Dienstag, 11. Mai 1971
Die Verhandlungen mit dem Brennstoffhandel betreffend Weitergabe
der Aufwertungsgewinne hat einen Teilerfolg. Die entscheidenden Impor-
teure wie z.B. Flemmer von der Briko meldeten sich zwar nicht zu
Wort, Vertreter von der Union-Brikett, BRD, aber auch der Polkarbon
dagegen meinten, dass wenn Aufwertungsgewinne bei ihnen zu verzeich-
nen sind, sie diese selbstverständlich an die Händler
weitergeben werden. Die COMECON wird aber ihre Bahntarife erhöhen, sodass
nicht eine allzu starke, vor allem keine 5 %-ige Verbilligung dabei
herausschaut. Die Transitfrachten durch die CSSR, ob es sich jetzt um
Koks handelt, der von Hamburg kommt, oder um Keks, der aus Polen
kommt, wird auf alle Fälle einen Teil des Aufwertungsgewinnes bean-
spruchen.
Die Verhandlungen mit den Kolonialwarenhändlern gaben ein ähnliches Bild.
Präsident Schönbichler, der Obmann der Sektion Handel, gab seine prinzi-
pielle Erklärung, dass auch diese Sparte bereit sei, Aufwertungsge-
winne weiterzugeben. Die Vertreter der Fa. Meinl meinten nur, dass
sie ebenfalls jetzt bereits mit Preissteigerungen von Waren rechnen,
resp. angekündigt bekommen haben, die im Hinblick auf die Schilling-
aufwertung eben einen Teil des Aufwertungsgewinnes lukrieren werden.
Andererseits mussten sie feststellen, dass ihre Importländer, wo sie
entsprechende Keks und sonstige Spezialprodukte absetzen, nicht bereit
sind, Preiserhöhung von Meinl zu akzeptieren. Meinl hat nun die Aufwer-
tung ausschliesslich aus seinen bisherigen Gewinnen zu tragen. Ich
konnte das Ende der Sitzung nicht mehr abwarten, da Koppe eine Presse-
besprechung, bevor ich in den Ministerrat fuhr, angeordnet hat. Die
Pressevertreter sollten vor allem wissen, wie die Verhandlungen über
die eventuellen Preissenkungen mit den einzelnen Sparten verlaufen sind
Ohne Detailziffern zu nennen, gab ich einen allgemeinen Bericht.
Zum Glück machte mich ein Redakteur darauf aufmerksam, indem er frag-
te, ob ausschliesslich nur die für den Index interessanten Gruppen
verhandelt werden sollten. Ich erwiderte sofort, dass ganz im Gegen-
teil alle Gruppen verhandelt werden, nur müsste ich jetzt zur EFTA-
Tagung nach Reykjavik und deshalb sei einleitend mit den Gruppen,
die ich gestern und heute verhandelt hatte, gesprochen worden. Es
wird aber die Sektion alle anderen Gruppen ebenfalls noch befragen,
resp. entsprechende Vorschläge von ihnen erwarten. Ich habe auch
darauf hingewiesen, dass nicht die Absicht allein besteht, die Ver-
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braucherpreise zu senken, sondern dass die Absicht dieser Besprechungen
auch die ist, dass wir von den Importeuren erfahren, welche Hilfsstellung
ihnen die Regierung und insbesondere das Handelsministerium geben könnte.
Der Ministerrat wurde solange ich noch anwesend war, die Erklärung der
Bundesregierung, die am Mittwoch von ihm im Nationalrat abgegeben wird
und die sehr neutral gehalten war, im Prinzip beschlossen.
In Genf liess der Leiter der österr. Botschaft Buresch die ganzen Ange-
stellten, ich glaube nur 2 oder 3 Schreibkräfte waren nicht am Flughafen,
alle antreten, um mich dort zu empfangen. Mir war dies ausgesprochen
peinlich, da es meinem Stil so ganz widerspricht. Da ich die Botschaft
nachmittags sowieso besuchte, hätte es vollkommen genügt, so wie er mir
die Schreibkräfte dann dort vorgestellt hat, auch die Damen und Herren
der Botschaft dort entsprechend zu präsentieren. Ich erschien mit meinem
Handgepäck und Buresch war der Einzige, der mir beim Aussteigen am Flug-
platz dieses gleich abnehmen wollte. Die anderen glaube ich hatte es weder
in Schwechat noch sonst versucht, weil sie wussten, dass ich auf alle
Fälle dies ablehnen würde. Vielleicht ist dies ein falscher Stil, aber
auf alle Fälle ist sicherlich noch nie ein Minister mit Handgepäck
in Begleitung von fast ein Dutzend Beamten gesehen. Bei dem Besuch
von österr. Beamten, die bei der EFTA in dem neuen Haus arbeiten, suchte
ich ein Gespräch mit dem volkswirtschaftlichen Sachbearbeiter und einer
Frau, die ebenfalls die Volkswirtschaft bearbeitet, wie mir bei der Vor-
stellung gesagt wurde, zu klären, ob sie mit den anderen Staatenvertre-
tern Kontakt haben und sachliche Diskussionen führen. Die Frau erklärte
sofort, sie sei nur für die Statistik verantwortlich, d.h. sie wird
wahrscheinlich in Wirklichkeit nichts machen, als Zahlen zusammenzutragen.
Der Referent, ein junger Mann, meinte, zweimal im Jahr treffen sich die
volkswirtschaftlichen Referenten mit den Länder-Ökonomisten und da
werden die wirtschaftlichen Probleme besprochen. Er meinte, meine Idee
sei eigentlich eine gute Anregung und er wird sie weiter verfolgen
Ich bin allerdings überzeugt, dass er dies sicherlich nicht machen
kann, ob er es will, weiss ich nicht, denn ich fürchte, dass niemand
auch von den anderen Staatenvertretern daran denkt, zusätzliche Arbeit
in dieser Hinsicht zu leisten. Interessant war der Besuch beim Leiter
der ECE Stanovnik. Botschafter Buresch erklärte mir sofort, dass er ein
jugoslawischer Alt-Marxist sei, der aber sehr aktiv und initiativ arbeitet
Leider sprach er Englisch und ich musste mich sehr anstrengen, um wenig-
stens den Inhalt des Gespräches zu erfassen. Ich glaube, dass ich mich
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über diese Schwierigkeiten ganz gut hinweggeschwindelt habe, zumindest
konnte ich auf Fragen einigermassen passende Antworten auf Deutsch geben.
Ein Vertreter der Botschaft war ebenfalls mit und er hat das beiliegende
Protokoll verfasst, das mir am Abend Botschafter Buresch freudig überreichte
um zu zeigen, wie schnell und brav seine Leute arbeiten. Beim zweiten Be-
such bei Gen.Direktor Long war in der Botschaft zuerst die Debatte, ob nur
Marquet, Reiterer, Buresch und ich gehen sollten. Buresch meinte, Long sei
ein Calvinist und Reiterer bestätigte, dass er ein sehr unzugänglicher
Mann sei. Der Sachbearbeiter war der Kollege Bock und ich erklärte sofort
ich lege grössten Wert darauf, dass er ebenfalls mitgeht. Bock wird in
kürzester Zeit nach Wien versetzt werden, weil er bereits 3 Jahre im Aus-
land war und ich habe von ihm einen sehr guten Eindruck, weil er doch
initiativ ist, obwohl er ein richtiges Dickerl ist. Ein Protokoll konnte
er in diesem Sinne nicht machen, weil Buresch, wie er mir nachher er-
zählte, zu verstehen gab, er sollte nicht Aufzeichnungen machen, weil
dies Long nicht gerne haben würde. Ich erklärte unser Interesse am GATT
und dass ich annehme, dass in nächster Zeit doch wieder eine weltweite
Zollsenkung Platz greifen wird. Long meint nun, dass im November 1971
das Contracting Committee wird eine Session halten und 1972 könnte eine
Declaration of Intent, d.h. eine Absichtserklärung für eine weitere
Zollsenkung, ähnlich der Kennedy-Runde, beschlossen werden. Mit Beginn
1973 würden dann die Verhandlungen einzuleiten sein. Long will auch
die Non-tariff barriers, die landwirtschaftliche Protektion und Zoll-
senkungen gleichzeitig in Angriff nehmen. Ausser für Zollsenkungen müssen
für die anderen beiden Gebiete, insbesondere für die nichttarifarischen
Hemmnisse neue Techniken entwickelt werden. Ich kann mir nur schwer vorstel-
len, dass man ein Handelshemmnis gegen ein anderes Handelshemmnis tauscht.
Auf meine Frage,
antwortete er mit nein. Nachher erklärte ich dem Sekt.Chef, dass
meine Frage leider unklug von mir war, da er doch selbstverständlich gar
nicht anders als mit nein antworten konnte, er kann doch nicht sein Konzept
bevor er noch gewonnen hat, verraten. Während wir jetzt die entsprechenden
Besuche machten, war die Delegation in die Residenz gefahren und dort von
der Frau des Botschafters betreut. Als wir dort am Abend erschienen, wurde
vom ORF ein Rundfunkinterview aufgenommen. Anschliessend begab sich die
ganze Delegation auf den Flughafen nach Genf, wo eine Chartermaschine
nach Island von der EFTA gemietet worden war. Hier konnte ich nun fest-
stellen, dass die EFTA wirklich eine grosse Familie ist. Es war alles
fast untereinander bekannt und die Frauen begrüssten sich gegenseitig,
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wie alte Familienangehörige, die Begrüssungsszenen mit Küssen wie in
einer französischen Filmgrossfamilie. Da die EFTA-Tagungen, seit das
neue Haus gebaut wurde, meistens in Genf stattfinden, wurde die Island-
reise als eine angenehme Abwechslung betrachtet. Es fuhren deshalb
eine ganze Anzahl von Frauen mit. Hier bewahrheitete sich, was ich,
als wir seinerzeit der EFTA beigetreten sind, immer erklärte, wir
sind deshalb zur EFTA gegangen, weil man dadurch EFTA – ÖFTER ins
Ausland fahren kann.
Mittwoch, 12. Mai 1971
Um 0.15 Uhr landeten wir in Reykjavik und, wie Botschafter Marquet sagte,
gleich in der Halle des Hotel. Das Hotel wurde am Rande der Stadt
direkt beim Flugfeld gebaut und da es sich hier um einen alten Flug-
platz handelt, ist tatsächlich die Auslaufpiste beim Hoteleingang.
Marquet, dem nachgesagt wird, dass er ein Anti-Flieger ist,
er soll angeblich wirkliche Angst haben, war über diesen Zustand nicht
sehr erfreut. Andererseits waren wir froh, dass wir nicht auf dem inter-
nationale Flughafen Reykjavik landeten, denn dann hätten wir noch über
50 km in die Stadt fahren müssen. Dr. Lachs vom ÖGB, der im selben
Hotel wohnte und der zuerst glaubte, er müsste einen Tag bevor wir
ankommen, das Zimmer räumen, war doch noch anwesend, da er beim Herflug
in Luxemburg den Anschluss nicht mehr bekam und deshalb die Fluggesell-
schaft ihn einen Tag länger im Hotel liess. Er erzählte mir, dass
das Konsultativ-Komitee, welches vor uns getagt hat, keine besonderen
Erkenntnisse gebracht hat. Diesmal gab es auch keine Aktion gegen die
portugiesischen Regierungsvertreter, da der Vertreter der Gewerkschaft
erklärte, dass sich doch die Verhältnisse in Portugal normalisieren.
Er betrachtet sich, wie Tommy Lachs mir sagte, nicht mehr als Staats-
gewerkschafter sondern gehöre einer Gewerkschaft an, die eine gewisse
Freiheit besitzt. Der Handelsdelegierte Dr. Rökl, der in Oslo sitzt,
war nach Island gekommen, um das von ihm vorbereitete Programm der
Besuche der einzelnen Firmen, die aus Österreich Waren importieren,
mit uns zu absolvieren. Der Generalkonsul Arni Siemsen, der auch
eine bedeutende Agenturfirma besitzt und die VÖEST, Heraklith,
Schmidt, Isovolta und einige andere österr. Firmen vertritt, war zwar
zum Empfang an den Flughafen gekommen, dann aber die ganze Zeit nicht
mehr anwesend. Seine zweijährige Tochter war mit der Mutter nach
Kopenhagen geflogen und er selbst wartete ununterbrochen auf einen
Anruf, da seine Tochter wahrscheinlich an einem Tumor leidet.
Er musste dann auch tatsächlich unverzüglich nach Dänemark fliegen
weil er die letzten Stunden mit seiner Tochter verbringen wollte.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte, einen entsprechenden Brief mit Dank für
die Vorbereitungsarbeiten an Siemsen, aber auch an Dr. Rökl zu
schreiben. Ebenso bitte an die Sekretärin von Siemsen, die der Delegation
als Schreibkraft zur Verfügung stand.
Die Firma Helgason & Melsted importiert Semperit-Reifen. Das Gesetz
genehmigt nur, dass für gewisse Waren nur 3 Monate Zahlungsziel gegeben
werden darf. Ansonsten muss sofort Kassa bezahlt werden. Insbesondere bei
Haushaltsgeräten. Deshalb gehen die meisten Firmen auf ein sogenanntes
Zollfreilager, sodass Semperit ihm de facto 9 Monate Ziel gewährt. Er
beruft dann vom Zollfreilager die jeweiligen Mengen ab. Der Umsatz be-
trägt 1 Millionen und betrifft ca. 1–5 % des Marktanteiles. In den
letzten Jahren sind insbesondere die Japaner stark auf dem Markt aufge-
treten und ihre Qualität hat sich wesentlich verbessert. Bei LKW be-
herrschen die japanischen Firmen Yokohama und Britstone den Markt und
geben 1–2 Jahre Zahlungsziel. Er ist auch der Vertreter von Olivetti
und hat seit 1939 3 – 4.000 Maschinen verkauft. Grosse Firmen, und das
wurde mir allerdings nicht von dem Besitzer gesagt, geben ungeheure
Refaktien, um den Importeur für ihre Waren zu gewinnen. Die Firma hat
nun auch versucht, mit Lenz Moser Flaschenweine zu importieren. Tat-
sächlich konnten wir dann in den Gasthäusern feststellen, dass Edelfräulein
aus Austria angeboten wurde. Bis jetzt hat nur 50 Kisten zu 11,30 Dollar
die Kiste importiert. In einer Kiste sind 12 Flaschen, dies ergäbe rund
einen Flaschenpreis von 1 $, das Alkoholmonopol setzt den Letztverbraucher-
preis mit 210 Kronen, 1 $ – 88 Kronen, fest. In einem eleganten Lokal
war die Flasche mit 296 Kronen zu kaufen.
Sportval war ein Sportgeschäft, wo man Fischer-Ski und Eumig-Apparate
kaufen konnte. Dieses Sportdetail-Spezialgeschäft hat ca. 1.000 Paar
importiert. Auf Ski liegt 50 % Zoll. Der Inhaber des Geschäftes ist
ein sehr initiativer Mann und sein Büro wurde gerade umgebaut. Die Leute
müssen hier sehr tüchtig sein, denn immerhin gibt es in Reykjavik mehrere
Sportgeschäfte und Reykjavik hat 80.000 Einwohner, das ist bei 200.000
Gesamteinwohnern von Island die grösste Stadt aber doch kleiner als
bei uns ein Bezirk. Die Geschäftsleute in den kleinen Geschäften sprechen
sehr gut Englisch. Manche von ihnen sogar Deutsch. Die Spannen sind in
Island geregelt, denn bereits nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine
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perzentuelle Spannenregelung eingeführt, die seit dieser Zeit unver-
ändert besteht. Danach ist für alle Produkte der Grosshandels- und
Kleinhandelsspanne geregelt. Die Grosshandelsspanne beträgt z.B.
für Zucker und Mehl 8,1 %, wenn der Kleinhändler vom inländischen
Grosshändler bezieht 27,5 % und wenn er gleich vom Importeur bezieht
32,4 %. Ski und die Eumig-Kameras haben dieselbe Handelsspanne. Da die
Preise aber ununterbrochen steigen, geht es scheinbar mit dieser Spannen-
regelung einigermassen.
Die Fa. Gudnason importiert Schuhe. Insgesamt hat sie ca. 40.000 Paar
Umsatz im Jahr und 4.000 davon aus Österreich, wobei die Lederstiefel
überwiegen. Gummistiefel werden von anderen Staaten geliefert, da sie we-
sentlich billiger sind. Insgesamt gibt es in Island 3 Grosshändler und
100 Kleinhändler, die von ihm beliefert werden. Der Zoll beträgt
65 % und im Rahmen der EFTA wurde er in der ersten Phase auf 45 % ge-
senkt. Die Spannen sind für ihn 9,9 % und der Kleinhändler kann 34 %
wenn er über den Grosshandel und 42 + wenn er direkt vom Importeur be-
zieht, aufschlagen.
Firma Armann importiert Strümpfe von Kunert um ca. 600.000 S bei einem
Zollsatz autonom 65 % und für die EFTA 45 %. Von Triumph und Hämmerle
Textilien, die 20 % EFTA-Zoll gegen 25 % autonom hat. Er beliefert
ca. 150 bis 200 Detailhändler in ganz Island. Grosshändler gibt es
ca. 200. In Reykjavik in allen Sparten. Min.Rat Meisl, der die ganzen
Besuche mit mir mitmachte, meinte, man hätte oft den Eindruck in die
Zeit von Freytags "Soll und Haben" zurückversetzt zu sein. Im General-
konsulat trafen wir dann einen Herrn Wendl, der einen Einmann-Betrieb
führen soll und sehr gute Geschäfte mit Österreich macht. Er hat z.B.
für die VÖEST die ganzen Sicherheitsleitschienen vertreten. Wendl
meint nun, es würden seht grosse Brückenprojekte gebaut werden und
die VÖEST sollte zielführend einige Herren von der Bauabteilung ein-
laden. Die Zölle sind – da keine inländische Produktion – existiert
in Wirklichkeit Fiskalzölle. Fur Baumaschinen muß er 25 %, für
Kräne 18 % und für Personenkraftwagen incl. der Steuer 135 % bezahlen.
Die isländische Regierung hat einen Lohn- und Preisstopp erlassen, doch
funktioniert er in der Praxis überhaupt nicht.
Die Genossenschaft Samband, d.h. Verein von Island, ist eine
mächtige Organisation. Sie hat 30.000 Mitglieder, deren Genossen-
schaftsanteil vielleicht bei 10 Kronen liegt, genau konnten sie
selbst es nicht wissen, mit 50 Genossenschaften, die 30 Mill. Vergütung
von Samband bekommen haben, in 30 Fabriken wird insbesondere Fisch-
fang betrieben und Fische verarbeitet. Der Umsatz ist von 3 Milliarden
Kronen 1968 auf 5,6 Milliarden Kronen 1970 gestiegen. Allerdings
wurde von November 1969 bis November 1970 eine fast 30 %-ige Lohner-
höhung gewährt, da die Verbraucherpreise um 17 % im Jahr steigen.
In der Umsatzausweisung ist also eine sehr starke Inflationsrate
enthalten. Die Landwirtschaftsproduktion setzt 1 Milliarde um,
die Fischereiprodukte 1,7 Milliarden und importiert werden für ca.
1,5 Milliarden Kronen Waren, u.a. ist die Firma auch die Vertretung
von General Motors, Opel und Vauxhall. 200 Mill. hat die Samband eine
eigene Schiffahrtslinie mit 7 Schiffen und 2 im Bau. Sie betreibt
auch Handel und hat insbesondere mit der Sowjetunion einen
100 %-igen Ölliefervertrag. Da in Österreich nur Unilever sich für
Importe von Samband interessiert hat, wird Rökl und Meisl ihnen ent-
sprechende Verbindungen zu anderen Firmen legen, damit gegebenenfalls
Fischprodukte nach Österreich gebracht werden können.
Rökl war bis jetzt 13 mal in Island und hat glaube ich hier wirklich
gute Arbeit geleistet. Als Nicht-Diplomat hat er sich wirklich in
die Tagesarbeit gestürzt und mit kleinsten Firmen Verbindungen aufge-
nommen, die er entsprechend berät. Dass dies notwendig ist, konnten
wir an einem Beispiel erfahren. Gudnason hat sich Schuhe in Luftfracht
schicken lassen und musste nun pro Paar 3 $ bezahlen. Er hat nun ge-
hofft, dass ihm die AUA, die aber bei dem Flug überhaupt nicht im
Geschäft war, einen Teil rückvergütet. Die Besuche waren wertvoller
als Sightseeing.
Das Beamtentreffen der Neutralen am späten Nachmittag hätte ich sehr
gerne besucht. Reiterer teilte mir aber mit, dass Jolles und alle
anderen Neutralen bei ihrem Treffen in Wien schon grösste Verwunderung
ausgelöst hat, als ich zu dieser Sitzung gekommen bin. Beim Neutralen-
essen am Abend wurde anschliessend um 11 Uhr nachts über die weitere
Vorgangsweise diskutiert. In Wirklichkeit hat Jolles nur doziert, indem
er erklärte, es müsste doch in der Organisationsform der Schlüssel
für die Verhandlungen mit der EWG gesucht werden. Die Schweizer wollen
auf der einen Seite überall mitreden in der EWG aber sich andererseits
nicht binden. Ich erklärte rundwegs heraus, dass von unserer Seite ein
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Mitspracherecht in der EWG gar nicht angestrebt wird. Als Organisa-
tionsform haben wir die watscheneinfachste Lösung, nämlich eine
Gemischte Kommission vorgesehen. Die Schweizer, Brugger, aber auch
Jolles, haben insbesondere Angst, dass die Schweden wieder Sonder-
touren reiten.
Donnerstag, l3. Mai 1971
Die EFTA-Tagung verlief so wie alle anderen internationalen Tagungen
die ich bis jetzt mitgemacht hatte. Reiterer meinte zwar, dass an
dieser Tagung nicht besonders schwere Probleme zur Debatte standen
und deshalb scheinbar die Eindruck entstehen müsste, dass es sich
um eine flaue Sitzung handelt. Bei den Cocktail-Partys aber könnte
man doch sehr viel erfahren und die Gespräche seien ungeheuer wichtig.
Marquet ist mit mir der Auffassung, dass sich der Aufwand in keinem
Verhältnis zum Erfolg lohnt. Hammerschmidt war überhaupt nur
bei einer Sitzung anwesend, u.a. traf ich ihn in der Früh und fragte,
ob er denn schon wegfliege. Er war sehr verlegen und meinte, er würde bei
der Sitzung ja nicht mehr gebraucht werden. Steiger, der anwesend war,
erklärte mir anschliessend, dass er ja doch schon in einem halben Jahr
in Pension geht. So viel ich nachher erfahren konnte, hat das Verhalten
von Hammerschmidt grössten Unwillen bei der Delegation ausgelöst.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil er sich alle Freiflüge organisiert
hat und der Delegation über diese Möglichkeit keine Mitteilung ge-
macht hat.
Mittags lud ich den Direktor Thorvaldur Alfonsson ein. Die nordischen
Staaten haben einen Investitionsfonds gegründet. 14 Mill. $ werden
durch je 2,7 Mill. $ durch Dänemark, Norwegen und Finnland, durch
6,7 Mill. $ durch Schweden und durch 500.000 $ durch Island aufgebracht.
Der Fonds wird 10 Jahre rückzahlungsfrei sein und nach 25 Jahren auf-
gelöst werden. Ich wollte die Nordex-Solidarität studieren und habe
deshalb den Mann gefragt, wieso es zu dieser Fondsgründung gekommen
ist. Man erklärte mir, dass Island-Beitritt mit 1. März 1970 die Vor-
aussetzung war, dass die Staaten diesen Fonds gegründet haben. Der
Fonds bekommt das Geld zinsenfrei, er selbst gibt es mit 7–9 % an
Industrieprojekte weiter. Bis jetzt wurden 6–7 Projekte mit 250
bis 300.000 $ eingereicht. Dem schon bestehenden Industrialisierungs-
fonds hat dieser neue Fonds 800.000 $ überwiesen. Der Vorstand des
Fonds besteht aus allen Ländervertretern, die daran beteiligt sind.
In der Direktion befinden sich die isländischen Banken, die ein
Vorschlagsrecht haben und die Ländervertreter der Vorstand genehmigt
dann. Bis jetzt wurden Branchenuntersuchungen für die Textilkonfektion,
die Metallverarbeitung und die Möbelindustrie gemacht. In der Textil-
konfektion werden Zölle von 65 %, EFTA 40 %, in der Möbelindustrie 90 %,
EFTA 65 %, festgestellt. Die Branchenuntersuchungen dienen, um Industrie-
projekte zu fördern, resp. überhaupt erst zu veranlassen. Ausser der
Fischereiindustrie gibt nämlich nur mehr die Aluminiumproduktion und
der Ausbau der Elektrizität mit Hilfe von einer grossen Weltbankanleihe.
Island hofft aber auf eine weitere starke Industrialisierung.
bei der EFTA-Tagung gaben die einzelnen Länder ihre Erklärungen zur
allgemeinen Handelspolitik. Auch ich verlas unser Statement. Reiterer und
Buresch drückten, dass ich ja nicht schnell redete, da alles genau
übersetzt wird. In Wirklichkeit waren dies alles viel zu lange Sätze
und die Übersetzerin hat natürlich es besonders schwer gehabt. Das
nächste Mal muss ich so viel Englisch können, dass ich es in Englisch
herunterlesen kann. Hätte ich es nämlich ganz normal in Deutsche gelesen,
da die meisten ca. 90 % der Anwesenden Deutsch konnten, hätten sie es
wahrscheinlich besser verstanden. Nebenbei bemerkt bin ich aber überzeugt,
interessiert es sowieso niemanden. In Wirklichkeit können bei solchen
Tagungen nur dann Erfolge herauskommen, wenn es sich um ganz konkrete
Vorschläge handelt. Z.B. war der Angriff Englands betreffend die skandi-
navische Zellulose- und Papierpreispolitik von grösster Bedeutung. Man
einigte sich aber, dass dies bilateral geregelt werden sollte und keines-
wegs vor den Rat kommen soll. Ich halte diese Vorgangsweise für ziel-
führend, denn nur so kann die EFTA wirkliches leisten. Der Vorsitzende
Brugger fasste zusammen, dass die EFTA die GATT-Bemühungen um Abbau der
Nichttarifarischen Schranken sowie eine neue Verhandlungsrunde unter-
stützen würde. Ausserdem würden wir uns gegen einen weitere Protek-
tionismus bei Textilien in Amerika wenden. EFTA sei weiter an der
OECD-Arbeit interessiert und hätte insbesondere internationale Handels-
kammerbericht mit grossem Interesse zur Kenntnis genommen und die
Präferenzen für Entwicklungsländer sollten ausgebaut werden, ebenso
der Ost-West-Handel.
Zum Bericht des Generalsekretärs Coulson gab ich die Erklärung bezüglich
unserer Kompensation in der Zollfreizone, ohne Ziffern zu nennen,
dies wurde mit Befriedigung von Schweden und der Schweiz zur Kenntnis
genommen. Den Wunsch Reiterers in der Vorbesprechung, dass ich auch in
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über die Mehrwertsteuergesetzwerdung etwas sage, lehnte ich glattwegs ab
da ich nicht beabsichtige mich international in einem Forum zu binden,
wenn man nicht weiss, wie das in Österreich weitergeht. Da ich ausserdem
noch zu der Konsumentenpolitik mit der Vereinheitlichung der Verpackungs-
grössen usw., die auch in Hinkunft nur nach Rücksprache mit den EFTA-
Mitgliedern erfolgen soll, sprach, hatte ich den Eindruck, dass ich schon
mehr als genug geredet habe. Buresch und Reiterer meinten deshalb, ich
sollte dann auch bei anderen Tagesordnungspunkten zumindestens so wie alle
anderen erklären, dass der Punkt gut vorbereitet ist und dass wir dem
Sekretariat danken usw. Ich selbst habe dies aber nicht mehr getan.
Da Brugger den Vorsitz führte, hat Jolles als Beamter das Wort ergriffen.
Ansonsten haben nur Minister gesprochen.
Der englische Delegationsleiter Rippon kam direkt von Brüssel, bevor
er allerdings seinen Bericht gab hatte Leitner schon die schriftlichen
Unterlagen von seinem Sekretariat erhalten. Ich muss sagen, die arbeiten
wirklich sehr prompt. Rippons Erklärung war insoferne von Interesse, als
er annimmt, dass Grossbritannien leicht die Mehrheit jetzt im Parlament
kriegen wird und vor allem auch die Zustimmung der Commonwealth-Länder.
Er würzte seine Rede mit einigen Bonmots, so u. a. dass er darauf hinwies,
dass die landwirtschaftlichen Übergangsregelungen sehr schwer sind,
da es sich hier um eine Mafia handelt, andererseits glaubt er, dass die
öffentliche Meinung in England jetzt nachdem Positives berichtet werden
kann, sofort umschlagen wird und er mit Sicherheit annimmt, dass ein
positiver Abschluss zu erwarten ist. Brugger meinte auch mir gegenüber,
wenn jemand so berichtet, dann ist es kaum möglich, dass da nichts Positives
herauskommt. Bei einer der vielen Essen hat mir Brugger übrigens das
Du-Wort angeboten, was mich sehr überrascht. Mit den Handelsministern,
soweit sie Sozialisten sind, wie z.B. Island und Norwegen und mit denen
ich Deutsch sprach, war ich selbstverständlich sofort per Du. In Englisch
gibt es dieses Problem ja überhaupt nicht, weshalb ich mit dem schwedischen
Vertreter nicht unterscheiden musste.
Da Coulson mit Oktober das Amt verlassen wollte, ergab sich auch ein
Problem der Bestellung eines neuen Generalsekretärs. Der schwedische Ver-
treter kam zu Reiterer und Buresch und meinte, man sollte eventuell von
Coulson wirklich geht, die beiden Generalsekretär-Stellvertreter im Amt
lassen und mit der Führung der Geschäfte beauftragen, damit dieses Problem
jetzt nicht auf die Tagesordnung kommt. Mit einem Wort, die Schweden wollen
verschieben, um abzuwarten, was die Verhandlungen in Brüssel ergeben. Ich
war ebenfalls der Meinung, dass man ruhig zuwarten könnte. Reiterer war
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zwar entsetzt, weil er meinte, wir wären doch den Schweizern gegen-
über im Wort, dass wir auf alle Fälle versuchen würden, einen
Engländer dafür zu gewinnen. Ich wollte ihm nicht so brutal sagen,
dass gegebenenfalls er im Wort sei, doch da die Engländer erklärt
hatten, sie würden nur dann einen neuen Mann stellen, wenn überein-
stimmend ein solches Verlangen an sie gestellt wird, war diese ganze
Arbeitshypothese doch hinfällig. Bei einem Essen zogen sich dann die
Minister zurück und Brugger als Vorsitzender schlug vor, man sollte
sich bemühen, ob nicht Coulson doch noch auf ein halbes Jahr länger
bleiben möchte. Coulson wurde gerufen und er erklärte nach einigem
Widerstand, er werde mit seiner Frau sprechen und beim nächsten Essen
konnten wir dann feststellen, dass er akzeptiert hat.
Ich ersuchte den isländischen Handelsminister, er möge uns die Chance
geben, die Aluminiumfabrik Issal zu besuchen. Zuerst wollte Meisl mittun,
doch dann überlegte er sich's und entschied sich, einen Ausflug zu den
Wasserfällen zu machen. Dies dauert 9 Stunden. Buresch kam deshalb und
meinte, es sei sehr umständlich, wenn er nach dem Essen, wo er ja nicht
eingeladen ist, warten müsste, bis wir endlich zu ISAL fahren würden
und versuchte auf diese Art und Weise mir zu erklären, warum Meisl
nicht mitfahren könnte oder sollte. Ich erwiderte sofort, als ich erfuhr,
dass er zu dem Ausflug will, dass er mir dies sowieso freimütig sagen kann
was er auch dann getan hat und wir keinerlei Ausrede bei uns gebrauchen.
Ich veranlasste dann Buresch zu ersuchen, ob er nicht doch auch mit seiner
Frau einen Museumsbesuch abstatten könnte. Ich glaube, er war sehr verwun-
dert über unsere offene Aussprache und vor allem, dass es gar nicht not-
wendig ist, mir irgendwelche an den Haaren herbeigezogene Erklärungen
einzureden.
Das Aluminiumwerk ISAL, eine hundertprozentige Tochter der Aluswiss
produziert derzeit 39.000 t in Elektrolyse, 37.000 t werden in der
Giesserei abgegossen. Es wird fast alles exportiert, nach Grossbritannien
gingen 12.600 t, das sind 37 %, auch Österreich hat 1.500 t Importe
von dort getätigt. Das Werk hat in der ersten Ausbaustufe 33.000 t
mit 120 Öfen, der Investitionsaufwand betrug 37,2 Mill. $, die zweite
Ausbaustufe hat 44.000 t insgesamt 40 Öfen kamen dazu, Investitions-
aufwand war 3,8 Mill. $, in der dritten Ausbaustufe, an der jetzt ge-
arbeitet wird, wird die Kapazität 77.000 t betragen, 280 Öfen und
einen zweiten Tonerdesilo mit 40.000 t benötigen. 21,6 Mill. $ sind
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für diese dritte Ausbaustufe vorgesehen, insgesamt werden 62,6 Mill. $
investiert, das sind 813 $ je t ohne Betriebskapital. Im Werk sind
425 Beschäftigte, davon 325 Arbeiter, in der Halle Dreischichtenbetrieb
verdient 35.000 Kronen das selbe wie ein Facharbeiter. Die Bilanz sieht
folgendermassen aus: Aktienkapital 1,1 Milliarden, Bruttoumsatz 1,765 Mil-
lionen, Nettogewinn 64 Mill. AfA 248 Mill., cash-flow 312 Mio. Im Lande
verbleiben für die Elektrizität 160 Mio, Löhne und Gehälter 172 Mio
Steuern 55 Mio. Sämtliche Steuern sind auf die Tonne umgerechnet und
betragen derzeit 19,5 $ pro t. Basispreis ist 12,5 $, Differenz sind
die Zuschläge durch den Weltmarktpreis bedingt. Die Fabrik muss in
15 Jahren abgeschrieben sein, damit erhöht sich der Basispreis
auf 35 $/t, die elektrische Energie wird mit 3 Mills pro kWh bezahlt,
der österr. Strompreis 16,4 Groschen ergibt umgerechnet 5,8 Mills .
Der Stromvertrag läuft auf 25 Jahre und kann zweimal um 10 Jahre ver-
längert werden. Die Regierung wurde wegen des niedrigen Strompreises
von den kommunistischen Gewerkschaften sehr angegriffen. Island kann
aber nicht allein nur auf der Fischereiindustrie seine Industrie-
politik aufbauen. Island hat ungeheure Reserven mit Wasserkraft aber auch
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Bundesminister STARIBACHER traf am ll. Mai 1971
in Begleitung von Botschafter MARQUET, Sektionschef
REITERER und dem Gefertigten mit dem Exekutivsekretär
der ECE, Janez STANOVNIK zu einem Arbeitsgespräch
zusammen.
Bundesminister Staribacher betonte einleitend,
dass die österreichische Bundesregierung nicht nur
bestrebt ist, enge Kontakte mit der ECE zu halten,
sondern auch bemüht ist, deren Tätigkeit in allen
Belangen zu unterstützen. Mit besonderem Interesse
wurde österreichischerseits das ECE-Projekt über
sektorale Industriepolitik verfolgt.
Im Zusammenhang mit der Liberalisierung des Ost-
West-Handels erklärte Bundesminister Staribacher,
dass die wirkliche Problematik dieses Handels nun auch
in Österreich klar erkannt werde. Österreichischerseits
teile man die Meinung der ECE, dass in Hinkunft die
Kooperation zwischen Ost und West die Basis für
einen erhöhtem Warenaustausch zwischen Ost und West dar-
stellen wird.
Exekutivsekretär Stanovnik verwies darauf, dass die
Studie der ECE über sektorale Industriepolitik, obwohl
hauptsächlich statistischer Natur, doch interessante
Aspekte aufweise. Es zeige sich, dass auf technologischem
Gebiet die Möglichkeit zu Konsultationen in multi-
lateralem Rahmen von Bedeutung ist, um den interessierten
Parteien den richtigen Weg bei der Wahl der
Spezialgebiete aufzuzeigen. Nur grössere Länder könnten
es sich erlauben, in allen Bereichen tätig zu sein,
alle anderen Staaten sehen sich jedoch mit der Not-
wendigkeit konfrontiert, sich zu spezialisieren. Die
Studie werde jedenfalls noch weiter vervollkommnet,
bevor sie zur Veröffentlichung gelangt.
Im Zusammenhang mit dem Osthandel erklärte der
Exekutivsekretär, dass sogar die USA in letzter Zeit
diese Handelsmöglichkeiten wieder entdeckt hätten.
Übergehend auf die Erweiterungsbestrebungen der EWG
erklärte er, es sei von besonderer Bedeutung, dass
diese Erweiterungsbemühungen Hand in Hand mit intensi-
vierten Ost-West-Handelsbeziehungen gehen. Neutrale
Länder könnten es sich erlauben, gleichartige Handels-
beziehungen sowohl mit dem Westen als auch mit dem
Osten zu pflegen. Dies sei für das Überleben der ECE
von vitaler Bedeutung.
Sodann erläuterte Stanovnik sein besonderes Inter-
esse an einem Projekt zur Reinhaltung der Donau.
Mit der Fertigstellung des Rhein-Main-Donau-Kanals
wird die Bedeutung der Donau als Band zwischen Ost
und West weiter steigen. Ungeachtet der Kompetenzen
der Donaukommission in Schiffahrtsfragen denke er an
ein ECE-Umweltprojekt im Zusammenhang mit der Donau.
Bundesminister Staribacher antwortete dahin-
gehend, dass die Bundesregierung während der letzten
10 Jahre dem Donauausbau besondere Bedeutung beigemessen
habe und dies nicht nur wegen der elektrizitätswirtschaft-
lichen Aspekte. Man habe vielmehr auch die Schiffbar-
machung der Donau für den Europa-Kahn, im Auge.
Der H. Bundesminister verwies weiters in diesem Zusammen-
hang darauf, dass zusammen mit der CSSR, Jugoslawien
und zum Teil Rumänien ein gemeinsames Fremdenverkehrs-
projekt betreffend die Donau als Fremdenverkehrsanziehungs-
punkt in Angriff genommen worden sei. Eingehend auf die
06-0599
Bemerkung Stanovniks im Zusammenhang mit dem gemein-
samen Markt betonte Bundesminister Staribacher, dass
es ausschliesslich wirtschaftliche Überlegungen sind,
die Österreich veranlassen, eine Regelung anzustreben.
Zu dem Gedanken des Exekutivsekretärs im Zusammenhang
mit der Spezialisierung in der Industrie bemerkte
Bundesminister Staribacher, dass das österreichische
Handelsministerium bestrebt ist, Investoren sowohl aus
dem Westen als auch aus dem Osten zu finden, die
bereit wären, in Österreich Industriebetriebe zu
errichten.
In der Folge ergab sich ein Gedankenaustausch
betreffend industrielle Kooperation. Stanovnik erwähnte
hiebei das jugoslawische Projekt eines inter-
nationalen Informationszentrums für industrielle Zu-
sammenarbeit sowie ein ähnliches schwedisches Zentrum,
welches vor allem für Subkontrahenten von Interesse
sei. Der H. Bundesminister verwies hiebei darauf, dass eine
ähnliche Einrichtung im Rahmen der österreichischen
Industriellenvereinigung seit einigen Jahren bereits
bestehe. Auch sei im österreichischen Handelsministerium
eine eigene Abteilung eingerichtet, die es ausländischen
Investoren ermöglichen soll, auf schnellstem Weg mit
interessierten Gemeinden in Fragen von Betriebs-
gründungen Kontakt aufzunehmen. Stanovnik verwies
darauf, dass die ECE bemüht sei, dasselbe im Ost-
West-Rahmen zu verwirklichen.
Übergehend auf Umweltfragen erklärte Stanovnik,
dass es in Prag dank einer flexiblen Haltung der West-
mächte möglich war, rasch zu einer Lösung im Zusammen-
06-0600
hang mit der Mitwirkung der DDR zu gelangen. Er zeigte
sich befriedigt, dass die DDR-Experten eine sachliche
Haltung eingenommen und keine politischen Probleme
provoziert hätten. Stanovnik vertrat weiters den Stand-
punkt, dass die Entwicklung der Prager Tagung wie
geplant verlaufen sei. Die fachlichen Diskussionen
haben durch die Umwandlung der vorgesehenen Konferenz
in ein Symposium nicht gelitten, Im Zusammenhang mit
der Frage der Kostenregelung für die Beseitigung von
Umweltverschmutzung habe sich zwischen Ost und West
eine weitgehende Übereinstimmung dahingehend ergeben,
dass diese in den Produktionskosten berücksichtigt
werden müssten. Die Stockholmer Umweltkonferenz sollte
bemüht sein, auch die Entwicklungsländer für Umwelt-
fragen zu interessieren. Es sei daher wichtig, Probleme
wie Stadtplanung, "Resource management", demogra-
phische Fragen, Probleme der Bodenerosion den Ent-
wicklungsländern in Form von Problemen wirtschaftlicher
Entwicklung zu präsentieren.
In Beantwortung einer österreichischen Frage, ob
der Osten bereit sein könnte, seine Handelshindernisse
abzubauen, verwies Stanovnik auf die sehr instruktive
Entwicklung in Ungarn. Dieses Land habe seine Wirtschafts-
reform mit seinen Bemühungen um eine Intensivierung des
Aussenhandels verbunden. Auch die anderen kleineren ost-
europäischen Länder seien sehr aufgeschlossen und
werden voraussichtlich rascher die Verbindung zwischen
internen Reformen und Handelsausweitung herstellen
können. Er verwies jedoch auch auf die Entscheidung
des Parteitages der kommunistischen Partei der
Sowjetunion, die Konsumindustrien zu fördern. Der
06-0601
Präsident des Gosplans habe ihm gegenüber die Auf-
fassung geäussert, dass dies die sowjetische Wirtschaft
benötige. Die tschechoslowakische Wirtschaft habe in den
Augen des Exekutivsekretärs mit besonderen Schwierig-
keiten zu kämpfen, da sie übermässig von ausländischen
Rohmaterialien abhängig sei. Überdies sei die Produktion
zu weit gestreut und leide an zu kleinen Serien.
Abschliessend erkundigte sich ein Vertreter des
ECE-Sekretariates nach den österreichischen Erfahrungen
mit der Multilateralisierung des Zahlungsverkehrs nach
Ende des Clearings. Bundesminister Staribacher ant-
wortete, dass sich die Befürchtungen der österreichischen
Firmen in diesem Zusammenhang nicht bewahrheitet haben.
Man habe vielmehr gute Erfahrungen gemacht; allerdings
müsse erwähnt werden, dass Österreich zusätzlich
Importe von 40.000 t Gerste und 40.000 t Futterweizen
getätigt habe, woraus sich die Möglichkeit ergeben
habe, die Aktiven abzubauen. Überdies seien neue
Bezugsmöglichkeiten aus der UdSSR erschlossen worden.
Österreich importiere nicht nur Erdöl, sondern auch
etwa 1 1/2 Mrd. m³ Erdgas. Ein Detailproblem sei mit
sowjetischen Firmen insofern aufgetaucht, als diese
nicht bereit waren, Verträge auf öS-Basis abzuschliessen.
Diese Frage wird aber zweifellos befriedigend geregelt
werden können.
Schreiben BHK betr. EFTA-Tagung Reykjavik 13./14.5.1971 (unvollst.), 29.4.1971
hs. Notizen (Schreiben BHK Rückseite)
Tagesordnung 52. Ministerratssitzung, 11.5.1971
Nachtrag TO 52. Ministerratssitzung, 11.5.1971
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)