Montag, der 9. November 1970

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Durch einen reinen Zufall, der Vorsitzende-Stellvertreter des Handels-
ausschusses Kostroun hat im Klub angefragt, wo denn eigentlich die
Kraftfehrverkehrsgesetznovelle bleibt, kamen wir darauf, dass diese
noch nicht im Parlament vorliegt. Eine sofortige Intervention bei
der Sektion ergab, dass dieser Entwurf, der bereits vorige Woche den
Ministerrat passiert hatte, noch immer nicht im Parlament vorliegt.
Da Steinhardt angenommen hat, das Bundeskanzleramt wird diese Novelle
vorlegen, andererseits das BKA auf dem Standpunkt steht, dies sei Auf-
gabe des Ministeriums. Ich musste wirklich sehr zurückhalten,um nicht
starke Ausdrücke zu gebrauchen und habe nur öffentlich erklärt, ich
kann mir sehr gut vorstellen, dass in solch einem Fall mancher Minister
zu schreien beginnt. Nach meiner Auffassung -und das sagte ich sowohl
der Präsidialabteilung als auch dem zuständigen Sektionschef – gibt es
doch in Wirklichkeit dafür keine Entschuldigung und Erklärung. Wenn
auch ein Ministerialbeamter mit den Intentionen des Ministers nicht
übereinstimmt, so ist es doch primär seine Aufgabe, dass der formelle
Weg eingehalten wird und dass eine Gesetzwerdung und vor allem überhaupt
ein gesetzlicher Zustand erhalten oder hergeführt wird. Der Ver-
fassungsgerichtshof hat einen Teil des Kraftfahrgesetzes aufgehoben.
Die Verordnung, die darauf beruht, kann daher nicht mehr ab 30. 11.
gelten. Trotzdem bemüht sich der Ministerialrat nicht, die Gesetzes-
lücke zeitgerecht zu schliessen, sondern findet tausenderlei Ausreden
oder vor allem einmal seine Untüchtigkeit, um mir einen Zustand herbei-
zuführen, der doch eigentlich für einen Ministerialrat auch schreck-
lich blamabel ist. Effenberger vom ARBÖ teilte mir mit, dass er und
der ARBÖ nach eingehenden Beratungen auf dem Standpunkt steht, dass
man eine Verordnung neuerdings erlassen sollte, damit in den Kraft-
fahrzeugüberprüfungsstellen die l00.- S weiter Prüfungsgebühren ver-
langt werden können. Beim ÖAMTC musste ich neuerdings urgieren und
spät abend teilte mit gen.Sekr.Dr. Veith mit, dass der ÖAMTC auf dem
Standpunkt steht, es solte die Verordnung auslaufen und keine neue
Verordnung mehr in Kraft treten. Ich habe jetzt leider keine geeinte
Unterlage bezüglich der Stellungnahme der Kraftfahrverbände. Ich werde
deshalb unverzüglich jetzt einen Verordnungsentwurf ausarbeiten und
in die Begutachtung schicken müssen. Der Hinweis, dass es schon ein-
mal einen solchen Zustand gegeben hat, ist für mich nicht befriedigend.



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Bei der Vorbesprechung über die Budgetansätze mit Sekt.Rat Marhold
vertiefte ich mich in den Ansatz der Stärkeförderung. Da Marhold die
Details natürlich nicht wissen konnte und auch nicht wusste, zogen wir
von der Abteilung Dr. Hauffe den Min.Rat Benda bei. Bei dieser Gelegen-
heit konnte ich feststellen, dass eine zusammenhängende Detailkennt-
nis in Wirklichkeit nur der Sachbearbeiter hat, der momentan aber nicht
greifbar war. Auf alle Fälle aber erfuhr ich, dass es sogenannte Ge-
heimerlässe und Geheimakte gibt, die bei Sekt.Chef Schipper in einem
Kasten versperrt sind. Ich liess Ottahal sofort kommen, der mich auch
dann tatsächlich den Geheimakt brachte. Er beinhaltet in Wirklichkeit
nichts besonderes, ich bin aber der Meinung, dass wir jetzt wirklich
schön langsam systematisch durchgehen sollten.

Wir haben uns vorgenommen, im Ministerbüro eine Diskussion über die
zukünftige Arbeit und die Arbeitseinteilung abzuführen. Da wir im
Hause dafür angeblich keine Ruhe haben, gingen wir ins Institut.
Tatsächlich stellte sich dann heraus, dass dort eine Starbesetzung,
d.h. es waren fast alle Minsterien mit ihren Sekretariaten vertreten.
Sodass wir dort auch nicht zu einer Arbeit kamen. Auf alle Fälle konnten
wir – bevor ich zum Begräbnis Kothbauer fahren musste – doch eine Stunde
in Ruhe über unsere zukünftige Arbeit diskutieren. Wir vereinbarten,
dass Heindl alle Termine in Zukunft koordinieren wird. Wenn Firmen oder
Fachverbände vorsprechen wollen, so wird er dies sowohl mit Koppe als
auch mit Wanke vorher besprechen, ob dies zielführend ist. Bis jetzt
hat zweifelsohne die Arbeit durch die ungeheuren Vorsprachen gelitten
andererseits aber hat es uns in der Öffentlichkeit das Image verpasst,
mit dem Minister kann man sofort in Kontakt kommen und er hat für jedes
Problem Zeit. Wanke wies allerdings mit Recht darauf hin, dass ich
mich viel zu wenig um die Arbeit im Hause dadurch kümmern könnte. Seiner
Meinung nach – und ich teile diese Auffassung – sollte ich versuchen,
womöglich bei allen Abteilungsleiterbesprechungen anwesend zu sein. Wenn
ich nicht daran teilnehmen könnte, dann müsste ein Herr des Büros daran
teilnehmen, natürlich ist es besser wenn ich daran teilnehme, denn dann
entsteht nicht der Eindruck, es wird jemand vom Büro als Polytrupp in
die einzelnen Abteilungsbesprechungen geschickt. Die wichtigste Er-
kenntnis aber war, dass wir unbedingt einen Jour fix für uns selbst
brauchen, und jede Woche zumindestens einmal eine gewisse Zeit alle
Probleme durchbesprechen zu können. Da ich aber auf dem Standpunkt


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stehe, dass wir uns so viel wie möglich im Haus aufhalten sollten,
kamen wir überein, dies in meinem Zimmer zu machen, allerdings nie-
manden dann von dieser Besprechung herauszuholen.

Obwohl ich mich sehr bemüht habe, dass der Kraftfahrgesetz zeitgerecht
im Parlament einlangt und obwohl ich eigentlich nur im Handelsaus-
schuss, der am Donnerstag stattfindet, als einzigen Punkt über dieses
Problem die Bildung eines Unterausschusses wünschte, hat die Präsidial-
konferenz entschieden, dass dies nicht möglich sei. Laut ihrer Auf-
fassung können nur Probleme behandelt werden in der Präsidialkonferenz
die bereits im Hause vorliegen. Ich werde deshalb, unverzüglich wenn am
Mittwoch das Gestz eingebracht wird und in der zweiten Sitzung desselben
Tages im NR zugewiesen wird, sofort einen Brief an das Parlament schrei-
ben wo ich um Festsetzung einer neuen Handelsausschuss-Sitzung bitte.
Heinz Fischer, der Klubsekretär, der bereits mit den anderen Sekre-
tären des ÖVP- und FPÖ-Klubs schon die Vorgangsweise vereinbart hatte,
war auch über diese Entscheidung nicht sehr glücklich. Erklärt hat
er mir das spät abends dann so, dass Broda mit dem Obmann, der letzten
Endes auch für die Einberufung der Ausschüsse zuständig ist, d.h. mit
dem Ausschussobmann für Justiz, eine Einteilung getroffen hat, ohne
dass das Präsidium davon wusste oder dass das Präsidium die Zustimmung
dazu gegeben hat. Dies ist geschäftsordnungsmässig richtig, bedeutet
natürlich aber eine Entmachtung des Präsidiums und deshalb hat die
Präsidialkonferenz natürlich jetzt alles daran gesetzt, eine solche
Entwicklung zu verhindern .

Bei der Ministerratsvorbesprechung teilte Kreisky mit, dass er mit
Withalm vereinbart hatte, dass der Bundeskanzler, der Vizekanzler,
der Finanzminister und der eventuell zuständige Ressortsminister
Budgetbesprechungen mit Withalm, Schleinzer und Koren unverzüglich
aufnehmen werden. Auch bezüglich der Landesverteidigung sollen
jetzt die Besprechungen über die flankierenden Massnahmen im Landes-
verteidigungsausschuss mit den einzelnen Fraktionen besprochen werden
Die Absicht besteht nun, einen Ausbildungskader von 3.000 Soldaten
pro Jahr zur Verfügung zu haben, die anderen sollen 6 Monate + 40
Tage Waffenübungen absolvieren. Die Ausbildungskader sollen während
ihrer Dienstzeit, es werden ja längerdienende Soldaten sein, bereits
für die Exekutive vorbereitet werden, sodass sie dann umso leichter
Aufnahmeprüfungen, sei es bei der Justizwache oder bei der Polizei,
oder Gendamerie machen können. Der Familenbeirat hat eine ziemlich


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detaillierte Aufteilung der Überschüsse des Familienfonds vorge-
legt. Die soz. Mitglieder und vor allem die Landesregierungsmitglie-
der kamen überein, dass die Sozialisten eine neue Initiative jetzt
starten sollten. 600 Mill. S sollen für die Schulweg- und für Schul-
bücher zur Verfügung gestellt werden. Die Schulbücher kosten ca.
120 Mill. S, dieser Betrag soll vom Bund den Ländern vergütet werden.
Soweit die Länder Ersparnisse haben, sollen sie für anderen Familien-
politische Massnahmen verwendet werden. Über die Bezahlung des Schul-
weges für alle Kinder meldete ich sofort Bedenken an, dass die For-
mulierung so gemacht wird, denn ich konnte mir nicht vorstellen,
dass hier wirklich seriöse Berechnungen vorgelegen sind. Es meldete
sich dann auch der Verkehrsminister und teilte mit, dass genaue
Berechnungen nicht existieren. Suchanek hätte bei einer Besprechung
über den Daumen wie ich sofort beststellen konnte einen Betrag für
die ÖBB, Post und Private genannt. Er hat aber keine genauen Be-
rechnungen über die Nahverkehrsausgaben gemacht. Wir kamen deshalb
überein, nicht davon zu reden, dass die gesamte Fahrt automatisch
bezahlt, sondern dass eben ein hoher Betrag, das wären ja 480 Mill. S
ca. für die Schulwege zur Verfügung gestellt wird. Damit sollte ver-
sucht werden, die kostenlosen Transporte der Schüler sicherzustellen.
Bei der Besetzung der 9-er-Posten, stellte sich heraus, dass folgende
9-er-Posten frei werden: Vom Parlament: Parlamentsdirektor Rusizki
vom Rechnungshof Wunderer, vom Justziministerium Hoyer, vom Sozial-
minister Mader, vom Finanzministerium Heilingsetzer und vom Handels-
- ministerium Habel, Ausserdem wird in der Staatsdruckerei , im Post-
sparkassenamt und in der FL D Wien ein Neuner-Posten frei. Auch dem
Heeresministerium wird der Generaltruppeninspektor und der Sektions-
chef Vogl von der Sektion IV – Versorgung – in Pension gehen. Beim
Bundeskanzler liegen Wünsche vor, dass beim Innenministerium Weis,
bem Unterrichtsministerium März, beim Landwirtschaftsministerium
Wurzer vom Wasserbau und bei der Bergbhörde Gasser und vom Zentral-
besoldungsamt Roderich Neuner-Posten anstreben. Da für den Genossen
März beim Unterrichtsministerium kein Neunerposten derzeit frei
ist, sollte ein anderes Ministerium darauf verzichten. U.a. glaubte,-

Gratz, dass ich ihm helfen könnte, indem ich auf den Neuner-Posten
für Habel verzichtete. Ich sagte sofort, dass dies vollkommen un-
möglich ist, dafür aber nicht Gasser in Frage kommt sondern die
Sektion einen neuen Sektionsleiter braucht und wir ja bestrebt
sind, einen Auswärtigen dafür gegebenenfalls zu finden. Dies wurde
zur Kenntnis genommen.



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TAGEBUCHNOTIZ – Dr. Koppe – November 1970

Kabarett ?

Es gibt Kabarettszenen, die sind so bitter ernst, daß dem Publikum
das Lachen im Halse stecken bleibt. An Kabaretts dieser Art er-
innert eine Kette von Ereignissen, die ich über Wunsch aufzei-
chne, aus denen wir aber Konsequenzen ziehen sollten.

Ministerialrat St. mag manchem unvoreingenommenen Betrachter,
als Prototyp eines ordentlichen Beamten erscheinen. Er kennt seine
Paragraphen, er beherrscht sein Juristenchinesisch, er kann sich
sowohl devot als auch energisch geben.

Geziemend auf dem Aktenwege kam zu dem Herrn Ministerialrat
eine parlamentarische Anfrage an den Minister. Ein Abgeordneter
wollte wissen, was das Handelsministerium gegen die Verunreinigung
der Luft mit Blei zu tun gedenke. Der Herr Ministerialrat produ-
zierte den Entwurf für eine Antwort des Ministers. Seiner Ansicht
nach sollte der Minister im Parlament nach dem Grundsatz "Reden
wir von etwas anderem" auf die Frage nach der Bekämpfung der
Bleiverunreinigungen der Luft eine Antwort über Kohlenmonoxyd
präsentieren. Der weitere Text der Anfragebeantwortung war, ange-
sichts der allgemeinen Umweltschutz-Hysterie allerdings geradezu
eine Einladung zum parlamentarischen Harakiri. Der Ministerialrat
riet dem Minister, im Parlament zu erklären, die Frage von Blei-
verunreinigungen in der Luft sei gar nicht aktuell, Blei außerdem
nicht so gefährlich, man könne ohnehin nichts dagegen machen, und
außerdem sei vorläufig auch gar kein Grund etwas zu machen.



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Der Herr Ministerialrat war sehr erstaunt, als diese Antwort als
unbefriedigend bezeichnet wurde. Der gleiche Ministerialrat hatte
freilich im Sommer behauptet: "Blei , überhaupt kein Problem,
alle Voraussetzungen um etwas rechtzeitig unternehmen zu können,
sind gegeben".

Der Minister erledigte die Arbeit des Ministerialrates. Er ver-
handelte zunächst mit der ÖMV, lud schließlich Sachverständige
aus dem Ministerium und Petrochemiker und andere Experten
der Ölindustrie zu sich, und informierte sich in einigen Stunden
intensiven Verhandelns über die Möglichkeiten, bleiarmes Benzin
zu produzieren und die Verwendung von bleiarmen Benzin bindend
vorzuschreiben.

Das Ergebnis des Verhandelns wurde dem Ministerialrat am
nächsten Arbeitstag – die Verhandlungen hatten während des
Wochenendes stattgefunden – vom Minister mitgeteilt. Der
Ministerialrat nahm die Berichterstattung des Ministers über
die an seiner Stelle geleistete Arbeit mit geziemender Unter-
würfigkeit entgegen und – fand, daß man die Ideen des Ministers
nicht realisieren könne. Nicht etwa wegen technischer oder
legistischer Schwierigkeiten, nein, es störte ihn nur, daß eine
entsprechende Regelung weder in den § 3 , wie er ihm vorschwebte,
noch in den § 11 des Gesetzes , wie er es sich vorstellte, hinein-
passen würde. Erst nach mühsamer Verhandlung mit dem Sektions- .
chef bequemte er sich dazu , einen § 3a in das Gesetz einzubauen.

Völlig fassungslos wurde der Mann, als man ihn in einer weiteren
Besprechung klar machte, daß man allen Ernstes von ihm erwarte,
einen entsprechenden Verordnungsentwurf noch in der gleichen Woche
vorzulegen. Er hatte den diesbezüglichen Wunsch des Ministers
"Nicht ernst genommen".



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Die ersten Entwürfe, die der Mann vorlegte, waren unbrauch-
bar. Erst nachdem man ihm ganz genau erklärte, wie das Pro-
blem gelöst werden sollte, und sich seine Tätigkeit fast nur
mehr auf das Niederschreiben bzw. auf das fertige Formulieren
reduzierte, kam ein Entwurf zustande. Und da stellte sich dann
heraus, daß stundenlange Verhandlungen des Ministers über den
Termin des Inkrafttreten des Gesetzes durch eine kleine For-
mulierung in den Übergangsbestimmungen wieder über den
Haufen geworfen werden sollten. Als Termin des In-
krafttretens war nämlich nicht der 1. Juli 1971, sondern der
1. Jänner 1972 vorgesehen. Gefragt, warum er sich nicht an
die Verhandlungsergebnisse des Ministers gehalten habe, die
ihm bekannt waren, erwiderte er: "Ich nahm nicht an, daß der
Herr Minister auf solche Details Wert legt. lch habe mich
deshalb der Einfachheit halber für eine mittlere Legisvakanz
entschieden."

Trotz dieser Hindernisse passierte der Entwurf, in die bereits
vorliegende Novelle zum Kraftfahrgesetz eingebaut, den Kraft-
fahrbeirat und den Ministerrat. Ins Parlament kam er freilich
zu spät. Der Herr Ministerialrat hat es nicht für nötig gefunden,
sich darum zu kümmern, ob sein Entwurf nun entsprechend ge-
ändert vorliegt. Er war der Meinung, diese seine Arbeit würde
schon das Bundeskanzleramt erledigen. Oder er würde schon eine
entsprechende Weisung bekommen. Wenn der Minister schon in
so vielen Punkten eine Arbeit erledigt hat, warum nicht auch in dem?

Man soll freilich nicht sagen, daß ein Beamter wie dieser keiner
Initiative fähig wäre. Im Zusammenhang mit dem Besitz von
Wasserwerfern durch die Republik Österreich gibt es verkehrs-
rechtliche Probleme. Diese Wasserwerfer dürfen nämlich nur
ausrücken, wenn vorher in einer Verhandlung ihre Fahrtroute


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genehmigt wurde. Die vorbeugende Genehmigung der Aktionspläne
dieser Wasserwerfer im Einsatz gegen die Demonstranten ist
natürlich nur schwer möglich. Solcherart entwickelte sich Öster-
reich unfreiwillig zu einer vorbildlich toleranten Demokratie, die
außerstande ist, die in ihrem Besitz befindlichen Wasserwerfer ge-
gen Demonstranten einzusetzen. Das geschilderte Problem entstand
nicht in Schilda sondern in Wien und sollte durch eine Berück-
sichtigung der entsprechenden Wünsche des Innenministeriums
in der Novelle zum Kraftfahrgesetz setz bereinigt werden. Die Ini-
tiative unseres Ministerialrates ging allerdings in die falsche
Richtung. Er sah nicht etwa die Herausnahme der Wasserwerfer
aus der Regelung des Kraftfahrgesetzes vor, wie dies etwa die
bei Einsatzfahrzeugen des Bundesheeres der Fall ist, deren
Panzerwagen auch nicht gerade zur Verbesserung des Straßen-
belages dienen, sondern er ließ sich andere Ausnahmebestimmungen
einfallen. Er verzichtet in seinem Entwurf darauf, daß die Wasser-
werfer Fahrtenschreiber mitführen müßen. Angesichts ihrer man-
gelnden Einsatzfähigkeit dürften sich diese allerdings tatsächlich
erübrigen.

Der Ministerialrat wurde daher gebeten, sich darum zu kümmern,
welche Wünsche das Innenministerium im Hinblick auf die Wasser-
werfer nun tatsächlich hat. Die Erfüllung des Auftrages erfolgte
freilich in etwas eigenartiger Form. Er rief tatsächlich bei seinem-
Kollegen vom Innenministerium an, aber nicht um deren Wünsche
zu erfahren, sondern um ihnen mitzuteilen, Innenminister Rösch
beabsichtigte einen Einspruch gegen das Kraftfahrgesetz im Minister-
rat. Er bat seinen Kollegen, bei Minister Rösch gegen diesem be-
absichtigten Einspruch zu intervenieren. Das war so ziemlich das
Verkehrteste, was möglich war, denn


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1. war kein solcher Einspruch beabsichtigt
2. würde sich der Innenminister von seinen Beamten auf Grund einer
solche n Intervention kaum davon abhalten lassen
3. ging es genau um das Gegenteil dessen, was der Minister dem
Ministerialrat auf getragen hat.
Aber MR St. war mit sich sehr zufrieden

Stern und Kronenzeitung berichteten darüber, daß aufgrund einer
Verordnung des Handelsministeriums und der Bestimmung des
allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes und des Verwaltungs-
strafrechtes ein Österreicher wegen Fahrens ohne Führerschein zu
einer härteren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, als etwa ein Tot-
schläger. Der Fall ist ähnlich grotesk, wie eine andere Justizkomödie,
bei der in Österreich einmal eine Frau als Vater eines Kindes. er-
kannt und verurteilt wurde. In beiden Fällen waren sich die Juristen
einig, daß das Ergebnis grotesk, aber durchaus rechtens ist. Einer
der Punkte, bei denen dieser gordische Knoten durchschlagen werden
könnte, ist
ein Erlaß des Handelsministeriums. Vater dieses Erlasses
ist unser lieber Ministerialrat. Und er stellt pünktlich fest, daß
sein Erlass gut und der Wunsch des Ministers etwas gegen diese grotes-
ken Zustände zu unternehmen, unerfüllbar sei. Wobei er diesen Wunsch
nur dank der Hilfe der Frau Lercher von der Pressestelle verstand.

Nun ist unser lieber Ministerialrat nicht nur Vater dieses Erlasses,
und mancher Böcke die er schoß, sondern auch Vater von zehn
Kindern, Mit der ihm eigenen Konsequenz hat er es nach neun Töchtern
nun doch noch zu einem Sohn (wenn auch einem blauen Baby) ge-
bracht. Mit dem Stoßseufzer "Ein Sozialfall" fällt der Vorhang über
diesen Akt des bitterernsten Kabaretts.



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Auch bei der OB

Ministerialrat St . hat auch Kollegen. Einer dieser Ministerial-
ratskollegen führt die Oberste Bergbehörde. Er kennt unsere
Sorgen um das Bergwerksprojekt in Kitzbühel recht genau.
Schließlich und endlich hat er sich notgedrungen das Band von
der Demonstration in Oberndorf anhören müssen. Und er hat
es auch auf seinen juristischen Gehalt genau analysiert und
daraus den Schluß gezogen, daß die Oberste Bergbehörde die
einzige ist, die in Österreich etwas von Bergbau versteht.
Wer ihre Meinung nicht teilt, ist selber schuld.

Da schrieb beispielsweise die deutsche Zeitschrift "Die Welt"
etwas über das Bergwerksprojekt in Kitzbühel. Und ein deutscher
Geschäftsmann schickte den Artikel dem Bundeskanzler Kreisky.
Das Schreiben des Kabinettes des Bundeskanzlers ging
an die Oberste Bergbehörde und prompt kam ein Antwort-
entwurf, demzufolge der Herr Bundeskanzler dem Inhaber der
Firma "Radio Nord" in Köln etwa folgendes geschrieben
hätte:

"Die Aufschließungsarbeiten der UNION CORPORATION , welche
der Anlaß für verschiedene Presse- und Rundfunkmeldungen waren,
wurden nicht in Kitzbühel, sondern im Gebiet der Gemeinde Oberndorf
in Tirol und Reitberg – Kitzbühel vorgenommen.

Es ist unzulässig, von einem "Bergwerk" bei Kitzbühel zu sprechen,
denn ein Aufsuchungsgebiet kann nicht mit einem Bergwerk gleich-
gesetzt werden, wie Herr Schätzke es tat. Die Verwedung der Mehr-
zahl "Bergwerke" ist jedenfalls übertrieben. Dem Verfasser des
Artikels in der deutschen Zeitschrift "Die Welt" dürfte nicht bekannt
sein, daß das heutige Bild des Ruhrgebietes von anderen Industrie-


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zweigen und nicht vom Bergbau bestimmt wird. Ein Vergleich des
künftigen Bergbaues in Kitzbühel mit dem "Ruhrgebiet" ist daher
irreführend. Die Einleitung von Abwässern aus Bergwerksan-
lagen fällt in die Zuständigkeit der Länder und es erscheint auf
jeden Fall unangebracht den Bergbau als alleinigen Wasserver-
schmutzer hinzustellen.(Die entsprechenden Vorwürfe aus Bayern
wegen der Verunreinigung des Chiemsees durch die Verwirklichung
von Berwerksprojekten in Kitzbühel sind daher zurückzuweisen.)
Die österr. bergrechtlichen Begriffe werden außerdem in der Stellung-
nahme des deutschen Einschreiters unrichtig und im falschen
Zusammenhang gebraucht. Was die politische Seite der Ange-
legenheit betrifft, sei darauf verweisen, daß nach Angabe von
Bergdirektor Dipl. Ing. Biangardi Landeshauptmannstell-
vertreter Dr. Kunst seinerzeit dem Aufsichtsrat der Kupferberg-
bau Mitterberg GesmbH angehörte und in dieser Eigenschaft
das Bergbauprojekt gegenüber dem Landeshauptmann von Tirol
vertreten hat."

Die Information ist glücklicherweise nicht an das Bundeskanzler-
amt und der erwähnte Brief nicht an den "Kitzbühel-Schützer"
abgegangen. Aber dies ist nicht das Verdienst der Obersten Berg-
behörde. Und ich habe das Gefühl, daß man in der OB darüber
traurig sein wird. Nicht, weil das Produkt ihrer Tätigkeit die
Öffentlichkeit nicht erreicht. Sondern weil sie vermutlich traurig
sind, wenn wir uns nicht in der Öffentlichkeit blamieren.

Wie gesagt, beim Kabarett bleibt einem manchmal das Lachen
im Halse stecken.

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Tagesprogramm, 9.11.1970

03_0762_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)




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      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


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          Tätigkeit: Jurist Abt. Agrarfragen HM


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            Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


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              Tätigkeit: ARBÖ-Bundessekretär


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                Tätigkeit: -obmann


                Einträge mit Erwähnung:
                  GND ID: 128199814


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                    Tätigkeit: Beamter HM, u.a. zuständig f. Protokollfragen


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


                      Einträge mit Erwähnung:
                        GND ID: 118634100


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                          Tätigkeit: Justizminister


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                            Tätigkeit: MR HM, Leiter OB


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                              Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                              GND ID: 102318379X


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                                Tätigkeit: Personalchef Innenministerium


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                                  Tätigkeit: ÖAMTC


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                                    Tätigkeit: Ktn. LH-Stv., SPÖ


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                                      Tätigkeit: MR HM
                                      GND ID: 1035518031


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                                        Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                                          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                                            GND ID: 118566512


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                                              Tätigkeit: MR HM
                                              GND ID: 133521052


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