Freitag, 4. Juni 1971
In der Sozialakademie in Mödling hielt ich meine letzten vier
Stunden Vorlesungen. Ich benütze sie immer dazu, um den Hörern
die Möglichkeit zu geben, alle Wirtschaftsfragen, die sie vielleicht
bei Vorträgen von anderen Referenten nicht gehört haben, zu stellen.
Daraus kann ich auch entnehmen, ob sie etwas Konkretes gelernt haben.
Da die Sozialakademie über keinen wirklichen Wirtschaftslter verfügt,
der einen Grundkurs abhält, ergibt sich die Notwendigkeit, viele
Referenten auf diesem Gebiet einzusetzen. Dadurch gibt es sicherlich
viele Überschneidungen, aber noch viel mehr Lücken. Zum Schluss
appelliere ich bei jedem Kurs, seitdem die Sozialakademie besteht,
dass jetzt erst die schwierige Zeit für sie kommt. Alle glauben, dass
es sich dabei um die Prüfungen handelt. In Wirklichkeit, erkläre
ich ihnen, dass sie jetzt, wenn sie dann die Prüfungen abgeschlossen
haben und in ihre Betriebe und Dienststellen zurückgehen, sie nicht
überheblich sein dürften, sondern das was sie gelernt haben, dazu
benützen müssen, um feinfühlend die Kolleginnen und Kollegen in
den Betrieben zu beraten und zu betreuen, ohne dass sie einen akade-
mischen Dünkel aufkommen lassen. Es gibt nämlich leider immer wieder
Vereinzelte, die sich als "Sozialakademiker" als bessere Arbeiter-
vertreter jetzt vorkommen. Ich weiss nicht, ob dieser Appell bei
allen auf fruchtbare Boden gefallen ist, aber wir haben doch nur ver-
einzelt Fälle, wo wir feststellen müssen, dass sich ein solcher
Dünkel herausgebildet hat.
Vom ARBÖ Ing. NR Hobl, vom ÖAMTC Gen.Sekr. Dr. Veith und Dr. Soche
ersuchten, dass die Budnesregierung einen Beschluss fassen sollte,
dass an die italienische Regierung appelliert wird, Einreisen nach
Italien ohne die grüne Versicherungskarte zu ermöglichen. Bis jetzt
hat in Italien keine Haftpflichtversicherung bestanden und deshalb
haben die Autofahrer ohne grüne Versicherungskarte einreisen können,
da die österr. Versicherungen mit den italienischen Versicherungen
ein Übereinkommen geschlossen hatten, wonach sie den Versicherungs-
schutz auch in Italien übernommen haben. Da mich der ARBÖ von dieser
Vorsprache am Vortag informierte und ich sofort veranlasst haben, dass
Dr. Grubmann, der bei Min.Rat Metzner arbeitet, im Finanzministerium
bereits die Formulierung des Ministerrates abgesprochen hat, konnte
ich eine positive Erledigung in Aussicht stellen.
Der Kraftfahrbeirat beschäftigte sich mit einem einzigen Tages-
ordnungspunkt nämlich die Haftpflichtversicherungsprämienerhöhung.
Einleitend versuchte ich und ich glaube es ist mir auch tatsächlich
geglückt, im Kraftfahrbeirat waren fast 100 Menschen anwesend,
durch einen positiven Tätigkeitsbericht die Mitglieder des Kraft-
fahrbeirates versöhnlich zu stimmen. Da im Unterausschuss des
Handelsausschusses die neue Kraftfahrnovelle im Prinzip beschlossen
ist, einen positiven Bericht darüber zu geben. Ich unterstrich,
dass der Kraftfahrbeirat zu 99,9 % seine Wünsche in dem neuen
Gesetz unterbringen konnte. Zu dem einzigen Tagesordnungspunkt
sprach nur der Vertreter des Kuratoriums für Verkehrssicherheit
sehr positiv. Alle anderen Vertreter ausser selbstverständlich der
Versicherungsvertreter Dr. Hajek, lehnten die Erhöhung der Kraft-
fahrprämien in dem vorgesehen Ausmass ganz entschieden ab. Das
Kuratorium für Verkehrssicherheit hatte sich glaube ich deshalb
positiv geäussert, weil sie letzten Endes von der Unterstützung
der Kraftfahrversicherungsgesellschaften lebt. Der Versicherungs-
verband subventioniert heute diese Organisation. Bei der letzten
Erhöhung waren die Kraftfahrverbände noch wesentlich zahmer in
ihrem Angriff gegen die Erhöhung, weil auch sie damals entsprechende
Subventionen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit von den Versicherungs-
gesellschaften bekommen haben. Sowohl der ÖAMTC als auch der ARBÖ
hatte Dutzende Millionen Schilling bekommen, um den Ausbau ihrer
Kraftfahrdienste zu verbessern. Die Strassenstreifen, resp. die
Kontrolleinrichtungen der Kraftfahrverbände, wo man seinen Wagen
oder das Motorrad kostenlos überprüfen lassen kann, wurden teilweise
durch Subventionen der Versicherungen bezahlt. Insbesondere wendeten
sich alle Vertreter gegen die Einführung des Selbstbehaltes. Ausser-
dem klagten sowohl die Kraftfahrverbände als auch die Interessen-
vertretungen, dass sie die Unterlagen, die zu den Prämienerhöhung
geführt hätten, nicht bekommen haben. Zum Glück hatte ich mit
Hannes Androsch vereinbart, dass wir eine Kommission einsetzen
werden, die eine Überprüfung der Kalkulationsgrundlagen vornehmen
sollte. Ich versuchte deshalb nach der Generaldebatte, bevor wir in
eine Spezialdebatte eingehen, diesen Vorschlag einstimmig zur
Annahme zu bringen. Nachdem sich die Versicherungsgesellschaften
und auch die BHK gegen eine solche Vorgangsweise ausgesprochen
hatten, sie wollten, dass wir im Prinzip zumindestens abstimmen,
ob z.B. der Selbstbehalt bleiben soll oder nicht, gelang es mir
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dann doch im Laufe der Stunden, die BHK aber auch die Versicherungs-
vertreter für die Annahme meines Vorschlages zu gewinnen. Ich unter-
brach deshalb die Kraftfahrbeiratssitzung, um einen Bericht einer
Kommission abzuwarten, die sich auch den Interessenvertretungen
und den beiden Kraftfahrverbänden zusammensetzt und unverzüglich die
Arbeit im Finanzministerium aufnehmen sollte. Was ich verhindern woll-
te war, dass es überhaupt zu einer Abstimmung im Kraftfahrbeirat
kommt, sondern dass ich ohne Abstimmungen womöglich, obwohl dies
im Gesetz vorgesehen ist, immer nur feststelle, dass einstimmig die
und die Meinung jetzt vorherrscht.
Bei den Aussenhandelsstellenleitern von Nord- und Mittel-Amerika
kam ich gerade noch zurecht, um erstens die Leute wirklich kennen-
zulernen durch ihre Berichte und zweitens meine Auffassungen zu
dem einen oder anderen Punkt doch noch genau persönlich darlegen
zu können. Den Vorsitz bei dieser Tagung führte Vizepräsident
Förster. Er ist zwar ein sehr alter Mann schon, aber er kann
noch immer sehr gut Vorsitz führen. Nur natürlich hat er die Gewohn-
heit aller älteren Menschen, dass er sich nicht mehr sehr wendig in
der Verhandlungsführung zeigt und seine eigenen Bemerkungen natürlich
in eine Richtung oft gehen, die die Diskussion nicht zu einem Ende
führt, sondern oft neuerliche Gesichtspunkte die oft nichtzutreffend
sind, in die Diskussion bringen. Vom Büro der Handelskammer waren
ausser den Referenten nur noch Gen.Sekr.Stv. Witek und Aussenhandels-
abteilungsleiter Dr. Gleißner anwesend. Wenn man bedenkt, dass ich
bei der ersten Aussprache mit den Aussenhandelsstellenleitern das
gesamte Präsidium vorgefunden habe und dass dies damals so hölzern
vor sich ging, kann ich jetzt sehr einverstanden und zufrieden sein
mit der Entwicklung. Derzeit kommen nur mehr die wirklichen Fachleute
zu der Diskussion mit den Aussenhandelsstellenleitern und das Formelle
tritt immer mehr in den Hintergrund.
Tagesprogramm, 4.6.1971