Montag, der 13. September 1971

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Montag, 13. September 1971

Der Vorstand der Wolfsegg-Traunthaler hat mir die finanzielle
Situation dargelegt. Er hat derzeit einen laufenden Betriebs-
abgang von 80.000,–– + der Investitionsanteilquote von 20.000,––,
insgesamt also 100.000,–– Betriebsverlust pro Tag. Ab März 1972
wird er illiquid sein und bis Ende 1972 50 % des Gesellschafts-
kapitals von 60 Mio. verbraucht. Wolfsegg-Traunthaler hat seit
1963 141 Mio. Schilling Bergbauförderung, d.s. 20,–– pro Tonne
Bedarf gehabt, tatsächlich aber nur 31,8 Mio. S, d.s. 4,63 pro t
zugeteilt erhalten. Derzeit haben sie von ihren Mitteln 22 Mio. ver-
loren. Bis Jahresende wird sich diese Summe auf 57 Mio. S erhöhen.
1972 kommen noch 20 Mio. dazu, so daß insgesamt 77 Mio. S nur mehr
ein Restkapital von 38 Mio. S gegenüber 60 Mio. S Grundkapital bis
Jahresende 1972 ergeben. Die EDK schlug neuerdings vor, man sollte
eine Einhandgesellschaft machen und nur so könnten die Bergbau-
förderungsmittel gerechter verteilt werden. In Wirklichkeit han-
delt es sich nur darum, daß die WDK derzeit noch eine gewisse
finanzielle Reserve besitzt, während die GKP nur mehr von unserer
Bergbauförderung und Krediten der Alpine leben kann. Die der-
zeitigen Richtlinien ergeben, daß die WDK nur einen Bruchteil ihrer
gewünschten Mittel bekommen wird. Sterk hat im Prinzip, d.h. im
Grunde nach einem Bescheid vorbereitet, wo die WDK jetzt in dieser
Woche noch 2 Mio. S bekommen kann. Ich stimmte mit Zeininger voll-
kommen überein, daß das derzeitige Bergbauförderungsgesetz und
vor allem die vorgesehenen und durchzuführenden Richtlinien die
günstige Tätigkeit und erfolgreiche Wirtschaft eines Unternehmens
nicht entsprechend berücksichtigt. Je höher das Defizit und je
billig wird die Situation eines Betriebes umso größer sind die natürlich
verhältnismäßig im allgemeinen zu geringen Mittel die auf diesen
Betrieb entfallen. Nach der Bereinigung von Fohnsdorf müßte man
das Bergbauförderungsgesetz nach neuen Gesichtspunkten gestalten.

Ich nützte die gemeinsame Fahrt von Mussil, Sallinger und mir
zur burgenländischen Handelskammer, um einige Probleme zu be-
sprechen. Mussil hat nach wie vor eine ganz große Angst, daß das


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Handelsministerium der freiheitlichen Partei zufallen könnte,
wenn es zu einer kleinen Koalition kommt. Sallinger ist davon
überzeugt, daß die Sozialisten dieses Ministerium nicht
abgeben werden. Ich selbst bestärkte ihn in dieser Meinung.

Die Handelskammer ist über die Schilling-Fakturierungsabschlüsse
mit den Oststaaten sehr erfreut, obwohl Mussil vom politischen
Standpunkt natürlich viel lieber als Handelskammer einen solchen
Erfolg zu verzeichnen gehabt hätte. Ihm war ja vorgeschwebt,
daß durch eine Rundreise von Handelskammerleuten die Handelsde-
legierten neuerdings bei den zuständigen ausländischen d.h. Ost-
staaten, Aussenhandelsministerien intervenieren und dann, wenn
ein Erfolg zu verzeichnen ist, er sagen kann, daß die Regierung
untätig war und nur seiner Intervention dies zuzuschreiben ist.
Dieser Plan wurde gründlich durchkreuzt.

Sallinger und Mussil erklärten mir neuerdings, daß eine jetzige
Einberufung des Konsumentenforums größten Widerstand ihrerseits
auslösen müßte, Auch Präsident Ebert hat mir am Abend bei den
Spitzbuben mitgeteilt, er selbst würde alles daran setzten, daß
dieser Konsumentenbeirat derzeit nicht einberufen wird, weil
Kampfampf sonst in dieser Organisation getragen wird. Mussil und
Sallinger erklärten sich bereit, mit mir alle offenen Probleme,
die wir noch vor dem Wahlen lösen müssen, d.h. wo wir entsprechend
Verordnungen und Anordnungen erlassen müssen, im Dreier-Gespräch
zu handeln. Ich glaube, daß wir auf dieses Angebot nur in der prin-
zipiellen Genehmigung von schweren Brocken einsteigen sollen, die
anderen einzelnen Vorschläge wie z.B. daß Dolinay vom Fachver-
band der Elektroindustrie eine Arbeit der Öffentlichkeit übergibt,
brauchen wir, wenn Dolinay einverstanden ist, keine wie immer ge-
artete Rücksprache mit der Bundeshandelskammer.

In der a.o. Vorstandssitzung an der auch Landeshauptmann Kery
teilgenommen hat, betraf, daß ich nur die Verleihung ohne einer
Rede durchführe. Ich nützte aber doch die Gelegenheit, um
einige Bemerkungen über die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium
und der Handelskammer zu machen. Vor allem sprach ich heraus, daß


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dies die zweite Handelskammer ist, die mich eingeladen hat. Ich
war nur bei der Vereidigung von Sallinger und ansonsten habe ich
erst jetzt in der bgld. Handelskammer Gelegenheit mit dem Vorstand
oder sonstigen Organ meine Ideen zu besprechen. Ansonsten nützte
ich die Gelegenheit, um wie man mit dem Wiener Schmäh sagt,
die Handelskammer als eine bedeutende Organisation herauszustreichen,
aber gleichzeitig auch darauf hinzuweisen, daß sich alle bisherigen
Maßnahmen im engsten Einvernehmen mit ihnen gesetzt habe. Sallinger
replizierte dann in der gewohnten Art auf meine Ausführungen, in
dem er wieder herausstrich, daß ich ein äußerst gefährlicher Handels-
minister sei. Ich hätte zwar immer versucht dieses Einvernehmen mit
der Handelskammer herzustellen, aber doch meine Ideen weitestgehend
durchgesetzt und man könnte sich nicht genug vorsichtig mit mir in
eine Diskussion einlassen. Der gute persönliche Kontakt macht es
allerdings sehr schwer ihn mich anzugreifen. Graf hat dann in seinem
Schlußwort auch diese Meinung vertreten, gleichzeitig aber gesagt,
er würde sich sehr freuen, wenn ich bei der nächsten Vollversammlung
am 5. Dezember ein Referat halten würde. Graf hat sicherlich
über seine Größe geredet, denn Sallinger hat mir anschließend sofort
gesagt, da müßte er doch auch entsprechend gefragt werden. Nach
anschließendem Mittagessen hat Graf in seinem Tischgespräch neuer-
dings bekräftigt, daß er hofft, daß ich am 5. Dezember zur Vollver-
sammlung der Handelskammer kommen werde. In meiner Erwiderung
erklärte ich neuerdings, daß ich diese Einladung mit Freude zur
Kenntnis genommen habe und bereits vorgemerkt habe. Sallinger
meinte dann allerdings, unter Anwesenheit von Graf, daß am
5. Dezember wahrscheinlich eine große Wirtschaftsbundveranstaltung
stattfinden wird. Sallinger möchte also, wie es seine bisherige
Politik war, auf alle Fälle diesen Kontakt verhindern. Er erklärte
mir allerdings immer neuerlich, daß dies nicht gegen mich gerichtet
ist, sondern er nur Angst hat, daß ihm die Handelskammerorganisation
dann vollkommen aus der Hand gerät.

Anmerkung für HEINDL
Bitte den Termin unbedingt bestätigen und erklären, daß ich auch
mit jedem anderen Terminvorschlag einverstanden bin.



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Die Ministerratsvorbesprechung ist jetzt natürlich ganz im
Zeichen der Wahlwerbung. Kreisky interessierte sich insbe-
sondere welche Erfahrungen die einzelnen Minister auf ihrer
Samstag-Sonntags-Wahlreise gehabt haben. Zum Unterschied von
mir behaupten alle, daß sie in ihren Versammlungen nicht nur
gute Besuche haben, sondern daß auch viele Leute kommen, die
nicht der sozialistischen Partei angehören. Ich selbst erklärte,
daß ich mit dieser Art der Wahlveranstaltungen nicht sehr glück-
lich bin, da ich noch immer glaube, daß wir hier nur an unsere
Parteimitglieder herankommen. Kreisky bestätigte, daß er mit
den Besprechungen außerhalb der offiziellen Wahlversammlungen
feststellen kann, daß die bürgerliche Seite mit dem derzeitigen
Zustand sehr zufrieden sind. Die Unternehmer meinten, daß noch niemals
eine Regierung eine so hohe Haltung in einer so kritischen Phase
wie die sozialistische Regierung derzeit. Die Gewerkschaften werden
von ihnen wirklich scheinbar nur als eine Stillhalteorganisation
für die soz. Bundesregierung betrachtet.

Frühbauer teilte mit, daß die AUA einen Flug Wien-Berlin-Schönefeld
d.h. DDR und Stockholm beabsichtigt. Der nicht offiziell groß von
Seiten der Regierung herausgestrichen wird, aber doch den Wunsch
der AUA, der jahrelang alt ist, Rechnung getragen werden soll.
Rösch konnte von der Verfassungsgerichtshofeinvernahme mitteilen,
daß Tirol die Absicht hat, und zwar Dr. Graf als Vertreter
des Landes Tirol bei der Zeugeneinvernahme mitgeteilt, daß er
sich überlegen würde, das Volkszählungsgesetz anzufechten. Da
die NPD und die DFP nicht kandidieren, wird ihr Antrag in der
Hauptwahlbehörde widerrufen. In der Hauptwahlbe-
hörde sind nur wahlwerbende Gruppen vertreten.

Kirchschläger teilte mit, daß die VÖEST einen Briefwechsel will.
Mit 20 % soll sich an einer Stahlwerkgesellschaft, d.s. 16 Mio.
Dollar beteiligen. Die Gesellschaft wird ein großes Stahlwerk
in Beiwahn errichten. Die österreichische Kontrollbank hat die
Ausfuhrhaftung von 30 Mio. Dollar bereits übernommen. Dieser
Betrag soll auf 50 Mio. Dollar aufgestockt werden. Vom wirtschaft-
lichen Standpunkt erklärte ich, wären wir an diesem Projekt
sehr interessiert. Kreisky hat dagegen nichts einzuwenden, nur


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daß die Regierung keine wie immer geartete Haftung für diesen
Kredit in Form eines Briefes an die VÖEST übernehmen könnten.
Die Verhandlungen mit Peter, dem ungar. Außenhandelsminister,
verliefen erfolgreich. Die derzeitige Anerkennung der DDR, die
jetzt die Finnen gemacht haben, kommt nicht in Frage. Die Finnen
haben aus neutralitätspolitischen Standpunkt, in dem sie offen
eine Neutralitätserklärung, einige Wahlverzichtserklärung und
letzten Endes eine Entschädigung von der BRD und der DDR für die
Schäden des zweiten Weltkrieges, die sie erhalten haben, zu be-
kommen, die Anerkennung ausgesprochen. Ungarn ist an der Rhein
Main–Donau-Kanal sehr interessiert. Die Schillingfakturierung
wird geprüft, aber man will vor dem 30. September uns Bescheid
sagen.

Kreisky schlug vor, daß wir unser überlegen sollten, einige B-
Beamte, wie er es seinerzeit bei dem Konsul gemacht hat, in
den A-Stand zu übernehmen. In der ersten Phase kommen nur ÖVP-
Leute in Frage, damit es nicht heißt, es sei ein politisches
Wahlmanöver. Das typische Beispiel dafür ist Amtsrat Mayer vom
Finanzministerium. Er berichtete über die tschechoslowakischen
Ergebnisse und wies insbesondere auf den Wunsch, daß D.Ing. Lärm
mit 56 Jahren pragmatisiert werden soll. Außer Steinacker, der
bei mir interveniert hat, braucht der bulgar. Sozialistenführer
im Exil, Gaporko, beim Bundeskanzler interveniert. Eine Pragma-
tisierung kommt aber infolge des hohen Alters nicht in Frage.
Außerdem wünschen diese Leute dann noch einen Pensionsvertrag,
der vollkommen unmöglich ist, zu gewähren.

Androsch berichtete, daß die Budgetverhandlungen abgeschlossen
sind. Das Wissenschaftsministerium und die Landesverteidigung
heuer ein bißchen besser gestellt werden. Es fehlen daher im
Voranschlag noch 2,5 Milliarden Schilling. Auf dem Schulden-
sektor soll 1 Milliarde geschoben werden und die Körperschafts-
steuer wurde mit 200 Mio. neuerlich erhöht. Durch Kürzung der
Aktivitätsbezüge um 1 % soll ca. 380 Mio. und durch Kürzung aller
anderen Ansätze ebenfalls um 1 % ca. 1,1 Milliarden eingespart
werden. Das Defizit, welches derzeit noch immer 11,250.000.000 S
beträgt, wird durch diese Maßnahmen auf 9,799.000.000 herabgesetzt.



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Ich wies darauf hin, durch diese Kürzung die Bergbauförderungs-
ansätze im nächsten Jahr unter gar keinen Umständen ausreichen
würden. Frühbauer erklärte, daß die ÖBB Vorbelastungen für die
nächsten Budgets durch rechnungstechnische Maßnahmen nur über
die Runden kommen wird.

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Tagesprogramm, 13.9.1971


Tätigkeit: Dir. WTK, Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks AG


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Präs. HK Bgld.


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: bgld. LH


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: [Beamter 1971; lt. Text bulgar. Sozialistenführer im Exil; so nicht zu finden; er sei für eine Pragmatisierung zu alt; mglw. nach seinem Exil nach Österreich gegangen?]


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
          GND ID: 118723189


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: [unklar; 1971 Vertreter des Landes Tirol, der bei einer VfGH-Einvernahme mitteilt, Tirol überlege das Volkszählungsgesetz anzufechten]


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Sekr. Fachverband Elektroindustrie [1971]


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                GND ID: 12053536X


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: [Beamter?; soll lt. Kreisky 1971 pragmatisiert werden; Zusammenhang oder Position unklar]


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MR HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: stv. Minister für Außenhandel, CSSR


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                          GND ID: 102318379X


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Pressereferent HK


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Wr. ÖVP-GR-Abg., Obmann Sekt. Handel Wr. HK, Vizepräs. VKI


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Amtsrat im FM [1971 Vorschlag Kreiskys, einige B-Beamte in den A-Stand zu übernehmen, wofür zunächst nur ÖVP-Leute in Frage kämen, Mayer sei ein typisches Beispiel dafür; Schreibung?; ident mit einem schon vorhandenen Mayer, ev. anders geschrieben?; wird am 9.11.1971 nochmals erwähnt, hier mit Titel Hofrat]


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                    GND ID: 118566512


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Finanzminister
                                      GND ID: 118503049


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                        Einträge mit Erwähnung: