Sonntag, 3. Oktober 1971
Nach Schema F müssen alle Bundesminister durch alle Bundesländer
geschleust werden, sodass man mich für 9 Uhr in Klagenfurt einge-
teilt hat. Wir mussten deshalb sehr zeitig wegfahren und in dichtem
Nebel erlebten wir eine Massenkarambolage von mindestens 10 Autos.
Da Reis in der Früh kaum ansprechbar ist, schlief er und ich
fuhr im Schritt , sodass ich noch rechtzeitig bremsen konnte. Bei
der Zeiteinteilung werden scheinbar die Witterungsverhältnis überhaupt
nicht ins Kalkül gezogen. Die Konferenz des Freien Wirtschaftsver-
bandes in Klagenfurt war für mich eine Gelegenheit, doch über
die Tätigkeit des Handelsministeriums zu referieren und zu informieren.
Man hat mir gesagt, dass die Konferenz um 9 Uhr beginnt, in Wirklichkeit
aber hatten sie bereits um 1/2 9 Uhr die Teilnehmer eingeladen.
Scheinbar sollte solange zugewartet werden oder es sollte eine
kurze Begrüssung und eine Totenehrung meinem Referat lt. Tagesordnung
vorangehen. Zum Glück konnten wir um 3/4 8 Uhr schon in Klagenfurt
sein und die Teilnehmer mussten nicht allzu lange warten. Wenn ein
Minister allerdings das Bedürfnis hätte zu frühstücken, kann er
bei diesem Zeitplan kaum ohne dass die Teilnehmer dann wirklich
lange Zeit warten müssen, dieses natürliche Bedürfnis zu befriedigen.
Mir spielt es Gott sei Dank keine Rolle, ob ich frühstücke oder
Abend esse. Reis hat dann irgendwo in Klagenfurt, da fast alle
Gaststätten geschlossen waren, doch noch ein Glas Milch während
des Referates aufgetrieben.
Die Versammlungstour im Bezirk St. Veit war meiner Meinung nach
nicht sehr sinnvoll. Natürlich habe ich überall verhältnismässig gute
Versammlungen gehabt, später waren nicht einmal Lautsprecheranlagen
aufgestellt, sodass ich sehr laut sprechen müsste und in rauchigen
Lokalen wird man dabei sehr bald sehr heiser. Trotzdem müsste
ich die Zeit bis zur letzten Minute, um Informationen und einige
gute Gags bei den Zuhörern zu landen. Auch ersuchte ich immer wieder,
anschliessende Diskussionen zu veranstalten, damit die Zuhörer
insbesondere wenn ab+zu doch ein Gegner anwesend war, Gelegenheit
hatten, mit mir über ihre Probleme zu streiten oder zumindestens
sich mit mir über Sachfragen zu informieren. Leider wurde davon
nur sehr wenig Gebrauch gemacht. Der Bezirkssekretär erklärte mir,
07-1138
er hätte viel lieber eine andere Organisation aufgezogen. Ihm
wird vom Land angeblich vorgeschrieben, dass ein Minister kommt
und der in den und den Gebieten einzusetzen ist. Ausser der Reihe
haben wird dann ein stockschwarzes Nest, wo ein Erntedankfest
stattgefunden hat, an Stelle des Nachtmahlessens besucht. Noch niemals
war dort ein Minister und er sagt, es wird sich wie ein Lauffeuer
jetzt im ganzen Tal ausbreiten und wesentlich mehr dazu beitragen,
als eine Versammlung, die wir dort gemacht hätten. Ich glaube,
dass es zielführender sein wird, wenn ich in Hinkunft Wahlreisen
unternehme, dass wir erklären, die Zentrale soll uns mitteilen,
welches Land und welcher Bezirk von mir besucht werden soll, dann
werden wir uns mit dem dortigen Bezirkssekretär, wenn er ein
tüchtiger Bursch ist, ins Einvernehmen setzten und haben so die
Möglichkeit, wirkliche indifferente Veranstaltungen zu besuchen
oder Passagendiskussionen zu machen oder überhaupt auf die örtlichen
Gegebenheiten eingehend Veranstaltungen zu inszenieren, die mehr
bringen als diese schon seit Jahrzehnten üblichen Wahlversammlungen.
In St. Veit hätte es z.B. ein Wiesenfest gegeben, eine Diskussion
hätte dort viel mehr positive Ergebnisse gezeitigt. Dass die
Partei dies nicht organisiert ist darauf zurückzuführen, dass
sich viele Spitzenfunktionäre u.a. auch der LH von Kärnten nicht
von einigen Besoffenen, die man dabei immer wieder antreffen kann,
anpöbeln lassen wollen. Mich stört aber eine solche Atmosphäre keines-
falls und ist mir viel lieber als eine Versammlung, wo ich weiss,
dass ich zu 99 % Genossen spreche.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte, diesbezügliche Vorbereitungen und Über-
legungen anstellen.