Dienstag, 14. September 1971
Der Rundfunk wollte ein Interview zwar für das Fernsehen über
die Enzyme-Verwendung in den Waschmitteln. Einige Dermatologen,
insbesondere Primarius vom Mödlinger Krankenhaus, haben uns mit-
geteilt, daß hier eine große Gefahr für die Hautkrankheiten be-
steht. Die Wissenschaft, Universitätskliniken usw. haben bis jetzt
dies ganz entschieden geleugnet. Das Fernsehen fragte nun, ob
die Auftragsgeber für die Wissenschaft und den Universitätskliniken
die Waschmittelindustrie ist eine objektive Berichterstattung er-
wartet werden kann. Dieser Tatbestand, nicht gerade sehr befriedi-
gend ist, mußte ich im Fernsehen zugeben. Obwohl ich die Objektivi-
tät der Institute natürlich nicht anzweifeln konnte. Wenn ich mir
jetzt überlege, hätte trotz der angeblich sehr guten
Formulierung, wie Koppe behauptete, dies sicherlich einen Krieg
mit den Universitätsinstituten gegeben. Das Fernsehen wollte
diese Sendung gegen Ende dieser Woche bringen. Koppe machte sie
darauf aufmerksam, daß aber bereits morgen eine endgültige Be-
sprechung über dieses Problem stattfindet. Obwohl wir also eine
gute Gelegenheit Probleme im Fernsehen zur Sprache zu bringen,
hat Koppe sich vor einer zu spät gesendeten Sendung gerettet.
Ich teilte diese Stellungnahme und Haltung Koppes 100 %. Damit
schafft er sich ein seriöses Image und wie sich jetzt später
herausstellte, hat er uns wahrscheinlich vor einem Streit mit
den Universitätsinstituten verschont.
Patleich, der im Kurier den Autoteil unter Christian schreibt,
wollte sich Fritz Senger von der Verkehrsrundschau des Problems
der Profilreifentiefe bei Autos annehmen. Batleit meinte, die Mindest-
tiefe müßte von 1 mm auf 2 mm erhöht werden. Vielleicht ausgelöst
durch das spektakuläre Unglück der Staatssekretärin Wondrack, wo
angeblich ein abgefahrener Reife eine Rolle spielte, in Wirklichkeit
glaube ich war es eine Aquaplaning durch Schnellfahren ausgelöst,
er diese sicherlich im Interesse der Verkehrssicherheit notwendige
Bestimmung anregen. Ich habe hier den MR Metzner zur Sitzung gebeten,
da ich nicht genau wußte, wie die gesetzliche Situation ist. Mangels
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einer Detailinformation, ich habe eine solche auch gar nicht
verlangt, war ich nicht sehr gut vorbereitet. Das beruhigt mich
keinesfalls sehr, wenn auch MR Metzner nicht genau wußte, wie
man hier gesetzmäßig am besten vorgeht. Ich konnte mich dann
doch noch aus der Schlinge herausziehen, als dann MR Storek
kam, der allerdings auch wieder erst den Akt holen mußte, um
eine Detailauskunft geben zu können, aber dann gleich erklärte,
1 mm auf 2 mm käme nicht in Frage, da die Zollmaße erfordern
Reifentiefe mit 1,6 mm festzulegen. Der Verordnungsentwurf ist dann
außerdem vorgesehen, daß deutlich erkennbar gemacht sein
muß, wann diese Profiltiefe erreicht oder unterschritten wird.
Ich wies dann darauf hin, daß wir erst im Rahmen der
Sektion I begutachten müssen, ob eine solche Regelung nicht
eine non perios im Rahmen der EFTA und des GATTs darstellt.
Anmerkung für HEINDL
Um in Hinkunft für andere vielleicht nicht erkennbar, mich doch
bedrückende Unzulänglichkeiten einer Information zu verhindern,
bitte ich die zuständigen Referenten gleich bei der Einladung
auf meinen Zettel zu vermerken. Ich habe dann vielleicht die
Möglichkeit, wenn es sich zeitlich irgendwie ausgeht, mich
telefonisch mit ihnen in Verbindung zu setzen. Seitenlange
Informationen, die ich kaum lesen kann, wünsche ich keinesfalls.
Im Ministerrat mußte ich wieder feststellen, daß die Unterlagen
sehr unzulänglich sind. Es kommen die Ministerratsvorträge
sicherlich sehr spät, aber ich glaube ich bin der einzige
Minister, der oft nicht einmal die Hälfte der Unterlagen hat.
Gott sei Dank wird in der Ministerratssitzung überhaupt nicht
über die einzelnen Punkte diskutiert, ja ich bin überzeugt da-
von, viele, ich selbst ja auch nicht, haben sie gar nicht gelesen.
Diesmal hatte ich nicht einmal die komplette Tagesordnung, denn
die endgültige Tagesordnung hatte um ein Drittel mehr Punkte als
auf der Provisorischen, die mir zur Verfügung stand.
Anmerkung für WANKE
Ich glaube man muß wirklich Vorsorge treffen, daß dieses Minister-
ratsmaterial zeitgerecht zur Stellungnahme noch in die Abteilungen
kommt. Derzeit ist das System so, daß überhaupt niemand mehr im
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Haus sich das Material ansieht. Dieser Zustand ist sehr angenehm,
weil uns niemand mehr einen Vorwurf machen kann, wir hätten nicht
Anregungen des Hauses im Ministerrat vertreten. Im Ministerbüro
und ich selbst sollten wir uns aber doch über die Tagesordnung
mehr unterhalten.
In der Österreichischen Fremdenverkehrswerbung hatten in der
letzten Direktoriumssitzung beschlossen, das Deutschlandproblem,
d.h. die Vertreter der Fremdenverkehrswerbung in Frankfurt zu
klären. Derzeitige Zweigstellenleiter Tischler ist ein richtiger
Aufreisser und arbeitet mit den guten alten Methoden die Leute
zu bewirten und in feucht-fröhlicher Stimmung ganz gute Geschäfte
einzuleiten. Die Ländervertreter selbst haben deshalb schon
einigemale verlangt, man müßte dieses Problem lösen. Geschäfts-
führer Langer-Hansel hat deshalb in der letzten Direktoriums-
sitzung vorgeschlagen, man soll Pohl von Hamburg zeitweise auch
die Geschäftsführung in Frankfurt übertragen. Tischler sollte
die Betreuung der olympischen Spielbesucher in München übernehmen.
Diese Regelung sollte mit 15. 9. in Kraft treten. Durch den unge-
heuren Widerstand sah ich mich veranlaßt, für 14. 9. noch eine
Direktoriumssitzung einzuberufen. Anstelle des Wiener
Vertreters war der starke steirische Vertreter Ennsbacher turnus-
mäßig als der Sprecher der Länder. Dieser stritt sich sofort mit
Langer-Hansel so zusammen, daß letzten Endes sein Konzept auch
die Zustimmung von Langer-Hansel fand und ich muß zugeben, es hat
wirklich mehr Hand und Fuß als unser seinerzeitiger Beschluß. Ob-
wohl der als Schaumschläger bezeichnet wird, der kaum einen Kontakt
mit den Verantwortlichen findet, wird jetzt in dem neuen Konzept
zwar die Möglichkeit bekommen ein Werbekonzept für ganz Deutschland
zu stellen. Die Frankfurter Zweigstelle wird aber von Klement ge-
leitet werden. Langer-Hansel möchte den Fremdenverkehrsfachmann
Mayer aus Ost-Tirol dafür gewinnen. Mayer ist ein Protektionskind
von LR Bassetti, steht allerdings im Gegensatz zu dem Tiroler
Quanzbach.
Anmerkung für HEINDL
Ich glaube wir müßten vorsorgen, daß nicht immer wieder Langer-
Hansel Vorschläge erstattet. Ich kann mir nicht vorstellen, daß
wir nicht ebenfalls tüchtige Leute in den Ländern haben. In
Hinkunft werde ich mich vielmehr mit Gaisbacher über einzelne
Wünsche der Länder absprechen, denn es hat scheinbar keinen
Sinn, sich auf Langer-Hansel zu stützen, der dann umfällt,
weil er eben seinen Plan entsprechend durchgedacht resp. mit
den in den Ländern verantwortlichen Leuten besprochen hat. Immer
Er leidet, daß wir einen Teil unserer Beschlüsse reassimieren
mußten, natürlich der Geschäftsführer ein prästiger Verlust .
Ich bin mir allerdings vollkommen klar, daß dies auch auf den
Obmann und das gesamte Direktorium zurückfällt. Auf Poppinger
kann man sich in diesem Fall auch nicht verlassen, weil er keines-
falls der starke Mann ist, der es, sei es in den Ländern, sei
es in der österreichischen Fremdenverkehrswerbung, oder sonstwo
durchsetzt. Ihm ost ja vielmehr scheinbar auch nicht im Stande
ist, bei Sitzungen mich über Verhältnisse zu informieren, die dann
letzten Endes stärker sein werden als die Wünsche des Geschäfts-
führers. Hätte er mir damals zeitgerecht gesagt, daß wir nicht
im Stande sein werden, dieses Konzept von Langer-Hansel durch-
zuziehen, dann hätte ich sicherlich erklärt, daß wir uns sicherlich
dreimal überlegen müssen und ein Kompromiß gleich von vornherein
angestrebt.
Bei der Obmännerbesprechung des ÖGB wurde mitgeteilt, daß in Hinkunft
statt 3 Vizepräsidenten ein 4. Vizepräsident für die Vertretung
des öffentl. Dienstes, das wird NR Weisz sein, gegebenenfalls ein
5. Vizepräsident für die Frauen erwogen wird. Da die Österrei-
chische Volkspartei sich noch immer nicht entschieden hat, ob sie
den derzeitigen Obmann der christl. Gewerkschaft Altenburger
wieder als Vizepräsident kandidiert, oder ob Gasperschitz, der
derzeitige Obmann der Gewerkschaft für den öffentl. Dienst, oder
vielleicht BR Gassner, der derzeitige stellvertretende General-
sekretär des ÖAAB, in das Präsidium gewählt werden soll, kann auch
noch nicht verhandelt werden, ob und inwieweit die ÖVP bereit ist,
auf dem Bundeskongreß 5 Vizepräsidenten zu wählen. Wenn sie sich
durch diese Anzahl politisch geschwächt sieht, weil dem immer
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nur 1 ÖVP-Vizepräsident ihm überstehen würde, so gibt es das
gute Argument, das früher der Generalsekretär, der natürlich auch
immer ein Sozialist sein wird, dem Präsidium angehört hat mit
Sitz und Stimme. In letzten Perioden wurde anstelle des Gener-
alsekretärs nach Ausscheiden von Proksch nur Gen.Sekr.-Stv. Benya
und Klenner bestimmt und in weiterer Folge vier leitende Sekretäre.
Olah hatte das Prinzip niemanden als ersten zu wählen, damit er
in stärkerem Maße seine Politik durchsetzen konnte. Ich habe mich
seit eh und je dagegen ausgesprochen und schlug auch diesmal wieder
vor, wir sollten einen Generalsekretär wählen, wie dies in unseren
Statuten noch vorgesehen ist. Fast alle teilten diese Meinung, doch
hatten sie sich letzten Endes für den Vorschlag des Fraktionsprä-
sidiums ausgesprochen der vorsieht, daß anstelle der vier leitenden
Sekretäre nur mehr Hofstetter und Ströer als leitende Sekretäre
gewählt werden. In der Kontrollkommission wurde Dr. Heinz Kienzl
als Obmann vorgeschlagen und Kolouch, den Klenner ins Spiel gebracht
hat, weil er der Meinung ist, es ist doch eine starke Verbindung
zwischen den Sozialversicherungsinstituten und der Gewerkschaft
notwendig, wird als Stellvertreter vorgeschlagen. Auch im Gewerk-
schaftsbund bewahrheitet sich meine alter Theorie, daß es notwendig
ist, sich in den kleinsten Gremien mit seiner Idee durchzusetzen.
Wenn erst einmal in einem solchen Gremium ein Beschluß gefaßt wird,
z.B. keinen Generalsekretär zu wählen, sondern bei den leitenden
Sekretären zu bleiben, kann man sich selbst in einer Sache, die
von fast allen geteilt wurde, nicht mehr durchsetzen. Nicht daß
ich über diese Entwicklung unglücklich wäre, ganz im Gegenteil
ich bin sehr froh, daß der Gewerkschaftsbund so geschlossen auftritt
und seinem Präsidium folgt bestätigte mir nur neuerdings, daß
manche oft glauben entscheidende Mitgliedschaften in einem Vor-
stand oder in einer großen Fraktion in Wirklichkeit keinerlei
Einfluß auf die Führung einer solchen Organisation hat.
Der Werbeausschuß hat sich in den Persil-Werken angemeldet, um
dort über die Werbung mit den Fachleuten zu diskutieren und
gleichzeitig aber das Werk zu besichtigen. Ich kam etwas später,
konnte mir aber noch den Film über die Enzyme anschauen. Lobner
der Generaldirektor hatte mich noch darauf aufmerksam, daß eigent-
lich diese Veranstaltung für den Werbe-Ausschuß zu ganz einem
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anderen Zweck gemacht wurde und nun in eine Enzym-Debatte
verwandelt wird. Der Rundfunk war anwesend und wollte von mir
wissen, ob dieses Problem im Wahlkampf jetzt hochgespielt wird.
Ich selbst erklärte unverzüglich, daß ich hoffe, dies aus dem
Wahlkampf ausgeschlossen bleibt. Ich selbst hörte mir nur die
Diskussion an und äußerte mich nicht, da ich ja als Schieds-
richter auftreten möchte, kann ich unmöglich meine Meinungen
jetzt bereits kundtun.
Bei der Wiener Konferenz machte man mich von der Arbeiter-
kammer darauf aufmerksam, daß der Index im September neuerdings
steigen wird. Durch Erhöhung der Gemüsepreise müßte man ev. auf
einen Vorjahrsabstand von 5,4 % gefaßt sein. Da der 2. Mittwoch,
an diesem Stichtag ist die Erhebung, am 8. September gefallen ist,
muß man damit rechnen, daß vor den Wahlen der September-Index ver-
lautbart wird. Wenn man meinte, daß die einzige Möglichkeit ist
dies zu verhindern, bisher werden die Lebenshaltungskostenindex
immer frühestens Mitte des Monats verlautbart, müßte man das
Österr. Zentralamt mit Computerarbeiten eindecken. Das Handels-
ministerium hat z.B. längere Zeit eine Arbeit im Statistischen
Zentralamt liegen, die nicht geliefert wird, weil der Computer
mit anderen Arbeiten ausgelastet ist. Römer schlug vor, daß Kreisky,
dem das Statistische Zentralamt unterstellt ist, dafür sorgen müßte,
daß unsere Arbeit doch endlich auch im Computer aufgearbeitet wird.
Als sich Kreisky nach seinem Referat über diesen Vorschlag berichten
wollte, wollte er mir zuerst Mitteilung machen und Vorschläge unter-
breiten, die die Hirtenberger Patronenfabrik betreffen. Ich meinte,
daß dies nicht sehr wichtig sei, sondern meinem Problem doch wesent-
lichere Bedeutung zukomme. Ich hatte auf der einen Seite vergessen,
daß dies einerseits sein Wahlkreis ist und zweitens vielleicht ein
Nichtauszahlen der Löhne vor den Wahlen ein sehr schlechtes Bild macht.
Andererseits wieder glaube ich, daß auch eine Erhöhung des Lebens-
haltungskostenindexes vor den Wahlen nicht gerade stimmungsmäßig
günstig sein kann. Haas hat seinerzeit den Akt vorschreiben lassen
und ihn dann nicht nur studiert, sondern sogar etliche Zeit liegen
gelassen. Kreisky, dafür habe ich vollstes Verständnis, hat eine
solche Methode auf das abgelehnt. Ich werde ihm aber
einen Brief schreiben, wo wir unsere Arbeit urgieren. Kreisky meint,
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daß die Prozentrechnerei mit dem Index überhaupt nur einen sehr
beschränkten Einfluß auf die Wählerentscheidung hat. Die Leute
spüren sowieso wie die Teuerung vor sich geht und der Streit um
0,10 % interessiert sie sehr wenig. Interessant ist, daß eigentlich
auch ich immer diese Meinung vertreten habe, daß ich nämlich
Tommy Lachs immer entgegengetreten bin, auch immer Preisentwicklungen
und vor allem preispolitischen Entscheidungen ausschließlich vom
Lebenshaltungskostenindex-Einfluß abhängig gemacht habe. Vielleicht
bin ich auch schon angesteckt von dieser "Indexkrankheit".
Tagesprogramm, 14.9.1971
Tagesordnung 68. Ministerratssitzung, 14.9.1971
TO 68. MR-Sitzung, 14.9.1971, Kopie Entwurf 9.9.1971