Freitag, 15. Jänner 1971
Der Obmann der Bundessektion Gewerbe, Komm.Rat Walzer und der Syndikus
Dr. Schick brachten mir die vom Institut für Gewerbeforschung, Prof.
Heinrich, ausgearbeiteten Unterlagen. Ein flüchtiger Überblick zeigte,
dass Heinrich in Wirklichkeit nur Statistisches Material aufgearbeitet
hat. Er hat Material auch aus der nichtlandwirtschaftlichen Betriebs-
zählung vom Jahre 1964, das bis jetzt vom Statistischen Zentralamt
nicht veröffentlicht wurde, in dieser Publikation verwendet. Walzer
strich hervor, dass er mit dieser Arbeit nicht beabsichtige, einen
Art Gewerbebericht vorzulegen, um daraus wie beim Grünen Bericht jetzt
Subventionen für das Gewerbe aus dem Staat herauszuschinden. Seiner
Meinung nach müsste nur doch in Hinkunft mehr für die Gewerbefragen
Verständnis gezeigt werden. Er glaubt, dass diese Arbeit Ergänzung mit
der Arbeit, die derzeit im Wirtschaftsbeirat im Auftrag ist, ein umfas-
sender Bericht über die gewerbliche Situation in Österreich erstellt
wird. Ich bedankte mich für die Übergabe und ersuchte gleich, ob man
mir nicht mehrere Berichte geben könnte, da ja alle Sektionen und die
Grundsatzabteilung mit diesem Problem beschäftigt sind. Bei dieser Ge-
legenheit erfuhr ich, dass das Institut, obwohl es von uns 500.000 S
Subvention auf 1970 noch von Mitterer, bekommen hat, nicht einmal den
Ausdruck dieses Berichtes übernommen hat, sondern dieser Bericht von
der Bundeskammer gedruckt wird und nur 130 Exemplare zur Verfügung
stehen. Die Gewerbesektion hat nur eine Kurzfassung gemacht, die
natürlich in grösserer Anzahl zur Verfügung gestellt werden kann,
allerdings für eine konkrete Arbeit vollkommen ungeeignet ist. Zwei
weitere Forderung hat mir Walzer gleich mitgeteilt. Die erste ist,
dass bei den Mehrwertsteuerverhandlungen die Dienstleistungsbetriebe,
er denkt dabei sicher an die Friseure, eine entsprechende Steuerer-
mässigung bekommen müssten. Zweitens sei die Steuerpauschalierung für die
24.000 Betriebe, wovon seiner Meinung nach nur ca. 5 % Drei-Mann-Betriebe
sind, zwischen Finanzministerium und Bundeskammer einvernehmlich ge-
regelt worden. Die Arbeiterkammer erhebt nun gegen diese Regelung Ein-
spruch und er bittet mich, ob ich nicht intervenieren könnte.
ANMERKUNG für Wanke: Bitte veranlassen, dass die einvernehmliche Rege-
lung von Lejolle geprüft von uns wird und dann mit die Unterlagen für
Verhandlungen mit der AK geben.
Die erste Besprechung mit den Finanzlandesreferenten finden nicht wie
Gleißner beabsichtigt hat und die letzte Finanzlandesreferentenkonferenz
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auch tatsächlich beschloss, mit nur 4 Vertretern der Bundesländer
sondern mit allen Landesfinanzreferenten oder deren beamteten Ver-
tretern statt. Ich habe gegen diese Ausdehnung nichts einzuwenden,
da es besser ist, es sind alle Finanzreferenten anwesend und wir
kommen zu einem Ergebnis, als es werden nur in einem kleinen Kreis
Ergebnisse erzielt, die dann von den anderen nicht akzeptiert werden.
Die Besprechung zeigt vollkommene Übereinstimmung zwischen den
Finanzlandesreferenten und mir. Solange es sich um die Verbalen
und vor allem um allgemeine Aussagen handelt, gibt es keine wie
immer gearteten Differenzen. Die Förderungsaktionen, sowohl für
Fremdenverkehr als auch für die gewerbliche Wirtschaft in Form
von Zinsenzuschüssen soll synchronisiert werden. Die Landeskredit-
gesellschaften für Bundeshaftungen, resp. Landeshaftungen sollen
ergänzt werden, ohne dass der Bund oder die Bundesstellen, die
eingerichtet werden, die ausschliesslich die schlechten Risken
übernehmen sollen. Die Ländervertreter erhoffen, dass es mir ge-
lingt, Androsch davon zu überzeugen, dass diese Gesellschaften, die
den Gemeinnnützigkeitsstatus bekommen und dadurch keine Körperschafts-
steuer bezahlen müssen. Ich habe am Nachmittag Androsch vorgeschlagen,
dass man für die spezifische Tätigkeit der ländlichen Kreditgarantie-
gemeinschaften gegebenenfalls die Gemeinnützigkeit im Gesetz sta-
tuieren könnte. Da für die 500 Mill. S Bundeshaftung auf alle Fälle
ein Gesetz gemacht werden muss, wäre eine dortige Gemeinnützigkeits-
regelung für die spezifischen Zwecke möglich. Androsch wird diese
Anregung von mir wohlwollend prüfen. Die Länder werden über die Auf-
teilung der 500.000 S Zweckzuschüsse der an die Länder auf Grund
des Finanzausgleichsgesetzes heuer bestrebt sein, Fremdenverkehrs-
einrichtungen wie Bäder, Kureinrichtungen usw. damit zu fördern.
Sie kommen überein, dass der Schlüssel, den sie im Vorjahr zur
Verteilung angewendet haben, nämlich Hälfte Bevölkerung Hälfte
Fläche auch in Zukunft beibehalten wird solange der Betrag 500.000 S
nicht überesteigt. Die Reorganisationsmassnahmen betreffend der
österr. Fremdenverkehrswerbung werden von den Finanzreferenten
positiv und sehr gut zur Kenntnis genommen. Meine Anregung, dass
in Hinkunft der Aufbringungsschlüssel 74 % Bund, 13 % Länder, 13 %
Bundeshandelskammer nicht akzeptiert werden kann, stösst auf
keinen Widerstand. Die Ländervertreter verlangen nur, dass die ÖFVW
alle Bundesländer berücksichtigt und sie sehen ein, dass sie in Hin-
kunft einen grösseren perzentuellen Aufbringungsschlüs-
sel werden akzeptieren müssen. Nach Durchführung der Reorganisation
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bin ich überzeugt davon, wird es mir gelingen, hier eine Verbesserung
für den Bund herauszuholen.
Im Parteivorstand wird berichtet, dass Marek an die Spitze des grossen
Staatsbürgerkomitees treten wird, um den Bundespräsidenten Jonas zur Wieder-
wahl zu unterstützen. Das Komitee soll hauptsächlich Künstler und Wissen-
schaftler umfassen. Heindl, der sich mit diesem Problem sehr eingehend be-
reits beschäftigt hat, und auch bemüht hat, mit Fritz Muliar gemeinsam
Künstler zu aktivieren, sagt allerdings, dass zum Unterschied vom letzten
Mal, wo man sich für Marek in diesem Kreis sehr eingesetzt hat, jetzt eine
sehr grosse Zurückhaltung besteht. Ausser diesem grossen Staatsbürger-
komitee werden noch alle sozialistischen Bürgermeister am 17. März zu
einer grossen Tagung zusammentreten, um den Bundespräsidenten Jonas zu
unterstützen. Diese Bürgermeisterkonferenz wird sich aus allen Landes-
hauptstädte-Bürgermeistern, für Eisenstadt und Innsbruck dessen Stellver-
treter, zusammensetzen und alle anderen Bürgermister in Österreich auch noch
umfassen. Man hofft mit diesem Staatsbürgerkomitee, Künstler, Wissen-
schaftler und mit dem Bürgermeisterkomitee eine entsprechende Unterstützung
der Jonas-Wahl zu haben.
Der derzeitige Sekretär des Arbeitsbauernbundes, Landtagsabgeordneter
Zinkanell, ein zweifelsohne sehr aktiver Mann, hat seine Funktion
zurückgelegt, die Gründe kenne ich nicht und wird jetzt durch den ehemaligen
Nationalrat Franz Fux ersetzt. Zinkanell hat immerhin die Agrarzeitung
von 2.900 auf 9.500 gesteigert. Franz Fux ist ein lieber Kerl, aber ich
glaube, er reicht nicht annähernd an die Kapazität von Zinkanell heran.
Bei einem Abendessen bei Sallinger mit Gattinnen und Mussil, Jodlbauer
und Otto Probst anwesend waren, konnte ich feststellen, dass der Wirt-
schaftsbund die grosse Angst hat, dass wir mit der FPÖ gemeinsam eine
Koalition machen. Meine Auffassung ist, dass dies noch nicht endgültig
entschieden ist. Ich habe das natürlich nicht Sallinger oder Mussil ge-
sagt, sondern weise immer wieder darauf hin, dass eben Sallinger wie er
selbst immer erklärt, sich innerhalb der ÖVP nicht durchsetzen konnte.
Sallinger hat jetzt die Gewissheit, dass die ÖVP im April vorigen Jahres
vollkommen falsch entschieden hat und er diese Entwicklung vorhersah, damals
wurde er von seinen eigenen Leuten ausgelacht. Heute wissen sie, dass er
recht hat und leisten ihm Abbitte. Allerdings ist Dallinger mit Benya in
einem Punkt übereingekommen, dass man die ganze Angelegenheit weiter ent-
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wickeln lassen muss. Benya hat mit Recht mit Sallinger über dieses
Problem in den vergangenen Monaten einige Male gesprochen. Derzeit
gibt es keine Änderung, obwohl sowohl Sallinger als auch Benya ein An-
hänger einer grossen Koalition seit eh und je gewesen sind. Ich selbst
glaube auch, dass die Freiheitlichen ein sehr unverläaslicher kleiner
Haufen ist, der in letzter Phase immer wieder nur versuchen wind, das
Optimum für die Partei herauszuholen. Das heisst sich bestbietend zu
verkaufen. Um diesem Ränkespiel, resp. Spiel mit hohen Einsätzen auszu-
weichen, habe ich seit Jahrzehnten vorgeschlagen, man sollte ein Pro-
porzregierungssystem in der Verfassung oder in einem Gesetz verankern.
Ähnlich wies es in manchen Landesregierungen ist oder in der Schweiz
im Bundesrat müsste dies auch für die österreichische Bundesregierung
gelten. Ich bin mit dieser Idee allerdings noch niemals auf wirklich
verständnisvolle Ohren weder in unserer Partei noch eigentlich wo anders
gestossen. Bei dieser Aussprache konnte ich auch in Erfahrung bringen,
dass der Gegensatz zwischen Industriellenvereinigung und Handelskammer
viel tiefer ist als ich bis jetzt vermutet habe. Sallinger, aber auch
Mussil steht auf dem Sandpunkt, dass die Industriellenvereinigung sich
jetzt in immer stärkerem Masse zur sozialistischen Partei hinneigt, weil
– wie Jodlbauer dies formuliert hat, sie ihren Vorteil halt derzeit
bei uns sehen. Kottulinsky glaubt, dass er mit Mussil einen guten Ver-
handlungspartner hat, den er fast als einen Freund betrachten kann.
Ich glaube allerdings, dass aus politischen Überlegungen die ÖVP
wesentlich reservierter gegenüber der Industriellenvereinigung sich
verhält, als sie dies derzeit bemerkt. Innerhalb der Industriellenverei-
nigung, meint Mussil und Sallinger bestätigt es, gibt es vier Gruppen.
Eine davon wo der Leiter der Besitzer der Hamburger Papiergesellschaft
ist, den Namen habe ich mir nicht merken können, führt den Freiheitlichen
Flügel der Industriellenvereinigung und schart derzeit alle unzufrie-
denen Industriellen um seine Fahne. Die zweite Gruppe wird geführt von
den Schoeller-Leuten, der Wortführer ist Dr. Igler. Die dritte Gruppe
sei die der ÖVP am nahestehendsten und der Handelskammer am liebsten,
geführt von Siemens-Generaldirektor Hecke. Die vierte Gruppe wollte
er nicht genauer definieren, aber seiner Meinung nach wären dies die
Leute, mit denen man am ehesten zusammenarbeiten könnte. Da die Frau
von Gen.Sekr. Mussil in der Industriellenvereinigung beschäftigt ist,
versuchte ich herauszukriegen, ob es innerhalb der Angestellten einen
Widerstand gegen Kottulinsky gibt. Dies dürfte nicht der Fall sein.
Kottulinsky selbst wird nur als sehr kontaktarm bezeichnet. Auf alle
Fälle muss ich noch viel mehr aufpassen, um nicht in die Mühlsteine
dieses Problems hineinzugeraten. Ich werde mich allerdings auch anderer-
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seit hüten, zu versuchen, diese Gegensätze auf meinen Buckel auszu-
tragen, d.h. mich dort als Richter oder als Schlichter aufzuspielen.
Ich glaube unsere Funktion kann nur darin bestehen, dass wir sowohl
die Handelskammer als auch die Industriellenvereinigung in Sach- und
Fachfragen heranziehen, wobei wir dem Protokoll entsprechend natürlich
der Handelskammer die Priorität einräumen müssen.
Tagesprogramm, 15.1.1971