Mittwoch, der 26. Mai 1971

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Mittwoch, 26. Mai 1971

Die in den Bundesländern verantwortlichen Sozialisten für den Fremden-
verkehr kamen nach Wien, um das Finanzierungskonzept für die nächsten
10 Jahre, das Sektionrat Würzl ausgearbeitet hat, zu diskutieren.
Ausser kleineren Einwendungen waren sie nicht nur mit dem Konzept zu-
frieden, sondern sogar begeistert, dass eine solche Arbeit vorliegt.
Noch niemals hat es eine solche konkrete Zusammenstellung von berech-
tigten Forderungen des Fremdenverkehrs gegeben, die auch finanzielle
Chancen hat, gedeckt zu werden. Die jährlichen Aufwendungen belaufen
sich auf ca. 300 Mill. S. Nach Durchführung der kleinen Korrekturen
werde ich dieses Konzept an die Landesregierungen zur Stellungnahme
schicken. Dann denke ich daran, einen Fremdenverkehrstag, vielleicht
sogar in irgendeinem Bundesland einzuberufen und dort der breiten Öffent-
lichkeit zur Diskussion vorzulegen. Androsch ist mit diesem 10-Jahres-
Programm einverstanden, obwohl er auf dem Standpunkt steht, im Rahmen
des 10-jährigen Investitionsbudgets des Bundes könnte es nicht unterge-
bracht werden. 1 % der ausgeworfenen Summe von 300 Mill. S soll jährlich
für Studien verwendet werden. Dadurch kriegt unsere Fremdenverkehrspolitik
auch einen wissenschaftlichen Anstrich. Ich glaube überhaupt, dass man
auch auf diesem Sektor viel mehr mit seriöseren Unterlagen arbeiten muss
als dies bis jetzt der Fall war. Es hat sicherlich auch auf diesem Sektor
Leute gegeben, die meinten, solche Untersuchungen seien nicht notwendig,
denn man könnte ja sowieso, wenn man auf Urlaub ist oder in vielen Länder
herumreist, alle Wünsche und Forderungen und Konzepte der Gemeinden kennen-
lernen und braucht deshalb nicht erst wissenschaftliche Untersuchungen.
Wenn wir nun einen neuen Weg beschreiten, dann muss dieser auch das Image
einer seriösen wissenschaftlichen Arbeit beinhalten. Die Bundeskammer hat
auf dem Fremdenverkehrssektor jetzt versucht, alle Verbände zusammenzufassen,
um eine zentrale Organisation aufzubauen. Der Platz wird glaube ich an den
Ländern scheitern, die ängstlich ihre Kompetenz hier verteidigen. Bekannt-
lich ja auch das sehr umfassende Fremdenverkehrskonzept von Mitterer an
der Kompetenzfrage gescheitert. Demgegenüber hoffe ich, dass mein 10-jäh-
riges Investitionskonzept die Zustimmung der Länder finden wird.

Die SPÖ Wien hat deutsche Genossen aus der BRD zu einem Seminar nach Wien
eingeladen. Wie mir der Seminarleiter Weisbier mitteilte, hat sich bis
jetzt überhaupt niemand gefunden, der dort über die Wirtschaftsfragen
referiert hätte. Ich erklärte mich deshalb bereit, dort einen Vortrag
zu halten mit einer anschliessenden, sehr interessanten Diskussion.



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In kleinerem Kreis konnte ich feststellen, dass innerhalb der sozial-
demokratischen Partei Deutschlands eine sehr starke Spannung zwischen
der Gewerkschaft und der Partei und insbesondere der Regierung Brandt
bestehen muss. Die dort anwesenden Bundestagsabgeordneten und höheren
Parteifunktionäre sowie Gewerkschaftsvertreter gaben mir unumwunden zu
verstehen, dass sie uns um unser gutes Einvernehmen zwischen der Re-
gierung und der Gewerkschaft beneiden. Schiller hätte in der BRD fast
keinen Kontakt mit der Gewerkschaftsseite und verhandle viel mehr mit
den Unternehmervertretern. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass auch
bei uns in Österreich eine solche Kritik laut werden würde, wenn ich
nicht aus der Gewerkschaftsorganisation käme und deshalb die Genossen
dort volles Verständnis dafür haben, dass auch ich mehr mit der Unter-
nehmerseite verhandeln muss.

Die Oberste Bergbehörde hat eine Enquete über die Grundsätze des
neuen Berggesetzes unter meinem Vorsitz veranstaltet. Eines muss man
Gasser und seinen Leuten lassen, sie verstehen es, die gesamte Wissen-
schaft in Leoben und in Wien, die mit Bergproblemen beschäftigt sind,
zu mobilisieren. Die Herren Professoren waren nicht nur bereit, uns
Gutachten und Vorschläge zu erstatten, sondern sind auch bereit,
über diese vor einem grossen Forum zu vertreten. Die Einteilung z.B.
der Mineralien und bergfreie bundeseigene und Grundbesitzer gehörende
wurden von den Wissenschaftlern in Leoben erstellt. Die Magnesitindustrie
wehrt sich ganz entschieden dagegen, dass Magnesit von derzeit einem
grundeigenen Mineral als ein freies Mineral in Hinkunft gelten soll
und die Sektion IV meinte, dass man uranium- und thoriumhaltige Gesteine,
die derzeit als freie gelten, unbedingt in bundeseigene überführen sollte.
Prorektor Fettweis erklärte die Begründung, warum das Professorenkolle-
gium in Leoben zu dieser Auffassung gekommen ist. Er räumte selbstver-
ständlich ein, dass es andere Gesichtspunkte geben könnte und ich
konnte immer bei jeder Streitfrage zusammenfassend feststellen, dass
ich mir selbstverständlich vorbehalten werde, welche Entscheidung ist
treffen muss, aber doch noch jedem Gelegenheit geben werde, sehr ein-
gehend sich mit dieser Entscheidung auseinanderzusetzen. Auf alle Fälle
werden wir auch hier ein ziemlich wissenschaftlich fundiertes neues
Berggesetz schaffen. Die Bundeshandelskammer und deren Vertreter
meinten, es wäre nicht zielführend, wenn ein ganz neues Gesetz geschaffen
wird, sondern nur kleine Korrekturen vorzunehmen. Genau dies will ich
aber nicht machen. Wenn wir schon durch die Oberndorfer Demonstration


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und durch den Aufruhr innerhalb der Fremdenverkehrswirtschaft bedingt
ein neues Gesetz schaffen wollen und müssen, dann soll es auch auf
wissenschaftlicher Basis allumfassend sein.

Der wichtigste Streitpunkt war aber, ob die Länder und Gemeinden
Parteienstellung im Verfahren bekommen sollen. Ausser bei den Län-
dervertretern stiess diese Forderung allgemein auf Ablehnung.

Eine Besprechung mit Zöllner, Luczensky, Tommy Lachs und Krämer
ergab, dass wir über die Frage einer wirksamen Preisbekämpfung keine
einheitliche Auffassung erzielen konnten. Auch mein Vorschlag, die
Möglichkeit einer Preisregulierung, wenn der Index eine gewisse
Punkteanzahl überschritten hat, ist hart und mit Recht kritisiert
worden. Wir finden den Stein der Weisen nicht. Auch Min.Rat Singer
hat ein Papier vorgelegt, das meiner Meinung nach einen irrsinnigen
Verwaltungsapparat brauchen würde und der Erfolg wäre wahrscheinlich
auch nur sehr bedingt. Die Gesetzentwürfe und Gesetze der anderen
Staaten zeigen allerdings, dass auch die noch keine Lösung gefunden
haben. Entweder sie haben nur optische Gesetze, die letzten Endes
keine längerfristigen Wirkungen haben oder sie haben gleich von vorn-
herein so vage Bestimmungen, die einer Preisaufwärtsentwicklung auch
nicht Einhalt gebieten können.

Da ich bei der Eröffnung des neuen Kodak-Gebäudes im Auhof nicht
anwesend sein konnte, hatte ich jetzt eine Vereinbarung mit den
Direktoren, dass ich ihr neues Gebäude besichtigen werde. In Wirk-
lichkeit war aber dies nur ein Vorwand, um mit den Direktoren über
ihre Preispolitik ins Gespräch zu kommen. Bei der letzten Paritäti-
schen Kommission hat sogar die Bundeshandelskammer vorgeschlagen,
ich sollte einmal versuchen, dass Kodak nicht so stark preisdifferenzier-
te Produkte in den einzelnen Staaten verkauft. Bei uns in Österreich
liegen wir gegenüber der Schweiz wesentlich höher. Der Farbfilm
Kodachrome Super 8 wird von der Fabrik um 97.30 – 10 % Mengenrabatt
– 2 % Kassaskonto, d.h. um 85.63 dem Kleinhändler gegeben. Der
österreichische Jahresbonus, er kann sich bis auf 10 % des volumen-
mässigen Umsatzes erstrecken. In der Schweiz wird ein Mengenrabatt
gegeben von 1–19 Stück beträgt der Preis 14.12 sfrs. bis 99 Stück
13.42 sfr. und über 100 Stück 12.78 sfr. Dazu kommt dann noch so
wie bei uns ein 2 %-iger Kassaskonto. Der Abgabepreis in der


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Schweiz beträgt demnach ca. 76.40 S. Die Firma erklärt die Differenz
dadurch, dass sie in Österreich 11 % Umsatzausgleichsteuer und für
ihre Abgabe nachdem sie manipuliert, 5,5 % Umsatzsteuer bezahlen
muss. In der Schweiz gäbe es keine Ausgleichssteuer und die Umsatz-
steuer betrüge nur 3,6 %. Ich ersuchte die Direktion, sie sollten
erstens auf ihre Mutterfirma in Amerika einwirken, dass sie vielleicht
doch für das Fremdenverkehrsland Österreich mehr rücksichtnehmende
Preispolitik betreibt, zweitens mir entsprechende Preisunterlagen
zur Verfügung zustellen. Ich selbst gab ihnen die Erhebung der
EFTA über die verschiedensten Preise in der EFTA, wo ja auch
Kodak-Filme-Preise erhoben und kritisiert wurden. Die Direktoren
erklärten mir, dass angeblich die Kodak-Muttergesellschaft ihre
Filme an alle Staaten zum gleichen Preis verkauft. Ich bin überzeugt,
dass dies wirklich auf den Cent genau nicht stimmen wird. Ich kann
mir nämlich nicht vorstellen, dass die Muttergesellschaft nicht doch
eine differenzierte Preispolitik betreibt. Kodak Ges.m.b.H. in Öster-
reich wird sicherlich irgendwelche besonderen Bevorzugungen geniessen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die 180 Mill. S, die für
die Investition des Hauses notwendig waren, mit den 450 Beschäftig-
ten, nur durch ihre Verkaufspolitik hereinbringen wird. Ich kann
mir sehr gut vorstellen, dass auch in der Einkaufspolitik, d.h. in
den Lieferbedingungen des Mutterwerkes oder den Fabriken, die
vom Mutterwerk angewiesen werden, nach Österreich doch differenzierte
Möglichkeiten haben. Gen.Direktor selbst war 6 Monate in der Schweiz
tätig, er kennt daher die Schweizer Verhältnisse sehr genau und ich
bin neugierig, welche Unterlagen er mir zur Verfügung stellen wird.
Er erklärte allerdings gleich freimütig, er müsste sich erst von der
Muttergesellschaft – wie er sich ausdrückte – das OK für diese Über-
gabe der Papiere holen. Wanke stellte anschliessend daran im Auto
die Frage, ob diese Vertreter hier etwas zu reden oder ob sie in
ihren Entscheidungen von der Muttergesellschaft abhängig sind. Ich
persönlich glaube, dass das Letztere der Fall ist.

Bei einem Dinner in der iranischen Botschaft hat mir der Handels-
minister vorgeschlagen, dass wir in das Protokoll doch genauere
Termine für die Expertengruppen, die in der nächsten Zeit zusammen-
treten sollen, aufnehmen möchten. Ich stimmte diesem Wunsch zu.
Ansari möchte, wenn er nach Hause kommt, darauf hinweisen, dass
bei der zweiten Gemischten Kommission er mitgemacht hat, doch
konkrete Ergebnisse erzielt werden konnten. Die ÖMV glaubt allerdings


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nicht, dass sie vor dem Jahre 1973 300.000 t Öl übernehmen könnte.
Wenn diese Öllieferungen nicht kommen können, dann gibt es auch
keine Möglichkeit, den Vertrag auszuweiten. Die VÖEST, Gen.Direktor
Koller hat mich ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, er sieht
keine Möglichkeit, eine chemische Fabrik im Iran zu errichten und
die Bezahlung mit Produkten dieses Werkes durchzuführen.

Der Botschafter fragte mich unter vier Augen, ob ich beleidigt wäre,
wenn der Handelsminister Ansari nach Genf fliegen würde und dadurch
das Essen, das für morgen abends am Cobenzl vorgesehen ist, entfallen
würde. Ich erklärte sofort, dass ich ganz im Gegenteil dafür vollstes
Verständnis hätte. In Wirklichkeit wäre ich todfroh, wenn wir uns
diese Qual der offiziellen Essen ersparen könnten.

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Tagesprogramm, 26.5.1971


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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