Mittwoch, 10. März 1971
In der Klubsitzung berichtete Pittermann, dass es nicht möglich war,
zwischen der Herbstsession und der Frühjahrssession einige Unter-
ausschüsse permanent zu erklären. Nur die Untesuchungsausschüsse,
der eine für den Flugzeugankauf und der andere für die Ausschrei-
bung des UNIDO-Projektes wurde permanent erklärt. Die ÖVP lehnte
es ab, den Unterausschuss des Justizausschusses über die Strafrechts-
reform als auch den Wunsch von Frau Wissenschaftsminister über
die Unterrichtsfragen während der sessionsfreien Zeit arbeiten zu
lassen. Ich hatte mich erst gar nicht bemüht, den Unterausschuss
für das Kraftfahrgesetz ebenfalls als permanent erklären zu lassen.
Ich machte Hobl aber darauf aufmerksam, dass wir doch schauen
müssten, in der Frühjahrssession über die Runde zu kommen. Er
ist überzeugt, dass dies möglich ist. Er sieht den Grund der langen
bisherigen Verhandlungen darin, weil jetzt noch das Ministerium
zur Regierungsvorlage so viele ergänzende Vorschläge ausgearbeitet
hat. Er glaubt also keinesfalls, dass die langend Diskussionsbeiträge
die hauptsächlich er liefert, der Grund dieses langsamen Fortschrei-
tens der Verhandlungen ist.
Kreisky berichtete wieder über die Rundfunkangelegenheit. Er stellte
fest, dass Tull nicht der offizielle Vertreter der Sozialistischen Partei
bei der Bewerbung um den Generalindentantenposten gewesen ist, son-
dern Tull sich selbst nur angetragen hat, ohne dass ein Fraktionsbe-
schluss zur Unterstützung zustande gekommen ist, ja nicht einmal ver-
sucht wurde. Kranzlmayr, der Vorsitzende des Aufsichtsrates des ORF,
hat nach Mitteilung Kreiskys zwei Unwahrheiten im Aufsichtsrat gesagt:
Er meinte, dass Kreisky akzeptiert hat seine Vorgangsweise, obwohl
Kreisky ihm mitgeteilt hat, nur bis die Entscheidung über die Rechts-
auffassung – eine gegensätzliche zwischen Kranzlmayr und Kreisky
würde er die Rechtspraxis des ORF akzeptieren. Jetzt seien alle Gutach-
ten zugunsten Kreiskys Auffassung ausgefallen. Zweitens hätte Kranzl-
mayr die Behauptung aufgestellt, dass ein Prüfbericht, welcher die
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung überprüft sollte,
erst nach Behandlung im Aufsichtsrat dem Eigentümer gegeben werde.
Ein Brief von Kranzlmayr sagt, dass er den Bericht erst übermit-
telt, wenn er gehörig überprüft wird. Kreisky ist nun der Meinung,
dass er diesen Bericht sofort kriegen müsste. Dieser Prüfungsbe-
richt spielt bereits im Parlament eine Rolle, da er im Rechnungs-
hofausschuss bereits debattiert wurde. Die derzeitigen Revisoren,
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welche die seinerzeitige Gesellschaftsversammlung bestellt hat,
haben allerdings wichtige Punkte nicht entsprechende gewürdigt.
So sollen u.a. Verträge zuerst als nicht existent bezeichnet worden
sein, die dann doch gefunden wurden. Ausserdem sollen Ansätze von
100.000 S im Budget z.B. im Anhängeverfahren dann auf etliche Millionen
ausgedehnt worden sein. Spielfilme, die 30–40.000 S kosten und als
solche auch zuerst programmiert waren, wurden dann in gemeinsame Pro-
duktionen Kooperationen mit den deutschen Fernsehanstalten umgewandelt
und kosteten ein Vielfaches der budgetierten und vorgesehenen Summen,
Es gibt nach Auffassung Kreiskys 6–8 offene Punkte, die die Revisoren
nicht gehörig untersucht haben. Insbesondere sollen Belege von Ange-
stellten, die vorgelegt wurden, und die Geschäftsführung belasten,
ignoriert worden sein. Tull, der Sprecher im Rechnungshofausschuss,
erklärte, dass die Untersuchungen bis jetzt nicht sehr grosse Mög-
lichkeiten eines Angriffes gegeben haben. Die Unterstützung, die er
und die anderen Genossen von den Rundfunkangestellten bekommen haben,
seien sehr schwach gewesen. Z.B. sei der Techniker Skalar mit seinen
Behauptungen, die dann von Tull aufgenommen wurden, nicht durchge-
kommen. Bacher konnte sie alle entkräften. Was die Frage der Unter-
lagenvernichtung betrifft, so wurde auch im Rechnungshofbericht die
Donau Kraftwerke diesbezüglich angegriffen. Der Vertreter der SPÖ
im Vorstand Böhmer soll etliche Unterlagen vernichtet haben.
LH Krainer hat – wie er mir erzählte bei einigen Ministern – vorge-
sprochen. Ich hatte zuerst angenommen, dass er nur allein die Be-
sprechungen bestreitet, doch konnte ich anschliessend feststellen,
dass er mit einigen Herren der Landesregeirung, u.a. auch mit
Sebastian bei den anderen Ministern gewesen ist. Nur bei mir war
er allein erschienen. Sein Hauptanliegen war, ob ich gegen die Errich-
tung der Raffinerie in Lannach sei. Ich erklärte ihm die Vorgangsweise,
wie es zu den Entwicklung gekommen ist und er bestätigte mir, dass
ich absolut korrekt gehandelt habe. Er meinte nur, dass er nicht ver-
stehen könnte, dass wenn auch ich den Ölgesellschaften gesagt habe,
dass 2,3 Mill. t Durchsatz zu gering seien, sie trotzdem diese Grössen-
ordnung nur für Lannach auch zu dem Zeitpunkt vor einem Jahr noch
in Aussicht genommen hatten. Da ich ihm Mitteilung gemacht hatte,
dass ich jetzt abwarten müsste, bis der von mir geforderte Versorgungs-
und Produktionsplan von Rohöl und Erdölderivaten vorliegt, bat er mich,
ihm diese Ziffern dann zur Verfügung zu stellen. Ich akzeptierte dies
sofort, ersuchte ihn aber, dass er mir ebenfalls die Untersuchungen der
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steirischen Landesregierungen über die Eisen-Stahl-Produktion
in der Steiermark zur Verfügung stellen soll. Er sagte
dies unverzüglich zu. Ich schnitt bei dieser Gelegenheit selbst-
verständlich die Frage des steirischen Kohlenbergbaues an. Ich
verwies einleitend, dass die Politiker in Oberösterreich sehr
gehässig über die Politik des Handelsministeriums gegenüber den
steirischen Kohlenbergwerken sprechen. Ich erklärte, dass sie
scheinbar sehr ungehalten seien, dass doch ein grösserer Teil
der Bergbauförderung in die Steiermark fliesst. Krainer meinte,
dass wenn Köflach in 15 Jahren ca. auch ausgekohlt sein wird, es
für die Steiermark von grösster Bedeutung ist, entsprechende zu-
sätzliche Produktionsbetriebe dort zu haben. Er ist sich selbst
darüber vollkommen klar, dass bezüglich Fohnsdorf und Pöflingsbergler was geschehen muss, und zwar in unmittelbarer Zukunft.
Ich erklärte ihm, dass ich nicht einen Kohlenbergbau stillegen
werde, ohne dass entsprechende Beschlüsse von den dafür zustän-
digen Vorständen resp. Aufsichtsräten gefasst sind. Ebenso würde
ich erst zu diesem Zeitpunkt erst mit der Landesregierung in ent-
sprechende Verhandlungen eintritt. Er ist auch der Meinung, dass
die dafür zuständigen Stellen, d. sind die Vorstände und Aufsichts-
räte solche Beschlüsse zu fassen haben. Er teilt aber meine Forde-
rung, dass ich bereits jetzt wissen muss, was am Tage ist, das heisst
bei Stillegung des Betriebes geschehen wird. Ich werde versuchen
zu erforschen, warum er gerade zu mir allein gekommen ist. Wenn der
Versorgungsplan der Ölfirmen über die Ölversorgung vorliegt, oder
vielleicht bei einer früheren besseren Gelegenheit, werde ich die
Aussprache, die ich heute mit ihm geführt habe, schriftlich be-
stätigen und eine Durchschrift Sebastian zur Verfügung stellen.
ANMERKUNG für KOPPE: Bitte, einen Grund suchen. Vielleicht ist es
zielführend die Verfassungs- bzw. Verwaltungsbeschwerde als Anlass
zu nehmen.
Da die ÖVP in Baden für Donnerstag und Freitag eine Klubtagung
einberufen hat, wurde in Aussicht genommen, die Sitzung verhältnis-
mässig kurz zu halten. Ich vertrat den Finanzminister während des
Bewertungsgesetzes auf der Regierungsbank, deshalb kam ich zu spät
zum Mittagessen des BK mit dem finnischen Aussenminister Leskinen. Mit
Wielandner, dem Ordner, der jetzt Weikhart, der erkrankt ist, ver-
trat, wurde vereinbart, dass er uns unverzüglich anrufen sollte,
wenn es zu Abstimmungen kommt. Nachdem Kreisky seine Tischrede
gehalten hatte, meinte er zu mir, jetzt könnte ja gegebenenfalls
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der reitenden Bote erscheinen, der uns ins Parlament zurückruft.
Tatsächlich wurden wir während der Mehlspeise, ich zumindestens war
noch nicht fertig, aufgescheucht. Ich hatte mit Lanc vereinbart,
dass er solange reden wird, bis wir vom BKA im Sitzungssaal waren.
Zu meiner grössten Verwunderung betraten wir das Couloir und ich
musste feststellen, dass bereits eine riesige Aufregung herrschte.
Ich konnte mir nicht erklären, dass Lanc sich nicht an die Vereinbarung
gehalten hätte und solange bis wir die 5 oder 10 Minuten vom BKA
herübergekommen wären. Ich Wirklichkeit stellte sich dann heraus,
dass ganz etwas anderes passiert war. Präsident Maleta hat – bevor wir
in diese Verhandlungen eintraten, es handelte sich um den Familien-
lastenausgleich – d.h. um die Freifahrt der Schüler zur Schule –
das Haus gefragt, ob nach § 19 der GO die zweite Lesung vorgenommen
werden soll, oder ob es einem anderen Ausschuss zugewiesen wird. Da
Wielandner sagte, hat dieses Croquis, d.h. die Redeunterlage des
Präsidenten, ziemlich wortwörtlich immer verlesen wird, nicht gehabt,
Pittermann, der im Saal anwesend war, aber auch nicht mitgekommen ist,
blieben alle sitzen, nur Prader stand auf, allerdings aus Versehen.
Mit dieser Entscheidung war eine zweite Lesung nicht mehr möglich
und daher auch keine Beschlussfassung über diesen Tagesordnungspunkt.
Andererseits aber wieder hat der Präsident aus Verwirrung nachher nicht
mehr erklärt, dass er diese Vorlage einem Ausschuss zusendet und ging
in der Tagesordnung weiter. Da nun kein Klub aber wollte, dass auf diese
Art und Weise die Vorlage erledigt war, wurde die Sitzung für eine halbe
Stunde unterbrochen. Im Laufe der Präsidentenbesprechung, d.h. der
Präsidialsitzung stellte sich dann heraus, dass Broesigke wieder einen
Rechtsstandpunkt vertrat, der ein Einrenken kaum möglich machte. Es
wurde deshalb stundenlange verhandelt und erst um 8 Uhr die Sitzung
fortgesetzt. In der Präsidialsitzung wurden immer die verschiedensten
Variationen, wie man eine Wiederaufnahme des Punktes auf die Tages-
ordung erreichen könnte, ventiliert. Für mich nur eine Bestätigung,
dass wenn man im Haus eine so schwache Mehrheit, angeblich hätte die
FPÖ nur mit 4 Abgeordneten dafür gestimmt, zwei wären auf alle Fälle
bei dieser Regelung sitzengeblieben, hat, dann wird – wenn es noch
dazu Geschäftsordnungswidrigkeiten gibt, eine Verhandlungsführung resp.
Verabschiedung fast unmöglich. Meine Auffassung ist es seit jeher,
wenn man erst mit der Geschäftsordnung zu operieren beginnt, ob dies
in der Bundesregierung, im Nationalrat oder in einer sonstigen Körper-
schaft ist, ja selbst in einem Verein, dann ist etwas faul in dieser Or-
ganisation und es muss früher oder später zu einem Bruch kommen. Ich
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bin mir vollkommen klar, dass man eine Geschäftsordnung haben muss,
glaube aber, dass wer wirklich nur mit der Geschäftsordnung Geschäfte
führt, nicht nur ein armer Hund ist, sondern früher oder später tatsäch-
lich scheitern muss.
Androsch erzählte mir, dass Voska vom Profil bei ihm war, um ihn zu
interviewen, wer eigentlich die wirtschaftliche Koordination in der
Regierung durchführt, ob er, Veselsky oder ich. Androsch antwortete wirk-
lich sehr geschickt und auch wahrheitsgemäss, dass uns beide so tiefe
menschliche Sympathien binden, dass wir über diese Frage eigentlich
noch niemals diskutiert haben, aber auch noch keinerlei Differenzen gehabt
haben. Wir würden daher gemeinsam alle diese Probleme ohne viele grosse
Koordinationssitzungen in Angriff nehmen und auch lösen. Betreffend die
Frage, wieso oder was Veselsky dazu beiträgt. sagte er, dass Veselsky als
Mann im Bundeskanzleramt natürlich den Bundeskanzler in der wirtschaft-
lichen Koordination unterstützt, aber doch hauptsächlich mit dem grossen
Problem der verstaatlichten Industrie beschäftigt ist.
Sallinger und Mussil habe ich den Entwurf der Gewerbeordnung – wie vereinbart -
überreicht. Da es vier starke Ordner gewesen sind und bei dieser Gelegenheit
Mitterer und Withalm mich gehen sahen, meinten sie, der schleppt die
ganzen Akte des Ministeriums herum. Sallinger machte sogar noch die
Bemerkung, vielleicht zum Verbrennen? Ich konnte allerdings diese
Wiedergabe mit keinerlei sachlichen Diskussionen mehr verbinden, da sie
bereits zu einer Klubsitzung wegen der Unterbrechung gerufen wurden.
Ich hatte nur vorher mit Mussil bereits gesprochen und ihn ersucht, dass
er doch auf alle Fälle den Unterausschuss, den der Handelsausschuss ein-
setzen wird, als Vorsitzender führen wird. Bei Sallinger meinte ich nach-
her, ich erwarte von ihm die Unterstützung, dass er Mussil beauftragt,
eine solche Arbeit auf sich zu nehmen, da Mussil mir vorher zugesichert
hat, er würde dies gegebenenfalls tun, hat jetzt Sallinger bestätigt,
dass jetzt auch er der Meinung ist, dass nur Mussil einen solchen Vor-
sitz dort führen kann. Kostroun habe ich von dieser Vorgangsweise d.h.
dass ich jetzt die Gewerbeordnung fertig habe, verständigt und ersucht,
er möge jetzt von seiner Seite aus vorschlagen, mit wem wir Verbindung
aufnehmen sollten. Ich nehme nämlich an, dass ihm die Handelskammer kaum
die Unterlagen zur Verfügung stellen wird. Er ersuchte, dass wir mit Swoboda,
dem Zentralsekretär des Freien Wirtschaftsverbandes, Kontakt aufnehmen sol-
len. Swoboda ist – wie er mir versicherte – der einzige, der sich mit
dieser Materie beschäftigt hat und der über sehr grosses Detailwissen
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verfügt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte mit Swoboda und Jagoda über dieses
Problem sprechen und die zweckmässigste Verbindungslösung vor-
schlagen.
Ich selbst will deshalb noch nicht in Erscheinung treten, damit
die Bundeskammer nicht sagen kann, ich hätte ausser ihnen auch
noch andere etwas über unsere Arbeit im Detail gesagt. Ich nehme
allerdings an, dass sie dies sowieso vermuten werden. Die Frage
wird ja nur sein, wer als erstes die Vertraulichkeit in diesem
Punkt brechen wird. Wenn möglich wäre es sehr gut, wenn dies
nicht von unserer Seite geschehen würde.
Tagesprogramm, 10.3.1971