Samstag, 31. Juli 1971
Die Messeeröffnung in Dornbirn verlief im üblichen Rahmen.
Präsident Rhomberg begrüsste die Gäste. Er konnte es sich nicht
verkneifen, da diesmal im Rahmen der Dornbirner Messe auch eine
Landwirtschaftsausstellung war, die Landwirtschaft als wichtigen
Wirtschaftszweig auch in Vorarlberg herauszustreichen. Insbesondere
appellierte er an die Bauern, er selbst hätte auch einmal ein Gut
gehabt, was er leider jetzt verkaufen musste, an der Scholle zu
bleiben. Ich dachte mir, ein Appell ist ja schön, aber was tut
er, um wirklich der Landwirtschaft zu helfen? Resp. warum hat
er dann, wenn er so ein begeisterter Landwirt war, aus Rentabilitäts-
gründen diese aufgegeben? Nach ihm begrüsste der Bürgermeister
Dr. Bohle die Messeteilnehmer und wies in einer Seitenpassage als
Wien als die Etappe hin. Bohle spricht immer frei und ist ein
sehr guter Redner. Anschliessend kam Präs. Mayer-Gunthof zu Wort,
der ansonsten natürlich mich immer in aller Freundschaft attackiert
rief aber sofort mit bewegter Stimme bebend in die Versammlung,
er fühle sich nicht als Etappenmann sondern hätte mit den Ostöster-
reichern und insbesondere auch mit den Wienern die Republik verteidigt.
Er wies darauf hin, dass 1945 gerade Wien und die Ostösterreicher
kaum Kühe gehabt haben, kein Getreide bekommen konnten, mit der
russischen Besatzung zu kämpfen hatten und 1950 sogar den kommuni-
stischen Putsch niederschlugen, er könnte nicht akzeptieren, dass
dies Etappe und insbesondere Etappenarbeit gewesen sei. Anschlies-
send kam Präs. Hagen von der Landwirtschaftskammer zu Wort. Er
meinte, man müsste der Jugend eine Chance geben und deshalb die Land-
wirtschaft tatkräftigst unterstützen. Da er ein Konzept verlas,
ging er auf die einzelnen Bemerkungen z.B. von Rhomberg überhaupt
nicht ein. Ich könnte in meiner Eröffnungsansprache natürlich
nicht umhin, es würde ja meinem Prinzip widersprechen, auf die
einzelnen Vorwürfe und Wünsche einzugehen. Zuerst wies ich
Präs. Hagen bei aller Anerkennung der landwirtschaftlichen Leistungen
und der berechtigten Forderungen der Bauern darauf hin, dass die
Bundesregierung als sie den Milchpreis um 30 Groschen für den Ver-
braucher erhöhte 25 Groschen den Bauern gab, während 1968 der Schilling
Milchpreis ohne für die Landwirtschaft eine Erzeugerpreiserhöhung
zu bringen, die Verbraucher belastete. Ich wies auf die Bedeutung
des Siedlungs- und Erholungsraumes hin, wo insbesondere natürlich in
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Vorarlberg die Bergbauern oder Berggebiete stärker unterstützt
werden, wenn Weihs seine 300 Mio. S für die Bergbaugebiete zur
Verfügung stehen wird. Ganz besonders aber wies ich darauf
hin, dass Hagen kein Wort bezüglich einer Getreidepreiserhöhung
verloren hatte, da doch gerade auf diesem Sektor neuerlich die
Verbraucherpreise erhöht werden müssten. Ich ging auch auf die
Vorschläge und Kritiken von Präs. Mayer-Gunthof im Detail ein.
Insbesondere meinte, man hätte wegen der Schillingaufwertung keine
konkreten Massnahmen gesetzt. Mayer-Gunthof hat allerdings in seiner
Ansprache die Bundesregierung immer wieder gelobt und ihre Sachlich-
keit, insbesondere die von Androsch und mit herausgestrichen. Slavik,
der bei der Eröffnung ebenfalls anwesend war, meinte, der hätte die
beste Propaganda für die österr. Bundesregierung gemacht. Auf die
Etappenbemerkung des Bürgermeisters Bohle hatte ich einen einzigen
Satz repliziert, indem ich nur meinte, wir fühlten uns nicht als
Etappe. Beim anschliessenden Rundgang diskutierten sowohl
Slavik als auch ich mit Landeshauptmann Kessler wegen der Behauptung,
dass die Wahlen ungültig werden würden, weil die Mandate auf Grund
der letzten Volkszählung noch nicht den westlichen Bundesländern zuge-
sprochen wurden oder werden. Slavik meinte, er möchte scheinbar, d.h.
die ÖVP möchte einen Nationalen Notstand erreichen. Ich setzte Kessler
auseinander, dass derzeit ja nur die Wohnbevölkerung festgestellt ist
und noch nicht die Bürgerzahl, wie sie auf Grund der Nationalratswahl-
ordnung dann zu ermitteln ist. Slavik teilte mit, dass Wien z.B. noch
einen Einspruch beim Statistischen Zentralamt wegen einer, wie sie
glauben ungerechten Verteilung erfolgen wird. Erst wenn das Verfahren
wirklich abgeschlossen ist und die Bürgerzahl aus der Wohnbevölkerung
herausgearbeitet ist, kann eine diesbezüglich Verteilung der Mandate
erfolgen. Kessler meinte, wenn dies der Fall sei und man technisch
das wirklich noch nicht könne, dann müssten eben die Nationalrats-
wahlen verschoben werden. Er war scheinbar nicht davon zu überzeugen,
oder wollte sich auch nicht überzeugen lassen, dass eine Nationalrats-
wahl doch nicht von einer Technik in der Statistischen Erhebung und
deren Zeitplan abhängig gemacht werden kann.
Beim anschliessenden Essen kam Bohle, mit dem ich sass, neuerdings auf
die Etappenbemerkung zu sprechen und meinte, er hätte dies nicht so
gemeint, dass Wien es herrlich gehabt hätte, sondern wollte nur zum
Ausdruck bringen, dass insbesondere in den westlichen Gebieten eine
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härtere Konkurrenz existiert und dass hier die liberalere Wirt-
schaftspolitik gemacht wird resp. gewünscht wird als dies im
Osten Österreichs der Fall ist. Ich erklärte sofort, dass ich
mich an dieser Äusserung nicht besonders gestossen hatte, dass
sie aber natürlich provokant wirken musste, wenn diese Erklärung
erst jetzt von ihm mir gegenüber gegeben wurde. Da er aber frei
spricht, versicherte ich ihm, kann ich mir sehr gut vorstellen,
dass man manchmal einen Versprecher hat und eine Betonung dann
durchkommt, die man gar nicht beabsichtigt.
In seiner Tischrede ging Bohle auf diese Probleme nicht mehr ein,
verwies aber darauf, dass Dornbirn jetzt auch einen gerade Geburts-
tag feiert und und vom Handelsministerium eine Unterstützung er-
wartet. Er meinte, dies dürfe aber nicht eine alte Lokomotive sein,
womit er auf Bregenz – 100-jähriges Verkehrsvereinsgeschenk – an-
spielte.
Während des Essens meldete sich ein Vertreter der Kaufmannschaft
Dornbirn, dessen Namen ich vergessen habe, ich glaube, er hiess
Reich, und ich unterhielt mich im Vorraum längere Zeit mit ihm.
Zu meiner grössten Verwunderung meinte er der Nationalrat und
Landesparteiobmann der SPÖ Heinz hätte doch sowieso mit mir über
seine Aussprache, die er wünscht, gesprochen. Ich sagte ja, obwohl
mir kein Wort von Heinz während der ganzen Stunden mitgeteilt wurde.
Der Vertreter der Kaufmannschaft beschwerte sich insbesondere über
die Ladenschlusszeit. Er meinte, man müsste in der Schweiz die Super-
märkte sehen, die sich an der Grenze etabliert haben, um zu ver-
stehen, dass die Vorarlberger jetzt alle in die Schweiz einkaufen
fahren und dadurch dem Finanzminister wertvolle in die Millionen
gehende Schillingbeträge an Steuern verlorengehen. Ich setzte ihm
auseinander, dass die Ladenschlussfrage sehr verpolitisiert wurde
und wir – wenn sich die Situation einigermassen beruhigt hat – objektiv
Untersuchungen im Rahmen des Konsumentenforum, das im Interesse des
Handels errichtet wurde, durchgeführt werden soll. Nicht zuletzt wies
ich darauf, dass der Landeshauptmann ja jetzt bereits gewisse Mög-
lichkeiten der Ladenschlussänderungen hat und diese aber nicht aus-
nützt. Dies wurde vom Vertreter des Handels nicht nur bestätigt,
sondern er erklärte auch einen anwesenden Vertreter der Vorarlberger
Nachrichten, dass er dies immer wieder schon behauptet hat und trotzdem
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von Seiten des Landeshauptmannes nichts geschieht.
Der Vertreter der Vorarlberger Nachrichten wollte ein Spezial-
interview. Ich hatte vom Standpunkt der Vorarlberger die wirt-
schaftliche Lage und insbesondere die Integrationsverhandlungen
zu interpretieren. Das Gespräch war sehr ergiebig, denn ich
hatte sogar ein zweiter Interview nach einigen Stunden Zwischen-
raum neuerdings zu geben.
Der Landeshauptmann und Komm.Rat Beil, der Besitzer vom weissen
Kreuz in Bregenz, als Vertreter der Fremdenverkehrswirtschaft
wollten auf mich immer einwirken, um die Autobahntrasse, deren
Lösung in Ostösterreich so schnell wie möglich zu beschleunigen.
Sie wollten natürlich eine dezidierte Erklärung, dass wir uns
für die Seetrasse entscheiden. Ich hatte in meiner Ansprache er-
klärt, dass ich mich bei den Milliarden-Projekten, die in Vorarl-
berg jetzt eingeleitet haben, ich verwies auf Wolfurt und auf
die Autobahn, nur nach sachlichen Gesichtspunkten würden leiten
lassen. Insbesondere wies ich darauf hin, dass vom fremdenver-
kehrspolitischen Standpunkt ich die Interessen des Fremdenver-
kehrs für die Trasse in die Waagschale werfen werde, die – wenn
ein Fremdenverkehrsgutachten vorliegt – von diesem Gutachte als
die richtige Lösung vorgeschlagen wird. Mayer, der Bürgermeister,
hatte mich nämlich schon am Vortag informiert, dass nach
seinen Mitteilungen Edelmann, der Fremdenverkehrsgutachter, den
Moser auf meinen Vorschlag eingesetzt hat, sich eindeutig gegen
die Seetrasse ausgesprochen hat. Die Anwesenden glaubten aber, als
ich mich auf die Sachverständigengutachter berief, dass es sich um
die schon abgegebenen drei Sachverständigengutachten handelt,
die vom verkehrstechnischen Standpunkt der Unterflurtrasse, d.h.
der Seetrasse den Vorzug gegeben haben und applaudierten heftigst.
Nachmittag hatte ich dann eine längere Aussprache mit Dr. Ortner
von den Vorarlberger Nachrichten und dem Bürgermeister Mayer.
Zu unserem Glück stehen die Vorarlberger Nachrichten ebenfalls
auf der Seite Mayers und sind bis jetzt zumindestens gegen die
Seetrasse. Wenn dies nicht der Fall wäre, bin ich überzeugt,
hätten wir schon ein zweites Fussach. Die Lage ist in diesem
Sektor wirklich schon sehr sehr gespannt und ich glaube, wir
müssten so schnell wie möglich eine endgültige Entscheidung fällen.
Gott sei Dank, liegt dies ressortmässig nicht bei mir. Ich hatte
dann auch noch eine kurze Aussprache mit dem Bürgermeister von
Hohenems und erklärte ihm, dass die Verhandlungen sehr positiv
für die Bevölkerung von Hohenems lauft. Der Landeshauptmann, der
zufällig auch in dieser Frage mich ansprach, hat sich ganz
bitter beschwert, dass bei der letzten Bürgerversammlung, wo ich an-
wesend war, kein Vertreter des Landes, ja nicht einmal der Bezirkshaupt-
mann eingeladen war. Ich konnte natürlich sofort parieren, indem ich
ihm erklärte, ich hätte die Versammlung nicht einberufen und konnte
daher auch nicht bestimmen, wer an dieser Versammlung teilzunehmen
hat. Dies hat Kessler mir unwidersprochen zugegeben, meinte nur aber,
dass hier ein grosser Fehler von Seiten des Bürgermeisters erfolgt
ist. Man sieht, dass das Land in den einzelnen Gemeinden, selbst
dann, wenn der Bürgermeister ein ÖVP-ler ist nicht immer auf eine
gemeinsame Linie zu bringen ist, sondern Spannungen existieren, die
ich glaube, ganz gut von mir ausgenützt werden. Der Bürgermeister
von Hohenems ist genauso ein ÖVP-ler wie Kessler. Schwierig wird es
nur, wenn man dann zwischen die ÖVP-ler als Korn zwischen zwei
Mühlsteinen hineingerät. Hier muss man immer wieder schauen, dass
man der Mühlstein bleibt und nicht das Mahlgut wird. Dr. Ortner
begrüsste auch sehr, dass ich Edelmann beauftragt habe, nicht nur
vom Fremdenverkehrsstandpunkt auf die Überlegungen zur Autobahntrasse
in einem Gutachten festzuhalten, sondern ihn auch ersucht habe, er
möge mit Würzl gemeinsam ein Bodenseefremdenverkehrskonzept für den
gesamten Raum entwickeln.