Dienstag, 9. März 1971
Im Ministerrat teilte mir Weihs mit, dass er sich entschlossen
hat, aus Rhodesien weiterhin Wurstfleisch zu importieren. Weihs
wollte zuerst, dass das Aussenministerium bei der UNO, so wie
die Schweiz dies gemacht hat, 10.000 t Fleisch aus Rhodesien aus
Versorgungsgründen weiterhin jährlich kaufen wird. Die UNO hat be-
kanntlicherweise einen Boykott beschlossen. Österreich hat sich
der Stimme enthalten, während die Schweiz ja überhaupt nicht Mitglied
der UNO ist und nur nachher erklärt hat, sie wird sich dem Boykott
anschliessen, trotzdem hat sie aber aus Versorgungsgründen jetzt
der UNO mitgeteilt, dass sie eben Fleisch importieren muss. Typisch
für Österreich, wir haben uns zwar zu einem solchen Schritt nicht
entschlossen, sondern werden mit der österreichischen Schlamperei
über die Tatsache hinweggehen, dass aus der Schweiz rhodesisches
Fleisch eingeführt wird. Wir haben allerdings derzeit noch fixe
Verträge und im Vorjahr haben wir 3.300 t von insgesamt 13.000 t
die wir dringend benötigt hatten, importiert. Die anderen Mengen
sind aus der CSSR, Polen und Ungarn gekommen. Dieses Wurstfleisch
ist in der Zwischenzeit auf 1.050 $ gestiegen, während Rhodesien
noch immer um 800 $ die Tonne liefert. Androsch erwartet bis 20.III.
die ersten Vorschläge über das 10-jährige Investitionsprogramm der
einzelnen Ressorts. Er ist sich allerdings vollkommen im klaren,
dass ein wirklich fundiertes Programm zu diesem Zeitpunkt nur von
der Post, von der Bahn und vom Bautenministerium abgegeben werden
kann. Das Sozialministerium z.B. könnte über Umweltschutz noch gar
nichts sagen. Auch über die notwendigen Spitalsanierungen und Spital-
bauten kann nichts ausgesagt werden. Die Landesverteidigung wieder
befindet sich in einer organisatorischen Umstellung und es kann
schon aus diesem Grund kein endgültiger Investitionsgrundplan der-
zeit vorgelegt werden. Ich glaube aber, obwohl wir im Handelsmini-
sterium in einer ähnlichen Situation sind, müssen wir dennoch für
den Fremdenverkehr und für die anderen Abteilungen, wo entsprechende
Pläne erstellt werden konnten oder wo zumindestens die Abteilungen
eine Vorstellung haben, was geschehen sollte, baldigst einen Vor-
schlag dem Finanzminister erstatten.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, dies dringendst veranlassen.
Bei dem Wunsch von Gratz, dass der Ministerrat zustimmt, dass die
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Studienkommission über die Schulreform bestehend aus dem Minister
und 6 Personen in derselben Zusammensetzung wie er nach Schweden
gefahren ist, nun auch nach Niederlande fährt, ergab sich eine
Diskussion mit Kreisky. Kreisky hatte zwar bereits in der Vorbe-
sprechung darauf hingewiesen, dass man sehr restriktiv mit der Reise-
praxis in Zukunft vorgehen sollte. Jetzt erklärte er es auch für
das Protokoll im Ministerrat, weil er eine Anfrage der Oppositions-
parteien erwartet. Er meint, es wäre ungut, wenn alle Minister, die
grössere Gesetzentwürfe vorbereiten, mit den Regierungspartei-Ver-
tretern, aber auch mit den Oppositionsvertretern vom Parlament ge-
meinsam Studienreisen durchführen. Er erwartet, dass diese zwar
zustimmen und mitfahren, wie dies auch tatsächlich bei Gratz ge-
schehen ist, aber dann doch die Anfrage kommen wird, warum so viel
Geld ausgegeben wird, dass man ununterbrochen auf Reisen ist.
Abgesehen davon verspricht er sich keinerlei Erfolge, weil die Oppo-
sitionspartei nicht zustimmen wird. Dies trifft zumindestens seiner
Meinung nach für die ÖVP zu. Es ist nicht zu glauben, aber scheinbar
wird auch auf diesem hohen Forum nur immer wieder ein Problem gewälzt
wer fährt ins Ausland und wer bezahlt es. Überall dieselbe Situation
auf Kosten eines anderen zu reisen und dann allerdings die Gefahr
zu haben, von einem Dritten, der nicht mitfahren konnte, entsprechend
angegriffen zu werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ÖVP
tatsächlich so kleinlich ist und so tief absinken wird. Frühbauer
berichtete über die Strompreisregelung betreffend Ranshofen und
dem Verbund und vor allem über die Euro-Kontrolle. Wenn Österreich
nicht bald seine Forderungen dieser Institution überreicht, dann
können für die nächsten zwei Jahre keine Flugsicherungsgebühren von den
überfliegenden Flugzeugen eingehoben werden. Die österreichischen Flug-
zeuge müssen dagegen bei einigen Staaten diese bereits seit Jahren
zahlen. Kirchschläger hat vorgeschlagen, dass nun in Bukarest die
Verhandlungen mit China beginnen sollen um die diplomatische Aner-
kennung. Bukarest wurde deshalb gewählt, weil Ceausescu seinerzeit
beim Staatsbesuch erklärt hat, man sollte mit China zu einem besseren
Einvernehmen kommen. Die Chinesen betrachten Bukarest ausserdem als
ihren bedeutendsten Stützpunkt in Europa, ausser Albanien. Nun wird
wenn Österreich an Stelle von Bern, das ebenfalls zur Debatte gestanden
ist, nach Bukarest geht, doch die Möglichkeit haben, wenn die Ver-
handlungen ins Stocken geraten sollten, die Unterstützung und Ver-
mittlung von Ceausescu und den rumänischen Regierung in Anspruch
nehmen zu können. Da sich die Verhältnisse zwischen Rumänien und
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der Sowjetunion in der letzten Zeit ein bisschen entspannt haben, u.a.
ist ja auch Rumänien jetzt der COMECON-Bank beigetreten, kann angenommen
werden, dass die Sowjetunion nicht zu sehr verärgert ist. Die Amerikaner
können überhaupt dagegen nichts einwenden, da sie ja selbst nach Polen ge-
gangen sind, um mit den Chinesen ihre Probleme zu lösen. Kreisky selbst
teilte dann noch mit, dass er unverzüglich die Hauptversammlung des ORF
einberufen wird, wenn er als Eigentumsvertreter die Voraussetzungen dafür
vorfindet. Seiner Meinung nach stünde ihm der Prüfungsbericht bereits zu
dem Zeitpunkt zu zu dem ihn auch der Aufsichtsrat bekommt, währenddem Kranzl-
mayr auf dem Standpunkt steht, er hätte noch Zeit, ihm später zu über-
mitteln. Aber auch Courtoisie-Gründen wird er dem Bundeskanzler ein solches
Exemplar zur Verfügung stellen. Für mich ist dieser Rechtsstreit ziemlich
undurchsichtig und ich habe oft das Gefühl, dass sich hier Kreisky verbeisst
an formalrechtlichen Gründen, die letzten Endes weder im Streit um den
Generalintendanten Bacher ihm weiterhelfen noch überhaupt in der Öffentlich-
keit verstanden wird. Kreisky glaubt allerdings, dass der Fall Bacher ähnlich
sein wird wie der Fall des Landeshauptmannes von Niederösterreich, Müllner,
auch dort waren zuerst alle der Meinung, es lässt sich gegen diesen mächtigen
LH nichts ausrichten und in letzter Phase ist dann der Müllner-Skandal
daraus geworden.
Im Unterausschuss des Handelsausschusses über das KF-Gesetz ging es nachdem
ich später gekommen war, dann schleppend weiter. In den ersten 1 1/2 Stunden
wurden überhaupt nur wieder Grundsatzdebatte über ganz unbedeutende Nuancen
geführt. Die wichtigsten Probleme sind nach wie vor offen und es wird in
der Frühjahrssession weiter verhandelt werden.
Bei einem Essen der Nationalbank für McCracken, der Vorsitzende des Council
von Economic Advisers aus den USA, konnte ich mit Gen.Dir. Treichl über
die Acrylfaser-Produktion in Österreich sprechen. Treichl hatte nämlich
mir versprochen, es wird mit den Strings-Leuten, die Maschinen stillgelegte
Anlage an Lenzing verkaufen, beim Opernball reden. Er hat die Herren aber
nicht getroffen und ist nach wie vor sehr skeptisch, dass eine Acryl-Pro-
duktion mit 8,5 t Kostendeckend sein kann. Er meint deshalb, man wird in
einigen Jahren dann grössere Einheiten aufstellen müssen und sieht dann
keine Chance mehr diese Mengen am Weltmarkt unterzubringen. Im Inlandsmarkt
können wir seiner Meinung nach nur einen Bruchteil der Mengen absetzen,
die letzten Endes erzeugt werden müssen. Er fürchtet scheinbar für Lenzing
dieselbe Situation für Acrylfaser wie sie derzeit für Zellwolle besteht.
Mit Dr. Kienzl, den ich ebenfalls bei dem Essen traf, sprach ich
über die Berufung von Dr. Uher in die Creditanstalt.
Benya, von dem Kienzl immer sagt, er sei sein oberster Kriegsherr, ist
nach wie vor dafür, dass Schneider von der ÖCI auf diesen Posten kommt.
Kienzl ist aus sachlichen Überlegungen, aber auch aus dem Grund für Uher,
weil er ihn als besseren Mann, darüber hinaus aber auch für die National-
bank für zielführender auf diesem Posten sehen möchte, konnte aber Benya
bis jetzt nicht von seiner Meinung abbringen.
Anschliessend an die Sektionsleiterbesprechung überreichte mit Sekt.Chef
Jagoda, in Anwesenheit von Frau Min.Rat Mache, den Entwurf der neuen
Gewerbeordnung. Ich werde diesen Sallinger und Mussil kurzfristig zur
Verfügung stellen, bevor ich ihn offiziell zur Begutachtung freigebe.
Sallinger und Mussil können dann nicht sagen, dass ich nicht mehr Verein-
barung mit ihnen eingehalten habe. Koppe meint allerdings, dass wir vor
der Präsidentenwahl noch in die Öffentlichkeit damit gehen müssen. Wir
werden deshalb eine Pressekonferenz versehen. Im letzten Moment entdeckte
ich, dass in diesem Entwurf noch die alte Regelung bezüglich der landwirt-
schaftlichen Genossenschaften drinnen ist. In diesem Fall wären einem
Grossteil der landw. Genossenschaften, wie das auch im Entwurf von Mitterer
gewesen ist, aus der Gewerbeordnung ausgenommen. Ich schlug deshalb Jagoda
vor, in diesem Entwurf alle Genossenschaften der Gewerbeordnung zu unter-
werfen. Ich bin mir vollkommen klar, dass dann im Begutachtungsverfahren
die tatsächlichen reinen Genossenschaften, wie z.B. Almgenossenschaften,
oder Genossenschaften, die sich einen Gnmeindestier halten, usw., also
kleinere auf dem Markt kaum in Erscheinung tretende Genossenschaften
selbstverständlich herausreklamiert werden. Mit dieser Regelung werden dann
die richtigen Proportionen gesetzt und die Landwirtschaft kann als Erfolg
vermelden, dass die wenigstens die von mir sowieso nicht beabsichtigten
kleinen Genossenschaften aus der Gewerbeordnung herausgebracht hat.
Bei der Eröffnung des Pensionistenheims Erdberg, wo ich als Bezirksobmann
der SPÖ teilnehmen musste, ist mir aufgefallen, dass es verhältnismässig
sehr aufwendig gebaut wurde. Für 250 Betten betrug der Aufwand 60 Mill. S.
Bei der Besichtigung allerdings konnte ich dann feststellen, dass es wirklich
ein Haus ist, das zukunftsweisend gebaut wurde. Z.B. wurde der Trakt, wo
ältere Leute, die Pflege notwendig haben, fast spitalsmässige Verhältnisse
vorfinden, mit modernsten Einrichtungen ausgestattete Badezimmer, hydrauli-
sche Hebebühnen usw. vorfinden. Am meisten beeindruckt hat mich aber bei
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Besichtigung der schon bezogenen Wohnungen, wie sehr kulturell hoch-
stehende Leute in diese jetzt eingezogen sind. Man sieht, da sich
die älteren Leute ja ihre Möbel mitbringen, Bilder in grosser Anzahl
aber nicht Fotographien, sondern wirklich Gemälde und man sieht eine
hohe Wohnkultur, wie ich sie nicht erwartet hätte. Sicherlich wird man
uns nur die besseren Wohnungen gezeigt haben, ich war aber doch sehr
überrascht.
Im Bezirksvorstand und schon vorher mit Sekretärin Tischler diskutierten
wir über die Bezirkszeitung, die wir jetzt herausbringen werden. Die
finanzielle Sicherstellung war verhältnismässig, wie ich glaube, leichter
zu erreichen, mit Hilfe von Inseraten von Firmen, die letzten Endes natür-
lich ein gutes Einvernehmen mit mir haben wollen, konnten die finanziellen
Fragen leicht gelöst werden. Die Schwierigkeit wird aber sein, wer diese
Zeitung macht. Koppe, der dafür ausersehen ist, wird sich sehr anstrengen
müssen. Die Hauptfrage ist dann überhaupt, wie eine solche Zeitung gestal-
tet werden soll. Soll sie von den Landstrassern wirklich gelesen werden,
dann muss sie vielleicht ein bisschen höheres Niveau als die Kronenzeitung
haben, aber natürlich auf die Tratsch-Geschichten und die spezifischen
Landstrasser Probleme eingehen. Koppe müsste sich jetzt ein paar Redak-
teure, die zumindestens Recherchen für ihn machen in der Landstrasse
anheuern. Ich schlug Tischler vor, sie möge sich umschauen, ob wir den
einen oder anderen dafür auftreiben können. Aus dem Landstrasser Heimat-
museum müsste es möglich sein, einen oder anderen Redakteur zu finden, der
bereit ist, hier mitzuarbeiten. Nachdem wir die finanzielle Frage überwunden
haben, bin ich allerdings überzeugt, dass wir auch die wesentlich
schwierigere. nämlich die Gestaltung der Zeitung zustande bringen werden.
Tagesprogramm, 9.3.1971
Tagesordnung 44. Ministerratssitzung, 9.3.1971
Nachtrag TO 44. Ministerratssitzung, 9.3.1971
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)