Dienstag, 25. Mai 1971
Der ARBÖ hat sein Buch "Mit PS durch Österreich" neu aufgelegt und
200.000 Exemplare zur Verfügung gestellt. Dieses Buch wird in den
Reisebüros in Deutschland, aber auch an der Grenze an einreisende
Autotouristen kostenlos abgegeben. Die Kosten der Aktion werden durch
Inserate in diesem Buch, ich glaube ganz oder zumindestens weitestgehend,
gedeckt. Den Transport nach Deutschland hat nun der ARBÖ mit einigen Wa-
gen, die seine Aufschrift getragen haben, selbst durchgeführt und natür-
lich, um Publicity zu erreichen, mich ersucht, diese beim Hauptzollamt zu
verabschieden. Was mich wundert ist, dass es Effenberger, der Zentral-
sekretär, nicht gelungen ist, die ganze Aktion im Fernsehen zu veran-
kern.
In einer anschliessenden Diskussion, die ich mit Effenberger und Koppe
über die Haftpflichtversicherung hatte, musste ich feststellen, dass
innerhalb des ARBÖ jetzt doch eine sehr starke Strömung gegen die über-
mässige Erhöhung der Haftpflichtversicherungsprämien besteht. Die Idee
des ARBÖ ist nun, dass die Versicherungen ab sofort den Selbstbehalt
einführen sollen und nach 6 Monaten dann festgestellt wird, ob sie
dadurch ihre finanzielle Situation gebessert hat und dann erst eine
Prämienerhöhung für die Leute, die den Selbstbehalt gewählt haben, in
Erwägung gezogen wird resp. festgestellt wird, welche Höhe notwendig ist.
Ich versuchte, diese Idee mit Androsch und Rösch und Frühbauer, alles
ARBÖ-Funktionäre, zu besprechen. Androsch meinte, es müsste jetzt diese
Erhöhung jetzt durchgestanden werden, er selbst könnte keine Änderung
seiner Stellungnahme zugestehen. Ich selbst blieb mit meinem Vorschlag,
die ARBÖ-Idee aufzugreifen, allein. Ich teilte dies auch Broda später
mit und wir kamen überein, derzeit nicht mehr auf Androsch einzuwirken,
da er letzten Endes ja doch allein die Verantwortung in diesem Fall
tragen muss und sich glaube ich schon sehr festgelegt hat. Der glücklichste
bei dieser Diskussion war Weihs, er meinte, mit dieser Autosache wird
sowohl die Milch- als auch die Mehl- und Brotpreiserhöhung vollkommen
überschattet und zugedeckt.
Um gegen die, Angriffe der ÖVP wegen der Preissteigerungen und insbesondere
der Indexkosmetik etwas zu unternehmen, wollten wir, dass Rösch auf Grund
des § 3 a beantragt, gewisse Waren für 6 Monate der Preisregelung zu
unterwerfen. Ausgelöst hätte dies werden können durch die Forderung
der Landwirtschaft, dass sie nicht bereit ist, die Aufwertungsgewinne
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auf dem landwirtschaftlichen Maschinensektor dem Handel zu überlassen,
sondern fordert, dass diese an die Landwirte weitergegeben werden. Wenn
die Handelskammer einer solchen zeitweisen Regelung nicht zustimmt,
dann hätte Rösch eine Liste von Waren verlangt, dass sie in die Preis-
regelung aufgenommen werden, und dem Parlament entsprechende Gesetzes-
vorschläge unterbreitet. Wir hatten übersehen und insbesondere ich habe
darauf nicht geachtet und das ärgert mich im Nachhinein sehr, dass der
§ 3a ja nur angewendet werden kann, wenn eine Preiserhöhung ohne die
Paritätische Kommission zu befragen, durchgeführt wurde. Wir finden –
wie ich mich schon einige Male ausgedrückt habe – den Stein der Weisen
nicht, wie man ohne allzu grosser Demagogie beschuldigt zu werden, einen
wirklich brauchbaren Vorschlag dem Parlament unterbreiten könnte. Jetzt
habe ich ihn: Um dem Vorwurf der Indexkosmetik zu entgehen, sollte der
Innenminister eine Novelle des Preisregelungsgesetzes dahingehend ver-
langen, dass wenn der offizielle staatliche Lebenshaltungskostenindex
über z.B. 5 % hinaus steigt, er berechtigt wird, er die Preisregelung
für die Dauer der Überschreitung des Lebenshaltungskostenindex über dieses
Ausmass hinaus, Preise, die diese Erhöhung verursachen zeitweise der Preis-
regelung zu unterwerfen, im Kompromissverfahren könnte man dann feststellen,
zu überprüfen. Ich glaube, wenn es uns gelänge, eine gesetzliche Formu-
lierung für diese Idee zu finden, die ÖVP insbesondere der Wirtschafts-
bund, sofort die Argumentation gegen die Indexkosmetik einstellen würde. Um
der Regierung nicht ein Instrument in die Hand zu geben, das sie willkür-
lich handhabt, könnte man noch festlegen, dass der Prozentsatz der Lebenshal-
tungskostenüberschreitungen vom Hauptausschuss festgesetzt werden soll.
Im Ministerrat hat Gratz sein Entwicklungsprogramm der Bundesschulen 1971
bis 1980 eine Woche zurückgestellt, obwohl er in der Vorbesprechung schon
sehr hart gegen eine Zurückstellung argumentierte, da er auf dem Stand-
punkt steht, er hätte jetzt durch Monate hindurch ein solches Entwicklungs-
programm angekündigt und nun seien von den Ressorts, insbesondere vom
Finanzministerium immer wieder Schwierigkeiten gemacht worden. Der Bericht
des Bundeskanzlers über die EDV-Anlagen wurde auf 2 Wochen zurückgestellt,
damit man das Material, das Dr. Vak von der Zentralsparkasse ausgearbeitet
hat, genauer studieren kann. Tatsache ist, dass keinerlei Koordination in
der Vergangenheit auf diesem Sektor erfolgte und die Kosten für die Miete
der Maschinen haben sich wesentlich gesteigert. Um die Einsparungen zu
dokumentieren, hat sich der Anteil der Personalkosten an den Gesamtaus-
gaben wesentlich verringert und wird in ein paar Jahren nur mehr 25 % be-
tragen. Dies ist aber genau der verkehrte Weg, denn die Maschinen werden
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dadurch nur noch weniger ausgelastet und eine Verkürzung des Anteils
vom Personal bedeutet in Wirklichkeit eine wesentliche Verschlech-
terung. Die Dänen bemühen sich, den Anteil der Personalkosten zu
vergrössern, weil dies dokumentiert, dass die Maschinen weitest-
gehend ausgelastet sind.
In der Ministerratssitzung teilte Häuser, der den Vorsitz führte,
mit, dass die ÖVP jetzt im Parlament an die einzelnen Minister Anfragen
wegen des Investitionssonderprogrammes richtet. Sie verlangt, dass
man einzelne Details über die Erstellung der Programme in jedem Mini-
sterium dem Anfrager mitteilt. Wir kamen überein, dass wir die Beant-
wortung erst gegen Ende der Zweimonatefrist durchführen sollen. Dies
gilt auch für Anfragen betreffend das Budgetüberschreitungsgesetz.
Wegen der Russland-Reise hat Botschafter Podzerob mich und meine Frau
sowie Heindl und Min.Rat Fälbl und seine Frau zu einem Essen geladen.
Auch der Präsident der Arbeiterkammer und seine Frau wurden dazu ge-
beten. Heindl meinte, es handelt sich um ein diplomatisches Essen,
d.h. es ist eine kurze Angelegenheit, die höchstens 3/4 Stunden dauert.
Ich war von allem Anfang an skeptisch und es stellte sich heraus,
dass wir über 3 Stunden für dieses sinn- und nutzlose Protokoll in
diesem Punkt aufwenden mussten. Ich bin wie auf Nadeln gesessen und
bin dann natürlich sofort nach der Tischrede, die ich erwidern musste,
weggegfahren.
Die Bundeshandelskammer hat Schweizer Journalisten eingeladen, die
sich über die wirtschaftliche Lage Österreichs erkundigten. Sie hatten
mit den Unternehmern bereits entsprechende Diskussionen geführt.
Dr. Steinacker, der Pressereferent war glaube ich über meine Ausführungen
nicht allzu glücklich, da ich natürlich die Regierungspolitik und
insbesondere das Verhalten z.B. der Autohändler in den letzten Monaten
stark angegriffen habe. Ich bin neugierig, ob dies in den Schweizer
Zeitungen einen Niederschlag finden wird, hat aber Steinacker gezeigt,
dass die Regierung und insbesondere ich nicht bereit bin, tatenlos
das Verhalten einzelner Gruppen hinzunehmen.
Im Evidenzbüro für Aussenhandelsgeschäfte hielt ich einen Vortrag, der
sich mit der Ausweitung unseres Handels befasste. Da die Handelsräte
fast aller Oststaaten anwesend waren, nützte ich die Gelegenheit, um
sowohl der österreichischen Aussenhandelskaufmannschaft meine Auf-
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fassung darzulegen, aber gleichzeitig auch den Oststaaten zu sagen,
was unserer Meinung nach in ihrem System geändert werden müsste. Ich
bin nämlich wirklich davon überzeugt, dass man im Osten immer wieder
darauf hinweisen muss, dass notwendige Reorganisationsmassnahmen bei
ihnen selbst auch Platz greifen müssen. Durch die Wirtschaftspläne werden
strikte Importprioritäten festgesetzt und beschränken dadurch die Export-
aussichten Österreichs am Konsumgütersektor sehr wesentlich. Anderer-
seits wird viel zu wenig Marketing der Oststaaten in Österreich betrieben,
da sie ihre Waren dadurch nur sehr schwer absetzen können. Dadurch be-
kommen sie weniger Devisen und können weniger österreichische Export-
waren kaufen. Der Vortrag war zwar ein bisschen unsystematisch, weil
ich einige Male hin und her gesprochen bin, West- Osthandel und dann
wieder Westhandel, weil ich andererseits auch einige Punkte wiederholt
habe, aber ich glaube, dass ich als wichtigstes Ergebnis feststellen
konnte ,dass eben vor einem solchen Forum das erste Mal unsere Osthan-
delspolitik näher erörtert wurde. Anschliessend an den Vortrag hatte
ich vorgeschlagen, dass ich eine diesbezügliche Diskussion sehr gerne
wünschen würde. Nachdem Dr. Pisec als erster das Wort ergriffen hatten
und nur appellierte, dass man den Transithandel und die Kooperation
zwischen Ost- und Westfirmen auch auf Drittländermärkten fördern soll,
war das Eis gebrochen und es meldeten sich einige Diskussionsredner.
Da ich jedem einzelnen sofort antwortete, entspann sich eine sehr inter-
essante Diskussion über die Schillingaufwertungsprobleme und ich konnte
vor diesem Forum neuerdings darauf hinweisen, dass alle Massnahmen bisher
im Einvernehmen mit den Wirtschaftspartnern, d.h. auch mit Zustimmung
der Handelskammer und der Industriellenvereinigung erfolgt ist. Bei
dem anschliessenden Empfang teilte mir Dr. Hendricks von der Warentreu-
hand mit, dass er eine Möglichkeit sähe, die Aussenhandelsgeschäfte wesent-
lich zu verbessern. Er meinte, es sollte ihm die VÖEST oder z.B. die
Tabakregie ihre Verkaufs- und Einkaufspositionen mitteilen und er würde
dann diese Geschäfte wesentlich verbessert im Interesse von der Tabak-
regie aber auch von der ÖMV und von der VÖEST abschliessen können. D.h.
er würde wesentlich günstigere Preise beim Export und wesentlich günstigere
Preise beim Import erzielen können. Ich teilte ihm sofort mit, dass ich
ihn hier kaum unterstützen könnte und kein grosses Unternehmen wird seine
Verkaufs- und Einkaufspolitik von einem Dritten durchführen lassen, auch
dann wenn dieser behauptet noch bessere Konditionen zu erzielen als dies
die eigenen Abteilungen erreichen können. Ob dies tatsächlich der Fall,
oder ob er nicht nur in das Geschäft dieser Firmen einsteigen will, kann
ich ja als aussenstehend überhaupt nicht prüfen. Hendricks machte dann
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auch noch die Bemerkung, dass Österreich heute einen verhältnismässig
guten Ruf im Osten aber auch in der übrigen Welt hat und ganz besonders
Wien als Umschlagplatz heute schon sehr gefragt ist, obwohl gerade die
Wiener dies am allerwenigsten herausstreichen oder vielleicht sogar
wissen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Vielleicht sollte man tatsächlich eine grössere
Propaganda über diesen Tatbestand entfalten und ihn gleichzeitig für
unsere erfolgreiche handelspolitische Tätigkeit der letzten Jahre
herausstreichen.
Bitte, den Referenten – oder wenn Du Zeit hast – sich mit Hendricks ins
Einvernehmen zu setzen, wie man dies am besten in Angriff nehmen kann.
Tagesprogramm, 25.5.1971
Tagesordnung 54. Ministerratssitzung, 25.5.1971