Freitag, der 29. Jänner 1971

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Freitag, 29. Jänner 1971

Direktor Wirnschimmel von den Illkraftwerken war der erste Elek-
trizitätsvorstand, der sich offiziell bei mir vorstellte. Genosse
Wirnschimmel glaube ich hat das Bedürfnis gehabt, bereits jetzt
seinen neuen obersten Minister sozusagen die Aufwartung zu machen.
Ich hatte angenommen, dass er bei der Ökonomischen Konferenz dabei
sein wird, zu meiner grössten Verwunderung aber habe ich ihn dort
gar nicht gesehen. Obwohl viele Elektrizitätsleute anwesend waren.
Die Vorbesprechung zu dieser Konferenz gab keine neuen Gesichts-
punkte, ausser dass fast alle ein sehr schlechtes Gefühl hatten.
Kreisky kam sehr zu spät und wir konnten deshalb kaum über diese
Problematik diskutieren. Alle waren allerdings der Meinung, dass
es das nächste Mal besser vorbereitet gehört. Ich selbst hatte
auch für mein Referat, ich musste immerhin für 3 Minister referie-
ren, ein sehr ungutes Gefühl. Da ich bereits um 4 Uhr früh munter
war, hatte ich Gelegenheit, mir die ganze Materie noch einmal durch
den Kopf gehen zu lassen. Veselsky liess sich von der Kollegin
Worel begleiten, die allerdings an der Vorbesprechung nicht teil-
nehmen konnte. Alle schlugen Kreisky bei der Vorbesprechung vor,
dass man sich das nächste Mal besser darauf vorbereiten müsste.
Es ist zwar richtig, wenn Kreisky konterte, dass ja die Konferenz
bereits sehr Wochen feststand, der genau Termin wurde wirklich
innerhalb von nicht ganz 10 Tagen fixiert. Ich glaube allerdings,
dass auch eine längere Vorbereitung der Konferenz nicht ein anderes
Ergebnis gebracht hätte. Wir kamen ja bereits in der Vorbesprechung
überein, dass nicht neue Arbeitsgruppe oder neue Aufforderungen,
Probleme zu untersuchen, gestellt werden sollten, Durch eine solche
Vorgangsweise hätte die Öffentlichkeit und insbesondere die ÖVP
erklären können, dass wir doch nicht so gut auf die Regierungsge-
schäfte vorbereitet sind. Bei der Konferenz wurde Benya von Kreisky
als einziger besonders begrüsst. Ich habe dies als nicht sehr ziel-
führend empfunden. Sicher ist der Gewerkschaftsbund eine mächtige
Organisation und der Präsident als Fraktionsführer auch der
sozialistischen Gewerkschafter kann bei einer solchen Konferenz
begrüsst werden. Aber in der jetzigen Phase ist das glaube ich
nicht sehr günstig. Ausserdem hätte er dann zumindestens müssen
die Organisation des FWV und des Arbeitsbauernbundes als die poli-
tischen Träger von Wirtschaftsgruppen innerhalb der soz. Partei
ebenfalls begrüsst werden. Die Minister referierten so ungefähr


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20 Minuten, ist selbst habe, da ich für 3 Minister zu referieren hatte,
27 Minuten gebraucht, Häuser, der nur über die Arbeitsmarktproblematik
ein Kurzreferat halten sollte, kam immerhin auf 26 Minuten. Interessanter-
weise hat Kreisky Veselsky gar nicht aufgefordert, zu referieren, son-
dern in seinen Begrüssungsworten über die ERP-Vergabe und über die
Raumplanungskonferenz selbst gesprochen. In der Diskussion meldete
sich als ziemlich einer der ersten Kienzl und strich ebenfalls sofort
heraus, dass die Arbeit der Regierung zu hektisch sei und zu viel auf
einmal angepackt werde. Zu diesem Zeitpunkt war aber Benya, der nach
den Referaten gleich wegging, bereits abwesend. Trotzdem kann ich immer
wieder feststellen, dass Kienzl Benya in jeder Phase Schützenhilfe gibt
ich nehme nämlich nicht an, dass er beabsichtigte, damit entsprechend
herausgestrichen zu werden. In der Mittagspause hatte ich Gelegenheit
mit den Firmen VÖEST, Wiener Brückenbau und SGP zu reden. Ich hatte
nämlich bei meinem Besuch in der Lobau in Erfahrung bringen können,
dass die ÖMV unter einem furchtbaren Lieferrückstand von insbesondere
SGP leidet und damit den Bladformern nicht zeitgerecht fertigstellen
kann. Die Genossen versprachen mir, alles daran zu setzen, um so
schnell wie möglich die versäumte Zeit nachzuholen, d.h. zumindestens
jetzt alles daran zu setzen, um die Bestandteile für den Bladformern
zu liefern. Feichtinger und Meszaros, die an dieser Aussprache teil-
nahmen, werden in der nächsten Zeit, insbesondere Feichtinger, der dafür
verantwortlich ist, versuchen, mit den Firmen ein entsprechendes
Arrangement zu treffen. Die einzelnen Genossen hatten den Eindruck
und sagten es mir auch, dass sie dafür Verständnis haben, dass ich
mich so dahinterklemme, da ich ja doch wahrscheinlich versprochen
habe, so schnell wie möglich bleifreies Benzin zu liefern. Es ist
richtig, dass diese Bleifreiheit des Benzin vom Bladformer abhängt
und ich erklärt habe, dass dass entsprechende bleiärmere Benzine auf
den Markt kommen müssen. Ich habe aber niemals einen Termin gesagt,
sondern die ÖMV hat nur gemeint, dass sie mit 1.7. den Bladformern in
Betrieb nehmen kann. Heute weiss ich, dass dieser Termin niemals ein-
gehalten werden wird. Ich selbst bin aber in dieser Beziehung viel
weniger belastet als die Firmenvertreter in dem Fall geglaubt haben.
Die Presse war sehr sehr schlecht bei der Konferenz vertreten. Deshalb
konnte es passieren, dass z.B. der Express dann berichtete, dass
Minister Weihs über das und jenes referiert hat. Weihs aber bekannt-
licherweise in Berlin bei der Grünen Woche. Ich glaube auch, dass
die organisatorischen Vorbereitungen sehr mangelhaft waren. Z.B. hat mir
Kienzl mitgeteilt, dass man vergessen hat sowohl Korp als auch Rauscher


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zur Konferenz einzuladen. Beim Mittagessen kam es zu einem
beachtlichen Ausspruch Veselskys. Ich hatte mich auf einen leeren
Sessel gesetzt und er kam zurück und die anderen sagten mir, hier
sitzt Ernst Eugen, ich wollte zwar natürlich ihn dann sofort
seinen Sessel abtreten, da sagt er, nein, nein, bleib nur sitzen,
es ist ja nicht das erste Mal, dass Du auf meinem Sessel sitzt.
Alle anderen waren genauso erstaunt wie ich und es stellte sich
dann heraus, dass er damit meinte, dass er als Handelsminister
ja vorgesehen gewesen sei. Da ich über diese Verhältnisse nicht
genau informiert war und Firnberg am selben Tisch sass, erklärte
ich auf eine diesbezügliche Bemerkung, dass Hertha ja genau wissen
müsste, wie es gewesen ist. Sie selbst sagte, sie wüsste gar nichts,
obwohl sie natürlich im Präsidium über diese Frage diskutiert haben
müssen. Ich konterte deshalb und sagte, ich weiss aber, dass sowohl
Waldbrunner als auch Benya dafür eingetreten sind, dass ich nicht
Landwirtschaftsminister werde. Ich müsste deshalb als irgendein
Handelsminister verdrängt haben. Ich könnte mir sehr gut vorstellen,
dass vielleicht wirklich Kreisky vorgesehen hat, dass Veselsky
Handelsminister wird. In dieser Phase hat Firnberg das nicht mehr
abgestritten, sondern nur erklärt, dass die Besprechungen als
vertraulich gegolten haben und sie deshalb bisher geschwiegen
hat. Ich kann mir nicht sehr gut vorstellen, dass man nach 9 Monaten
etwas als vertraulich behandeln kann und soll. Veselsky dürfe also
über den Verhandlungsverlauf sehr genau informiert gewesen sein. Ich
kann ihm daher nachfühlen, dass er jetzt das Gefühl hat, wenn er
Handelsminister wäre, müsste er nicht mit den Schwierigkeiten, die
sich zwischen ihm und Kreisky ergeben, fertig werden, denn dann wäre
er als selbständiger Minister nicht so in unmittelbarem Schuss- und
Beziehungsfeld mit Kreisky wie derzeit als sein Staatssekretär. Auch
bei der Ökonomischen Konferenz hatte er ja doch zuerst bei den
ganzen Vorbesprechungen immer erklärt und sicherlich mit Zustimmung
Kreiskys, dass er über die und die Probleme referieren wird, und
dann hat er nicht die Möglichkeit gehabt, hier wirklich aufzu-
treten. Allerdings hat ihm dann als Ausgleich scheinbar Kreisky
eine Erklärung im Fernsehen abgeben lassen. Ein Staatssekretär
hat ein sehr schwieriges Arbeitsgebiet, weniger allerdings wegen
sachlicher Fragen als wegen der Kooperationsverhältnissen zu
seinem Minister.



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Im Fernsehen diskutierten Kreisky, Androsch und ich mit ORF-Team.
Als Leiter der Sendung wurde extra aus Brüssel der Korrespondent
Klaus Emmerich sowie Dr. Werner Nußbaum und Erich Weis, die Dis-
kussion sollte sich über die Löhne und Preise, wirtschaftliche
Situation aber insbesondere dann 2/3 über die zukünftige Wirtschafts-
politik und über die konkreten Massnahmen, die die österreichische
Bundesregierung für zukünftige wirtschaftspolitische Probleme in
Angriff genommen hat, erstrecken. Ausgangsbasis sollte letzten Endes
vor allem auch die Ökonomische Konferenz sein. Wir verhedderten,
wie nicht anders zu erwarten, natürlich die grösste Preis uns in die
Preisproblematik und konnten entsprechend auf die Angriffe und
Wünsche der Diskussionsteilnehmer vom ORF parieren und reagieren. Ob
dies allerdings angekommen ist, kann man ja nie beurteilen. Sicher
ist nur, dass meine Mitteilung, dass man in Wien um 1.65 S/kg Koks
in genügender Menge kriegen könnte, veranlasste in der Nacht zwei
Teilnehmer anzurufen und zu fragen, wo sie solchen Koks bekommen können.
Ich verwies sie auf die Gaskoks-Vertriebs GesmbH. Da ich mich ja
noch mittags davon überzeugen konnte, dass die VÖEST wirklich Schwie-
rigkeiten hat, um ihre 1000 t Koks täglich abzusetzen, obwohl sie
den billigsten Kokspreis derzeit in Österreich hat.

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Tagesprogramm, 29.1.1971


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: ORF


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      Tätigkeit: ORF [so nicht zu finden; ev. Erich Weiss, oder könnte Gerhard Weis gemeint sein?]


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        Tätigkeit: GD GÖC


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          Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
          GND ID: 11869104X


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            Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
            GND ID: 119083906


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                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                GND ID: 130620351


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                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                    GND ID: 119100339


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                      Tätigkeit: Dir. Illwerke


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                        Tätigkeit: MR LWM


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                          Tätigkeit: ÖMV
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                            Tätigkeit: Bundeskanzler
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                                  Tätigkeit: ehem. Sts. (SPÖ), Leiter Öst. Gesellsch.- u. Wirtsch.museum bis 1972


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                                    Tätigkeit: ORF


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