Dienstag, 9. November 1971
Da Präsident Hrdlitschka in Vöslau die Regierungsklausur begrüssen
wollte, hatte ich Gelegenheit mit ihm auf der Fahrt einige Probleme
zu besprechen. Vorerst aber hatten wir mit Scheer gemeinsam in seinem
Zimmer eine Aussprache über die Frage des Kammeramtsdirektors. Hrd-
litschka erklärte mir, dass er bereits unmittelbar nach der Wahl mir
zu verstehen gegeben hatte, dass die Frage der Beschäftigung von Arbeit-
nehmern von der Arbeiterkammer für die Bundesregierung besprochen
werden muss. Er selbst hat auch einen Brief für Kreisky vorbereitet,
den er mir lesen liess, in welchem er besonders auf die Unterstützung
der Arbeiterkammer für die Bundesregierung hinwies. Er machte geltend,
dass heute schon etliche Minister und Staatssekretäre von den Arbei-
terkammern sind und darüber hinaus viele Beschäftigte der Arbeiterkammer
als Mitarbeiter in Ministerbüros Verwendung finden. Einen weiteren
Abzug von Mitarbeitern könnte er nicht mehr zustimmen. Richtig ist,
dass die Arbeiterkammer viele ihrer besten Leute an die Regierungs-
arbeit abgeben musste. Richtig ist weiters, dass wahrscheinlich
kein anderer Kammerpräsident dazu bereit gewesen wäre, da natürlich
damit eine wesentliche Schwächung der Kammer eingetreten ist. Richtig
ist andererseits aber, dass ohne diese Stützung der Bundesregierung
kaum die Arbeit in den vergangenen eineinhalb Jahren so zielführend
hätten durchgeführt werden können. Was die Frage der Kammeramtsdirektion
betrifft, so hätte ihm vor etlichen Wochen schon ein Kammerrat und
auch Angestellte erklärt, es würde nicht mehr lange dauern und das
I.V. würde wegfallen. Ich versicherte Hrdlitschka, dass ich mit
niemandem über seine Absicht, mit mir zu sprechen, geredet habe.
Ich habe auch keine wie immer gearteten Besprechungen geführt über
eine eventuelle Zurverfügungstellung meines Kammeramtsdirektorpostens.
Das erste und einzige Gespräch hatte ich mit Scheer vor einigen Tagen
als ich ihm versicherte, dass ich alles daran setzen würde, ihm den
Kammeramtsdirektorposten zu ermöglichen. Ich halte ich für einen ausge-
sprochen fähigen und deshalb in meinen Augen für den besten Kandidaten
für diese Stelle. Ausserdem ist die ungeheure Loyalität, die Scheer
mir gegenüber gezeigt hat, auch entsprechend zu belohnen. Da Hrdlitsch-
ka aus verständlichen Gründen darauf drängt, dass der Kammeramts-
direktor auf die Dauer nicht in Vertretung sein kann, so überlasse ich
die Regelung dieses Falles vollkommen der Arbeiterkammer resp. Scheer.
Scheer selbst meinte nachher unter vier Augen, er würde gar nichts
dagegen haben, wenn Heindl mit ihm dieses Problem bespricht. Ich
selbst erklärte sofort, dass dies überhaupt nicht notwendig ist, da
ich mich hundertprozentig auf ihn verlasse.
Bei der Fahrt überreichte mir Hrdlitschka eine Zusammenstellung der
Statistik und volkswirtschaftlichen Abteilung über die zukünftige
Preisentwicklung. Krämer hat die von mir gewünschte und angeregte
Unterlage geliefert, aus der ersichtlich wäre, dass wir mit ca. 1,2 %
Preissteigerung im nächsten Jahr zu rechnen haben, wenn alle die
Wünsche, die jetzt bekannt wurden, erfüllt werden sollten. Krämer
geht dabei von Annahmen aus, die als sehr real zu betrachten sind.
Unter diesen Umständen würden die Verbraucherpreise im nächsten Jahr
über 6 % gegenüber dem Vorjahr steigen. Hrdlitschka sagte, er würde
diese Unterlagen allen Regierungsmitgliedern in Vöslau verteilen.
Zum Presseinformationsgespräch im Institut kann er nicht kommen, mit
meiner Vorsitzführung bei der Ideologie-Diskussion ist er sehr einver-
standen, da er durch den Kammertag keine Zeit hat. Er war auch mit
unserer Vorgangsweise betreffend das Landegger-Projekt einverstanden
dass wir den Gewerkschaftsbund ersuchten, er mögen einen Vertreter
der Gewerkschaft bei der Grundsatzgruppe mitnehmen, damit auch die
Handelskammer einen Vertreter der ÖPA mitnehmen kann und wir uns nicht
als Ministerium direkt an eine Einzelgewerkschaft wenden müssen. Er
meinte nur, dass Teschl diese ganze Frage zu sehr in der Öffentlich-
keit, zwar mit seiner Zustimmung, vertritt und er nur weiter inform-
miert werden will. Mein Hinweis, dass Wanke mit ihm vereinbart habe,
dass jederzeit ein Vertreter der Arbeiterkammer Einblick nehmen kann,
hat ihn im Prinzip befriedigt. Er selbst erklärte nur, dass der Fonds,
den die Gewerkschaft vorschlägt, nur imstande sein wird, die Fragen
der Papierfabriken, die noch schlechter dran sind als die Zellstoff-
fabriken bei Stillegung zu einer einigermassen befriedigenden Lösung
zu bringen, keinesfalls aber würde er dem Projekt Landegger, welches
auch Zellstoffabriken zur Schliessung veranlassen müsste, zustimmen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich glaube, dass wir bei solchen konkreten Unter-
suchungen doch in einem früheren Zeitpunkt bereits die Fachgewerkschaf-
ten, sei es über den ÖGB oder doch vielleicht in Einzelinformationen
heranziehen müssen. Dies gilt insbesondere auch für den Kohlebergbau.
Bei der Regierungsklausur kam nur Veselsky noch später als Kreisky,
da er beim Arzt aufgehalten war. Kreisky selbst meinte, dass die
Regierungserklärung ein verpflichtendes Dokument sei und deshalb auch
entsprechend vom Bundespressedienst veröffentlicht werden wird.
Für die Vertrauenspersonen wird eine besser aufgegliederte Ausgabe
durch den Klub erfolgten. Er meint, die Regierungspolitik könnte man
nicht ausschliesslich nach dem Interessenkreis z.B. Bergbauern
allein, beurteilen, sondern der Sekundär- und Tertiäreffekt die
verwandten, resp. die betreffenden Personen die von dieser Politik
zwar nicht berührt, aber doch beeindruckt sind, ist wesentlich grösser.
Um entsprechende Entscheidungen vorzubereiten, könnte man auch durch
Meinungsinstitute Umfragen erstellen, wie sie sich zu Problemen
stellen, z.B. will er dies bei Umwelt- und Gesundheitsschutz machen.
Ein Plebiszit könnte man sich ersparen, ein solches ist nur dann
sinnvoll, wenn man der Opposition eine Niederlage damit bereiten kann
wie dies eben z.B. beim grössten Plebiszit nämlich bei den Wahlen am
10. Oktober der Fall gewesen ist. Dort wurde auch über die Regierungs-
politik abgestimmt und hat eine vernichtende Niederlage der ÖVP
ergeben. Die konjunkturelle Sitzung betrachtete er als sehr kritisch.
Er geht von der Arbeitshypothese aus und möchte auch, dass wir sie
uns als Grundlage nehmen, dass eine Abflachung der Konjunktur zu
erwarten ist und spätestens im Frühjahr 1972 ein wesentlicher Rück-
schlag eintreten. Das Konjunkturausgleichsbudget würde hier nur der
Bauwirtschaft helfen, die aber durch eine Sonderkonjunktur eine
solche Stütze nicht brauchen wird. Nur für die anderen Betriebe und
Branchen kann die Regierung eigentlich mit Budgets eigentlich nichts
erreichen. Die Krise, die sich jetzt in Hinterberg bei der Zellulose
oder in Hirtenberg bei der Patronenfabrik abzeichnet, kann mit
Budgetmitteln nicht geklärt werden. Auch der Bergbau und die typographi-
schen Betriebe werden eine solche Krisensituation erleben. Grossbritan-
nien hat bereits 1 Mill. Arbeitslose und auch in Schweden hat man die
grösste Arbeitslosigkeit seit langer Zeit, weil man sich allzu sehr
auf die falschen mittelfristigen und langfristigen Prognosen der
Wirtschaftswissenschaftler verlassen hat, die – wie er sich ausdrückt –
überhaupt nie stimmen. Bei uns stimmen nicht einmal die kurzfristigen
Prognosen, da sie unterunterbrochen korrigiert werden müssen. Derzeit
noch zu unseren Gunsten. Beunruhigt die Stahlindustrie wenn Böhler
zwar erklärt, es hätte 1000 Beschäftigte zu viel, wird sie aber weiter
beschäftigen, ist das kein erfreuliches Zeichen. Noch schlechter
steht es bei Schoeller-Bleckmann und bei der VÖEST. Um hier gewisse
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Abhilfe zu schaffen, meint Kreisky, man drei Punkte berücksichtigen
müsste:
1. das Bestellungswesen könnte reorganisiert und verbessert werden.
Da wir für die öffentliche Hand – Post, Gendarmerie, Bahn, Polizei,
Zollwache usw. – Uniformen einzeln bestellen, könnte doch eine konzen-
trierte gemeinsame Vergabe die Textilindustrie wesentlich planmässiger
beschäftigen. Es sollte deshalb sofort eine Abstimmung der staatlichen
Bestellungen erfolgen. Rösch wendete dagegen ein, dass insbesondere
die Gewerkschaft sich für die Erhaltung der Massafonds einsetzt und
letzten Endes hier grosse Schwierigkeiten zu überwinden sein werden.
Bei Nichtinanspruchnahme der Naturalien und vor Abgabe und Ergänzung
werden da Zuschüsse an die einzelnen Uniformträger gewährt. Dies
gilt allerdings nicht für das Bundesheer.
2. Kreditpolitische Massnahmen für den Export. Kreisky befürchtet,
dass die grossen Wirtschaftsstaaten, wie z.B. die BRD infolge
ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation, Kreditangebote an die
SU und an andere Oststaaten machen wird und uns dort von den Markt
verdrängen werden. Schiller selbst sieht zwar noch immer als alter
Liberaler seine einzige Aufgabe darin, die Währungssanierung durchzufüh-
ren, wird aber dadurch die wirtschaftliche Krise in der BRD nicht lösen
und die Unternehmungen auf Märkte drängen, die bisher Österreich
beliefern konnte. Durch ganz besondere Kreditbegünstigungen wird auch
der Osten sich an der BRD stärker orientieren. Für die Entwicklungs-
länder möchte Kreisky – so wie seinerzeit der Marshallplan a fonds
perdu – internationale Zuschüsse für diese Staaten erreichen, dadurch
könnten diese, da sie hauptsächlich Investitionsgüter kaufen werden,
bei uns auch Bestellungen aufgeben. Selbstverständlich müsste sich
auch Österreich entsprechend an dieser Entwicklungshilfe beteiligen.
3. Verwaltungsreformen müssten ganz energisch vorwärtsgetrieben
werden, und die Bevölkerung sollte durch den Ombudsmann nicht
nur vor Verwaltungsübergriffen geschützt werden, sondern auch
letzten Endes für eine moderne Verwaltung begeistert werden.
Androsch meldete sich unmittelbar darauf zu Wort und ergänzte die
Ausführungen dahingehend, dass er die kritische Zeit Jänner bis März
1972 sehe. Hier könnte aber der Bund durch entsprechende Bestellungen
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eingreifen. Der Bund hat ein riesiges Reparaturbereichsprogramm,
da in den einzelnen Ressorts kaum Ansätze für entsprechende Repara-
turen vorgesehen sind. Hier könnten mit dem Konjunkturausgleichsbudget ent-
sprechende Aufträge vergeben werden. Ebenso könnte man durch die ÖBB
die Post die Kabelindustrie durch im Beschaffungsstand für das Bundes-
heer auch hier noch einzelne Industrie wie z.B. Steyr-Daimler-Puch
bezüglich Fahrzeuge usw. noch auftragsmässig versorgt werden. Da wir
derzeit noch eine sehr gute Konjunktursituation haben, möchte Androsch
die 15 %-ige Bindung, die bis Jahresende verfügbar ist, jetzt zur Hälfte
aufheben. Die andere Hälfte, die ca. 1 Milliarde ausmacht, würde er dann
den Rücklagen für 1972 zuweisen. Dies bedeutet, dass die Ressorts
nicht die Ausgabenmöglich verlieren, sondern nur für das Jahr 1971 nicht
mehr in Frage kommt, sondern im Jahre 1972 auf Rücklage gebucht wer-
den und dann zur Verfügung stehen. Zur Zeit hat Androsch noch die
Möglichkeit, entsprechende vorzeitige Schuldtilgung vorzunehmen
und im 2. Budgetüberschreitungsgesetz werden dafür 800 Mill. S umge-
bucht. Broda meinte, dass wir den kooperativen Parlamentarismus ver-
treten sollten. Die Volkspartei hat 1966 den Nationalrat mit Gesetz-
entwürfen überschüttet, die sie nachher nicht mehr verarbeiten konnte.
Häuser verlangte, dass die Regierung sich vorher absprechen sollte,
was die einzelnen Ressorts in Angriff nehmen, denn er sagte zurecht,
dass die ÖVP Aufpasser in den Ministerien hat, die dann sofort regi-
strieren, dass eine Materie, die der Minister in Angriff genommen hat,
in der Regierung dann nicht mehr die Priorität bekommt und im
Parlament dann nur mehr so nebensächlich oder gar nicht mehr bearbeitet
wird. Gratz schlug vor, dass sich die Minister mit der Ausschuss-Frak-
tion besprechen sollten, damit die Ausschussmitglieder besser infor-
miert seien. Bei den Klubtagungen sollte dann nur mehr das Grundsätzliche
und Generelle besprochen werden. Gratz sieht die Niederlage in der ÖVP
in der Alleinregierungsphase, dass sich die Nationalratsmitglieder,
d.h. der Klub, sich nicht mehr mit der Regierung identifiziert hat.
Ein solcher Zustand dürfte bei uns niemals eintreten. Der Endergebnis
dieser Diskussion war, dass wir einen Netzplan der Gesetze ausarbei-
ten werden. In einer neuerlichen Regierungsklausur soll dann in
etlichen Monaten nach der Budgetdebatte festgestellt werden, welche
und wann die einzelnen Ministerien ihre Regierungsvorhaben fertig
haben und dem Parlament zuleiten.
In der Preisdebatte stellte Frühbauer fest, dass die Schülerfreifahrt
zu einer Erhöhung bis zu 600 % des Verkehrsaufkommens für Bus geführt
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hat, während die ÖBB auf der Schiene bis zu 50 % Verlust zu ver-
zeichnen hat. Da seinerzeit die Wahlmöglichkeit dem Betreffenden
überlassen wurde, benützt deshalb heute jeder den bequemeren Auto-
bus als die umständliche Bahnfahrt. Die Privaten sind von dem
Linienverkehr abgegangen und haben derzeit Gelegenheitsverkehrs-
ansuchen bei ihm laufen, um die Schüler zur Schule zu bringen. In diesem
Fall sind sie nicht mehr an die bisherigen festen Tarifsätze gebunden,
und verrechnen womöglich bis zu 259.– S pro Monat der Gemeinde, resp.
den einzelnen Schülern, da die vom Familienlastenausgleichsfonds
vergütet wird. Die von mir seinerzeit ausgesprochene Befürchtung,
dass mit den 350 Mill. S nicht das Auslangen gefunden werden kann,
da die Berechnungen von Frühbauer viel zu optimistisch sind, haben
sich jetzt endgültig bestätigt.
Frühbauer stellte die Sozialtarife bei der Bundesbahn und bei der
Post zur Diskussion. Im Bundesbahngesetz wurden seinerzeit 350 Mill.
S für Abgeltung der Sozialtarife zur Verfügung gestellt. Während
die Strassentarife für die Arbeiter eine 50 %-ige Ermässigung, für
die Schüler eine 75 %-ige Ermässigung vorsieht, wird von der
Schiene für die Arbeiter eine 88 % und für die Schüler bis zu 97 %
Ermässigung gewährt. Durch die Erhöhung, die die Direktion beab-
sichtigt, würden die Sozialtarif mit 47 Mill. S mehr bringen. Die
extreme Erhöhung davon würde maximal 15 Mill. S von diesen 47 Mill.
ausmachen. Die finanzielle Lage der Bundesbahn hat sich wesentlich
verschlechtert. In den nächsten Jahren werden die Beschäftigten von
70.000 auf 50.000 zurückgehen. Damit aber wird ja nur vom aktiven
Gehalt der Pensionsaufwand zwar nur mit 80 % des aktiven Gehaltes,
aber immerhin noch wesentlich belastet werden. Darüber hinaus aber müs-
sen für diese 20.000 Beschäftigungsausfall Investitionen in einer
entsprechenden Grössenordnung getätigt werden. Die Einnahmensituation
der ÖBB hat sich aber im Jahre 1971 bereits verschlechtert. Die
Transiteinnahmen zwischen Nord und Süd, d.h. von der BRD über Öster-
reich haben insbesondere durch dein Konjunkturrückgang in Deutsch-
land – 20 % jetzt ergeben. Insgesamt erwartet man um mindestens
200 Mill. weniger Einnahmen nach Berechnung der Gen.Direktion oder
300 Mill. Einnahmen Berechnung Finanzministerium. Durch die Tarif-
erhöhung wollen sie 780 Mill. S im Jahr einbringen. Da aber die Tarif-
erhöhung erst mit 1.3. in Kraft tritt, würden sie die Erhöhungen auf
1 Milliarde Schilling anlegen. Bei Gütern sollte durch eine 8 %-ige
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Steigerung 482 Mill. S eingenommen werden, während durch die Personen-
tarife incl. der Expressguttarife, die unter diese Einnahmepost auch
fallen, 481 Mill. S Mehreinnahmen kommen sollen. Androsch meinte, ob
es nicht zielführend wäre, wenn man bei dieser Erhöhung der Tarife
gleichzeitig für die Pensionisten die Berechtigungskarte von 12.– S
wegfallen lassen könnte. Nach seiner Meinung bringen die Pensionisten
zusätzliche Einnahmen der Bahn. Die ÖBB-Direktion hat allerdings
berechnet, dass 100.000 Pensionisten, die durch die 12.– S Abgabe
12 Mill. Einnahmen erbringen, zu 30 % auch normal fahren würden.
Androsch möchte den Zigarettenpreis um 1 S pro Paket erhöhen, das
sind bei Smart ungefähr 10 %, was die Tabaksteuereinnahmen um 500 Mill.
S erhöhen würde. Weihs berichtete über die beabsichtigte Getreide-
und Milchpreiserhöhung und insbesondere über die Zuckerpreiser-
höhung, die er glaubt, noch heuer durchführen zu müssen. Kreisky
kündigte an, dass auch der Rundfunk eine Gebührenerhöhung beab-
sichtigt, dass aber er verlangt hat, dass vorerst der Aufsichtsrat
der aus ÖVP-Mehrheit besteht, sich mit diesem Problem zu beschäftigen
und entsprechende Anträge zu stellen hat. Frühbauer und Rösch wiesen
auf die Wünsche der Verbundgesellschaft 18 % Strompreiserhöhung und
der Landesgesellschaften, die bis zu 26 % Strompreiserhöhung vorschla-
gen, hin. Im Preisregelungsverfahren ergibt sich für die Gemeinde
Wien dann ein besonderes Problem, da diese 180 Mill. S E-Werks-Abgabe
an die Stadtwerke durch Gesetz beschlossen haben. Frühbauer stellte
zur Diskussion, ob man nicht den Elektrizitätsunternehmungen
10 % Akonto geben sollte und dann erst das Preisverfahren abwickeln
und wie Rösch meinte, wenn dies in eineinhalb Jahren dann abge-
schlossen ist, dann könnte man ihnen auf die notwendigen 18, 20
oder 22 % die weitere Etappe dann ausbezahlen. Ich wies ganz kurz
darauf hin, dass das Preisverfahren anders geführt werden müsste.
So wie ich beim Benzinpreis ein Limit von ca. 20, max. 25 Groschen
als Grundlage von dem endgültigen Ergebnis vorausnehme, dann erst
das Preisverfahren abwickle, müsste man auch bei allen anderen Preis-
ansuchen so vorgehen. Möglichkeit einer Zustimmung sehe ich von
den Interessenten darin, dass sie ansonsten mit einem langwierigen
Preisverfahren zu rechnen haben, wodurch sie letzten Endes weniger
erreichen, als wenn sie sich gleich im Prinzip über eine erträgliche
Preiserhöhung mit uns einigen. Zwecks Abstimmung der Höhe von den
einzelnen Landesgesellschaften oder von den Tramway-Tarifen schlug
ich Kreisky vor, es müssten mit der Landesregierung Besprechungen
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aufgenommen werden. Kreisky wies darauf hin, dass er für nächsten
Tag im Parlament eine diesbezügliche Aussprache zwischen ÖGB,
Gemeinde Wien und Regierung angeregt hat. Wie ich abends dann in
der Partei allerdings von den Gemeinderäten resp. Frau Stadtrat Jacobi
erfuhr, hat die Gemeinde bereits die endgültige Erhöhung beschlossen
und es bedarf nur mehr eines formellen Beschlusses der Gemeinde-
räte. Wenn überhaupt die Regierung noch etwas ändern könnte, meint
sie, wäre nur der Geltungsbeginn. Über die einzelnen Anträge und
Anfragen von Frühbauer oder z.B. von Rösch, ob man den Grazern eine
Nachziehung ihrer Stromtarife, die man ihnen zugesichert hat, jetzt
geben könnte, wurde natürlich überhaupt kein konkreter Beschluss
gefasst. In Wirklichkeit muss ein jeder Minister in eigener Verant-
wortung eine Lösung suchen und dann auch durchführen. Mit Schaudern
denke ich daran, wenn die ganzen Preiskompetenzen dann bei uns im
Ministerium konzentriert sein werden. Die nächste Sitzung wird
am 11. Jänner in Vöslau über die Koordination stattfinden. Kreisky
teilte noch mit, dass die B-Beamten Hofrat Mayer vom Finanzministerium,
Richter vom Äusseren, Spreitzer vom Unterricht und Gasser vom BKA
als A-Beamte vorgesehen sind.
ANMERKUNG FÜR Heindl: Wir könnten auch jemanden nennen.
In der Bezirksausschussitzung haben die Preise eine grosse Rolle
gespielt. Ernstl, der Betriebsratsobmann von Siemens, hat berichtet,
dass bei der Arbeiterkammerfraktion eine heftige Diskussion war, da
die Resolution bereits mit der ÖVP und den Kommunisten abgesprochen
war und deshalb nicht wesentlich mehr verändert werden konnte. Darüber
hinaus hat Hrdlitschka erklärt, dass heuer um 6 % die Preise steigen
werden, was die Genossen sehr beunruhigt hat. Entweder hat Hrdlitschka
die Unterlagen, die Krämer ihm gegeben hat, missverstanden, diese
Preiserhöhung sind erst mit nächstem Jahr zu erwarten, oder die Frak-
tionsversammlung hat sich geirrt.
Beim Abendessen in der italienischen Botschaft mit dem Bundespräsi-
denten habe ich das Protokoll zum ersten Mal in seiner Anwesenheit
verletzt. Meine Frau hat mich noch in der Früh gefragt, ob sie langes
Kleid zu dem Empfang zu tragen hat. Da ich mir keine Einladung anschaue
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und es mir auch ganz wurscht ist, welche Bekleidung vorge-
schrieben ist, habe ich gesagt, auf keinen Fall. Eigentlich
wollte sie aber nicht in Verlegenheit bringen, denn wenn ich mir
schon die Freiheit herausnehme, Bekleidungsvorschriften zuwider-
zuhandeln, so will ich andererseits natürlich nicht, dass meine
Frau davon in Mitleidenschaft gezogen wird, und vielleicht
selbst auch die Kleider tragen soll und will, die dem Anlass ent-
sprechend von ihr getragen werden möchten.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte in Hinkunft immer meine Frau
genau verständigen, welche Bekleidung vorgeschlagen wird.
Der Bundespräsident ging grosszügig darüber hinweg. Ich weiss
nicht, ob meine Methode die richtige ist. Sicher ist nur, dass
ich – wenn immer ich mit anderen, ob es nun der Kabinettsdirektor
ist, oder die Protokolleute wie Botschafter Hinterstein oder Min.
Rat Beroldingen ist – alle sagen mir, dass sie über die Bekleidungs-
vorschriften usw. nicht glücklich sind. Vielleicht wollen sie mir
aber auch nur nach dem Mund reden. Der italienische Botschafter
bekam eine höchste Auszeichnung, damit er schon – wie mir Kirchschläger
erklärt, beim Empfang in Rom diese hohe Auszeichnung auch tatsächlich
tragen kann. Insgesamt wurde ein Ordenssegen vereinbart, der ins
Gigantische geht. Noch niemals wurde 167 Orden bei einem Staats-
besuch gegenseitig ausgetauscht. Kirchschläger meint nur in einem
einzigen Punkt sei dies positiv, dass nämlich heute in Italien
sieh Minister und höchste Beamte darum reissen, einen österreichi-
schen Orden zu kriegen. Vor Jahren noch wäre es undenkbar gewesen,
diesen überhaupt einen österreichischen Orden zu verleihen. Sie
hätte in ihrer politischen Karriere, wenn sie eine solchen ange-
nommen hätten oder gar erstrebt hätten, schwerste Diskriminierung
erfahren. Heute dagegen erklärte mir Kirchschläger, reissen sie
sich einen österreichischen Orden zu bekommen. Bei der Tafel
sass ich zwischen Frau Bundespräsident Jonas und die Frau des
Gen.Sekr.Stellvertreters vom Aussenamt Halusa. Mit Frau Jonas ver-
ständigte ich mich sehr gut, denn sie kommt aus derselben Schichte
um nicht zu sagen Klasse aus der auch ich aufgewachsen bin. Sie
erklärte mir übrigens und dies nicht das erste Mal, dass sie den
ganzen Ordensrummel nicht verstehen kann und in Wirklichkeit auf
dem Standpunkt steht, dass es sich hier auch niemals um Auszeich-
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nungen nach Leistungen handelt, sondern wie ich ja auch immer sage,
um reine Zufälligkeiten. Sie hat daher für mein Verhalten vollsten
Verständnis. Frau Halusa wieder meinte, dass das Essen, welches
einer internationalen Küche entsprechend sogar vom Botschafter
selbst geschossene Fasane umfasste, ihr sehr wenig zusagt. Da sie
aus Thailand ist, hat besonders die Wiener Küche wie Schinkenfleckerl,
Schlachtbraten, Leberwurst und Blunzen mit Kraut und Knödeln usw.
Mohnnudeln, Topfenknödeln usw. für sie einen ganz besonderen Reiz.
Ich schlug ihr vor, dass man doch eigentlich ein Menü zusammenstellen
könnte, was all diese Speisen umfasst. Wenn wirklich die eine oder
andere Speise von dem Gast nicht gegessen wird, hat er dich unter
den vier Speisen, die verabreicht werden, sicher Gelegenheit, mit
der einen oder der anderen sich satt zu essen, sie teilte meine
Meinung vollkommen. Ich glaube, man sollte wirklich von unserem
Hotelfachschulen die typischen Wiener Rezepte und Speisefolgen
zusammenstellen, ohne auf die internationale Küche Rücksicht
zu nehmen. Bei Einladungen könnte man dann solche Speisen auch
tatsächlich servieren lassen und müsste sehen, ob dies nicht
wirklich den Gästen als österreichische und Wiener Spezialität
besser schmeckt als dieser internationale Schlick , den man
auch bei unseren Veranstaltung bekommt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte veranlasse, dass man in den Hotelfach-
schulen und sonstigen fachlich und sachlich zuständigen Stellen Un-
tersuchungen anstellt und Überlegungen für solche Menüs macht. Wenn
wir dann wieder einen Empfang zu geben haben, möchte ich ein solches
Menü einmal versuchen lassen.
Tagesprogramm, 9.11.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)