Freitag, 26. Feber 1971
Direktor Kloimstein von der Austria Tabakregie intervenierte für
sich den freigewordenen Vorstandsposten. Derzeit sind vier Bewerber
Ing. Koma, eine Elektromann aus NÖ, von der Tabakregie Ing. Werdnich
aus Hainburg, Dr. Marek, der derzeitige Leiter der chem.-physik.
Abteilung und ZBO LAbg. Seeböck. Kloimstein möchte am liebsten,
dass Dr. Marek als unpolitischer und parteiloser den Vorstandsposten
kriegen, er meint, dann würde in starkem Masse in der Tabakregie
in dieser Gruppe ein Eindruck über die unparteiliche zweckmässige Be-
setzung der Vorstandsposten entstehen. Ich teile diese Meinung deshalb
nicht ganz, weil ich nicht sicher bin, ob man nicht wirklich, wenn
man schon von der Tabakregie jemanden nimmt, doch andere Gesichts-
punkte walten lassen müsste. Er teilte gleichzeitig mir mit, dass
bis jetzt in der Tabakregie die ÖVP ungeheuerliche Geldmengen ihren
Organisationen zugeführt hat. 1969 wurde 640.000 und 1970 740.000 S
Subvention an christliche Vereine als Spenden gegeben, die mit der
Tabakregie oder mit den Produktion der Tabakregie überhaupt nichts
zu tun hatten. Andererseits wurde von den beiden Vorstandsmitgliedern
Musil und Kielmansegg verhindert, dass ein Inserat im Österreich-
Spiegel, das immerhin 2,8 Mill. Auflage hat, mit 500.000 S vergeben
wird. Diese Österreich-Spiegel-Ausgabe dient zur Werbung von Bundes-
präsidentenkandidaten Jonas.
Dr. Rauter vom Konsumverband überbrachte mir einen Brief, den der
Konsumverband an das Parteipräsidium geschrieben hat und sich be-
schwert, dass die Genossenschaftsnovelle noch immer nicht im Parlament
eingebracht wurde. Schmidt, der Leiter des Konsumverbandes, glaubt mit
einer schnellen Erledigung dieser Forderung, Ausdehnung auf das Nicht-
mitgliedergeschäft unter Kapitalbeteiligung der Genossenschaften
an Kapitalgesellschaften den Konsumgenossenschaften einen Dienst
zu erweisen. In Wirklichkeit wird mit dieser Regelung insbesondere
den landwirtschaftlichen Genossenschaften weitere Vorteile zugeschanzt.
Ich habe ihn deshalb mit Sekt.Chef Jagoda zusammengebracht, damit er
die Meinung des Hauses im Detail erfährt. Die Genossenschaftsbewe-
gung steht noch immer sehr stark unter der Führung von Gen.Dir. Korp,
der schon jahrelang in Pension ist, aber natürlich noch über die Zen-
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tralkasse der Genossenschaften ziemlich starken Einfluss auf die
Genossenschaftsbewegung nimmt. Das Spannungsverhältnis zwischen
Korp und Sagmeister ist nach wie vor gegeben, ja verstärkt sich
zusehends. Korp will nun endgültig alle seine Funktionen angeblich
zurücklegen und sich nicht mehr bitten lassen, sie neuerdings zu
übernehmen. Andererseits aber ist mehr als fraglich, ob Sagmeister
jetzt in seine Funktionen eintreten wird. Die Spannung zwischen der
mächtigsten Konsumgenossenschaft, der KGW, und den anderen Genossen-
schaften, die sich im Konsumverband niederschlägt, ist damit wieder
nicht beseitigt.
Min.Rat Peschke hat das Aluminium-Projekt Ranshofen zum Studium
übernommen und mir berichtet. Peschke ist ein reiner Techniker
und betrachtet daher alle diese Probleme vom rein technischen Stand-
punkt. Auf meine Frage, was er zur Wirtschaftlichkeit zu sagen hat,
antwortete er sofort, das habe ich nicht überprüft. Nach einer Rück-
sprache mit Wanke mussten wir feststellen, dass wir wahrscheinlich im
Hause fast niemanden um nicht zu sagen überhaupt niemanden haben, der
die wirtschaftliche Seite auch nur annähernd überprüfen kann. Peschke
meinte dann beim Hinausgehen, er würde ja jetzt sowieso mehrere Leute
noch bekommen und die Kooperationen würden bei ihm konzentriert sein.
Die entsprechenden Akten hat er aber von den einzelnen Abteilungen noch
nicht bekommen. Seine grösste Sorge ist also Kompetenzerweiterung
und Personalaufstockung. Über dieses Problem hatte ich auch mit
Schipper und Böhm und Heindl sowie Wanke eine Diskussion. Herger,
der Abteilungsleiter für die Maschinenkommission, hat mit einem Teil
seiner Untergebenen ununterbrochen Streit, der sogar zu einer Ehren-
beleidigungsklage geführt hat. Böhm versucht deshalb, wie er ausein-
andersetzt, im Interesse eines besseren Betriebsklimas die notwen-
digen Versetzungen im Einvernehmen mit den Beteiligten, aber auch
im wohlverstandenen Interesse von Herger durchzuführen. Herger nun
fühlt sich benachteiligt und sieht seine Kompetenzen dahinschwinden.
Peschke will nun auch Dipl.Ing. Lährm von Herger bekommen und hat
deshalb auf die Versetzung angespielt. Als ich erklärte, es müssten hier
noch einige Probleme gelöst werden, hat er sofort die Antwort gegeben,
die anhängige Untersuchung von Lährm sei doch sowieso zu keinem Er-
gebnis gekommen. Scheinbar dürften strengst vertrauliche Untersuchun-
gen im Hause genauso bekannt sein, als ob sie offen geführt worden
wären.
Die Mitgliederversammlung des Instituts für Gesellschaftspolitik,
wo Wanke für den wissenschaftlichen Beirat und ich für den journa-
listischen Beirat berichten musste, ging mit einer leichten Kritik
von Altenburger an den journalistischen Beirat, d.h. an den Facts,
das sind die Aussendungen, die die Arbeiterkammer und der Gewerk-
schaftsbund über das Institut machen, und mit einer Kritik von
Ing. Margulies, dass er zu wenig, d.h. die Mitglieder des Beirates
viel zu wenig an den wissenschaftlichen Tätigkeiten teilnehmen kön-
nen, glatt über die Bühne. Benya meinte nur, dass vielleicht im
Rahmen der Facts zuviel neue Probleme aufgeworfen werden. Er sagte,
solange sich die Arbeiterkammer mit ihren Aussendungen im Rahmen
der Beschlüsse des ÖGB, sei es des Kongresses, des Bundesvorstandes
oder der Arbeiterkammervollversammlungen hält, sei dagegen nichts
einzuwenden. Nur wenn neue Probleme aufkommen, müssten sie zuerst
in den Gremien grundsätzlich behandelt und beschlossen werden.
Vor der Sitzung nützte ich die Gelegenheit, um Benya zu bitten,
dass er in der Angelegenheit Grünwald mehr Verständnis hat, als
dies scheinbar die derzeitige Arbeiterkammer aufwenden will. Benya
erklärte sofort, dass wenn Grünwald zu welchen Zeitpunkt immer
wieder in die Kammer zurückkommt, er alle seine Benefizien dann
wieder vorfinden wird. Er betrachtet die Beurlaubung Grünwald als
genau dieselbe Regelung wie sie bis jetzt bei allen anderen ge-
troffen wurde. Ist allerdings so wie ich der Meinung, dass Grün-
wald, da er sehr tüchtig ist, gar nicht mehr in die Kammer zurück-
kommen wird. Falls die ÖIAG sich in irgendeiner Weise auflöst oder
Grünwald von dort weggehen will, er sofort eine entsprechende be-
zahlte Betätigung in einer grossen Unternehmung der verstaatlichten
Industrie angeboten bekommen wird.
Langer-Hansel und der zuständige Referent der ÖFVW wollten eine
Entscheidung über den Winter-Prospekt. Im Werbeausschuss hatten
sich die Ländervertreter insbesondere von Vorarlberg, Dr. Soom
und Salzburg, Dr. Manzano, gegen den Entwurf entschieden ausge-
sprochen. In dem neuen Winter-Prospekt, der vom Direktorium bereits
empfohlen wurde, hätten die einzelnen Skigebiete mit einer Landkarte
auf der linken Seite und die Bilder auf der rechten Seite charak-
terisiert werden sollen. Vorarlberg wehrt sich nun dagegen, weil
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das Vorarlberger Skigebiet in dem Fall auch auch Tirol übergreift
und umgekehrt. Salzburg wieder wollte anstelle von Landkarten
Panoramakarten. Langer-Hansel hatte nun ein, glaube ich, ganz ver-
nünftiges Kompromiss, das wir letzten Ende beschlossen haben. Ich
glaubte aber, es wäre zielführender, wenn man das nächste Mal
den Ländervertretern, wenn sie sich nicht einigen können, ganz ein-
fach erklärt, dann wir dieser Prospekt überhaupt nicht aufgelegt.
Wir würden uns Geld ersparen und die Länder hätten letzten Endes
den Schaden, allerdings auch die gesamtösterreichische Fremdenver-
kehrswirtschaft. Aus der von Langer-Hansel vorgeschlagenen Kompro-
misslösung entnehme ich, dass er vielleicht jetzt doch in Zukunft
mit den Ländern versuchen wird, einvernehmlich vorzugehen und
letzten Endes auch so zu entscheiden, dass sie nicht absolut dagegen
Stellung nehmen. Ich glaube nämlich, dass das Klima mehr von Be-
deutung ist, als gegebenenfalls ein Prospekt nach der einen oder an-
deren Richtung.
Komm.Rat Steidl, Dr. Widhalm, Dr. Zajicek von der BK wollten eine
Entscheidung über die Kokspreisregelung herbeiführen. Ich verwies
darauf, dass wir vereinbart hatten, dass vor dem 1. April keine Ent-
scheidung getroffen wird. Dr. Zajicek will, dass zu diesem Zeitpunkt
womöglich schon früher die Preisregelung für inländischen Koks auf-
gehoben wird. Dadurch würde der VÖEST-Koks teurer werden und die
Händler hätten die Chance ihren teuren, jetzt lagernden Koks ebenfalls
leichter zu verkaufen. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass das
Gremium, Dr. Widhalm die Absicht gehabt hätte, in die VÖEST-Er-
zeugerpreise 2 % Streckenhandelsspanne einzubauen, auf diese erhöhten
Preise wären dann die anderen Spannen unverändert perzentuell aufge-
schlagen worden, wie es der Gepflogenheit der Paritätischen Kommis-
sion entspricht.. Ich verwies Dr. Zajicek darauf, dass ich mit einer
Aufhebung der Preisregelung einverstanden bin, wenn die Paritätische
Kommission sich über die weitere Vorgangsweise einigt. Zajicek wird
deshalb mit Lachs vom ÖGB und Hruby von der AK Besprechungen aufneh-
men. Beide wehren sich angeblich sehr gegen eine Aufhebung der Preis-
regelung. Ich verwies Zajicek allerdings darauf, dass auch der Klein-
handel solange mit einer Preisregelung nicht nur einverstanden ist
sondern diese auch wünscht, solange nicht die Mehrwertsteuer in Kraft
ist. Erst zu diesem Zeitpunkt glaubt der Kleinhandel, dann die wett-
bewerbsneutrale Ausgangssituation gegenüber den grossen Importeuren
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insbesondere den ausländischen Kohlenvertretungen in Österreich
zu haben.
Dr. Kottulinsky von der Industriellenvereinigung trug mir die
Forderung der Glanzstoff St. Pölten, Gen.Direktor Homan, vor,
der eine Subvention der zu erwartenden Investitionskredite wünscht.
Die Glanzstoff muss, um konkurrenzfähig zu bleiben, in den nächsten
Jahren 100 Mill. S investieren und findet, dass 8,5 % Zinsen zu
hoch sind. Kottulinsky wollte nun wissen, ob es Möglichkeiten gibt,
Zinsverbilligungen durchzuführen. Ich verwies darauf, dass die einzige
Möglichkeit ein verbilligter ERP-Kredit mit 5 % Zinslasten sei.
Kottulinsky teilt meine Meinung, dass die Zinsverbilligung ein Unding
ist. Die Landwirte zahlen beim IAK 3 %, die Industrie bezahlt im ERP
5 %, die Gewerbebetriebe, sei es Fremdenverkehrsaktionen oder sonstige
kriegen entsprechende Zinsverbilligung durch die Bürges mit 3 %, daher
Zinssatz auch ungefähr 5 %, und so wird das Zinsgefüge zerstört. Wenn
ein Betrieb nicht imstande ist, die Zinsen herauszuwirtschaften, dann
muss an dem Betrieb etwas schlecht sein, resp. Investitionen, die dies
nicht erbringen, hätten eigentlich auf alle Fälle zu unterbleiben.
Scheinbar war aber der Vortrag von Kottulinsky in dieser Angelegenheit
nur ein Vorwand, um auf ein viel wichtigeres Problem zu sprechen zu
kommen. Kottulinsky wollte wissen, ob die Bundesregierung auf die
Aufforderung von Nemschak, dass irgendetwas jetzt geschehen müsste,
um die Konjunktur im Herbst zu erhalten, machen wird. Ich erwiderte
sofort, dass Nemschak hier aus Sensations- und Publicity-Gründen
solche Forderungen stellt. Er hat sich nämlich in Wirklichkeit im
Vorjahr über die Wirtschaftsprognose 1971 schwer geirrt und versucht
dies nun. durch solche Forderungen zu tarnen. Bekanntlich hat er eine
Abschwächung für das erste halbe Jahr 1971 angekündigt. Die im
zweiten Halbjahr nach seiner Theorie in eine Rezession münden müsste.
Kottulinsky und ich kamen sofort überein, dass in der jetzigen Phase
nichts zu machen ist, sondern die Bundesregierung mit dem Konjunktur-
ausgleichsbudget und der 15 %-igen Sperre der Ausgaben im ersten
Quartal das Möglichste getan hat und richtig entschieden hat. Kottu-
linsky teilt auch meine Meinung, dass Nemschak immer mehr Wirt-
schaftspolitik macht anstelle von Wirtschaftsforschung, der krasse-
ste Fall war ja sein Verbot, im Institut dass niemand gegen die EWG-
Anschlusspolitik, die er vertrat, auch nur wirtschaftstheoretische
und Wirtschaftsforschungsuntersuchungen anstellen durfte. Der wissen-
schaftliche Leiter und der bessere Mann im Institut ist zweifelsohne
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Dr. Seidel, wie wir übereinstimmend feststellten. Zuletzt erklärte
ich Kottulinsky die Schwierigkeiten bei der Bestellung eines Indu-
striellenvertreters im Antidumpingbeirat. Auf mein Ersuchen hatte
Schoeller, der Obmann der Industriesektion der Handelskammer und
guter Freund von Kottulinsky dieses Problem mit ihm bereits be-
sprochen und Kottulinsky hat auch mit Mussil die Frage geklärt.
Sie kamen überein, dass die Industriellenvereinigung zur Kenntnis
nimmt, wenn ich die Forderung auf einen Sitz der Industriellenverei-
nigung im Antidumpingbeirat ja in meinem Gesetzentwurf bereits
aufgenommen ist, wieder herausnehme.
zur Eröffnung der Reiseausstellung "Bunte weite Welt" im Österreich-
Haus wurde mit von dort ein schmalziges Manuskript als Redeunterlage
geliefert. Abgesehen davon, dass ich überhaupt keine Reden herunter-
lese, war dies vollkommen unbrauchbar. Ich habe überhaupt keinerlei
Informationen über die Ausstellung daraus entnehmen können. Ich
habe dann unter Anwesenheit von Mitterer, der zu der Ausstellung
zwar verspätet aber doch noch gekommen ist, vollkommen frei Ideen
entwickelt und als einziges Facts die Ergebnisse der IFES-Forschung
über die Urlaubsgewohnheiten der Österreicher zur Verfügung gehabt.
In jungen Jahren geht man aus Sozialprestige in die weite Welt und
in älteren Jahren bleibt man dann in Urlaubsorten, die einem gefallen
haben. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend musste ich meine ganze Rede
stützen. Trotzdem glaube ich, dass es mir ganz gut gelungen ist.
Nicht nur der Veranstalter war zufrieden, sondern während des Durch-
ganges kam eine Frau, die ich nicht kannte, aber die dort sehr bekannt
sein muss, erklärte, sie sei zwar eine Schwarze, aber diese Eröffnungs-
rede hätte ihr ganz besonders gut gefallen. Bei jedem Land bekam man
fast alkoholisches zu trinken und Mitterer, den ich an meiner Seite
immer wieder entsprechend ins Rampenlicht schob, machte den Fehler,
bei den ersten paar wirklich zu trinken. Dadurch kommt man zu einer
Mischung, die selbst ein Pferd nicht aushalten würde. Ich konnte
deshalb bis zuletzt alle angebotenen Getränke akzeptieren, da
ich sie nur zum Mund führte, und keinen Schluck hinuntertrank.
Die Andenken, die ich dort als Geschenk erhielt, habe ich der mich
begleitenden Sekretär, soweit sie sie haben wollte, gegeben. Mit
der Eröffnungsrede und solchen Methoden bringt , glaube ich, ganz ein
ganz guten Ruf "in die weite Welt".
Tagesprogramm, 26.2.1971