Entwurf
zugestimmt, der letzten Endes der österreichischen Wirtschaft mehr
schadet als nützt.

Leitner als Verhandlungsleiter ist natürlich über diese Entwicklung
sehr unglücklich. Ich habe dann in kleinerem Kreis, als noch Marquet
von der Industriellenvereinigung und Gleissner von der HK anwesend
waren, Botschafter Leitner und Marquet in Anwesenheit von Steiger
und Zembsch sowie Gehart und Wanke ganz deutlich die Verantwortung
der Handelskammer nochmals herausgestrichen. Insbesondere habe ich
den beiden – Marquet und Gleissner – Industriellenvereinigung und
Handelskammer – vorgeworfen, dass sie als Interessensvertreter
Beamte doch hätten müssen die Funktionäre mehr aufklären. Als Ent-
schuldigung hat Industriellenvertreter Marquet erklärt, sie
hätten ja nicht angenommen, dass jetzt tatsächlich es so schnell
jetzt zu einem Abschluss der Verhandlungen kommen würde und müsste.
Während meiner Abwesenheit soll er bereit in der interministeriellen
Kommission gesagt haben, dass man 1966, als man die Verhandlungen
eingeleitet hat, ja nicht geglaubt hat, dass jemals aus diesem Ab-
kommen irgendetwas wird. Botschafter Marquet ist auf seinen Neffen
ganz schön losgegangen, wie ich das schon einige Mal feststellen
konnte. Erstens ist der Botschafter natürlich mit dieser Materie
doch noch wesentlich besser vertraut und er hat vor allem einmal
als analytischer Denker sofort alle Schwächen und Vorteile einer
Argumentation heraussen. Er meinte – so wie Leitner – dass der Be-
schluss der Handelskammer und der Industriellenvereinigung sehr
zu bedauern ist. Die Verhandlungen über das Globalabkommen werden
dadurch nicht erleichtert, sondern wesentlich erschwert. Die Über-
legungen der Handelskammer, dass die EWG an einem Abschluss mit


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Österreich wesentlich interessiert ist, ist ein ganz grosser Fehler.
Die EWG wird vollkommen zufrieden sein, wenn Österreich jetzt diese
Gelegenheit nicht ergreift, da sie dadurch weniger Schwierigkeiten hat.
Andererseits aber natürlich hat die EWG sich nach Wochen, Monaten,
ja sogar durch Jahre hindurch sich mit diesem Problem beschäftigt
und die Kommission hat viele Stunden aufwenden müssen. Dadurch wird
eine gewisse Verärgerung über den Nicht-Abschluss jetzt entstehen.

Da Kreisky in der Ministerratsvorbesprechung nicht den Vorsitz führte,
kam es auch nur zu einer sehr kurzen Diskussion über alle anderen Proble-
me. Frühbauer berichtete, dass er die 5-Tage-Woche jetzt vereinbart hätte
und dem Ministerrat einen mündlichen Vortrag erstatten wird. Gratz
urgierte, dass wenn die Politikerbesteuerung dem Parlament noch heuer
zugeleitet werden soll, müsste unverzüglich der Ministerrat einen dies-
bezüglichen Beschluss fassen. Androsch meinte, dass alles in seinem
Ministerium vorbereitet sei, doch sei das Problem natürlich noch unge-
klärt, wie die Politikerbesteuerung eingeführt und trotzdem keine
wesentlichen Verminderung der Bezüge der Abgeordneten und letzten
Endes aber auch der Minister, die dies besonders hart treffen wird,
erreicht werden könnte. Kirchschläger berichtete über den Antritts-
besuch Thalbergs bei Tschu En Lai. Moser wird ein Bodenbeschaffungs-
und Assanierungsgesetz in der nächsten Zeit im Ministerrat einbringen.
Androsch wurde von der Wiener Regierung gefragt, ob sie die
8 Wochen Ablauffrist nützen werden, wenn die Wiener Landesregierung
den Kulrutschilling, d.h. den Fernsehschilling und den Radioschilling
mit 1. März 1972 einreichen wird. Sie hoffen, dass wenn sie Zeit haben
mit der ÖVP zu verhandeln, deren Zustimmung zu kriegen. Dann allerdings
könnte die Regierung nicht mehr die 8-Wochenfrist ablaufen lassen,
sondern müsste zustimmen, weil ansonsten mit l. März 1972 dies nicht
mehr eingeführt werden kann. Häuser beabsichtigt, dem Sozialausschuss
am 1. Feber in seiner grundsätzlichen Aussprache über die Ruhensbestim-
mungen einzuladen. Er wollte dies nur den Ministerkollegen mitteilen,
damit nicht andere daraus ein Präjudiz für ihre Arbeit sehen. Broda
meinte, dass zwar nicht der ganze Ausschuss aber doch Teile von ihm
ja ständig mit dem Ministerium in Kontakt sind und solche Besprechungen
stattfinden.. Am längsten dauerte die schon oben geschilderte Diskussion
über das Interimsabkommen, welches ich ausnahmsweise im
Detail in der Ministerratsvorbesprechung erörterte. Ich war zwar sehr
kursorisch, aber der Aussenminister, der verständlicherweise jetzt
bei seinen Amtskollegen die österreichische Haltung vertreten muss,
verlangte, dass wir uns auf eine gemeinsame Sprachregelung einigen.



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Wir kamen überein, dass uns nicht die Handelskammer wie seinerzeit bei
der ÖVP beim Südtirolabkommen SaragatKreisky in den Rücken gefallen
ist, sondern dass wirtschaftliche Gründe ein Weiterverhandeln veran-
lassten.

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Tagesprogramm, 13.12.1971

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: GD Lenzing AG, Vizepräs. HK, AR-Präs. OÖ. Ferngas


Einträge mit Erwähnung:


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: AK, ÖIAG
      GND ID: 128336552


      Einträge mit Erwähnung:
        GND ID: 1054705003


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ital Staatspräs. bis 1971, dann Senator auf Lebenszeit


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SChef HM
            GND ID: 12195126X


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Dir. ÖVP-Bauernbund


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Botschafter, Onkel v. Louis Marquet; evtl. Falschidentifikation


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Finanzminister
                    GND ID: 118503049


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Präs. LWK


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: US-Außenmin. bis 1972
                        GND ID: 127592644


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: AK


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Begleiter US-Außenmin. NATO-Tagung Brüssel 1971; lt. Tagebuch 13.12.1971 "Samueals"


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: MR HM


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                                Einträge mit Erwähnung:


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: öst. Botschafter EWG


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: stv. Gen.Sekr. LWK


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                                        Tätigkeit: Justizminister


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                                          Tätigkeit: AK


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: GS Präs.konf. LWK AR Verbund
                                              GND ID: 12906288X


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                                                GND ID: 136895662


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: US-Vertr. EG-Kommission (?); Falschschreibung?


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                                                    Tätigkeit: Diplomat


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                                                      GND ID: 125942052


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: chin. Min.präs.


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                                                          Tätigkeit: Außenhandel BWK


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                                                            Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                                                            GND ID: 12053536X


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                                                              Tätigkeit: Bautenminister


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                Tätigkeit: Präs. EG-Kommission bis 1972


                                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
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                                                                      Einträge mit Erwähnung:


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                                                                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                          GND ID: 118566512


                                                                          Einträge mit Erwähnung:
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                                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                                              Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                                              GND ID: 118723189


                                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                                Tätigkeit: GD, versicherte 1971, dass EG gg.über USA nicht nachgeben wird


                                                                                Einträge mit Erwähnung:
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                                                                                  Einträge mit Erwähnung:
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                                                                                    Einträge mit Erwähnung: