Donnerstag, 25. Feber 1971
Die Welser Messe hat eine Fachmesse Austro-Shop für drei Tage errich-
tet und mich ersucht, ich sollte die Eröffnung vornehmen. Ich hatte
zuerst irgendwie gehofft, dass ich dies nicht machen muss, dann
aber ging doch eine Zustimmung hinaus und letzten Endes musste ich
natürlich, nachdem die Karten schon gedruckt waren, daran teilnehmen
Ich war über die moderne Gestaltung sehr beeindruckt. Zum Unter-
schied von den Messen in Dornbirn, Innsbruck, aber teilweise auch
in Wien, ist diese Messe aufbauend auf einigen grossen Hallen
sehr übersichtlich und vor allem die Architekten waren dort
bemüht, wirklich eine moderne Raumgestaltung zu erreichen. Koppe
hatte mit der Messeleitung ein längeres Gespräch und erfuhr,
dass die Messeleitung selbst keinerlei Gebote oder Verbote ausge-
sprochen hat, sondern nur mit den einzelnen Ausstellern und deren
Architekten durch Kontakt und Diskussion erreicht hatte, dass ein
derartig einheitlicher fortschrittlicher Stil zu verzeichnen war.
Sowohl bei meiner Eröffnungsansprache als insbesondere nachher
beim Durchgang liess ich – wie man so sagt – den Wiener Schmäh
rennen, was man zweifelsohne von einem Minister eigentlich
nicht erwartet. Koppe, der sich in die Massen mischte, erklärte
mir nachher, dass dies angeblich sehr gut ankommt. Die meisten,
die mich ja doch nur vom Fernsehen oder Rundfunk kennen, sind
angeblich dann über diese Art sehr erstaunt und der positiv berührt.
So behauptet dies zumindestens Koppe. Ich bin allerdings nicht
ganz sicher, ob Fritz hier nicht zu wenig objektiv ist. Die
Funktionäre der Handelskammer von Wels Konsuls, Kommerzialräte
usw. hatten natürlich die Gelegenheit genützt, um einige Fragen
während des Rundganges oder des Essens an mich zu richten. Sie
waren über meine Auskünfte sehr befriedigt und ich konnte bei
dieser Gelegenheit gleich wieder darauf hinweisen, dass ich mich
sehr freuen würde, einmal z.B. in Oberösterreich bei der Vollver-
sammlung der Handelskammer oder bei einer Vorstandssitzung mit
ihnen die Probleme der Wirtschaft zu diskutieren. Vielleicht ge-
lingt es mir auf diese Weise in die Handelskammer einzubrechen.
Ich verwies allerdings objektiverweise darauf, dass insbesondere
Generalsekretär Mussil die Handelskammer als eine selbständige
Interessensvertretung betrachtet, die eine strenge Trennung zwi-
schen Ministerium und Handelskammer wünscht. Andererseits verwies
ich selbstverständlich darauf, dass ich ja doch auch bei der Voll-
versammlung der Bundeshandelskammer, wo ich Präsident Sallinger ver-
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eidigen konnte, das erste Mal ja doch schon Gelegenheit gehabt
habe, in diesem Gremium zu sprechen. Obwohl Wels nicht allzu weit
von Wien entfernt ist, war doch der ganze Vormittag und frühe Nach-
mittag verloren. Ich konnte deshalb die konstituierende Sitzung
der Raumordnungskonferenz nicht mitmachen. Kreisky hatte bei meiner
Entschuldigung beim letzten Ministerrat gemeint, ich sollte halt
an meiner Stelle einen hohen Beamten, er wollte sogar den höchstens
Beamten schicken. Ich konterte damals sofort, dass der von diesem
Problem überhaupt nichts versteht und ich viel lieber den dafür
zuständigen Beamten schicken würde. Kreisky akzeptierte ich diesen
Vorschlag, So kam Gehart Fritz in diese erlauchte Runde, es waren
ja nur Minister und Staatssekretäre sowie vor allem alle Landes-
hauptleute anwesend. Er berichtete mir am Abend, dass er vor allem
von der Kreisky'schen Methode sehr beeindruckt sei. Bei der einzigen
und ersten Sitzung des Ministerkomitees über Raumordnungsfragen war
das Papier, welches Veselsky ausgearbeitet hatte mit der Sektion V
noch nicht vorliegend. Kreisky hatte damals uns mitgeteilt, dass
dies eine ganz hervorragende Arbeitsunterlage sei und er sie uns
zuschicken wird. Ich habe mir dieses Papier nicht im einzelnen ange-
sehen, da ich ja wusste, dass ich an dieser Raumordnungskonferenz
nicht teilnehmen werde, sondern sofort Gehart schicken lassen. Gehart
berichtet nun, dass Kreisky als er erschien sofort ein Konzept ent-
wickelte, das wesentlich anders war als der Vorschlag, der in dem
Papier drinnenstand. Die Landeshauptleute waren bass erstaunt, denn
sie hatten sich vorbereitet, dass sie dieses Papier doch in wesent-
lichen Punkten sehr zerpflücken würden. Angeblich war es für ihre
Bedürfnisse überhaupt nicht geeignet. Kreisky ging sofort auf diese
Kritik ein und entwickelte, wie Gehart erklärte, ungeheuer schnell
improvisierend und sehr überzeugend ein Konzept, das auch wirklich Hand
und Fuss hat. Ich muss zugeben, dass ich von dieser Methode und Art
sehr begeistert bin, da sie auch meinem Stil weitestgehend entspricht,
Grünwald, der zufällig anwesend war und Wanke allerdings meinen,
dass auf die Dauer eine solche systemlose und nur auf Improvisation
aufgebaute Arbeit nicht zielführend sein kann. Was sie meinen, ist,
dass dringendst notwendig wäre, dass Kreisky auch einen Stab sich schafft,
der letzten Endes eine gewisse Stabsarbeit leisten müsste, auch die
dann Kreisky improvisierend und mit seiner Art erklärend aufbauen
könnte. Grünwald wird als Generalsekretär der ÖIAG Möglichkeiten haben,
diese seine Gedanken auch zu verwirklichen. Dort wird Kreisky wenn er
eine solche Stabsarbeit leistet und dazu ist er ausersehen und auch
fähig, dies hoffentlich sehr zu schätzen wissen. Es gibt allerdings
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Freunde von ihm, die meinen, er könnte beim besten Willen
nicht auf eine solche Stabsarbeit zurückgreifen, weil er nicht
imstande ist, einen solchen Stab auch tatsächlich beizulegen.
Ich glaube, er ist eine zu starke Persönlichkeit, die eben ununter-
brochen jeden einzelnen in jeder kleinsten Phase seinen Willen auf-
zwingen will, wenn er das auch nicht mit aller Gewalt macht sondern
– allerdings graduiert, mit wem er es zu tun hat – sehr geschickt
versteht zu tarnen, so ist natürlich für eine andere Persönlichkeit
dann in seiner Umgebung kaum noch Platz. Ich kenne allerdings nie-
manden, weder von seinen Freunden noch von seinen Gegnern und die
müssen nicht unbedingt gerade im Lager der ÖVP sein, die nicht anerken-
ne, dass er eine faszinierende Persönlichkeit ist, der imstande ist,
solange es aufwärts geht wahrscheinlich alle diese grundsätzlichen
Schwierigkeiten doch zu überspringen. Aber vielleicht bin auch ich
in diesem Punkt nicht objektiv, weil meine Frau – eine Verehrerin
von ihm – ich sage immer, sie ist sein grösster Fan – mich natürlich
in diesem Punkt auch sicherlich indirekt beeinflusst. Auf alle
Fälle bin ich aber sehr froh, dass ich – als damals die Diskussion
geführt wurde, ob als Nachfolger Pittermanns man nicht Czettel
nehmen sollte, doch auch richtig entschieden hab und immer für
Kreisky plädierte. In meiner damaligen Funktion war das allerdings
nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Im Konsumentenbeirat hat Welser eine sehr geschickte Art zu agieren.
Er versteht erstens eine sehr konzentrierte Berichterstattung und
geht auf alle Argumente eventueller Einwände sehr geschickt ein.
Er verhandelt allerdings vielleicht noch ein bisschen sehr hart, d.h.
er versucht, seine Meinung noch sehr dezidiert durchzudrücken. Auch
hier wird er sicher im Laufe der Zeit sehr geschmeidig werden und
dann glaube ich, ist er wirklich ein sehr wertvoller Mitarbeiter,
der imstande ist, Widerstände oder Bedenken der Handelskammer auszu-
räumen. Ich fürchte allerdings, dass er als Managertyp wahrscheinlich
früher oder später einen Tätigkeitsbereich ausserhalb des Ministerium
finden wird und uns dann früher oder später sicherlich verlassen wird
Er erkannte auch, dass der Besuch dieser Veranstaltung, d.h. der jour
fixe unseres Konsumentenbeirates sehr an Interesse verlieren wird,
weshalb er erstens über ein Problem, nämlich die Werbung eine
grosse Diskussion abführen wollte und zweitens sogar den Vor-
schlag mir machte, ob man nicht die März-Sitzung entfallen lassen
sollte. Da wir unmittelbar eine Konsumentenforum-Veranstaltung
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für diesen Termin vorgesehen hatten, hofften wir, dass die Bundes-
kammer vielleicht auf die Beiratssitzung verzichten würde. Zu
meiner grössten Verwunderung bestand gerade sie darauf, dass vor dem
Forum noch einmal der Beirat zusammentreten sollte, da in diesem
Beirat, wie sich Dr. Veselsky ausdrückte doch immer eine sehr um-
fangreiche und zielführend Information aller Mitglieder über die
Tätigkeit der Arbeitsgruppen erfolgt.
Veselsky beschwerte sich und war sehr aufgeregt, dass die APA eine
Meldung über die Aussprache von Landesregierung OÖ und WTK mit
Veselsky und mir erschienen ist, die nicht den Tatsachen entsprochen
hat. Veselsky meinte, dies sei auf die Falsche Information des Handels-
ministerium zurückzuführen. Puffler erklärte mir aber, dass der Redak-
teur der APA, Kohlmann, eine entsprechende falsche Zusammenstellung
der Ziffern gebracht hatte, die er telefonisch von ihm erfahren hat.
Koppe war an dieser Mitteilung überhaupt nicht beteiligt, obwohl
Veselsky vermutet, dass er letzten Endes diesen Salat verursacht hat.
Wenn jemand so viel Unsinn schon in der Öffentlichkeitsarbeit gemacht
hat und so oft angeeckt ist, wie Veselsky, würde ich an seiner Stelle
einen solchen faux pas nicht so stark herausstreichen und mich vor
allem nicht so aufregen wie er das zumindestens am Telefon getan hat.
Eine Lehre allerdings habe ich aus diesem Vorkommnis gezogen, dass
man, wenn eine so grosse Delegation offiziell bei einem Minister vor-
spricht, man dann unbedingt ein offiziellen Kommunique verlautbaren
muss. Nur so kann man verhindern, dass derartige Missverständnisse ent-
stehen können.
Dr. Grünwald wollte mit mir noch einmal sein Problem, nämlich das
Ausscheiden aus der Arbeiterkammer und die Anstellung bei der ÖIAG
besprechen. Er hatte sich seinerzeit mit Recht schon bei mir beschwert,
dass die Arbeiterkammer ihn schlechter behandeln möchte als dies z.B.
für Jolly Riedl, der in die NEWAG seinerzeit gegangen ist, geschehen
ist. Damals hatte ich, da Riedl zwar ein ÖVP-ler aber ein sehr guter
Kollege gewesen ist, ihm versprochen, dass ich mich einsetzen werde,
um solange wie möglich den Posten freihalten werde, damit wenn er in
dieser Schlangengrube, wie ich sie damals bezeichnete nicht durchkommt,
er jederzeit wieder in die Arbeiterkammer zurückkommen könnte. Er
hat deshalb auch letzten Endes auf meine starke Intervention gegen
Karenz der Gebühren eine einjährige Beurlaubung erhalten. Grünwald
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wollte man jetzt nur ein halbes Jahr geben. Ich versprach ihm,
dass ich unter diesen Umständen sowohl mit Benya als auch mit
Hrdlitschka reden würde, um auf die Unmöglichkeit dieses Vor-
gehens hinzuweisen. In der Zwischenzeit hat er es sich allerdings
richten können, dass auch er ein Jahr jetzt auf alle Fälle Karenz-
urlaub kriegen wird. Ich versicherte Grünwald, dass ich ja nicht
weiss, wann ich wieder in die Arbeiterkammer zurückkommen werde,
aber wann immer das sein wird, werde ich wenn Ossi jemals wieder
von der ÖIAG weg will, dafür sorgen, dass er mit all seinen Rechten
wieder in die Arbeiterkammer zurückkommen kann. Ich versicherte
ihm aber gleichzeitig, dass ich überzeugt bin, dass dies nie
mehr der Fall sein wird. Wenn die Leute ihn kennenlernen werden
und er hat ja dort Chancen mit der Schwerindustrie und mit der chemi-
schen Industrie usw. in Verbindung zu kommen, dann werden diese
Manager, wenn er nur die Absicht hat, von der ÖIAG wegzugehen,
ihn sicherlich sofort einen entsprechenden Posten anbieten. Fest
steht ausserdem, dass wenn er sich mit Geist einigermassen versteht,
er dort entsprechende Wirkungsmöglichkeit haben wird. Kreisky hat
mir mitgeteilt, er beabsichtigt auf alle Fälle, wenn Franc im näch-
sten Jahr in Pension geht, Grünwald als Vorstandsmitglied in der
ÖIAG zu installieren. Geist ist nicht einmal noch in der ÖIAG ein-
gezogen und schon beginnen dort scheinbar Intrigenspiele. So
behauptete Zentralsekretär der Chemiearbeiter Teschl, dass ein
gewisser Dr. Kirchweger von der ÖIAG ihm gegenüber versichert hat,
dass er bei einer Aussprache zufällig anwesend war oder dies gehört
hat: Geist hätte Fröhlich und Drkal, beide sind Vorstandsmitglieder
der ÖVP, versichert, dass er niemals gegen sie eine Entscheidung tref-
fen wird, sondern immer im engsten Einvernehmen mit ihnen vorgehen
wird. Er hat sich sozusagen von vorneherein verpflichtet, sein
Dirimierungsrecht als Vorstandsvorsitzender nicht zu gebrauchen.
Kreisky war über diese Mitteilung in der Fraktion der soz. Gewerk-
schafter sehr ungehalten und hat auch sehr heftig repliziert. Er
meinte, es wäre viel zielführender gewesen, wenn Dr. Kirchweger
nicht ein Gutachten der ÖIAG zum Betriebsrätegesetz an den Sozial-
minister geschickt hätte, wofür er weder zuständig sei, noch eigent-
lich in diesem Punkt um seine Meinung gefragt wurde.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, den Namen des Mannes von der ÖIAG klären
und die Stellungnahme zum Betriebsrätegesetz von Häuser oder über
Ossi Grünwald von der ÖIAG zu organisieren.
TAgesprogramm, 25.2.1971