Donnerstag, 18. März 1971
In der Bürges konnte ich bei der ersten Beiratssitzung des Gewerbe-
strukturverbesserungsgesetzes die Probleme der Konzentration mit Korinek
diskutieren. Wir hatten ihm für die Alt-Bürges die Weisung gegeben, dass
zwar bis 31. März nicht alle Ansuchen erledigt werden können, aber gleich-
zeitig verlangt, soweit wie möglich alle Fälle zuerst versucht werden,
in der Gewerbestrukturverbesserung unterzubringen. Er teilt nun mit, dass
fast alle Fälle, dies ermöglichen würden. Die gewerblichen Bürges würde
sich aber ein Kreditkostenzuschuss von 7,8 Mill. S und für die Fremden-
verkehrssonderkreditaktion ein solcher von 2,6 Mill. S ergeben. Unter diesen
Umständen würde – wenn man diese Ziffern auf das ganze Jahr rechnen würde –
fast 40 Mill. S vom Gewerbestrukturverbesserungsgesetz blockiert werden. Ko-
rinek glaubt nun, dass er durch die eingereichten Anträge bereits jetzt sagen
kann, dass das Gewerbestrukturverbesserungsgesetz voll ausgeschöpft wird.
Wenn dies der Fall ist, dann würde die Bürges-Aktion und die Fremdenver-
kehrssonderkreditaktion wirklich Geld wegnehmen. Eine Überlegung, als wir
ihm die Weisung gegeben haben, so zu verfahren, war, dass er vielleicht
doch versucht im Gewerbestrukturverbesserungsgesetz Mittel zu erübrigen,
d.h. am Jahresende dann entsprechende Beträge den Wifis zur Verfügung ge-
stellt werden können. Da ich aus den Gewerbestrukturverbesserungsüberschüssen
kaum das BfI, d.h. das Berufsförderungsinstitut der Gewerkschaften, subven-
tionieren kann, würde die Wifis, die Wirtschaftsförderung der Bundeshandels-
kammer, entsprechende Mittel kriegen, die BfI aber nichts. Ich hätte dann
zwar einen Schlüssel vereinbart mit 5:1, der aber nicht zum Tragen kommen
kann. Interessanterweise hat Korinek uns in einem Schreiben mitgeteilt,
dass er sich an die Weisung nicht halten wird, sondern so wie bisher ver-
fahren wird. Von der Abteilung wurde dieses Schreiben ad notam genommen
und überhaupt nicht darauf reagiert. Wenn ich nicht die Stellungnahme des
Bürgschaftsfonds zum Rechnungshofbericht verlangt hätte, wo mir Korinek
die Schreiben angeschlossen hat, hätte ich davon überhaupt nichts erfahren.
Gen.Direktor Bauer berichtete mir über die Verhandlungen mit der italieni-
schen ENI-Gesellschaft über die Pipeline. Er verharrt noch immer auf
seinem Modell, ein hundertprozentiges Eigentum der ÖMV befindlichen Ge-
sellschaft, die allerdings zu 90 % von den Italienern finanziert wird.
Die Italiener selbst meinen, dass 50:50 die Eigentumsverhältnisse der
Gesellschaft betragen sollen. In der weiteren Verhandlungsphase haben sie
51 % für die ÖMV und 49 % für die ENI zugestanden. Bauer wollte nun wissen,
05-0350
wie weit die Bundesregierung ihn unterstützen wird, bei seinem
Modell 100 % Eigentum der ÖMV zu verbleiben. Ich erklärte ihm, dass
wir solange ihn unterstützen würden, als er nicht einen offenen Wirt-
schaftskrieg mit Italien damit heraufbeschwört. Ich glaube nämlich
nicht, dass wir imstande wären, gegen die Intentionen der Italiener
eine Lösung herbeiführen zu können. Auch die Möglichkeiten, bei
Wartburg einen entsprechenden Kredit zu bekommen, wenn die ENI
sich dagegen ausspricht, halte ich für unmöglich. Auf meine telefo-
nische Verständigung von Meszaros von dieser Sitzung erklärte er
mir, dass er auch meine Meinung jetzt teilt. Die ÖMV wird also die
Verhandlungen fortführen und versuchen, zu einem Übereinkommen mit
der ENI zu gelangen. Auch die Bundesrepublik Deutschland und die
Schweiz haben mit den Italienern Verhandlungen, da sie aus Niederlande
Gas beziehen werden.
Bei der Verleihung von Auszeichnungen von § 58 Gew.O Führung des Staats-
wappens und der vom Bundespräsidenten verliehenen Orden habe ich
glaube ich jetzt die richtige Form gefunden. Ottahal muss mir vorher
über die einzelnen Personen Informationen geben und ich versuche,
sie mir zu merken, damit ich bei jedem Einzelnen einige Bemerkungen
über deren Tätigkeit machen kann. Entscheidend ist dabei aber, dass
man so weit wie möglich persönliche Informationen erhält, die noch
nicht allgemein bekannt sind. Wanke sagt nicht mit Unrecht, dass
die interessanteste Aussage immer den eigenen Namen für den Ausge-
zeichneten ist. Wenn man nun einige Informationen der Festversammlung mit
teilt, die vielleicht noch nicht allgemein bekannt sind, dann fühlt
der dann noch mehr angesprochen und herausgestellt.
Bei dieser Gelegenheit teilte mit Direktor Schützelhofer von der BBU
mit, dass sie heuer das erste Mal 45 Mill. S Gewinn machen werden. Durch
die Rationalisierung und den Ausbau der BBU werden sie wahrscheinlich
nie mehr wieder um eine Bergbauförderung einkommen müssen. Sie hatten
zwar auch heuer wieder einen prinzipiellen Antrag von Bergbauförderung
für 4,6 Mill. S gestellt, ich hatte ihnen aber sofort erklärt, dass
sie keinen Groschen bekommen können. Die vorhandenen 9,6 Mill. S müs-
sen ausschliesslich für die Mitterberger Kupferbergbaugesellschaft
reserviert bleiben.
Dr. Abt, Vizepräsident der Handelskammer Niederösterreichs und wirtschafts-
politischer Referent des Freien Wirtschaftsverbandes, erzählte mir im
Institut, dass er gehört hätte, von uns die Gewerbeordnung würde fertig
05-0351
werden. Ich hatte Kostroun zweimal bereits davon Mitteilung gemacht
und er hat mir erklärt, er würde Swoboda beauftragen, sich mit uns ins
Einvernehmen zu setzen. Dies ist nicht geschehen. Abt meinte nun, er
würde mit Swoboda und Kostroun sprechen, damit wir ihnen unverzüglich
die fertiggestellten Seiten zur Verfügung stellen. Die Koordination
dürfte im Freien Wirtschaftsverband auch nicht gross geschrieben werden.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass es dort auch um die Frage
der Präsidentschaft geht. Es hat zwar eine Konferenz der Landesobmänner
beschlossen als neue Lösung den alten Präsidenten Kostroun neuerdings
auf dem kommenden Verbandstag wieder zu wählen, doch ist damit die
Spannung zwischen dem Wiener Obmann Jodlbauer und Kostroun nicht be-
seitigt, sondern ganz im Gegenteil noch vertieft werden. Jodlbauer hat
zuerst sogar mit Unterstützung von Abt grosse Chancen gehabt, Präsident
des Verbandes zu werden.
Handelsrat Kövari überreichte mir eine Einladung von Aussenhandelsminister
Bíró zur Budapester Messe. Ich fragte ihn bei dieser Gelegenheit, ob
Ungarn bereit wäre, grössere Mengen von Schleifholz zu liefern. Derzeit
werden ca. 600.000 m³ pro Jahr importiert. Da wir ja ein grosses Projekt
für eine Schleifholzfabrik Landegger vorbereiten, müsste doch eine Roh-
holzversorgung gesichert werden. Kövari erwiderte, dass eine solche Mög-
lichkeit bestünde, weder in laufenden 5-Jahresplan noch im nächsten haben
sie die Absicht eine eigene Zelluloseproduktion aufzunehmen. Aus dieser
Bemerkung aber konnte ich entnehmen, dass sie vielleicht doch auf lange
Sicht gesehen, eine entsprechende eigene Produktion aufbauen werden. Ob
man nun eine grosse Zellulosefabrik errichten kann, ohne auf Jahrzehnte
hinaus den Rohstoffbedarf gesichert haben, stelle ich in Frage.
Dr. Stephani, der ehemalige sozialistische Staatssekretär, ist derzeit
der Beauftragte für die Hirtenberger Munitionsfabrik. Der alte Mandl
will unbedingt die Fabrik, die in roten Ziffern ist, verkaufen.
Er stellt sich vor, dafür 100 Mill. S zu kriegen. Stephani selbst hat
ihm aber bereits auseinandergesetzt, dass er maximal 70–75 Mill. S
erlösen würde. Als Stephani zu erkennen glaubte, dass die Republik
Interesse an der Fabrik hat, erklärte er, dass man hier noch wesentliche
Reduktionen erwarten könne. Derzeit verhandelt er mit den Amerikanern
und den Westdeutschen. Ich ersuchte ihn, er sollte uns noch etliche
05-0352
Details über die Situation der Fabrik zur Verfügung stellen. Da
in den nächsten Tagen eine Vorstandssitzung stattfindet, erwartet
er davon noch genauere Daten.
Der Bundeskanzler hat eine a.o. Ministerratssitzung einberufen.
Niemand wusste eigentlich, was auf der Tagesordnung steht. Bei dieser
Gelegenheit konnte ich Lütgendorf gleich über meine Aussprache
mit Stephani informieren. Lütgendorf erklärte, dass ein Erwerb für
ihn nicht in Frage kommt, da die Munitionsfabrik über keine eigene
Pulvermühle verfügt, sondern nur Patronen aus importiertem Pulver
erzeugt, hätte er nur bedingtes Interesse an dieser Fabrik.
Stephani selbst hat ja ebenfalls erwartet, dass das Bundesheer
in Hirtenberg nicht nur Munition erzeugt, sondern vor allem auch
ihre ganzen, jetzt dezentralisierten Reparaturen dort unten dann
durchführt. In der Ministerratsvorbesprechung wurde von Kreisky
nur das Problem der morgigen Bauerndemonstration behandelt. Er meint,
es handelt sich hier um einen typischen Markt auf Wien auf der vor-
faschistischen Zeit. Der Oberste Gerichtshof hat aber entschieden,
dass Versammlung im Versammlungsgesetz im Gehen, Reiten oder Fahren be-
stehen können. Ein Verbot kommt deshalb nicht in Frage, wäre ausser-
dem politisch meiner Meinung nach sehr schlecht. Da ich einen Vortrag
im Gewerbeverein hatte, konnte ich die Ministerratssitzung dann
nicht mehr mitmachen.
Im Gewerbeverein hatte ich das erste Mal einen Teil meiner Rede
heruntergelesen. Ich hatte zwar durch entsprechende Betonung versucht,
doch eine Art nicht reine Lesestunde zu veranstalten. Ich bin aber
über diese Methode auch nicht sehr glücklich. Ich hatte angenommen,
dass anschliessend an meinen verhältnismässig kurzen Vortrag eine
Diskussion stattfinden wird. Statt dessen hielt der Vizepräsident
des Gewerbevereines und gleichzeitiger Präsident der Wirtschafts-
treuhänder-Organisation Dr. Schmidt ein sehr langes Schlusswort.
Die Kohlenhändler wurden von Komm.Rat Sulke aufgefordert, zu dieser
Veranstaltung in Massen zu kommen. Der Gewerbeverein war aber nur
ca. halbvoll von den Kohlenhändlern war scheinbar keine Spur. Sulke
selbst meinte nur gleich selbst, als ich in den Saal trat, er müsste
mit mir dingend sprechen und erzählte mir dann, dass er jetzt von
05-0353
Schleifer erfahren hätte, dass die Verbraucherpreise mit 2.06
dem Kokspreis aus Linz errechnet wurde. Er könnte sich vorstellen,
dass man mit 2.– S die Verbraucherpreise fixieren könnte. Ich habe
ihm erklärt, dass 1.95 von der Handelskammer mit gegenüber schon
genannt wurde und Schleifer mit 1.80 ein Verhandlungspouvoir hat
und damit die Möglichkeit besteht, dass sie sich hier irgendwo treffen
können. Sulke meinte, das würde nicht gehen, war aber sichtlich er-
leichtert, dass wir doch noch mit uns reden lassen, um eine Preis-
fixierung der Handelspannen und der Verbraucherpreise letzten Endes
dann zu dekretieren.
Tagesprogramm, 18.3.1971