Freitag, der 18. Dezember 1970

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Bei de Festsitzung hatten sowohl Jonas als auch Waldbrunner
auf die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit hingewiesen. Waldbrunner
insbesondere hat die grosse Koalition und deren Leistungen in
seinem Referat besonders herausgestrichen. Abends hat dann
Pittermann in der Nationalratssitzung Kapitel Finanzen ebenfalls
als letzter das Wort ergriffen und ganz besonders auf die Notwendig-
keit einer Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene hingewiesen.
Für mich war interessant, dass alle drei als Anhänger scheinbar einer
Zusammenarbeit und damit ja letzten Endes ja auch der grossen Koali-
tion sich in den vergangenen Monaten, ja Jahren eigentlich nicht
haben ihrer politischen Überzeugung haben durchsetzen können. Schein-

bar hängt in Wirklichkeit viel weniger die politische Willensbildung
einer Partei von den Absichten selbst der führenden Persönlichkeiten
ab sondern vielmehr von Umständen und Zufällen. Ich bin nämlich auch
überzeugt, dass auf der ÖVP-Seite viele Leute gibt, die eine Zusammen-
arbeit sowohl im Jahre 1966 als auch 1970 wollten. Oft wird eine sol-
che Zusammerarbeit abhängig sein von den Stimmungen innerhalb der mitt-
leren Funktionärsschicht und vielleicht von einer grösseren Anzahl
von in Beschlusskörperschaften befindlichen Funktionären. Ich plädiere
deshalb immer mehr für die schweizerische Lösung oder für die Lö-
sungen wie wir sie auch bei uns in den meisten Landesregierungen und
Landesverfassungen verankert haben, es soll meiner Meinung nach eine
Konzentrationsregierung immer auf Grund des Proporzes der Nationalrats-
fraktionen gebildet werden. Ich weiss, dass sich daraus grosse
Schwierigkeiten ergeben, weil die Besetzung der einzelnen Ministerien
nach diesem strengen Proporz sehr schwierig ist. Auch die Regierungs-
arbeit wird sehr gehemmt, da letzten Endes ja doch in irgendeiner
Weise ein Akkord in der Grundsatzpolitik in den einzelnen Problemen
herbeigeführt werden muss. Dennoch sehe ich darin, die einzige
Möglichkeit, um die schwierigen Probleme, die letzten Endes in einem
Staat immer wieder entstehen, einigermassen ruhig über die Bühne
zu bringen und vor allem Lösungen dieser schwierigen Probleme
von einer grösseren Basis tragen zu lassen.



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Die Weihnachtskarpfen, die seit Jahrzehnten im Donaukanal
ausgewässert werden, haben heuer ein besonders Problem aufge-
worfen. Die Waldviertler Karpfen, die durch Monate hindurch ge-
züchtet werden und in diesem schlammigen Waldviertler Karpfen-
teichen auf einen ganz besonderen Schlammgeschmack haben, werden
zur Aufbewahrung aber auch wegen der Gefahr, dass die Teiche im
Waldviertel einfrieren, im Donaukanal ausgewässert. Das Donaukanal-
wasser hat sich nun biologisch in den letzten Jahren von der
Klasse 2 bis 3 auf die Klasse 4 verschlechtert. Die Zeitungen
haben nun diesen bekannten Tatbestand heuer besonders hochgespielt
und insbesondere darauf hingewiesen, dass im Donakanalwasser
riesiger Salmonellenverseuchungen festzustellen sind. Ich
überzeugt, diese Salmonellen gibt es im Donaukanal seitdem die
Entwässerung von Kanälen in den Donaukanal zumindestens bei Gewitter
und damit Hauptkanäle überlaufen und in der Donaukanal gibt. Die
Bevölkerung, durch diese Pressekompagne aufgeschreckt, hat des-
halb beginnen, die Fische nicht mehr zu kaufen. Der Fischgross-
und -kleinhandel hat sich bemüht , darauf hinzuweisen, dass die
Karpfen doch dann noch tagelang in ununterbrochenem Frischwasser
in den Geschäften ausgewässert werden. Der Leiter der Lebensmittel-
versuchsanstalt, Petuely, aber hat darauf hingewiesen, dass auch
dies keinesfalls genügt, sondern dass die Salmonellen, wenn man die
Fische angreift und dann den Salat macht, natürlich von den Fischen
auf den Salat übertragen werden. Dozent Petuely hat wieder einmal
seine extremste Auffassung in der Bevölkerung unterbringen können.
Häuser selbst ist ja über diese Extremauffassung keinesfalls sehr
glücklich. Auf alle Fälle haben die Fischunternehmer keine andere
Chance gesehen, als Prominente zu einem Fischessen einzuladen.
Heindl, der diese Einladung übernommen hat, hat sofort gemeint,
ich hätte dafür kaum Zeit, da das Parlament tagt. In Wirklichkeit
gestand er mir später, dass er Angst hätte, dass doch vielleicht
mit meinem Magen das Fischessen für mich nicht sehr gesund sei. Ab-
gesehen davon, dass ich überhaupt keine Angst vor Bakterien habe,
ich bilde mir ein, zu wissen, in welchen Massen sie überall herum-
schwirren, habe ich dann doch zugesagt, da ich auf dem Standpunkt
stehe, dass ein Wirtschaftsminister nicht immer nur für Service
an der Wirtschaft reden kann und dann nicht bereit ist, auch tat-
sächlich eine gewisse Service-Leistung zu erbringen. Die Fisch-
händler waren sehr erfreut, dass ich dort erschienen bin und ver-
sicherten mir unabhängig voneinander, jeder einzelne im Gespräch,


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dass sie ihre Meinung über mich wesentlich ändern müssten. Bei
diesem Fischessen traf ich auch Präsident Mitterer, mit dem ich
über die Wifi sprach. Er erklärte mir, jede Mitteilung, die Sallinger
und Mussil von mir erhalten, würde er 20 Minuten später auch schon
wissen, und er sei mit dem Aufteilungsschlüssel 5 : 1 zwischen
Wifi und BfI einverstanden. Ich weiss nicht, ob dies in jedem einzelnen
Punkt wirklich der Fall ist, bin aber über die Koordination der
Bundeskammer gar nicht unglücklich. Mitterer versicherte mir auch noch,
dass er in dem Budgetbeitrag mich ja niemals persönlich angreifen
wollte und mich auch nicht angegriffen hat und er natürlich sagen
wir die oppositionelle Seite mehr herausstreichen musste. Ich erkläte
ihm sofort, dass ich seine Attacken als absolut fair empfunden hatte,
umso mehr als er mir ja auch seinerzeit versichert hat, als ich einmal
3 1/2 Stunden lang über die Wirtschaftspolitik reden musste, er nachher
zu mir gekommen ist und erklärte, es hat ihn so gefreut, dass ich über-
haupt niemanden persönlich angegriffen habe. Ich wies besonders
darauf, dass die Presse zwar nicht wesentliche Berichterstattungen
über unser Kapitel gebracht aber doch den sachlichen Ton sehr heraus-
gestrichen hat. Der Kurier z.B. schrieb doch über feine Klingen im
Kapitel Handel.

Im Kapitel Finanzen kam es dann auch in den späten Abendstunden noch
einmal zur Konfrontation zwischen der grossen Oppositionspartei
und der sozialistischen . Ich hatte die interministeielle Vorbe-
sprechung über die EG- Runde am 5. Jänner und war deshalb stundenlang
nicht im Sitzungssaal. Androsch soll bei seiner Beantwortung immer
nur das Material entgegengestellt haben, das der Gegner z.B. Koren
behauptet hat und dann immer gesagt haben, ich überlasse es dem
Hohen Haus zu beurteilen, wie dieser Fall oder wie dieses Material
oder wie dieses Problem letzten Endes zu entscheiden gewesen wäre.
Durch diees "Ich überlasse es Ihnen" hat sich die Wut der Opposition
so aufgestaut, dass als er anschliessend daran nur mehr die Ziffern
über die Lebenshaltungskosten und sonstige Daten brachte, die ÖVP
explodiert ist. Da ich nicht im Saal war, konnte ich natürlich nicht
beurteilne, wie sehr es wirklich so provokant war, dass letzten Endes
dieser Krach entstehen musste. Sicher ist ein Grund, dass letzten Endes
dann die Gemüter so erregt werden, die ununterbrochen wochenlange
Sitzung und ewige Diskussion über Probleme, die man wahrscheinlich


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durch eine andere Art der Budgetdebatte besser lösen könnte.
Pittermann hat anschliessend als letzter SPÖ-Redner dann noch
einmal versucht, die Gemeinsamkeit herauszuarbeiten, wenn es
ihm wirklich ein Bedürfnis gewesen ist, dies an dieser Phase und
vor Weihnachten zu tun, dann war das sicher ein gut gewählter Zeit.
punkt. Ich bin nur nicht ganz sicher, ob es seine innerste Überzeugung
gewesen ist oder ob er nicht versucht hat, irgendwie glättend einzu-
wirken. Auf alle Fälle nützte Withalm dann bei seiner Erwiderung
diese Erklärungen und sagte mit einem Seitenhieb auf Jonas, dass
für diese Zusammenarbeit sich eben z.B. Bundespräsident Schärf
sehr eingesetzt hat, indem er z.B. den Bundeskanzler Gorbach und
Vizekanzler Pittermann als es zu einer Regierungsbildung durch Monate
hindurch nicht gekommen ist, zu sich gebeten hat und ihnen den sehr
konkreten und strikten Auftrag gegeben hat, eine solche Regierung
jetzt auf grosser Koalitionsbasis jetzt unverzüglich zu bilden.
Dies hätte – so Withalm - Jonas nicht gemacht und damit eigentlich
gegen den Geist der grossen Zusammenarbeit verstossen, obwohl er
dies nicht so expressis verbis ausdrückte. Wie weit allerdings diese
zerstrittene ÖVP heute in einer grossen Koalition überhaupt imstande
wäre, Probleme in Angriff zu nehmen und zu lösen, bleibt dahingestellt.
Vielleicht allerdings wäre es, wenn eine grosse Koalition zustande-
gekommen wäre, gar nicht zu diesem Zerstreiten der ÖVP gekommen.
Als die ÖVP nach dem 6. März ihre Forderungen verhältnismässig noch
hochzuschrauben glaubte, war wahrscheinlich ihre innere Schwäche be-
reits der Ausfluss dieser Politik. Nur eine in sich geschlossene
Partei, das haben wir 1966 auch klar und deutlich gesehen, kann eine
wirklich Niederlage verdauen, mit anderen Worten: nur eine starke
Parteiführung ist imstande, in einer Niederlagensituation auch noch
für die grössere Aufgabe gerüstet zu sein und unpopuläre Massnahmen
auf sich nehmen.

Ich musste mit Mussil über die Fragen des Vereins zur Koordinierung
der Managementausbildung führen. Mussil selbst ist mit unserem Vor-
schlag einverstanden, einen solchen Verein unter Führung des Handels-
ministeriums zu schaffen, er hat auch gar nicht das Verlangen ge-
stellt, dort einen stärkeren Einfluss zu haben, ich musste ihm des-
halb auch gar nicht den Geschäftsführer oder einen sonstigen grösseren


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Einfluss anbieten. Er möchte nur, dass er noch einige Zeit hat,
denn er will auf der einen Seite die volkswirtschaftlichen Ge-
sellschaften koordinieren und auf der anderen Seite will er Herrn-
stein von der Wiener Handelskammer pachten, d.h. die Kurse sollten
von der Bundeshandelskammer in Zukunft durchgeführt werden. Er ver-
sprach mir, dies im Jänner sofort in Angriff zu nehmen u d mir unver-
züglich positiven Bescheid zu geben. Bei dieser Gelegenheit meinte
er, dass er vielleicht doch zu sehr bei der Budgetdebatte Kapitel
Finanzen übers Ziel geschossen hat. Ich bin mir allerdings nicht
klar, wie weit er diese Beteuerungen nachdem er vorher im Hause ver-
hältnismässig hart attackiert hat zu seiner inneren Entschuldigung
mir gegenüber zum Ausdruck bringt oder nur kitten will, was er vorher
an Porzellan zerschlagen hat.

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Tagesprogramm, 18.12.1970


GND ID: 118634100


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 118761595


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        Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
          GND ID: 102318379X


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              Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                  Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


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                    Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                      Tätigkeit: Finanzminister
                      GND ID: 118503049


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                        GND ID: 114650888


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                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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