Donnerstag, der 14. Jänner 1971

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Donnerstag, 14. Jänner 1971

In der Fragestunde wurde ich vom Abgeordneten Zeillinger über den
Wortlaut des Erlasses der die Mindeststrafe von einer Woche für
Fahren ohne Führerschein aus dem Jahre 1961 betrifft. In der Zusatz-
frage wollte Zeillinger wissen, ob ich mich dafür einsetzen würde,
dass in Zukunft kein auch für einen Laien nicht erkennbarer Fehler
in einem Erlass aufgenommen wird, der dann vom Verfassungs- oder
Verwaltungsgerichtshof sofort aufgehoben wird. Dieser Erlass war
seinerzeit vom Min.Rat Steinhart gemacht worden, der sehr umständ-
lich ist, aber ich glaube kaum, dass er absichtlich oder nicht
nach gründlichster Überlegung eine solche Bestimmung gebastelt hat.
Vielleicht allerdings hat ihm sogar mein Amtsvorgänger dazu ange-
halten, diesen Erlass zu machen. Auf alle Fälle hatte ich den
Angriff Zeillingers dafür verwendet, um mich schützend vor die Beam-
tenschaft zu stellen, indem ich erklärte, ich sei zwar nur ein
Schmalspurjurist aber nach Studium des Aktes müsste ich zugeben,
dass ich nicht imstande gewesen wäre, festzustellen, ob und inwieweit
ein solcher Erlass beim Höchstgericht aufgehoben wird. Ich wies
deshalb die Beschuldigung auf das entschiedenste zurück. Koppe
wird sicher in geeigneter Form dafür sorgen, dass dies der Beamten-
schaft bekannt wird, ob es allerdings den Effekt hat, den ich bei
dieser Anfrage gerne haben würde, nämlich dass selbst schwache Beam-
te von mir in der Öffentlichkeit unter allen Umständen gedeckt,
werden, dies wird erst die Zukunft zeigen. Von den anderen Ministerien
sind in den Fragestunden immer Referenten oder Sekt.Leiter und Abteilungs-
leiter anwesend. Wenn Koppe nicht zufällig im Parlament gewesen wäre,
wäre überhaupt niemand von Haus anwesend. Nicht dass ich jemanden
brauchen würde, aber ich weiss nicht ob es nicht wirklich ziel-
führender ist, hier ein bisschen strenger vorzugehen. Die andere
Anfrage von Metzker, wie weit die Arbeiten des Konsumentenschutzes
gediehen sind, gaben mir Gelegenheit, über die expeditive uns erfreu-
liche Aktivität der Arbeitsausschüsse zu berichten. Ich beantworte
allerdings die Anfragen der Abgeordneten inhaltsreich, aber sehr
kurz, vor allem aber natürlich frei, ohne ein Manuskript zu lesen.
Selbst die Zahlen versuche ich mir vorher einzuprägen. Aus Zwischen-
bemerkungen von der ÖVP habe ich entnommen, dass sie mit dieser Be-
antwortungsmethode sehr einverstanden sind, weil sie dadurch doch
die Möglichkeit haben, mehrere Fragen zu stellen. Ich stelle immer
wieder fest, dass die fragenden Abgeordneten aber auch die antwor-


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tenden Minister sich meiner Meinung nach viel zu lange mit dem
Problem selbst befassen und dadurch der Eindruck entsteht, man
will Zeit schinden. Hoffentlich wird man nicht dann einmal sagen,
dass ich die Abgeordneten schnoddrig behandle.

Der tunesische Botschafter BOUZAYEN kam mir zu berichten, dass er
mit der österr. Kontrollbank Dr. Haschek Verhandlungen geführt
hat, die derzeit auf einem toten Punkt angelangt sind und er möchte
gerne, dass ich entsprechende Weisungen der Kontrollbank gebe, damit
diese ihm einen Kredit für Lieferungen nach Tunesien eröffnet. Ich
habe soweit ich das Englisch von ihm verstanden habe, geantwortet,
dass dafür das Finanzressort zuständig sei und er müsste deshalb bei
Androsch zuerst eine entsprechende finanzielle Deckung für einen
solchen Liefervertrag zwischen der Kontrollbank und der tunesischen
Bank erreichen. Ein ähnliches Problem hat es ja auch mit den rum.
Verhandlungen gegeben. Tunesien sagt nämlich, es hätte auch so grosse
Naturschäden erlitten wie Rumänien in der Hochwasserkatastrophe der
Donau. Zweitens wollte er feststellen, ob die Kommission Mixt,
die im Jänner in Wien zusammentreten soll, unter meinem Vorsitz
stattfinden wird, da ich ja jetzt nicht nach Russland fahren werde.
Ich verwies ihn in dieser Frage betreffend der Inhaltes, welches
die Kommission mixt besprechen sollte als auch des Zeitpunktes an
Sekt.Chef Reiterer resp. Min.Rat Fälbl. Immer unter der Voraussetzung
dass ich ihn wirklich restlos verstanden habe, muss ich annehmen,
dass er erwartet, dass mit befreundeten Nationen die Kommission mixt
unter Vorsitz der Minister stattfindet. Der tun. Minister würde auf
alle Fälle nach Wien kommen. Besprechungen im Parlament mit österr.
Vertretern sind kein Problem, mit ausländischen aber, wenn überhaupt
niemand dabei ist, Heindl hatte sich wesentlich verspätet, stellen
insbesondere wegen der Sprachproblematik für mich eine sehr grosse
Belastung dar. In Zukunft werde ich es mir wohlweislich überlegen,
dies zu tun. Man hätte unbedingt erforschen müssen, was der tun.
Botschafter will und dann Vorkehrungen treffen, dass zumindestens
Fälbl anwesend ist.

Da ich nicht ganz überzeugt war, ob das Parlament mich zum Besuch
der Vorstandsitzung der Lebens- und Genussmittelarbeiter freigeben
würde, ersuchte ich Blümel und Staudinger, den Sekretär für die Mol-


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kereiarbeiter, zu mir zu kommen. Da die Bauernvertreter die Er-
höhung der Erzeugermilchpreises bei der Preisbehörde beantragt
hatten, mussten wir uns die Taktik zurechtlegen, wie wir die
Löhne der Molkereiarbeiter bei dieser Gelegenheit unterbringen.
In den vergangenen Wochen, ja schon einige Monate vorher, hatten
die Vertreter der Bauern im Milchwirtschaftsfonds, oder auch die
Milchwirtschaftsfonds-Angestellten immer wissen wollen, wann denn
die Lebensmittelarbeiter mit ihrer Lohnforderung kommen werden.
Die Berechtigung wird von niemandem mehr bestritten. Ja selbst
die Angestellten in der Molkereiwirtschaft hatten schon mit
den allgemeinen Angestelltenforderungen im Vorjahr ihre Gehalts-
erhöhungen angemeldet. Trotzdem kamen wir überein, in der heutigen
Vorstandssitzung noch nichts über die Forderungen unserer noch
ausständigen Gruppen, d.i. hauptsächlich Molkereien, Müller, Bäckerei-
und Fleisch-Arbeiter zu entscheiden, sondern ganz allgemein nur
festzustellen, dass auch die noch nicht im Vorjahr abgeschlossenen
Lohnbewegungen jetzt unverzüglich in Angriff genommen werden sollen.
Das Präsidium wird ermächtigt werden, diesbezügliche konkrete Be-
schlüsse zu fassen. Der Wunsch von Kreisky, dass die ganzen Preis-
bewegungen bis nach der Präsidentenwahl zurückgestellt werden sollen,
wird sich allerdings sicherlich nicht erfüllen. Ich bin überzeugt,
dass dieser Zeitpunkt viel zu lange ist, das wäre ja fast noch über
drei Monate und dass die Bauern aber auch die Arbeitnehmer mit ihren
Forderungen solange nicht zurückhalten werden, resp. zurückgehalten
werden können. Wir beriefen zu unserer Besprechung dann noch den
Leit. Sekretär des ÖGB, NR Hofstetter dazu, um mit ihm, wie er es
wünscht, seine Taktik bezüglich der Freigabeansuchen abzustimmen.
Ihm schwebt vor, dass wir erst im Feber an die Paritätische Kommission
herantreten, wir werden deshalb die konkreten Ansuchen Ende Jänner
an sie richten.

Das Mittagessen für den Generalsekretär der OECD, van Lennep musste
ich im Parlamentsrestaurant geben. Der Restaurateur hatte den
Tisch sehr schön gedeckt und auch das Essen war ganz entsprechend.
Ich hatte mich leider auf Heindl verlassen, dass er die Tischordnung
sich ansehen wird. Zu meiner grössten Verwunderung hat er dies
auch nicht getan und Ottahal hat mir vollkommen unerklärlich den
Präsidenten der Arbeiterkammer, zum Unterschied von dem Präsidenten
der Handelskammer und des Gewerkschaftsbundes ja selbst des
Generalsekretärs der Bundeshandelskammer auf den äussersten Platz
des Tisches placiert. Damit hat er zweifelsohne nicht nur gegen das


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Protokoll verstossen, sondern auch einen sehr unguten Eindruck für
den AK-Vertreter gegeben. Ich schrieb noch während des Essens ein
diesbezügliches Zetterl an Heindl, der neben Hrdlitschka zu sitzen
kam. Heindl teilte mir mit, dass Ottahal dies gemacht hat und er
selbst sei davon sehr überrascht. Ich bin überzeugt, es handelt sich
hier nicht um eine böse Absicht sondern um wieder einmal Nicht-Acht-
samkeit. Ich wusste nicht, dass Hrdlitschka in letzter Zeit mit
seinem Herzen wieder Beschwerden hatte. Während des Essens wurde er,
wie ich feststellen konnte, derartig blass, dass ich die ärgsten
Befürchtungen hatte. Heindl erschien dann auch und teilte mir mit,
er würde jetzt das Essen verlassen, wünscht aber kein Aufsehen zu
machen, es sei ihm sehr, sehr schlecht. Wie ich später in Erfahrung
bringen konnte, musste er unverzüglich in Spitalsbehandlung gehen
und sein Zustand ist nicht gerade sehr gut.Ich hoffe, dass nicht
unsere Protokollfehler auch noch zu dieser Entwicklung beigetragen
hat. Anschliessend an das Essen zeigte ich Lennep dann noch, weil
er sich dafür interessierte, das Parlament in Aktion, er bemerkte
auch auf meinen Hinweis auf der ÖVP-Seite Prof. Koren und ich stellte
natürlich sofort eine diesbezügliche persönliche Verbindung nachher
her. Van Lennep kennt Koren von früher, Koren fragte mich allerdings
im Laufe der Haussitzung weiters, wo er eigentlich bis jetzt gewesen
sei, denn er hätte ihn einmal irgendwo getroffen, aber er wüsste
derzeit nicht, wo er ihn eigentlich kennengelernt hat. Ich sehe, es
geht auch anderen Politikern wie mir, man lernt Menschen irgendwo kennen,
kommt dann mit ihnen wieder zusammen und hat keine Chance mehr sie
im Gedächtnis einzureihen und sie natürlich auch nicht die Möglich-
keit Assoziationen mit ihrer bisherigen Tätigkeit zu verbinden.

Direktor Schneider, von der ÖCI (ÖIC?) wollte mir unbedingt über den
Zustand der Tivoli AG einem Volksaktienbetrieb berichten. Ich wusste,
dass dieser Süsswarenbetrieb, wo ein Vorstandsmitglied der Lebens-
mittelarbeiter als Betriebsratsobmann tätig ist, in sehr sehr schlechter
Lage sich befindet. Seinerzeit wurde ein Mautner Markhof als Geschäfts-
führer eingesetzt, der allerdings nur die Bols-Schokolade-Fläschchen
als grosse Erfindung einbrachte und als er nachher infolge finanzieller
Schwierigkeiten des Betriebes wieder ausschied, diese Erzeugung als
sein Patent wieder mitnahm. Die Rohstoffe liegen für diese Produktion
jetzt noch immer im Betrieb, der jetzige Geschäftsführer, Komm.Rat
Koblischke war der Innungsmeister der Wiener Zuckerbäcker. Er hat


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natürlich ebenfalls keine blasse Ahnung wie man einen Industriebetrieb
wirklich führen kann. Die ÖIC andererseits hat im Laufe des ver-
gangenen Jahres ihre ganzen Aktien von 930 S Nominale bei einem gesamten
Nominale-Aktienkapital von 10 Mill. S auf dem Markt verkauft und damit
Verluste von 2 Mill. S in Kauf genommen. Nun hat sie entweder die
Möglichkeit, die Firma einem Management zu verkaufen, wie die WAREX,
Herr Robitschek, oder die Österr. chem. Werke, Herr Lukesch, oder
Herrn Retteg von Milbrügge, die überhaupt aus diesem Betrieb eine
andere Produktionsstätte machen wollen oder Herrn Ing. Hofbauer von
der Schokolade-Fabrik Hofbauer im 20. Bezirk. Dieser würde aber
den Betrieb nur übernehmen, wenn er mindestens 51 % des Nominale-
Aktienkapitals kaufen könnte. Der Betrieb hat er derzeit einen Verlust
von ca. 5 Mill. S, er könnte also von der Bank handelsrechtlich
bereits in den Ausgleich getrieben werden, da die Hälfte des Nominal-
Kapitals bereits durch Verlust aufgezehrt ist. Ich empfahl Schneider,
er möge den Betriebsratsobmann dafür einsetzen, dass er ihm so schnell
wie möglich die Aktienbesitzer von 51 % namhaft macht und die ÖIC
sollte dann irgendwelche Ablöseverhandlungen zwischen diesen Aktien-
besitzern und Ing. Hofbauer einleiten, damit der Betrieb noch als
Süsswarenbbtrieb gerettet werden kann.

ANMERKUNG: Bitte diese Stelle der Mitteilung an ZS Blümel schicken.

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Tagesprogramm, 14.1.1971


Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: GD Kontrollbank
    GND ID: 170084094


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Vors. ÖGB-Frauenreferat, SPÖ-NR-Abg.


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Beamter HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Fa. WAREX


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Österr. Chemische Werke [Identifikation nicht ganz sicher, bitte nachprüfen]


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg., Volksanwalt


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Fa. Hofbauer Schokolade- und Zuckerwarenfabrik


                Einträge mit Erwähnung:


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: KR, Innungsmeister Wiener Zuckerbäcker, Gf. Fa. Tivoli


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                      GND ID: 102318379X


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: OECD-Gen.Sekr.


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                            GND ID: 136895662


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Beamter HM, u.a. zuständig f. Protokollfragen


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: [Schreibung?; Fa. Milbrügge (Fa. vmtl. falsch geschrieben, so nicht auffindbar)]


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                                      Tätigkeit: AK, ÖIAG
                                      GND ID: 128336552


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                                          Tätigkeit: tunes. Botschafter


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: LUGA-Sekr., stv. Obmann Milchwirtschaftsfonds


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                                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                                              GND ID: 118566512


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: CA


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                                                  Tätigkeit: Finanzminister
                                                  GND ID: 118503049


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