Da die Perlamentsdebatte über die 1. Lesung des Budgetgesetzes
weiterging konnte ich einige Firmen bezw. Vorsprachen erledigen.
Der Verband für Betonfertigteile, der seit 12 Jahren besteht und
250 Mitgliederfirmen umfasst, kam mit Ing. Katzenberger und zwei
Geschäftsführern, um sich bei mir vorzustellen. Der Verband kon-
trolliert die Qualitäten der Mitgliedsfirmen. Dadurch sei er, wie
mir der Verbandsobmann mitteilt, auch kostensenkend, da sie die
Betonzumischquote auf das knappste kontrollieren und vor-
schreiben. Ich erinnerte die Vorsprechenden, dass das Bauzentrum
versprochen hatte, mir unverzüglichst Vorschläge über Rationa-
lisierung des Baus zu machen und ich bis jetzt eine diesbezügliche
Unterlagen immer noch nicht erhalten hatte. Katzenberger teilte mir
mit, dass er erst vor kurzer Zeit davon verständigt wurde und er
selbst wird nun seine Bekannten und Freunde im Bauzentrum neuerdings
darauf aufmerksam machen, die Arbeit voranzutreiben und so schnell
wie möglich abzuschliessen.
Fürstenberg, der Manager der Gesellschaft für Aussenpolitik kam
um auch für das Jahr 1970 noch zusätzliche Subvention zu erhalten.
1969 hat er 50.000 S bekommen, 1970 vor meinem Amtsantritt noch
30.000 S. Ich teilte ihm mit, dass die Bundesregierung beabsichtige,
dass nicht an zwei Stellen oder von mehreren Stellen sogar Subven-
tionen gegeben werden und er sich deshalb an das Aussenamt wenden
müsste. Von dort erhält er derzeit auch eine wesentlich höhere
Subvention als vom Handelsministerium. Da wir der Operettenveran-
staltung keine Subvention mehr geben, sondern an das Unterrichts-
ministerium verwiesen haben, muss diese Stellungnahme jetzt wirklich
versucht werden, durchzuziehen. Sein anderer Wunsch, dass ich ins
Kuratorium eintrete, resp. die Abonnements verlängert werden, konnte
ich selbstverständlich nicht zustimmen.
Die Hutindustrie kam unter Führung von Direktor Dreder der Ebreichs-
dorfer mit Dr. Platzek, Industriesektion, Dr. Lederleitner, Handels-
sektion, und Dr. Catharin, Fachverband der Textilindustrie, um Zollwün-
sche anzumelden. Die Hutfabrik Ita, Habig und viele andere Modistin-
nen sind bereits zugrundegegangen. Von 1.600 Gewerbebetrieben sind
derzeit nur mehr 790. Deshalb soll der Zoll von derzeit 4 – 6 % auf
16 % erhöht werden, Handel und Gewerbe sehen dies angeblich ein und
im Mai wurde dieser Wunsch in der Bundeskammer koordiniert. Der
Importanteil beträgt 37 % und ist für die Ebreichsdorfer, wie
Direktor Dreder sagt, vernichtend. Da die Zölle aber gattgebunden sind,
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müsste zu Verhandlungsgenehmigung bei der nächsten Ratstagung im
Dezember versucht werden, zwei Drittel der GATT-Mitglieder dazu
zu gewinnen, dass sie Verhandlungen zustimmen. Die EWG ist der-
zeit der Hauptlieferant und zwar die BRD mit 5,2 Mill. Importen
von Gesamtimporten von 7 – 10 Mill. Gebunden ist dieser Zoll
aber durch Italien. Angeblich hat man im Hause dieses Problem auch
sehr genau studiert und ist damit einverstanden, dass wir diese
Verhandlungen beginne sollen. MR Willenpart soll einen diesbezüg-
lichen Akt vorbereitet haben. Als Kompensation soll den EWG-
Staaten Damenhütezollsenkung von 21,6 auf 16 % und vertragszoll-
mässige Bindung für Kaffeemühlen angeboten werden. Ich sprach mich
sehr vorsichtig gegen eine solche Regelung aus, da ich aufmerksam
machte, dass wir im Zuge der Zollsenkungsperioden nicht mit Zoller-
höhungswünschen im GATT und in der EWG auftreten sollten. Platzek
und Lederleitner verwiesen darauf, dass wir im Vorjahr auch
versucht hatten, die Malzzölle zu erhöhen und dies auch geglückt
ist. Übrigens hätte die Arbeiterkammer dieser Regelung auch zu-
gestimmt. Ich verlangte von der Bundeskammer, dass bevor das
Ministerium offizielle Schritte beim GATT unternimmt, der Frank-
furter Handelsdelegierte Fuchskandl vorfühlen soll, wie diese
Frage aufgenommen wird und insbesondere auch in Italien wo ja
der Zollgebunden ist, diesbezügliche Recherchen angestellt werden.
Die zweite Forderung der Hutindustrie insbesondere der Ebreichs-
dorfer, die Stumpen, wo ca. 500.000 Stück in Frage kommen, nicht
auf die automatische Lizenzierung zu setzen, d.h. die Ostliberali-
sierung einzuführen, versprach in zu prüfen. Direktor Dreter teilte
mit, dass aus der CSSR in Neutitschein ihre ursprüngliche im
Besitz der Ebreichsdorfer gehörige Fabrik jetzt eine grosse
Antidumpingexport begeht.
Der Fachverband der eisenschaffenden Industrie Dr. Denk und
Gen.Dir. Fitzinger von der Alpine und Dir. Mattes von der VÖEST
kamen, um sich gegen die Aufnahme in die Liberalisierungsliste
gegenüber dem Osten auszusprechen. Reiterer und Fälbl waren
anwesend und Fitzinger und Mattes stimmten dann zu, dass
wir Detailbesprechungen nicht führen könnten und der Fach-
verband unverzüglich mit den Ministerienvertretern eine diesbe-
zügliche Abstimmung der einzelnen Positionen vornehmen sollte.
Mein Argument, dass die Liberalisierung mit 1.1.1975 auf alle Fälle
kommt und dass vor allem darüber hinaus wir gegenüber dem Osten
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beweglicher werden müssten, wurde auch von der Stahlindustrie
anerkannt. Insbesondere mein Argument, dass wir gegenüber dem
Osten eine liberalere Wirtschaftspolitik an den Tag legen müssen,
um etwaige Angriff gegenüber der EWG zu paralysieren, fand glaube
ich die Zustimmung. Ich glaube wirklich, dass wir das Klima
gegenüber den Oststaaten verbessern müssen, um dadurch den Russen
Wind aus den Segeln zu nehmen, dass wir uns ausschliesslich nach
der EWG nur orientieren wollen.
Der westdeutsche Rundfunk und das Erste Deutsche Fernsehen hatten
getrennte Interviews mit mir vorgesehen. In beiden Fällen aber
wurde ich immer wieder angesprochen, ob wir uns nicht mehr gegen
die deutschen Investitionen in Osterreich wehren, um die Russen
nicht zu sehr zu verstimmen. Ich wurde immer wieder gefragt, ob nicht
darin eine Verletzung des Staatsvertrages vorliegt.
Mit den Genossinnen und Genossen der Wirtschaftskommission der SPÖ
hatte ich eine längere Aussprache, ich glaube, es war wirklich
ein Fehler, dass wir so lange diese Arbeitsgruppe nicht einberufen
hatten. Veselsky, der Sekretär dieser Gruppe hatte aber angeblich
bis jetzt zu wenig Zeit. Bei der Sitzung konnte er auch nicht an-
wesend sein, da gerade eine dringliche Anfrage an den Bundeskanzler
wegen ORF erfolgte. Da der Kanzler aber sowieso im Hause anwesend
war, hätte er meiner Meinung nach Kreisky fragen sollen, ob er nicht
lieber diese Wirtschaftspolitische Kommission betreuen sollte. Wir
kamen überein, dass die Genossinnen und Genossen zu dem organisierten
Mittagstisch stärker kommen sollten, wir werden noch versuchen, vom
Bautenminister ebenfalls seinen Sekretär zu diesem Tisch einzuladen,
sodass wirklich eine Möglichkeit besteht, sich gegenseitig weitest-
gehend zu informieren. Ich hoffe, dass es damit gelingen wird, das
Unbehagen, welches in den Arbeitsgruppenmitgliedern bestand, grössten-
teils zu zerstreuen. Wir kamen weiters überein, auf meinen Vorschlag,
den Genossen Krämer zu beauftragen, die statistischen Ziffern bei
ihm zentral zu erstellen und damit die gesamte Partei zu
versorgen. Es stellt sich nämlich immer mehr heraus, dass die
verschiedensten Stellen der Partei und der Regierung die verschieden-
sten Ziffern verwenden. Einesteils sind dies OECD- oder ECE-Statistiken
nämlich sogar auch Statistiken der UNO. Dadurch entsteht eine Vielfalt
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von verschiedensten Ziffern für ein und dasselbe Problem, z.B.
die Stellung Österreichs im Lebenshaltungskostenindex und das
macht sicher keinen guten Eindruck. Krämer wird deshalb, so wie er
dies vor den Wahlen auch getan hat, einen Statistischen Dienst
für – wie er es bezeichnete – pseudodemagogische oder halbdemagogische
Wahrheiten einrichten. Darüber hinaus aber wird er sich bemühen,
statistische Entscheidungshilfen zu liefern, d.h. er wird eigene
Reihen- und Verhältniszahlen, aber auch Indizes und was das wichtig-
ste ist sogar methodisch einwandfreie Prognosen vorlegen. Derzeit
arbeitet er an einer Prognose des Lebenshaltungskostenindex für das
Jahr 1971. Die Konjunktur- und Preisuntersuchung im Wirtschafts- und
Sozialbeirat stösst derzeit schon in der Ausgestaltung des Arbeits-
auftrages und des Untersuchungsumfanges auf den heftigsten Widerstand
von Seiten der Bundeskammer. Laut Mitteilung von den Vertretern
Dr. Birnbaumer, Geschäftsführer des Wirtschaftsbeirates der HK,
Dr. Festa, Leiter der Statistik und Konjunkturabteilung der HK
und Dozent Bauer, ein Wissenschaftler, der drüben mitarbeitet, haben
sie die Weisung von Mussil, über dieses Problem überhaupt nicht
einmal zu reden. Die einzelnen Arbeitsgruppen der Wirtschafts-
kommission, z.B. Planung und Wettbewerb unter Kienzl arbeiten
derzeit an entsprechenden Entscheidungshilfen für die Prognose-
gruppe. Die Arbeitsgruppe Landwirtschaft unter Zöllner ist derzeit
nicht aktiv, weil Weihs keinen besonderen Wert darauf legt. Öllinger
natürlich war zu Tode froh, dass er eine Gruppe gehabt hat, mit
der er seine Probleme besprechen konnte. Die Arbeitsgruppe Industrie-
politik von Grünwald wird in den nächsten Monaten irgendwann einmal
wieder zusammenkommen und entweder soll Veselsky für die Verstaatlichte
oder ich in dieser Arbeitsgruppe referieren. Ich habe es selbstverständ-
lich zugesagt, glaube allerdings dass es wahrscheinlich kaum sehr bald
zu einer diesbezüglichen Aussprache kommen wird. Nach dem Parlament
musste ich noch zum Schweizer Botschafter, der für meine Frau
und mich extra einen Empfang gegeben hatte. Ich hasse diese Empfänge
denn sie sind normalerweise nur Repräsentation und kosten viel Zeit.
Zu meiner Verwunderung aber hatte ich dort nicht nur Diplomaten wie
den spanischen Botschafter, der jetzt wieder zurückfährt, und den
kolumbianischen Botschafter mit seiner Frau, sondern auch Schweizer
Industriellen vorgefunden. Da ich zu spät kam, konnte ich dann nur
beim Kaffee mit den Herren ins Gespräch kommen. Unter anderen war
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der Vertreter der Firma Schindler, auch glaube es war sogar Dr. Schind-
ler, der jetzt in die Wertheim fabrik einsteigt, anwesend. Der Mann
war von den österreichischen Arbeitern begeistert, er hatte das erste
Mal Kontakt mit ihnen gehabt und war insbesondere über die Facharbeit,
die geleistet wurde, voll des Lobes. Da ich die Studie Grünwalds über
die Aufzugsfirmen noch einigermassen im Kopf hatte, konnte ich irrsinnig
fachsimpeln mit ihm, was ihn zur Äusserung veranlasste, wieso ich
denn ein solcher Fachmann auf diesem Sektor sei. Zufällig war sein
Freund Dr. Thyll, der vor einigen Tagen bei mir war, wegen des Verhaltens
von Dr. Fetzer in der Industriellenvereinigung, ebenfalls anwesend.
Bei der damaligen Vorsprache hatte ich auch durch einen Zufall die Frage
der Antidumpingbestimmungen auf dem Gewebesektor auch sehr eingehend
ihm beantworten können. Er erklärte deshalb, das ist überhaupt uner-
klärlich, dass ein Handelsminister solche Detailkenntnisse auf allen
Fachgebieten hat. Als ich diese Anerkennung wirklich zurückwies, weil
ich zwar nicht sagte, dass dies ein reiner Zufall war, was ich hier
wusste. aber doch sagte, dass ich kein Fachmann auf diesem Sektor bin,
betrachteten die das nur als eine Tiefstapelei und sind wahrscheinlich
überzeugt, dass ich ein Phänomen bin. Hätte Ossi Grünwald damals diese
Studie nicht ausgearbeitet und Zöllner mir nicht zufälligerweise über die
Antidumpingsitzung für Gewerbe berichtet, dann hätte ich wahrscheinlich
den beides keinesfalls einen so guten Eindruck gemacht. Man sieht,
dass im menschlichen und politischen Leben der Zufall eine grosse Rolle
spielt und dass man halt Glück haben muss.
Tagesprogramm, 29.10.1970
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)