Dienstag, der 16. März 1971

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Dienstag, 16. März 1971

Die Grazer Messe verlangt von Ausstellern, die über ihr Messekontingent
Exporte tätigen, 2 % Bearbeitungsgebühr. Firmenvertreter, die sich
deshalb an Bürgermeister Marek ich glaube in seiner Funktion als
ehemaliger Messe-Direktor von Wien gewendet haben, beschwerten sich bei
mir über die neue Abgabe. Ich konnte sie deshalb verhältnismässig schnell
los werden, weil die Ministerialräte Wagner und Pellech, die für das
Messewesen zuständig waren, die Angelegenheit übernahmen. Ich glaube, dass
es im Interesse der Firma zweckmässig wäre, wenn das Handelsministerium
viel stärker über eine Koordination der Messen über deren Aufgabe ob
Fachmessen oder allgemeine Messen, über die Kosten einer Ausstellung
für die Unternehmungen usw. entsprechende Untersuchungen anstellen
würden, und vor allem eine Koordination mit den Messeveranstaltern
herbeiführen würde. Ich werde mich sehr bemühen, dass das Referat Messe-
wesen mehr als bisher nicht nur als Koordinator und Besprechungsstelle
für die Messeveranstalter aufgefasst wird, sondern dass das Handelsmini-
sterium viel mehr im Interesse der Aussteller die Messeveranstalter dazu
zwingt, die erforderlichen Massnahmen und Vorschläge der Messeaussteller
zu berücksichtigen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, Entsprechendes zu veranlassen.

Im Ministerrat entspann sich an die Diskussion betreffend die Strompreis-
regelung zwischen Aluminiumfabrik Ranshofen und Verbund eine harte Dis-
kussion über die Zweckmässigkeit von Kernkraftwerken. Sowohl die
Minister Firnberg als auch Gratz stehen nach wie vor auf dem Standpunkt,
dass die Sicherheit der Bevölkerung nicht gewährleistet sei. Sie möchten
deshalb in Wirklichkeit die Kernkraftwerkserrichtung so weit wie mög-
lich hinausschieben. Während es bei den Wirtschaftern innerhalb der
Regierung überhaupt keine Diskussion darüber gibt, dass wir die Kern-
kraftwerke in spätestens 10 Jahren dringendst benötigen werden, weil
wir ansonsten ausserstande sind, die Energieversorgung aufrechtzuerhalten,
stehen die Wissenschaftler und der Unterrichtsminister auf dem Stand-
punkt, dass eine solche Phase noch lange nicht kommen sollte. Nach deren
Auffassung müssten alle Wasserkraftwerke bis ins letzte zuerst ausge-
baut werden. Natürlich wäre eine solche Möglichkeit gegeben, doch muss
man dann damit rechnen, dass die Stromkosten irrsinnig steigen würden.
Wir müssen, um die Wasserkraftwerke dann für die Dampfproduktion einzu-
setzen, damit rechnen, dass kWh 70 – ev. 80 Groschen kosten würde. Das
wäre ein viermal so hoher Preis als wir ihn aus der Atomkraft doch


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letzten Endes bekommen werden. Falls Sicherheitsbedenken laut
werden, müsste die Bundesregierung, denn das ist ihre Pflicht,
entsprechende Sicherheitsbestimmungen erlassen. Häuser teilte
mit, dass er auf Grund der Erfahrungswerte in der BRD eine VO
auf Grund des Strahlenschutzgesetzes 1969 in kürzester Zeit
erlassen wird.

In der Mitgliederversammlung für den Verein für Konsumenteninformation
an der ich verspätet zwar aber dennoch teilgenommen habe, fragte
mich der Vertreter der Agrarier, ob ich nicht Erklärungen über den
Konsumentenbeirat im Handelsministerium abgeben wollte. Er hätte
aus der Berichterstattung bis jetzt von dieser Einrichtung nichts
gehört. Diese Bemerkung zeigte, dass die Vertreter der anderen
Interessensgruppen insbesondere der Landwirtschaft scheinbar
in der Öffentlichkeit über unsere Vorhaben viel zu wenig informiert
wurden. Da der Betreffende aber weder in der Diskussion, noch bei
einem anderen Tagesordnungspunkt ein diesbezügliches Verlangen laut
stellte, hatte ich selbstverständlich keinen Grund von mir aus das
Wort zu ergreifen. Ich habe ihn allerdings aufmerksam gemacht, dass
wir in nächster Zeit eine grössere Pressekonferenz veranstalten
werden, wo über die Einzelheiten über unsere Tätigkeit der Arbeits-
gruppen von den Arbeitsgruppenvorsitzenden berichtet wird. Das
Budget, welches mit einem Defizit von fast 600.000 S abschliesst,
soll durch erhöhte Mitgliedsbeiträge der einzelnen Interessenver-
bände abgedeckt werden. Die Aktivitäten, die der Verein für Konsumen-
teninformation für das Handelsministerium entwickelt, wurden in einer
Höhe von 1,2 Mill. S eingestellt, die durch Forschungs- und Über-
prüfungsaufträge dann in dieser Höhe vom entsprechenden
Handels- resp. Bautenministerium bezahlt werden sollen. Da das
Bautenministerium für Forschungsaufträge eine bestimmte Konstruk-
tion des Vereines benötigt, wurden auch die Statuten von der
Mitgliederversammlung einstimmig geändert.

Heinzi Kienzl erzählte mir anschliessend, dass er am meisten er-
schüttert ist, dass eine Umfrage ergeben hat, dass die Politiker
als überbezahlt betrachtet werden und dass auch von den Ministern
angenommen wird, dass sie wesentlich zu gut entlohnt werden.
Er verglich die Tätigkeit eines Ministers mit der eines Abteilungs-
leiters in der Bank oder mit Managern, die er in den anderen Insti-
tution kennt und meinte, dass hier eine vollkommen falsche Auf-
fassung innerhalb der Bevölkerung über die Bezüge der Politiker und


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insbesondere auch der Minister herrsche. Für mich ist diese Erkennt-
nis weder neu noch überrascht sie mich. Wenn man in den vergangenen
Jahrzehnten die Politiker derartig durch den Kakao gezogen hat, ja
wenn man sogar mehr oder minder auf die Tätigkeit von hauptamtlichen
Ministern oder Landesräten ununterbrochen insoferne diskriminierte,
dass man in der Bevölkerung den Eindruck erweckt hat, das kann ein
jeder Trottel, wenn er nur das richtige Parteibuch hat, dann muss der
Eindruck entstehen, hier werden nur Protektionskinder überbezahlt.
Vielleicht hätte man auch die Gelegenheit nützen müssen, um in der
Öffentlichkeit – unterschwellig zumindest – auf die Tatsache hinzu-
weisen, dass wenn z.B. keine Politiker, wie Öllinger oder Freihsler
in das Geschäft einsteigen, dass sie dann in Wirklichkeit unter der
Last der Verantwortung und vor allem unter dem ungeheuren Arbeitsauf-
wand zusammenbrechen wie die beiden ja tatsächlich demonstriert haben.
Wenn menschliche Erwägungen der Grund waren, warum man diese Politik
oder diese Erklärung in der Öffentlichkeit für die beiden nicht ge-
geben hat, dann lasse ich es natürlich gelten, denn wahrscheinlich
sollte man mit einem Unglück nicht noch Propaganda betreiben. Wenn
es dagegen nur Laxheit gewesen ist, dann muss ich sagen, hat man zwei
gute Gelegenheiten versäumt, um der Öffentlichkeit zu demonstrieren,
dass das Ministergeschäft auch nicht gerade ein Honiglecken ist.
Ich selbst habe mich in den vergangenen Jahren immer wieder bemüht,
darauf hinzuweisen, dass die Politik und insbesondere das Ministeramt
ein Job ist wie jeder andere, dass man darin sehr hart arbeiten muss
und dass meiner Meinung nach die Bezahlung gar nicht so sehr im Vorder-
grund stehen sollte, sondern eben im Vergleich zu anderen Beschäftigungen
klar und nüchtern gezeigt werden sollen. Die Ursache, warum in der Bevöl-
kerung in dieser Frage eine so miese Stimmung herrscht, führe ich
hauptsächlich darauf zurück, dass man in den vergangenen Jahrzehnten
vorerst den Politikerberuf und ganz besonders das Ministeramt als etwas
Mystisches hingestellt hat, man hat sowohl die Tätigkeit als auch die
Bezahlung womöglich geheimgehalten und vor allem nicht in der Öffent-
lichkeit wirklich erklärt und offen dargestellt. Vielleicht ist mein
Weg falsch, aber ich würde vorschlagen und praktiziere es auch so,
eine Entmythologisierung dieses Berufes herbeizuführen.

Mit Dr. Neuwirth von der Arbeiterkammer, dem Jugendschutzreferenten,
diskutierte ich mit aller Härte in den vergangenen Monaten ihre Ar-
beitsauffassung. Solange das Handelsministerium in ÖVP-Händen war
und natürlich immer ein Vertreter der Unternehmer dort sass, hatten


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unsere Leute darauf hingewiesen, dass in der reaktionären Bude kaum
etwas für die Lehrlinge herauszuholen sei. Nach jahrelangen Verhand-
lungen ist es dann geglückt, ein "modernes" Berufsausbildungsgesetz
zu schaffen. Ich führe das Wort modern deshalb unter Anführungszeichen,
weil ich gar nicht so überzeugt bin, dass es wirklich ein modernes ist.
Auf Grund dieses Gesetzes müssten nun die Berufsbilder und Verhältnis-
zahlen, wieviel Lehrlinge ein Unternehmer halten darf, erarbeitet
werden. Seit Monaten dränge ich nun, dass endgültig der Beirat, wo
ja unsere Leute aktiv sein müssten, und entsprechende Vorschläge er-
statten sollten, die notwendige Begutachtung unserer Verordnungen
durchführt. Neuwirth versprach innerhalb von 14 Tagen diese Arbeiten
endgültig abzuschliessen.

Tommy Lachs berichtete über die Aussprache, die Zöllner und er mit der
ÖMV betreffend die Erhöhung des Heizölpreises und des Benzinprieses
geführt haben. Er meint, dass es sinnvoll wäre, wenn jetzt bei dem
Antrag der ÖMV über Erhöhung des Heizölpreises in der
Paritätischen Kommission er gleichzeitig mit der ÖMV die Benzin-
und Dieselölpreise fixiert. Zöllner dagegen dürfte auf dem Stand-
punkt stehen, wir lehnen alles im jetzigen Zeitpunkt ab und ver-
suchen mit der kleinstmöglichen Erhöhung für Heizöl in den nächsten
Monaten erst herauszukommen. Die ÖMV selbst hat mir noch keinerlei
Unterlagen über die beabsichtigten Erhöhungen vorgelegt. Sie wollten
nur zuerst jetzt den Heizölpreis um 165.- S pro t erhöhen mit der
Absicht, dadurch die Importe aus Westdeutschland und Italien für das
westliche Österreich überhaupt erst zu ermöglichen. Wenn die ÖMV
nämlich ihre Heizölpreise nicht erhöht, dann müsste sie wesentlich
mehr Mengen nach dem Westen liefert, wofür sie aber keinerlei Be-
deckung in ihrer Produktion hat. Lachs glaubt nun, dass er der ÖMV
für Normalbenzin 10 Groschen und für Diesel und für Superbenzin 15
Groschen Verbraucherpreiserhöhung gleichzeitig abringen kann. Er
wollte für diese Idee seine Zustimmung haben. Da ich aber überzeugt,
bin, dass die ÖMV auf der einen Seite diese Bedingungen gar nicht
freiwillig akzeptiert, auf der anderen Seite Tommy auch gar nicht
die Zustimmung, weder seines Präsidenten noch also denen der Partei
hat, muss es früher oder später über diese Politik zu einer harten
Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit kommen. Ausserdem darf man
nicht vergessen, dass wenn sie etwas besprochen wird, es natürlich
dann in kürzester Zeit auch bekannt wird. Ob es sehr zielführend ist,
jetzt vor dem Wahlen dieses heisse Eisen in der Öffentlichkeit zu
diskutieren, bezweifle ich. Solange die ÖMV keine konkreten Unterlagen


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mir gibt, habe ich keinen Grund auch nur eine Ziffer in der Öffent-
lichkeit zu sagen. Der Hinweis, dass die ÖMV 20 Mill. S mehr bezahlen
muss in einem Jahr, das sind rund 500 Mill. S und mit der Heizöl-
preiserhöhung nur 330 Mill. S hereinkommen, müssten doch erst
ziffernmässig mir im Einzelnen nachgewiesen werden. Ich wollte
Dr. Lachs nicht allzusehr enttäuschen und habe ihm nicht ein
starres Nein gesagt, doch es ihm ganz überlassen, wie er die Verhand-
lungen weiterführt und welche Lösungsvorschläge die ÖMV ihm gegen-
über eventuell akzeptiert.

In der ERP-Fachkommission für den Fremdenverkehr konnte ich als
neuen Vorsitzenden Sekt.Chef Jagoda einführen. Die Vertreter der
Länder und der politischen Parteien, aber auch der Hoteltreuhand
sind sich vollkommen klar darüber, dass wir auf diesem Sektor
in einer sehr schlechten finanziellen Situation sind. Bei der Hotel-
treuhand sind derzeit für 400 Mill. S ERP-Projekte eingereicht. Da
wir nächstes Jahr maximal 150 Mill. S bekommen, das Verrechnungs-
jahr beginnt immer mit 1.7., so wird es zu einer drastischen Kürzung
der Projekte kommen müssen. Auch bei dieser letzten Sitzung, wo
nur mehr der Rest von 6,700.000 S vergeben wurde, waren
Projekte für 32 Mill. S eingereicht und eigentlich beschlussfähig.
Aus diesem Ziffernmaterial entnehme ich, dass wir noch sehr viele
neue Wege einschlagen müssen, um Mittel für Fremdenverkehrsfinanzie-
rungen bereitzustellen.

Anmerkung für HEINDL: Bitte, dieses Ziffernmaterial Dr. Haiden von
der Z, aber vor allem auch in unserem Hause unter dem Gesichtspunkt
betrachten, wie man durch zusätzliche Zinsenzuschüsse oder sonstige
Aktionen hier eine Verbesserung der Kapitalaufbringung für den Frem-
denverkehr erreichen könnte.

In der Sektionsleiterbesprechung ersuchte ich Sekt.Chef Schipper
für den B-Beamten Engelmayer, der in Umweltfragen mit Min.Rat
Hanisch zusammenarbeitet, ein entsprechende Lösung seines Aufgaben-
bereiches mit Sekt.Chef Jagoda zu besprechen. Engelmayer ist als
ÖVP-ÖAAB-Funktionär im Haus jetzt neu gewählt worden. Da er sehr ehrgei-
zig ist, sollte man seinem Ehrgeiz fachlich Möglichkeit geben, zu
befriedigen. Bis jetzt wurden 2 B-Beamte, nämlich Regierungsrat
Puffler für die Presse und Amtsdirektor Wessely für den Übersetzungs-
dienst, Sonderreferate geschaffen. Wenn wir ihn fachlich befriedigen
und ihm eine entsprechende Aufstiegsmöglichkeit geben, wird er seine


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politische Laufbahn wahrscheinlich sehr bald beenden.

Die Besprechungen mit Mussil, Jagoda und mir und einem Referenten der
Handelskammer, den ich nicht kenne, waren bis in die Abendstunden.
Im Allgemeinen Teil der Gewerbeordnung hat aber die Handelskammer nur
unbedeutende Änderungswünsche gehabt, die wir grösstenteils erfüllen
können. Wenn der spezielle Teil ebenso positiv beurteilt wird, müssten
wir einen einstimmigen Beschluss im Parlament erreichen.

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Tagesprogramm, 16.3.1971

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Tagesordnung 45. Ministerratssitzung, 16.3.1971

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hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)


Tätigkeit: Referat Übersetzungen HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Personalvertreter HM, Christgewerkschafter, ÖVP-Politiker


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: MR HM [1971 zuständig für das Messwesen; gemeinsam mit Pellech genannt; evtl. Falschidentifikation]


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Leiter Jugend- u. Lehrlingsschutzabt. AK Wien


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Landwirtschaftsminister 1970


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: GD-Stv. Z


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Reg.R HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 136157653


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: SChef HM
                      GND ID: 12195126X


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                          GND ID: 102318379X


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: MR HM; evtl. ident mit Hanisch, Peter?


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                                GND ID: 119100339


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                                    Tätigkeit: Verteidigungsminister


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                                      Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                        Tätigkeit: AK


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                                          Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                                          GND ID: 11869104X


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                                            Tätigkeit: MR (HM?); vmtl. Falschschreibung [auch im März 1971 so geschrieben; zuständig für Messwesen; im Okt. 1971 die Rede von seiner baldigen Pensionierung; zuständig offenbar auch für Filmförderung]


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