Mittwoch, der 17. Februar 1971

04-0207

Mittwoch, 17. Feber 1971

Wichtigstes Ereignis: Gehart Fritz seine Frau hat ein längst über-
fälliges Töchterlein bekommen. Er war merklich nervös bis jetzt
und dies konnte ich sogar feststellen, als das Material für die
Fragestunde vorbereitet wurde. In der Sektionsleiterbesprechung er-
suchte ich deshalb neuerdings, dass mir die Sektionen nicht irrsinnig
lange Epistel schreiben, sondern dass ich ausschliesslich stichwort-
artig die Probleme dargestellt haben will. Insbesondere brauche ich
nur die Tatsache und das Ziffernmaterial. Wenn ich mich mit diesem
Anfragebeantwortungsentwurf, der zeitgerecht allerdings dem Büro
zugeleitet werden muss, nicht auskenne, werde ich sowieso den be-
treffenden Referenten zu einem Informationsgespräch zu mir bitten.

Im Parlament haben sich die Sicherheitsmassnahmen so ausgewirkt,
dass man jetzt nicht einmal mehr mit seinem eigenen Sekretär im
Couloir arbeiten kann. Die Anordnung ist meiner Meinung nach ganz
sinnlos, denn wenn jemand ein Attentat auf einen Abgeordneten vor
hat, dann muss er nicht gerade im Couloir oder im Sitzungssaal
ein solches verüben. Innerhalb des Hauses aber kann er sich ohne
weiteres mit Hilfe eines Besuchsscheines bewegen.

Flemmer war vom Moskau zurückgekommen und hatte dort für seine Firma
Briko die neuen Kokspreise verhandelt. Er teilte mir mit, dass es
ihm gelungen ist, den Donez-Koks mit 203.10 am Wiener Platz mit den
Russen zu vereinbaren. Dies bedeutet eine Reduktion des 50-$-Preises
auf 43,88 $. Der Linzer Hüttenkoks wird sich seiner Meinung nach,
wenn der Antrag so wie Linz ihn stellt genehmigt wird, auf 201.80 S
= 45.94 $ stellen. Der Preis für die BRD – also Ruhr AG-Koks – würde
130 DM derzeit + 8 % für die Lohnerhöhungen – Die Lohnerhöhungen wurden
in der BRD mit 15 % abgeschlossen + Erhöhungen der DM-Fracht von 27.20
auf 28.– sich auf ca. 47 $ umgerechnet stellen. Ich erklärte, dass
ich diesen Preis als noch zu hoch betrachte, denn im Vorjahr wurde der
Donez-Koks um 35 $ im Durchschnitt an die Gaskoks – Löw geliefert. Es
war dies am Anfang ein Preis von 27.– $, der sich dann bis zum Jahres-
ende auf 43 $ erhöht hat. Flemmer erklärte, dass solange die Regierung,
d.h. ich nicht einen höheren Kokspreis für Linz genehmige – derzeit
beträgt er bekanntlich 167.20 S pro mq, stehen alle Importeure – wie
er es ausgedrückt hat – im Eck.



04-0208

Mit Hintermayer von der Verbund, Frühbauer als Energieminister,
Veselsky, hatte ich eine Aussprache wegen Angeboten des Kernkraft-
werkprojektes und wegen der Strompreise für die Aluminiumwerke
in Ranshofen. Die Behauptung, dass der Strom aus den Donaukraft-
werken billiger kommt, ist nicht aufrechtzuerhalten. Die gesamte
Bausumme wird 4,3 Milliarden Schilling betragen und 24,5 Groschen
für die kWh, ohne Eigenkapital. Die Kernkraftangebote sind derzeit
so, dass die ASEA wahrscheinlich ausscheiden muss, da nicht sicher
ist, ob sie, überhaupt ihre Kernkraftproduktion auf lange Sicht
fortsetzen wird. Die Westinghouse-Gruppe hat sich nicht bereit er-
klärt, die österreichischen Sicherheitsbestimmungen zu akzeptieren.
Nur mehr als dritter und letzter Anbieter bleibt die Siemens-Elin-
Gruppe, die sich zur KWU zusammengeschlossen haben und wo ein
Siedewasserreaktor für 684 kW also die doppelte Leistung vom
Donaukraftwerk, auf 5,2 Milliarden Schilling zu stehen kommt.
Mit den Brennstoffkosten würde die kWh im ersten Jahr 22,8 und
im 20. Jahr 18,7 betragen. Richtig ist allerdings, dass das techni-
sche Risiko für einen Stillstand des Werkes bei Atomkraftstrom natür-
lich wesentlich grösser, unendlich grösser ist als bei den Donaukraft-
werken. Hintermayer weist auch noch darauf hin, dass die Anbieter be-
züglich des Atomkraftwerkes nicht bereit waren, eine Garantie
über eine längere Produktion als im ersten Jahr von 4.400 Stunden
und im zweiten und dritten Jahr von 4.800 Stunden zu übernehmen.
Ab dem vierten Jahr wird überhaupt keine Garantie mehr geleistet.
Da nun aber der Bedarf mindestens für 5.800 Stunden für den Winter
und die Übergangszeit angenommen wird, so ergibt sich hier ein
weiteres Risiko. Dies ist allerdings eine reine Geldfrage, denn
nach Hintermayers Auskunft würde selbst wenn das Atomkraftwerk
überhaupt nicht gebaut wird, in den nächsten Jahren keinerlei
Knappheitsproblem entstehen. Mit Hilfe der zwar alten Dampf-
kraftwerke könnte er jederzeit den Spitzenstrombedarf befriedigen.
Allerdings werden die neuen Kraftwerke, wie z.B. Korneuburg
nur 2.000 Kalorien für die kWh an Brennstoff benötigen, während
die alten Werke bis zu 3.000 Kalorien pro kWh brauchen. Die Öl-
kraftwerke würden bei der Produktion ca. auf denselben kWh-Preis
nämlich 22.8 Groschen pro kWh kalkulieren. Das Hauptproblem
sicher aber Frühbauer darin, dass die Landesgesellschaften jetzt
sehr verärgert sind. Erstens glaube sie, dass die Verbund, resp.
die Bundesregierung, das seinerzeitige Arrangement zwischen Ver-
bundgesellschaft und Landesgesellschaften über die Koordinierung


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wieder in die Luft sprengen wollen. Damals hatte sich der Bund verpflich-
tet, die Verbundgesellschaft dazu zu zwingen und er hat es dann auch
getan, dass er 50:50 mit den Landesgesellschaften ein Gemeinschafts-
kraftwerk errichtet. Dieses Gemeinschaftskraftwerk soll eben das Atom-
kraftwerk werden. Dadurch haben sich die Länder dann zu Koordinations-
abkommen bereiterklärt. In diesen Koordinationsabkommen wurde bestimmt,
dass jede Gesellschaft einen gewissen Verbundstrom in Zukunft auf alle
Fälle abnehmen wird. Die Verbundgesellschaft hat dann wieder den Landes-
gesellschaften Gebietsschutz gegeben, d.h. die Verteilung bleibt jetzt
(des Stromes) auf alle Fälle bei den Landesgesellschaften. Ausgenommen
sind nur die bereits bestehenden grossen chemischen Werke, die einen
entsprechend verbilligten Strom von der Verbund direkt beziehen, resp.
die Grossindustrie wie die ÖMV, die Alpine, die ÖBB und Schoeller-Bleck-
mann, die VÖEST bezieht über die OKA, Böhler bezieht über die STEWEAG
aber ist auch noch als Grossindustrie zu rechnen. Ein weiterer Beschluss
der Koordinationsabkommen war, dass die Strompreisregelung nur bei
einvernehmlich beantragt werden kann. Das Ganze wurde ausserdem noch
mit einem Ausbauprogramm für die nächsten 5 Jahre verbunden und soll
immer wieder ergänzt werden. Wenn die Länder ihre Drohung wahrmachen,
dass sie aus dem Koordinierungsabkommen aussteigen, bedeutet dies den
Krieg zwischen Verbund und Ländern. Deshalb wird Frühbauer versuchen,
zuerst fraktionell, dann aber mit den Landesvertretern gemeinsam eine
Lösung zu erreichen. Beabsichtigt ist, gegebenenfalls die ganze Problema-
tik der Errichtung des Kernkraftwerkes auf zwei Jahre, wenn es geht,
hinauszuschieben und Altenwörth vorzuziehen. Wenn Ottensheim im März 1973
spätestens fertig ist, dann müssten die grossen Baumaschinen und die
ganzen Baustäbe wieder eingemottet werden, um dann in einem späteren
Zeitpunkt mit Altenwörth erst zu beginnen. Wenn man sich mit den Landes-
gesellschaften einigen kann, dann könnte unmittelbar an März 1973 sofort
Altenwörth angeschlossen werden. Vielleicht wird dies sogar schon früher
möglich sein, da Ottensheim infolge des milden Winters einen guten Bau-
fortschritt hat. Betreffend des Strompreises für Aluminium, der bekannt-
lich 19.75 derzeit beträgt, die Alu-Werke wünschen aber 16,5 Groschen
habe ich -ohne Einzelberechnungen anzustellen – vorgeschlagen, es sollte
sich Hintermayer am besten mit ca. 18 Groschen pro kWh abfinden. Hintermayer war dafür nicht zu haben, andererseits aber erklärte Veselsky,
dass auch er nicht bereit ist, die 18 Groschen gegenüber den Alu-Werken
zu vertreten. Ranshofen hat mit 16,5 Groschen gerechnet und er glaubt,
dies sei der höchste Preis, der von ihnen bezahlt werden kann. Ich frage
mich allerdings, wer dann die Differenz bezahlen soll. Androsch hat mit


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Recht bereits seinerzeit bei den ersten Besprechungen ganz ent-
schieden abgelehnt.

Bauer, den ich durch Zufall im Parlament traf, teilte mir mit,
dass jetzt die Koordinierung innerhalb der ÖVP viel besser funktio-
niert als in der Zeit der Alleinregierung. Sie hätten sich z.B.
jetzt über ein neues Lebensmittelgesetz – Entwurf geeinigt, dieser
würde in einiger Zeit sogar in einer Pressekonferenz vorgelegt werden.
Es handelt sich um einen sehr modernen Entwurf, der zeigt, dass sich
der ÖAAB innerhalb der ÖVP durchsetzt. Ich informierte unverzüglich
Häuser, ohne natürlich meinen Informanten namentlich zu nennen.
Häuser selbst glaubt allerdings nicht an diese Mitteilung.

04_0206_05

Tagesprogramm, 17.2.1971




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Finanzminister
    GND ID: 118503049


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Fa. Briko, Kohleimporteur für BP


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ehem. GD Verbund
          GND ID: 117712558


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: GD ÖMV


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 12254711X


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Fa. Gaskoks; evtl. "Loew", evtl. Falschidentifikation


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                  GND ID: 12053536X


                  Einträge mit Erwähnung: