Donnerstag, der 15. Oktober 1970

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Das erste deutsche Fernsehen wollen zur Kitzbühler Sache ein
Statement von mir. Es ist interessant, dass ich eigentlich nicht
imstande bin, eine kurze Erklärung sofort abzugeben. Wir mussten
dreimal den Versuch machen. Da ich bei einer Diskussion niemals
noch eine zweiten Versuch notwendig hatte, hatte ich mich natürlich
darüber einigermassen geärgert. Ich müsste wahrscheinlich überhaupt
mehr Zeit haben, um an den Schwächen, die ich in immer stärkeren Massen
feststelle, zu arbeiten und sie zu beseitigen. Dazu habe ich aber
leider nicht die Möglichkeit. Vielleicht würde allerdings meine
Originalität weniger zum Durchbruch kommen und es gibt Leute, die
behaupten, dass diese Originalität besser ist als ein perfektes
Statement oder eine perfekte Diskussion oder ein perfekter Vortrag.

Der tunesische Geschäftsträger Bouzayen bemüht sich sehr, in Österreich-
Kredite aufzutreiben, um der – wie er sagt – sozialistischen tune-
sischen Regierung bessere Unterstützung geben zu können. Kreisky soll
ihm diesbezügliche Zusagen gemacht haben. Er hofft, dass er länger-
fristige Kredite bekommen kann, so wie er dies von der Schweiz,
Belgien und Grossbritannien erreicht hat. Ich verwies ihn auf die
Österr. Kontrollbank und versprach, mit den beiden Direktoren
Kastellez und Haschek, die in den nächsten Tagen zu mir kommen, um
über Kooperationsfinanzierung zu sprechen, auch in Angelegenheit
Tunesien zu intervenieren.

Der Rektor der Universität Prof. Biebl wollte mir den Antrittsbe-
such abstatten, Ich vereinbarte aber mit ihm, dass ich lieber in
die Universität komme. Es war gerade wieder einmal die Fassade
mit Parolen verschmiert worden und gleichzeitig auch Flugzetteln
verteilt. Er sagte mir, sofort, dass er mich deshalb beim Tor empfängt,
wo ich gar nicht mit dem Auto vorfahren könnte. Ich erklärte ihm, dass
ich gar keinen Wert darauf lege, mit dem Auto vorzufahren, sondern
sogar ein Stück zu fuss gegangen bin. Was die Frage der Studenten
betrifft, kamen wir allerdings bald überein, dass in Österreich noch
verhältnismässig goldene Zeiten hatten, denn er sagte mir, in
Deutschland gebe ein viel schöner und reichlicher ausgestattete
Universität und die Unruhe ist dort wesentlich grösser als bei uns.



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Was den Osten betrifft, kamen wir beide überein, dass es dort
sicherlich die finanzielle Unterstützungen der Universitäten
wesentlich höher sind, dass wir aber lieber mit dem Schnorren unser
Leben fristen, als in einem solche System zu leben. Er zeigte
mir nämlich gleichzeitig sein Institut und erklärte, dass die
Ausrüstung dieses Instituts sehr gut sei. Er besitzt sogar, ich
wusste dies gar nicht , ein Glashaus auf dem Dachboden der Univer-
sität.

Bei der Parteivorstandssitzung, die Kreisky eröffnete, musste
ich mich entschuldigen, dass ich nach 3/4 Stunden bereits wieder
zu einem Journalistentreffen gehen musste. Kreisky meinte, ich
hätte mir dies besser einteilen sollen, mein Hinweis, dass die
Sitzung erst so spät mir bekannt wurde, parierte, er, dass er
sagte, diese Sitzung sei bereits bei der letzten Sitzung fixiert
worden. Dies ist ohne weiters möglich, denn ich verlasse die
Sitzungen leider immer früher bevor sie zu Ende gehen. Kurz
vor Sitzungseröffnung allerdings ging Kreisky selbst auch zu
einer Besprechung, ich konnte nebenbei bemerkt auch feststellen,
dass mindestens die Hälfte der Regierungsmitglieder überhaupt
nicht anwesend waren. Vor Eingang in die Sitzung teilte mir noch
der Gen.Sekr. von ARBÖ Effenberger mit, dass der Moser erklärt hätte,
er müsste sich ebenfalls einen Public Relation-Mann zulegen.
Koppe versteht es – seiner Mitteilung nach – so gut, zu managen,
dass man fast schon nur mehr von Staribacher im Radio und Fernsehen
hört, während die anderen Minister sichtlich abfallen. Ich stimme
dem Otto Effenbeger hier zu, wenn ich es auch nicht wortwörtlich
sagte, sonderns wies auch darauf hin, dass es notwendig ist, was
ich ja schon immer behauptet habe, dass jeder Minister mit einem
Team bereits in sein Amt gehen soll.

Mittags hatte ich in unserem Institut als journalistischer Bei-
ratsvorsitzender ein Arbeitsessen und die Besetzung war sehr gut
und es kamen wirklich alle bedeutenden Journalisten. Wir kamen
überein, dass wir wieder alle Monate ein solches Arbeitsessen
veranstalten würden. Da auch Peter Klar vom Volksblatt anwesend
war, freute ich mich ganz besonders und begrüsste ihn entsprechend.
Er teilte dann am Ende der Sitzung allerdings mit, als ich meine
Anfrage- wie lange noch das Volksblatt existiert, dass er dies nicht
wüsste, er selbst aber ginge nach Oberösterreich in der ÖVP-Blatt.



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Ich versprach ihm. so zeitgerecht immer einzuladen, dass er an
unseren Sitzungen auch immer wirklich weiter teilnehmen kann.

Da ich anschliessend wieder in den Parteivorstand zurückkehrte
und dort tatsächlich die Diskussion bis weit über 15 Uhr fortge-
setzt wurde, musste ich den Dozent Kostelka von Heindl empfangen
lassen. Dieser Herr war auf Empfehlung Pleschuitschnig in das
Ministerium gekommen, um uns seine Auffassung zum Berggesetz dar-
zulegen. Koppe hatte zwar versucht, ihn mit einem Brief abzu-
wimmeln, durch eine Panne in unserer Information hatte ihn
Heindl aber dann doch wieder eingeladen.

Frau Gen. Dir. Bühn von der Austria Versicherungs- AG kam mit einer
Delegation inernationaler Versicherungsmanager, die über die
Möglichkeiten des Versicherungsschutzes ihrer Mitglieder im Ausland
eine Tagung abhielten. Gesprochen wurde in Englisch, aber es war
eine Übersetzerin anwesend. Ich hatte nun den grossen Vorteil,
dass während sie übersetzte, ihn mit Frau Gen.Direktor immer Detail-
fragen über den bisherigen Verlauf der Verhandlungen besprechen konnte.
Dadurch gab ich ein Statement ab, das letzten Endes den Anschein er-
weckte, als wenn ich über ihre Tagung ausgesprochen gut informiert
wäre., und brauchte nicht nur ein blabla erzählen. Zu meiner grössten
Verwunderung kam eine Diskussion aber fast gar nicht in Fluss, da
scheinbar für diese Herren es entscheidend ist, bei dem Minister
vorgesprochen zu haben und von ihm empfangen worden zu sein. Der
Vorsitzende erklärte zum Schluss, dass sie sehr froh sind, dass
sie in Österreich die Möglichkeit hatten, mit dem Handelsminister
zu reden und insbesondere aber die Aktivität von Frau Gen.Direktor
Bühn diese Tagung zustandegebracht hat. Ich konnte deshalb in meinem
Schlusswort darauf hinweisen, dass auch wir uns glücklich schätzen,
dass die Frau Generaldirektor Bühn als so aktives internationales
aber auch nationales Mitglied bei der Versicherungsgesellschaft
tätig ist.

Die Investorenwerbungsgruppe hatte eine neuerliche Arbeitssitzung.
Gröger, der den Vorsitz dort führte, hatte sehr geschickt die Arbeiten
vorbereitet, mit Tagesordnung und Ausfolgung von allen Unter-

lagen. Interessant ist, dass bereits in der zweiten Sitzung nicht
mehr die erste Garnitur der Ministerien gekommen ist.



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und auch nicht die erste Garnitur von der Nationalbank und sonstigen
Stellen. Es bewahrheitet sich, dass sich an der bürokratischen Hal-
tung und Hierarchie noch nichts geändert hat. Wenn der Minister ein-
lädt, dann kommen die höchsten Beamten, um vor allem Gesichtsbad
zu nehmen. Wenn dann wirklich die Arbeit beginnt, dann werden
subalterne Beamte geschickt.

Mit Sekt.Chef Habel besprach ich das Problem seiner Nachfolge.
Heindl referierte ihm über die bisherigen Bewerbungen insbesondere
auch über die Mitteilung der Personalvertretung, dass nur zwei Leute
in Frage kämen, nämlich Dr. Hauffe oder Dr. Kinscher. Er erklärte
sofort, dass Hauffe als Kronprinz seinerzeit von Mitterer eingesetzt
sofort auf heftigsten Widerstand stiess, da er seine Kollegialität
sofort anlegte. Kinscher sei seiner Meinung nach der beste Mann. Die
beiden Bewerbungen Poppinger und Kammerhofer nahm er überhaupt nicht
ernst. Von auswärtigen Bewerbern kommt seiner Meinung nach nur ein
einziger Mann in Frage und dies ist Senatsrat Jagoda. Ich fuhr mit
Habel zum Vortrag in die Industriellenvereinigung und bei dieser Ge-
legenheit sagte er mir noch, dass auch In.Rat Metzner in Frage käme,
vor allem – wie er glaubte – ja sicher die Gruppenleitung jetzt
einmal für das Kraftfahrrecht bekommen wird.

Bei der Mitgliederversammlung der Österr. Industriellenvereinigung
hatte zuerst Mayer-Guthof natürlich als Einleitung seine Forderungen
an die Regierung neuerdings präzisiert. Sie haben sich um keinen
Deut gegenüber den zuletzt gemachten geändert. Er trägt sie aber
trotz seines Alters mit einem solchen Verve vor, dass ich mich immer
nur wundern kann, wo dieser Mann die Energie hernimmt. Ausserdem ist
er für mich das letzte Stück von Kakanien und er wird mir eigentlich
in dieser Funktion immer sympatischer. Der anschliessende Vortrag
von Prof. Lotz war eigentlich wenig ergiebig. Wenn es nach Auffassung
des Volkswagenvertreters geht, wird in den nächsten zehn Jahren
keine revolutionäre Entwicklung im Autobau zu verzeichnen sein.
Es wird eigentlich alles beim Alten bleiben nur Chrom wird noch
mehr von den Wagen verschwinden. Da der Vortrag wesentlich länger
dauerte, als beabsichtigt war, musste ich ihn vorzeitig um 19.00 Uhr
verlassen, um in der Arbeiterkammer die Opinion leaders, das heisst
die Akademiker des 3. Bezirks zu einer zur Tradition gewordenen
Diskussion zu empfangen. Mit dieser Gruppe haben wir alle Akademiker
des 3. Bezirkes jetzt angeschrieben, eingeladen und mit dem grössten


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Teil von ihnen auch tatsächlich diskutiert. Wir führen die
guten Ergebnisse in unserem Bezirk insbesondere auf diese Art
der Wahlwerbung, die sich eben nicht auf Wahlzeiten erstreckt,
sondern die ganze Zeit hindurch durchgeführt werden muss, zurück.

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Tagesprogramm, 15.10.1970

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hs. Notizen (Einladung IV Rückseite)

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Einladung Industriellenvereinigung


Tätigkeit: GD Kontrollbank
GND ID: 170084094


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: MR HM
    GND ID: 133521052


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Direktor Kontrollbank


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ARBÖ-Bundessekretär


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Bundeskanzler
            GND ID: 118566512


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 125942052


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Bautenminister


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                          Einträge mit Erwähnung:


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                GND ID: 102318379X


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                                  Tätigkeit: Sekt.R HM


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                                    Tätigkeit: CR OÖ Volksblatt


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                                      Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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