Samstag, der 20. März 1971

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Samstag, den 20. März 1971

Die Bezirkskonferenz des Österreichischen Gewerkschaftsbundes
in Gänserndorf zeigte mir wieder deutlich, daß es zielführend
ist, alle Fraktionen des ÖGB vereint zu haben. Es ergibt sich
dadurch natürlich eine lebhafte Diskussion und es ist, so wie
zum Beispiel im Ölgebiet sehr hart zwischen den Kommunisten und
Linkssozialisten, der ÖVP diskutiert worden. Ich selbst bin sehr
gut weggekommen, weil ich mich wirklich nicht wie in einer Wahl-
versammlung benehme, im Gegenteil objektiv versuche zu berichten.
In Gewerkschaften wird überhaupt wesentlich mehr Sachdiskussion
und mehr Sacharbeit geleistet. Dies konnte ich auch bei der
Lohnschlächterkonferenz in der Albertgasse feststellen. Da
ich in meinem Referat auf die Viehsituation und insbesondere
auf die Marktbeschickung von St. Marx sehr eingehend einge-
gangen bin, entwickelte sich daran eine lebhafte Diskussion.
Bei dieser Gelegenheit mußte ich feststellen, wenn die Mit-
teilung des Diskussionsredners stimmt, daß die Kundenfälschungen
mit Exportbestätigung, d.h. auch mit entsprechenden Stempeln
auf dem Fleisch durchgeführt wurden. So soll aus Mistelbach
Fleisch exportiert werden, das mit Wiener Zertifikaten ver-
sehen wurde. Angeblich soll dies auf Weisung des Landwirtschafts-
ministeriums geschehen sein.

Anmerkung für Dr. Wanke:

Bitte Pleschiutschnig verständigen und sofort überprüfen
lassen. Der ÖVP-Sekretär in der Gewerkschaft, Robert Bauer,
aber auch Hans Zöchling, der Sekretär der Fleischergruppe,
wissen mehr.

Parteiveranstaltungen am Nachmittag in Niederösterreich haben
verschiedenes Niveau. Ich habe mich selbstverständlich sofort
den Gegebenheiten angepaßt. Der Besuch ist sehr mäßig, was
mich eigentlich weniger stört, da es ja wirklich kleine Ort-
schaften sind, wo man eingesetzt wird. Rührig ist nur immer
wie sich die Lokalfunktionäre dafür entschuldigen. Meistens
wird ein Mädchen mit Blumen zum Empfang geschickt. Zum Glück


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haben die Phönizier das Geld erfunden, denn die Jonas-
Stofftiere sind ja prompt nicht in meinem Auto. Außerdem
glaube ich kaum, daß man die als Gegenleistung geben kann.
Meine Frau, die sich einbildet die Wahlreisen mitzumachen,
ich bin darüber sehr erfreut, hat auch ihre Schokolade-
packung, die sie verteilen wollte, prompt vergessen. In
Klosterneuburg waren abends dann doch einige ÖVP-Funktionäre
bei der Versammlung. Ein Universitätsdozent, der angeblich
ein Querulant innerhalb der ÖVP auch ist, beschwerte sich,
daß ich nur einige Minuten über Klosterneuburg selbst ge-
redet habe. Er meinte, wenn ein Bundesminister kommt, dann
hätte er Klosterneuburger-Probleme zu behandeln. Ein
zweiter Diskussionsredner wollte unbedingt die Wien–Nieder-
österreich-Strukturprobleme besprochen haben. Ich konnte
in der Antwort feststellen, daß es ja nicht die Sozialisten
waren die Klosterneuburg von Wien getrennt haben. Wäre
Klosterneuburg noch bei Wien, gäbe es keine Verkehrs- und
Strukturprobleme zwischen den beiden Städten. Der Hinweis
des Universitätsdozenten, daß Klosterneuburg keine reiche
Stadt ist, konnte ich dadurch begegnen, daß ich bevor ich
die Versammlung besuchte, die Babenberger-Halle der Stadt
besichtigte, dort hatten die Zeugen Jehovas eine internationale
Veranstaltung und die war bummvoll mit jungen aktiven Leuten.
Dies erwähnte ich natürlich nicht, sondern sagte nur, daß
eine Stadt, die sich eine solche Halle leisten konnte, als
reich bezeichnet werden muß. Ich hatte damit ins Schwarze
getroffen, denn ich ÖVP hatte diese Halle durchgesetzt und
war damit angeblich in ein riesiges Defizit geschlittert.
Ansonsten erwiderte ich, daß wenn ein Minister sich mit
Detailproblemen einer Stadt beschäftigen müßte und sollte,
dann wäre doch die Voraussetzung daß es sich zu-
erst wahrscheinlich stundenlang mit den Problemen eingehend
beschäftigen müßte. Dies kann doch aber von einem Bundes-
minister nicht verlangt werden. Wenn er ohne diese gewissen-
hafte Vorbereitung aber nur ein blah blah über die Beziehungen
oder die Probleme einer Stadt macht, dann könnte man ihm
mit Recht vorwerfen, er hat unverantwortlich sich überhaupt
nicht auf die konkreten Fragen vorbereitet.

Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


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      Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


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        Tätigkeit: [ÖVP-Sekretär in der Gewerkschaft - ÖGB oder LUGA?; 1972 als Sekr. Gruppe der Fleischer genannt und dass er nun Dir.sekr. bei der Sozialversicherung sei; offenbar Bruder des Wr. ÖVP-Obmanns Franz Bauer]


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          Tätigkeit: LUGA, Sekr. Fleischindustrie [Vorname 1971 genannt]


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