Montag, 26. April 1971
Sallinger, Mussil und Dr. Christian, Leiter der Rechtsabteilung,
glaubten, ich würde ihnen bereits den neuen Entwurf der Gewerbeordnung
überreichen. Abgesehen davon, dass der Drucker noch nicht fertig ge-
wesen ist, wäre es sinnlos gewesen, so früh bereits der Handelskammer
den Entwurf zu geben. Bis Mittwoch zur Pressekonferenz hätten die
Journalisten bereits alle Details erfahren. Im Hause des Klienten
spricht man nicht vom Strick, deshalb hatte ich gar nicht die Ab-
sicht über die Bundespräsidentenwahl zu reden. Mussil als wirklicher
Vollblutpolitiker meinte allerdings, das Entscheidende am vergangenen
Wahlsonntag sei das Ergebnis in Schleswig-Holstein. Dort hätte die
CDU die absolute Mehrheit errungen, dadurch den radikalen Linken
der SPD Steffen geschlagen. Er überging, dass Steffen die SPD eben-
falls perzentuelle Gewinne von 39 glaube ich auf 41 % erreichen konn-
te. Seine Theorie, die Bedeutung dieser Wahl liegt darin, dass damit
die Radikalisierung der SPD verhindert wird und die Ausstrahlung auf
die österreichische Sozialistische Partei wegfällt. Ansonsten bei
einem SPD-Sieg hätte auch in Österreich der radikale Flügel inner-
halb der SPÖ Oberhand bekommen. Auf meine Frage, man sollte mir die
linksradikalen Sozialisten nennen, kam man nur auf Czernetz und nach
längerem Nachdenken wurde auch Minister Broda genannt.
Der neue Pressereferent der FPÖ, Dkfm. Bauer, hatte erklärt, damit er
eine entsprechende Vorsprache bei mir bekommt, er müsste ein politisches
Interview machen. Ich selbst wimmle nämlich alle Vorstellungen und
Antrittsbesuche ab. In Wirklichkeit wollte der Pressereferent nur er-
kunden, ob wir ihm – so wie unser Vorgänger Mitterer – der FPÖ jähr-
lich für ihre Zeitung "Neue Front" für Public Relations oder Inserate
ca. 10.000 bis 15.000 S pro Jahr geben würden. Ich erklärte ihm, dass
dafür keine Möglichkeit besteht und der dazugerufene Koppe machte ihm
dann den Vorschlag, er sollte eventuell eine Artikelserie über die
Wirtschaft oder ein sonstiges Problem in seiner Zeitung starten, wir
würden ihm dann einen entsprechenden Brief geben, wo wir diese Arti-
kelserie begrüssen. Damit könnte er vielleicht dann bei Firmen ent-
sprechende Inserate bekommen. Z.B. eine solche Serie über die Büro-
automatisierung hat einen sehr guten Erfolg in anderen Zeitungen gehabt.
Ausserdem sicherte ihm Koppe zu, dass er alle Unterlagen, die Informa-
tionen, jederzeit von uns bekommen könnte. Er war sicherlich über die-
ses Ergebnis nicht sehr erfreut, denn er hatte sich immerhin einen
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finanziellen Zuschuss erwartet, aber er-kannte doch, dass man mit
uns reden kann. Die einzige Bedingung, die wir von ihm verlangten, war,
dass er bei seiner Informationsverwendung die Tatsachen nicht entstellt
wiedergibt.
Der Bund der Gastlichkeit hat nun einen gastronomischen Führer heraus-
gebracht. Der Vorsitzende Bläuel und Komm.Rat Winkler, der Besitzer von
Tulbinger Kogel , ist sehr aktiv. Wir haben vom Handelsministerium 50.000 S
diesem Projekt gewidmet. Die Fremdenverkehrswerbung – Langer-Hansel –
hat ihnen vor Jahren die Abnahme des Führers und 150.000 S Subvention
zugesagt. Dies haben die Ländervertreter aber abgelehnt, da sie darin
in eine kommerzielle Werbung sehen. Eine wirklich kommerzielle Werbung
wird von einer Schweizer Firma betrieben, die 10.000 Exemplare einer
Österreich-Karte mit jeweiligem Eindruck von Gaststätten für 1.750.– S
Inseratengebühr beabsichtigt. Die Österreich-Karte soll dann um 30.– S
verkauft werden. Ebenso hat die internationale Touristenservice eine
Österreich-Karte in Arbeit, wo z.B. von der Firma Bristol 26.000 S
Inseratenabgabe verlangt wird. Der Bund der Gastlichkeit dagegen hebt
ja von den 600 Betrieben 1.800.– S, das sind nach ihrer Berechnung 10 Gro-
schen pro Gast im Jahr ein. Der Führer selbst hat in einer Auflage von
50.000 Stück 1 Mill. S gekostet. Die Präsidentenkonferenz hätte 300.000 S
und die Partnerschaftswerbung Milch usw. weitere 300.000 S von der
Landwirtschaft bezahlt. Die beiden Vertreter wollten unbedingt eine
Subvention in Form von Bezahlung der von ihnen angestellten Inspektoren.
Ich schlug ihnen vor, dass wir die Inspektionen durchführen werden.
Darüber waren sie gar nicht begeistert, aber Würzl wird mit ihnen dieses
Problem im Detail noch besprechen. Die Vorsprechenden hatten auch vom
ÖAMTC Herrn Nowak mitgebracht. Der ÖAMTC hat derzeit die Kontrolle.
über die Betriebe. Die ganze Übergabeszene war gefilmt worden und der
Kameramann war bass erstaunt, dass ich auf alle seine Wünsche nicht nur
eingegangen bin, sondern immer wieder feststellte, wie wollen Sie dieses
Problem kameratechnisch aufnahmemässig gelöst haben. Wenn man nämlich
den Massenmedien oder den Fernsehen- oder Filmaufnahmen technisch ent-
gegenkommt, hat man sofort die Sympathie dieser Leute.
Botschafter Marquet und Leitner sowie Sekt.Chef Reiterer hatten mit Wanke
und mir Besprechungen über die Vorsprache von Dahrendorf und über die
weitere Vorgangsweise. Zum Unterschied von der Äusserung Dahrendorfs
Kirchschläger und mir gegenüber hat er bei der Einfahrt vom Flughafen
den Leitner gemeint, es müsste jetzt möglich sein, das Interimsab-
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kommen bald in Kraft zu setzen. Da bei uns die Frage stellte, ob
wir überhaupt auf das Interimsabkommen Wert legen, ergibt sich für
mich die Situation, dass er zuerst versuchte, uns zu überzeugen, dass
es sinnlos ist, ein Interimsabkommen zu machen, aber auf der anderen
Seite Leitner vor dieser Aussprache zu erkennen gab, dass wenn wir
das Interimsabkommen wollen, wir es bald bekommen können, wenn wir
nicht zusätzliche Wünsche haben. Da nun Kirchschläger ihm ganz rich-
tig auseinandergesetzt hat, dass ein kleiner Staat darauf bestehen
muss, dass seine Forderungen endlich einmal endgültig behandelt werden
und dass vor allem die Kontinuität in der Aussenpolitik gewahrt bleiben
muss, so kann und wird Österreich nicht auf das Interimsabkommen ver-
zichten. Ausserdem kann dieses Abkommen der Sowjetunion beweisen, dass
wir hier mit der EWG nur wirtschaftliche Lösungen anstreben. Die fest-
gelegte Bestimmung, dass zuerst die Grundsätze des Globalabkommens be-
kannt sein müssten, könnten man ja auch so verstehen, dass nur die Frage
entschieden werden muss, ob mit den nicht-beitrittswilligen möglichen
Staaten eine Freihandelszone oder eine Zollunion abgeschlossen werden
soll. Diese Leitlinie würde dann bereits nach Auffassung Dahrendorfs
vielleicht genügen, um das Interimsabkommen zu perfektionieren. Be-
treffend des Umfanges kamen wir überein, dass die EWG-Kommission sicher-
lich nicht ein Mandat bekommen wird, wo Papier geregelt werden kann.
Der Vorschlag Marquets geht dahin, dass man uns zwar Papier im Ver-
trag drinnen lassen wird, aber gleichzeitig mit einem Brief mitteilt,
dass infolge der Schutzklausel z.B. für einen gebietsmässigen Schutz,
Papier eben nicht unter den Zollabbau fällt. Betreffend der Vieh-Po-
sitionen könnte man maximal erreichen, dass – um die Abschöpfung zu
erleichtern – nicht der Durchschnittsmarkt von GB, Irland, Dänemark
und Österreich genommen wird, sondern dass man die Wiener Markt-Notierung
allein heranzieht. Ich glaube, dass es zielführend wäre, eine Interims-
abkommenslösung zu erreichen, da man dadurch den Fuss in der Türe zur
EWG hat. Wenn es nämlich zum Scheitern der Beitrittsverhandlungen oder
auch der Nicht-Beitrittsverhandlungen der neutralen Staaten kommt, dann
können wir wenigstens mit dem Interimsabkommen eine Zeit lang die EWG-
Diskriminierung mildern.
Im Bundesparteivorstand berichtete Kreisky, dass das Präsidium überein
gekommen ist, in den nächsten Monaten nicht von Neuwahlen zu reden und
auch solche nicht anzustreben. Die Bevölkerung hat – wie er richtig
bereits in der Wahlnacht erkannte und in seinem Interview auch ausdrückte
von Wahlen derzeit genug. Die Regierung wird eben versuchen, der Bevöl-
kerung zu zeigen, dass sie bereit ist, jetzt durch Monate hindurch
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wichtige Gesetze im Parlament zu behandeln. Erst wenn es nicht
gelingt, wenn man Kreisky und sein Team nicht arbeiten lässt,
dann müsste man eben der Bevölkerung neuerdings sagen, dass eben
aus der politischen Situation heraus, doch Neuwahlen erforderlich
sind. Das Finanzgesetz, d.h. das Budget wird so wie im Vorjahr
von der Regierung im Mai vorbereitet und man wird sehen, ob die Bauern
bereit sind, wieder dagegen zustimmen, oder ob man sie vielleicht
für eine vernünftige Lösung gewinnen kann. Die Wahlergebnisse für
Jonas auch in den bäuerlichen Gemeinden deutet Kreisky so, dass
die ÖVP-Bauernoffensive, wie er sich ausdrückt, die Marne-Schlacht
für sie verloren wurde. Er möchte deshalb verstärkt versuchen, die
Bauern für eine gemeinsame Budgetpolitik zu gewinnen. Als einziger
Diskussionsredner meldete sich der Arbeitsbauernbundvertreter
Präs. Tillian und meinte, er werde dies sofort alles im Arbeits-
bauernbund-Vorstand besprechen und beschliessen lassen. Gut, dass
er sich als einziger gemeldet hat, denn dann konnte ihm Kreisky
erklären, dass diese Taktik nicht dazu bestimmt ist, auf die grosse
Glocke gehängt zu werden, sondern dass dieses Vorgehen streng ver-
traulich zu behandeln ist. Unter Allfälligem wurde die Verlaut-
barung eines Offiziers, dass das Bundesheer 7 Milliarden Schilling
benötigt, zur Debatte gestellt. Kreisky verteidigte vehement Lütgen-
dorf, wird aber mit ihm über die weitere Vorgangsweise und vor
allem einmal über die Presseinformationen seiner Offiziere eingehend
reden. Da Lütgendorf kein Politiker ist und er daher auch im Partei-
vorstand nicht vertreten ist, will Kreisky einen Mann finden, der
ihn politisch berät. Kreisky schwebt vor, dass ein Typ wie Peter
Schieder, der Obmann der SJ und gleichzeitiger Abgeordneter z.NR,
so eine Funktion erfüllen könnte. Ich glaube, dass Schieder ja
keine Zeit dafür hat und auch nicht beabsichtigt ist, ihn selbst
für diese Funktion auszuwählen. Wenn aber ein solcher Mann nicht
das entsprechende Einfühlungsvermögen auch für Lütgendorf hat,
muss es unbedingt zu einem Debakel mit einer solchen unterstützenden
Person bei Lütgendorf kommen. Allgemein wurde festgestellt, dass
Lütgendorf sich noch in unseren Reihen einer grossen Beliebtheit
erfreut, da er mit seinen bisherigen Massnahmen die Zustimmung der
Erwachsenen zumindestens – der Haarerlass – gefunden hat.
In der Ministerratsvorbesprechung wurde das Problem über die Prio-
ritätenliste der Gesetze, die von der SPÖ im Parlament als Priorität I
haben soll, diskutiert. Broda unterschied drei Arten:
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1. müsste die administrative Gesetzgebung wie z.B. bei ihm,
dass der richterliche Vorbereitungsdienst von 4 auf 3 Jahre
reduziert werden soll, um mehr Richter zu bekommen, sowieso
von der ÖVP akzeptiert werden.
2. müsste man Prioritäten eben für gewisse Gesetze wie z.B. bei
ihm die Strafrechtsänderung und das Angestelltengesetz, das
eheliche Güterrecht und das Volljährigkeitsgrenze-Gesetz be-
schliessen lassen.
3. unterschied er dann Gesetze, die noch einbringungsreif sind oder
schon eingebracht wurden, darunter würde bei uns im Handels-
ressort die Staatsverträge, die mit GATT, Zinn-Übereinkommen,
internationale Weizenübereinkommen, EFTA-Übereinkommen, über
Inspektion pharmazeutischer Produkte, fallen.
Ich glaube, es löst ein bisschen Erstauen aus, dass ich die Ge-
werbeordnung nicht auf die Prioritätenliste setzte, sondern er-
klärte, dass ich eine sehr lange Begutachtungszeit geben will, damit
dieses Gesetz gegebenenfalls im Herbst dann im Parlament eingebracht
wird. Meiner Meinung nach wie die Frühjahrssession sowieso mit
so vielen Gesetzen angestopft sein, dass eine Bearbeitung dieser
wichtigen Materie gar nicht mehr möglich ist.
Betreffend die Bundespräsidentenwahl und damit im Zusammenhang
nach der Angelobung die Demission der Gesamtregierung schlug
Kreisky die Formel vor, die auch am 22. Mai 1957, also bei Schärf
angewendet wurde. Damals hiess es, es bestehen die gleichen Ver-
hältnisse wie vorher, sodass eine Demission der Regierung vom
Bundespräsidenten nicht angenommen wurde. Andere Formeln, wie in
späterer Zeit, man sagte, die Regierung geniesst das volle Ver-
trauen, entweder des Bundespräsidenten oder einmal sogar das Vertrauen
des Nationalrates, wurde nicht gewählt.
Veselsky berichtete über die Grundsätze des ERP-Programms, deren
Aufteilung für das neue Wirtschaftsjahr ab 1. Juli. Der Versuch,
Frühbauer 100 Mill. S für die Elektrizität wegzunehmen und der
Industrie zuzuschlagen, scheiterte, da Frühbauer mit Recht darauf
hinwies, dass die Elektrizitätswirtschaft 180 Mill. jährlich zurück-
zahlt und dass insbesondere die 100 Mill. S für die Elektrizitäts-
wirtschaft viel bedeuten, denn die BEWAG finanziert z.B. damit
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ihren Leitungsbau. In den Grundsätzen auf Seite 9 vorgesehene
Massnahmen zur Erschliessung der landwirtschaftlichen Zu- und
Nebenerwerbsmöglichkeiten soll die Vergabe solcher Kredite nur
im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Handel, Gewerbe und
Industrie und nicht mit der eingerichteten Fachkommission in diesem
Ministerium erfolgen.
Kreisky wird in einem mündlichen Vortrag das Gesetz über die Ver-
waltungsakademie und über ein Ausschreibungsgesetz berichten.
Im Zuge der Raumordnungskonferenz hat Kreisky die Absicht, die
Bodenproblematik anzuschneiden. Der Bund aber auch die Bundesbetriebe
wie Forste und die ÖBB sollten eine Aufstellung machen von Boden,
der in den Gemeinden z.B. als – wie er sich ausdrückte – Mistgstetten
ungenützt liegt und die Gemeinden dringend benötigen. Am konkreten
Beispiel Kramsach, wo inmitten des Dorfes die Bundesforste ein Geleise liegen haben, das verrostet, weil es niemand mehr braucht,
wurde demonstriert, wie die Gemeinden durch Bodenabgabe geholfen
werden kann. Ich hatte vor dem Parteivorstand mit Androsch, Slavik
Stadtrat Jacobi eine Diskussion, inwiefern endlich die Gemeinde
Wien die Rennweger Kaserne bekommen kann, damit sie einen entsprechen-
des Zentrum auch mit Wohnung dort errichten kann. Androsch wehrt sich
deshalb gegen die Abgabe von Bundesgrund, da er sehr viel zusätz-
liche Baubedürfnisse hat. In diesem Fall sagte Slavik zu ihm, er
möge doch die Gstetten zwischen Landstrasser Gürtel und Aspangbahn
die für eine Ausweitung der TH bestimmt ist, endlich abgeben
oder in Angriff nehmen. Richtig ist, dass der Bund ebenfalls seine
geringeren Baugrundflächen hortet, da er auf lange Sicht gesehen
in Wien überhaupt nicht – wie Androsch sich ausdrückt – keine Bauten
mehr aufführen kann, Ich bin neugierig, ob in den Bundesländern der
Bund und deren Organe bereit sind, leichter Baugrund an Gemeinden
abzugeben, als dies scheinbar in Wien der Fall ist. Frühbauer
erwähnte, dass die Verhandlungen über solchen Grundtausch oder
Grundverkauf ungeheuer kompliziert und schleppend sind. Die von
den einzelnen Dienststellen oder Ministerien bestellten Sachverständi-
gen, die einen Entwurf über den Verkauf ausarbeiten, werden von der
Finanzlandesdirektion niemals anerkannt, sondern die FLD erstellt
ein eigenes Verkaufsgutachten mit Preisen, die von dem Käufer nicht
gezahlt werden können oder wollen. Ich glaube, dass es wirklich an
der Zeit ist im Raumordnungskonzept die Bodenproblematik ernstlich
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nicht nur zu behandeln sonder auch einen diesbezüglichen Lösungs-
vorschlag zu machen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, mit Holoubek über dieses Problem Besprechungen
aufnehmen.
Lütgendorf teilte mit, dass der Bundespräsident auf die obligatorische
Parade verzichtet. Das Bundesheer wird ihm deshalb ein Ständchen bringen
und eine Delegation zu ihm schicken, um ihn als oberster Befehlshaber
zu begrüssen.
Weihs fragte an, ob die Bundesminister das Agrarkonzept von der Präsidenten-
konferenz der Landwirtschaftskammern bekommen haben. Ein einziger Bundes-
minister – ausser ihm – hat dieses Agrarkonzept bekommen und nun ver-
langt die Landwirtschaft von ihm eine Stellungnahme dazu. Wir kamen
überein, dass Weihs ihnen mitteilen wird, dass eine solche von ihm
jederzeit im Nationalrat verlangt werden könnte. Interessant, Brand-
stätter hat mir zwar versprochen, dass er mir dieses Konzept schicken
wird, hat dies aber nicht getan. Über diese Tatsache bin ich sehr er-
freut, da – wenn die Landwirtschaft einmal von mir etwas wünscht und
darauf hinweist – mir bereits Brandstätter in Anwesenheit von Präsident
Lehner dies zugesagt hat, auch nicht gehalten hat.
Im Wiener Ausschuss berichtete Probst über die neue Taktik bezüglich
der Bundesregierung, d.h. dass wir unter allen Umständen jetzt an die
Arbeit gehen wollen. Die Genossen gaben überzeugend und übereinstimmend
zu erkennen, dass – wenn jetzt Neuwahlen provoziert werden – der Urheber
fast automatisch die Bevölkerung gegen sich hat. Hoffentlich legen
unsere Genossen sich nicht allzu fest, denn Kreisky ist – glaube ich –
in dieser Frage sehr beweglich. Die beste Lösung würde ich allerdings
darin sehen, wenn wir zu einer Budgetzustimmung im Herbst kämen, dann würde
im März nächsten Jahres Wahlen sein. Die Frage ist nur, ob zu diesem
Zeitpunkt noch für uns wirklich der günstigste Ausgangspunkt ist für
eine Wahl. Derzeit bläst uns der Wind noch voll in die Segel, wenn er
sich aber legt oder gar vielleicht uns ins Gesicht schlägt, kann man
sehr schwer voraussagen. Auf alle Fälle halte ich die Taktik von Kreisky
in dieser Frage für richtig, jetzt einmal abzuwarten und der ÖVP zu
sagen, es liegt an ihr, ob die Regierung arbeiten kann oder nicht.
Tagesprogramm, 26.4.1971