Freitag, der 16. Oktober 1970

03-0655

Jodlbauer kam mit dem einzigen sozialistischen Bankbesitzer des
Bankhauses Brüll und Kalmus, Winfried zu mir. Komm.Rat Winfried hat die
Bank von 2,5 Mill. S auf 280 Mill. S vergrössert. Er wird diese Bank
aber ab 1.1.1971 in eine AG umwandeln. Ausserdem wird er am 4.12.
in Linz eine Filiale errichten. Dieses Bankhaus hat bisher unter
der Führung der Z von Dr. Neubauer sehr gute Geschäfte mit Neubauer
gemacht. Ich kann natürlich nicht feststellen, wie weit diese Geschäfts-
verflechtung zu Ungunsten der Zentralsparkasse gewesen ist. Auf alle
Fälle hat der Nachfolger von Dr. Neubauer Dr. Mantler diese Verbin-
dung weitestgehend eingestellt. Komm.Rat Wilfried ist zweifellos ein
sehr aktiver Mann, er selbst schätzt dass er jetzt ein Vermögen von
40 Mill. S besitzt, und bekennt sich auch dazu. Er hat z.B. die
Bahnbaumaschinen Wels derartig günstig mit neuen Ideen geleitet,
dass die daraus hervorgegangene Firma Blasser und Teurer, die Gleis-
stoffmaschinen heute erzeugen, in der ganzen Welt einen sehr guten
Ruf hat. Hauptsächlich dürfte er gekommen sein, weil – wie er behauptet
ein Beschluss des Parteivorstandes existiere, wonach alle Banken liqui-
diert werden sollten, oder zumindestens der BAWAG eingegliedert. Ich
konnte ihn insoferne beruhigen, da ein solcher Beschluss nicht existiert
mir zumindestens nicht bekannt ist, sondern in Wirklichkeit wurde nur
seinerzeit mitgeteilt, dass die BAWAG durch sehr grosse Transaktionen
die sie für die Partei durchgeführt hat, auch wenn irgendwie möglich
mit Geldern aufgefüllt werden soll.

Im Institut für Gesellschaftspolitik wurde ein Vortrag von Prof.
Günther, der Leiter des deutschen Kartellamtes, allgemein ausgeschrieben
Zu diesem Vortrag waren interessanterweise nur ca. 70 Personen gekommen,
die grösstenteils sogar von der Arbeiterkammer waren. Der Vortrag war
sehr abstrakt gehalten und wurde dem Titel "Konzeption einer modernen
Wettbewerbspolitik -- Erwägungen auf Grund deutscher Erfahrungen" nur
zum Teil recht. Wanke hatte allerdings in der Einleitung bereits darauf
hingewiesen, dass wir uns nur inspirieren lassen wollten von den Er-
fahrungen, die in Deutschland gepflogen wurden und keinesfalls kopieren
wollen. Bei der Zusammenfassung erklärte er, dass dieser Vortrag eine
gute Grundlage für weitere Studien und Überlegungen in Österreich
dienen könnte. Die anschliessende Diskussion konnte ich nicht mehr
mit anhören und fragte deshalb in der Pause, wie er sich jetzt wirklich
eine zweckmässige Wettbewerbsordnung vorstellt. Die Ausführungen


03-0656
die ihn nur zu hören bekam, überraschten mich. Günther legte
in einem Zug ein vollkommenes neues Konzept einer Wettbewerbsordnung
dar, indem er frei weg erklärte, er würde sein Konzept, das er
vor 10 Jahren ungefähr in der BRD vertreten hatte, jetzt nach fol-
genden Richtlinien aufbauen. Es folgte nun eine lückenlose Dar-
stellung eines neuen Wettbewerbskonzepts, was mich allein schon
in der Darstellung faszinierte. Ich ersuchte ihn, deshalb diese
Gedanken festzuhalten. Er versprach mir auch ein solches Schreiben
zu schicken. Da ich nicht ganz sicher war, ob er dies auch tatsächlich
machen würde, ersuchte ich Wanke, er möge, bevor Günther abfährt,
von ihm vielleicht noch eine Diktaphohn-Aufzeichnung seiner Gedanken
veranlassen. Wie mir Wanke mitteilte, hat Günther dann in 16 Minuten
ein vollkommenes Konzept einer neuen Wettbewerbsordnung abdiktiert.

ANMERKUNG: Bitte, nach Niederschrift dieses Konzept eine Kopie
diesem Tagesbericht beilegen.

Die Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter hatte eine
Sekretärbesprechung für Freitag, den ganze Tag, angesetzt. Und ich
kam verspätet durch den Vortrag Günther dazu. Ich musste mir natürlich
jetzt die ganze Diskussion über die Tätigkeit der einzelnen Gruppen
und der Länder anhören. Bei solchen Dienstbesprechungen kann ich immer
wieder feststellen, dass die Mitteilung in keinem Verhältnis zur
tatsächlichen Leistung steht. Es gibt Sekretäre, die sehr tüchtig sind
und kaum referieren und dann gibt es Sekretäre, die kaum etwas machen
und dafür wesentlich länger reden. Dies ist eine alte Erfahrungstatsache
die man in jedem Büro feststellen kann. Ich glaube, dies soll als War-
nung dienen, dass wir nicht bei unseren Sektionsleiterbesprechungen
ebenfalls in denselben Trott hineinverfallen. Die Hauptfrage, die sich
für mich in diesem Problem immer wieder ergibt, ist, wie kann man einer
seits Sekretäre oder Beamte zur Arbeit verhalten, dass sie Initiative
entwickeln, andererseits aber die Scharlatane, die nur durch viel Re-
den ihre Untätigkeit kaschieren wollen, ohne sie allzu sehr zu belei-
digen auf ihren richtigen Leistungsbericht zurückstauchen. Da die Vor-
aussetzung einer Menschenführung auf alle Fälle die gerechte Vertei-
lung von Lob und Tadel ist, ergibt sich in diesem Punkt immer wieder
ein grosses Dilemma. Vielleicht höre ich mir zu geduldig mir oft Sachen
an, die man eigentlich frühzeitig abstoppen müsste.



03-0657

Spät abends, ich wollte bereits weggehen, kam noch Min.Rat Hauffe
und wollte mit mir ganz kurz über seine Personalbewerbung reden.
Er teilte mir mit, dass er als loyaler Mitarbeiter zu betrachten
sei, wenn er in die neue Sektionsleitung berufen würde. Ich erklärte
ihm ganz offen, dass ich eine endgültige Entscheidung noch nicht
getroffen habe. Die Bundeskammer, Dr. Mussil, hat mich seinerzeit
auf ihn bereits aufmerksam gemacht, allerdings musste ich Mussil
damals mitteilen, dass nach einigen Stimmen, die ich vom Hause
gehört habe, dies eine Revolution auslösen würde. Er erwiderte,
dass er sich dies nicht vorstellen könne, sondern dass nur
vereinzelt Leute gegen ihn Stellung nehmen, weil er sehr initiativ
ist und vor allem will, dass die alten Kracher hier im Hause nicht
mehr so viel reden sollten. Ich musste ihm entgegen halten, dass er
von Mitterer als Kronprinz ausersehen bereits im Hause auf
sehr grossen Widerstand auf sein dadurch ausgelöstes Verhalten
gestossen ist. Er wollte Namen wissen, die ich ihm selbstverständl-
ich nicht mitteilte. Die Aussprache war auf alle Fälle sehr offen-
herzig und ich hoffe, dass sie bei ihm nicht einen Stachel zurückgelas-
sen hatte, weil ich ihm natürlich keinerlei Zusagen gemacht hatte.

03_0654_03

Tagesprogramm, 16.10.1970

03_0657_01

hs. Notizen (Information über Prof. Günther, Rückseite)

03_0657_02

Information über Prof. Günther

03_0657_03

hs. Notizen (Einladung Institut für Gesellschaftspolitik, Rückseite)

03_0657_04

Einladung Institut für Gesellschaftspolitik


Tätigkeit: Vizepräs. OeNB


Einträge mit Erwähnung:


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: SChef HM
          GND ID: 12195126X


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Präs. BRD-Bundeskartellamt


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR HM
              GND ID: 133521052


              Einträge mit Erwähnung: