Mittwoch, der 9. Dezember 1970

03-0897

In der Ministerratsvorbesprechung kam die Investitionsplanung des
Finanzministers zur Diskussion. Androsch hatte an die einzelnen
Ressorts Richtlinien ergehen lassen, nach denen die l0-jährigen
Investitionsprogramme zu erstellen wären. Sowohl das Unterrichtsmini-
sterium als auch das Wissenschaftsministerium hatten aber andere
Grundsätze für dieses Investitionsprogramm festgelegt. Androsch meinte
darauf, dass würde dieses Programm genauso, scheitern wie seinerzeit
auch Koren gescheitert ist, d.h. die Ressorts haben damals auch
bereits ihre Wunschprogramme festgelegt, ohne auf die finanziellen
Möglichkeiten Bedacht zu nehmen. Da auch Häuser der Meinung war, man
müsste über diese Investitionsprogramme der einzelnen Ressorts diskutie-
ren, wurde vereinbart, eine Sitzung in den nächsten Wochen abzuhalten.
Bei dieser Gelegenheit sollte man so wie seinerzeit bei der Budget-
erstellung versuchen, die Grundsätze für das Investitionsprogramm fest-
zulegen. Bei dieser Tagung würde dann auch das grosse Kompetenzgesetz
endgültig diskutiert und regierungsreif gemacht werden. Überdies
müsste dann noch über die parlamentarische Arbeit in der Herbst-
session eine Besprechung und ein Fahrplan erstellt werden. Durch
die Bundespräsidentenwahl im Mai ist damit zu rechnen, dass Mitte
März die Session geschlossen wird. In der Ministerratsitzung wurde
der Antrag Bestellung des Präsidenten des Kuratoriums für das Doro-
theum mit der Massgabe beschlossen, dass der Innenminister und der
Bundeskanzler Übereinstimmung erzielen. Diese Formel ist möglich und
wurde in der Koalition einige Male gebraucht. Es liegt dann daran,
dass sich die beiden Minister in der Frage einigen und dann gilt
das als Beschluss der Bundesregierung. Die Differenz besteht aber
nicht zwischen Innenminister und Bundeskanzler sondern besteht darin,
dass Withalm behauptet, es gäbe eine Parteienvereinbarung über die
Besetzung des Präsidenten des Kuratoriums des Dorotheums. In Wirklich-
keit gibt es eine solche nach Auffassung unserer Genossen nicht, denn
es war immer so, dass hier ein Sozialist bestellt wurde. Withalm hat
nur irgend etwas ausgegraben oder auch nicht und behauptet halt, er
hätte einen Anspruch auf diesen Posten. Pittermann erinnerte richtig-
gehend, dass bis jetzt stillschweigend die Parteienabsprache war,
dass der ÖBB-Generaldirektor von der SPÖ kommt. In Wirklichkeit hat
die monocrome Regierung seinerzeit Generaldirektor Kalz, einen ÖAAB-
Mann bestellt. Bei der Bestellung der Beamten für die Verhandlungen


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mit der EWG über das Globalabkommen wurde nur gleichzeitig be-
schlossen, dass der Bundeskanzler, der Aussenminister und der
Handelsminister unter Beziehung von Loebenstein oder Markovics
die dienstrechtliche Frage des Delegationsleiters diskutieren und
letzten Endes beschliessen wollen. Kirchschläger hat mir mitgeteilt ,
dass Hesele ihm eine Aktennotiz zukommen liess, ich habe sie auch
gelesen, wonach eine Dienstzuteilung nicht notwendig sei. Dies
steht allerdings im Gegensatz zu den Auffassungen von Dr. Heindl,
aber wie ich in der Zwischenzeit auch feststellen konnte, von Loewen-
stein
. Da sich Kreisky in der Vorbesprechung für meine Auffassung,
dass eine Dienstzuteilung unbedingt notwendig ist, entschied, wird
dies wahrscheinlich keine Schwierigkeiten bereiten.

Bei der Sektionsleiterbesprechung wurde Min.Rat Böhm geladen, um
die Geschäftsordnungsfragen endgültig zu bereinigen. Sekt.Chef
Schipper, der längere Zeit abwesend war durch eine Augenoperation,
war an dieser Besprechung das erste Mal wieder anwesend. Leider
musste ich einen Teil dieser Besprechung im Sitzungssaal wegen
Abstimmung verbringen und habe daher die Diskussion im einzelnen
nicht mitgemacht. Tatsächlich aber gibt es mit Böhm Schwierigkeiten
über die Erstellung der neuen Geschäftsordnung. Wir wollen, dass
Leute, die sich besonders bewährt haben und gewisse Funktions-
zuteilungen erhalten haben, wie z. B. Dr. Schwarz als unser Rechts-
mann, Michitsch als Geschäftsführer für die Vorbereitungskomitees
der Europäischen Gemeinschaft, Piesche als Sekretär des Konsumenten-
rates und Gröger als der Investor und gleichzeitig als der Koordi-
nator für die Industriereferenten entsprechende Dekrete bekommen
und vor allem auch in der Geschäftsordnung herausgestrichen werden.
Dagegen wehrt sich nun, wie mir Wanke mitteilte, insbesondere Böhm
sicherlich im Auftrag von Schipper. Alle die Genannten sind keine
Sozialisten und wahrscheinlich auch nicht einmal uns nahestehend.
Sie sind aber tüchtige Arbeiter und vor allem dürfte es sich um
Leute handelten, die nicht ins Konzept des CV passen. Heindl hat
es übernommen, nachdem bei der Dienstbesprechung keine einvernehmlich
Lösung erzielt werden konnte, mit Schipper über den ganzen Fall
noch einmal zu sprechen. Man sieht, dass wir diese Angelegenheit
nicht genügend vorbereitet haben, sicherlich ja auch durch die
Abwesenheit Schippers bedingt. Ich bin aber fest entschlossen, den
Leuten, die fleissig arbeiten und koordinierend eine entsprechende


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Initiative entwickeln, auch durch Herausstreichen ihrer Tätigkeit
in der Öffentlichkeit entsprechende Anerkennung zukommen zu lassen.

Die Besprechung mit Korinek über die notwendigen Massnahmen bei der
Bürges und vor allem über die Geldzuweisung sowie über die Vertei-
lung der Restkredite zieht sich wie ein Strudelteig. Kein Mensch
kennt endgültige Ziffern, niemand weiss, was die einzelnen Aktionen
wirklich brauchen und vor allem niemand kann im Hause ganz konkrete
Berechnungen vorlegen. Ich hatte auch anschliessend daran eine
Besprechung mit Sallinger und Mussil und konnte feststellen, dass
auch sie über diese Situation sehr unbefriedigt sind. Mussil meinte,
er hätte schon einmal Bürges aufgefordert, die notwendigen Ziffern
in die Datenverarbeitung der Handelskammer zu speichern, damit
jederzeit auf die tatsächlichen und ausgabenmässig einwandfreien
Zahlen zurückgegriffen werden kann. Wir können dies sicher nicht
in der Handelskammer machen, aber ich glaube auch, dass wir im
Zuge der Reorganisation dieser ganzen Aktionen wenn schon gar nichts
anderes herauskommen sollte, doch eine einwandfreie datenmässige Be-
arbeitung dieses Materials sicherstellen müssten. Ich bin überzeugt,
dass es in elektronischen Datenverarbeitungsanlagen und Ministerien
noch genug freie Kapazität gibt, um dies dort dann aufarbeiten zu
können. Bei der Aussprache mit Sallinger und Mussil kam auch der
Wunsch Korineks zur Sprache, der bei der letzten Gehaltserhöhung
nicht berücksichtigt wurde. Die anderen Bürges -Angestellten haben
angeblich eine l0 %-ige Erhöhung bekommen, währenddem bei Korinek
vom FM-Vertreter im Aufsichtsrat dies abgelehnt wurde, mit dem
Hinweis, dass er sowieso eine Pension beziehen würde. Korinek soll
deshalb sehr wütend sein. Ich werde mir diesen Fall genau schildern
lassen, glaube aber, dass es zweckmässig ist, wenn diese Angelegen-
heit dann der neue Sektionsleiter Jagoda bereinigt. Auch die Be-
stellung Jagoda kam zur Sprache als Mussil fragte, wen ich mit
der Sektionsleitung beauftragen werde, Ich sagte: Jagoda, und er meint
dies hätte er sowieso seit ich ins Ministerium berufen wurde, er-
wartet. Ich fragte ihn, wieso er auf diese Idee gekommen sei und er
erwiderte, dass dies der fachlich beste Mann auch unserer Seite sei
und da er Genosse ist, hätte er eben schon seit eh und je diese
Berufung erwartet.



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Eine unerwartete Bestätigung einer guten Berufung von
Kreisky erhielt ich bei einem Besuch des Diözesanbischofs
Dr. Laszlo im Domes-Lehrlingsheim. Roden hat unter meiner
Ära noch die Beziehungen zur Kirche sowohl der Pfarrei am
Karlsplatz, die für uns zuständig ist, als auch zu der im
Burgenland sehr stark intensiviert. Ich war mit diesem Vorgehen
nicht nur einverstanden, sondern habe die Angelegenheit noch sogar
vorangetrieben. Ich habe dies nicht aus Opportunitätsgründen ge-
macht, sondern ich stehe als Sozialist wirklich auf dem Stand-
punkt, es wäre ja lächerlich, wenn man mit den Religionsgemeinschaf-
ten und andersgesinnten Gruppen nicht gut auskommen könnte. Roden
hat deshalb, um die bulgarischen Mädchen in Wien einigermassen
gut unterbringen zu könne, altes Material, das wir nicht mehr im
Domesheim gebraucht haben, der Kirche zur Verfügung gestellt.
Laszlo wollte nun die burgenländischen Lehrlinge, die bei uns
im Heim sind, einige Male schon besuchen und deshalb wurde dieser
Termin vereinbart. Bei dieser Zusammenkunft erfuhr ich nun, dass
Laszlo Kirchschläger sehr gut kennt. Ich selbst habe ja immer wie-
der die Absicht, die Aktivität von Krichschläger, als praktizieren-
den Katholiken in der sozialistischen Regierung bei seinen Kreisen
herauszustreichen. Auch dies mache ich nicht aus reiner Opportuni-
tätsgründen, sondern weil ich wirklich weiss, dass es für Kirch-
schläger
eine Herzensangelegenheit ist, die Frage des Konkordates
und andere Wünsche der katholischen Kirche zu einem positiven Er-
folg zu führen. Dies ist ihm ja auch in einem Ausmass geglückt, wie
es nicht einmal die ÖVP-Regierung geträumt hätte. Laszlo erzählte
mir nun, er hätte Kirchschläger schon als Mitarbeiter von Aussen-
minister Kreisky kennen u d schätzen gelernt. Als seinerzeit die
Diözese errichtet wurde, hätte Laszlo fast alle seine Wünsche
mit Hilfe Kirchschlägers verwirklichen können. Nur eine einzige
Frage sei noch offen geblieben und Kreisky hätte das damals nur
abgelehnt, dass er jetzt nichts mehr ändern könne, denn er hätte
innerhalb der Partei sowieso schon grosse Schwierigkeiten. Ich
kann mir dies sehr gut vorstellen. Denn auch die letzte Konkordats-
lösung, wo die kirchlichen Schulen an Stelle von 60 % des
Personalaufwandes l00 % des Personalaufwandes vom Staat vergütet
bekommen, hat auch innerhalb von Konferenzen, die ich ja in den
letzten Monaten abgehalten habe, vereinzelt nur aber doch manche
genossen zu einem Widerspruch gereizt. Ich glaube trotzdem, dass


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Der Erfolg, den die sozialistische Partei in den letzten Monaten
oder Jahren überhaupt erzielt hat, nur auf die sehr loyale und
wohlwollende Haltung gegenüber der katholischen Kirche zurück-
zuführen ist.

Da wir nie genau wissen, wann Abstimmungen sind, habe ich auch
die Vertreter der jungen Generation, wo ich ein Referat und Dis-
kussion abhalten sollte, ins Parlament gebeten. Die Aussprache
war sehr fruchtbringend, war allerdings nur dadurch getrübt, dass
niemand genau wusste, wo und wann die jungen Leute eintreffen,
resp. in welchem Saal sie sich aufhalten. Das nächste Mal müssen
wir dies besser organisieren. Eine Abstimmung über das Kapitel
Wissenschaft kam an diesem Abend erst wieder nicht zustande, weil
wie mir nach Rückkehr von der Aussprache mitgeteilt wurde, Firnberg
erst am nächsten Tag ihre Erklärungen abgeben wollte und deshalb
noch einige Redner von uns zusätzlich in die Debatte geschickt
wurden. Ich kann diese Haltung beim besten Willen nicht verstehen,
da wir doch schon etliche Tage Verspätung in unserem Fahrplan haben.
Ich bin überzeugt, in den letzten Tagen, wenn dann die wichtigen
Kapitel Finanzen zur Debatte stehen werden, wird man drängen, um
überhaupt über die Runden zu kommen.

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Tagesprogramm, 9.12.1970

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Tagesordnung 33. Ministerratssitzung, 9.12.1970

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03_0901_03
Tätigkeit: Personalvertretung HM


Einträge mit Erwähnung:


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Finanzminister
        GND ID: 118503049


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 118761595


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


              Einträge mit Erwähnung:
                GND ID: 118634100


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: MR HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Sekt.R HM


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                        GND ID: 102318379X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Sektionschef und Personalleiter BKA; lt. Sten. Prot. 14, 5051 Vorname Peter


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
                            GND ID: 11869104X


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Beamter HM


                              Einträge mit Erwähnung:
                                GND ID: 118996258


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                    GND ID: 118566512


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                                      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                      GND ID: 118723189


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                                        Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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