Mittwoch, der 7. Oktober 1970

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Die Presse ist die einzige Tageszeitung, die Sonderinterviews
mit Abgeordneten und jetzt noch viel mehr mit Ministern macht. Sie
hat wahrscheinlich deshalb einen so guten Ruf und eine so gute Be-
richterstattung, weil sie ihre Redakteure ansetzt, mit den einzelnen
Ministern Gespräche zu führen. Selbst wenn man bei diesen Gesprächen
die Absicht hat, keine Details mitzuteilen, so kommt man unwillkürlich
dazu, entsprechende Aussagen auf gezielte Fragen zu machen. Da ich noch
niemals einen Redakteur absichtlich belogen habe, sondern wenn ich
mich nicht deutlich ausdrücken wollte, um ein Problem herumgeredet, er-
gibt sich mit Schulmeister die Situation, bei der Frage über die zukünftige
Preispolitik der Bundesregierung. Er erkennt sofort, dass wir im § 3 a
im Preistreibereigesetz schwache Stellen haben, die eigentlich mit
meinem Konzept im Widerspruch stehen und fragt an, warum wir diese Punkte
so scharf formuliert haben. Seiner Meinung nach müsste der § 3 a für die
Bundeskammer unakzeptabel sein und dies müssten wir eigentlich wissen,
denn selbst Androsch hätte ihm, ohne dass er danach gefragt wurde, sofort
gesagt, dass eine preispolizeiliche Massnahme in seinem und auch in
meinem Konzept als nicht zielführend betrachtet werden muss. Ich konnte
ihm nicht sagen, dass wir aus politisch-optischen Gründen und nicht zu-
letzt, weil die Bundeskammer bei der Akkordbesprechung mein Ministerium
letzten Endes eine so negative Haltung eingenommen hat, eben diese Formu-
lierung jetzt vom Innenminister resp. vom Justizminister gewählt worden.

Ein Hinweis von ihm betreffend das Konsumentenforum zeigte, dass er auch
hier genau erfasst hat, dass mit diesem Forum zwar Optik gemacht werden
kann aber keinesfalls eine wirksame Wirtschaftspolitik. Er sprach das
harte Wort von dem Weiberverein aus, die letzten Endes keine Ahnung
haben, um was es bei Wirtschaftsproblemen geht und ausschliesslich nur
aus emotionellen Gründen ihre Forderung und Beschwerden vorbringen. Ich
konnte ihn in diesem Punkt sehr beruhigen, indem ich ihm sagte, hier
müsste eben noch Erziehungsarbeit geleistet werden und letzten Endes
sollten eben auch die Unternehmervertreter mittun, damit diese Erzie-
hungsarbeit zweckvoll und auch im Interesse der Produzenten und Händler
geleistet wird.



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MR Anreiter legte das neue Rohstofflenkungsgesetz vor und ich muss
sagen, er hat nicht nur die Termine eingehalten, sondern auch eine
sehr gute Arbeit geleistet. Ich habe ihm deshalb ganz offizielle
dafür gedankt. Ein wirklich guter und expeditiver Arbeiter im Hause
legen darauf scheinbar gar keinen Wert, denn mir wurde gesagt, ich
habe nur meine Pflicht erfüllt oder ich kenne diese Materie schon
so gut und deshalb war es mir ein Leichtes, diese Arbeit in dem von
Ihnen gewünschten Zeitraum auch tatsächlich abzuschliessen. Scheinbar
war es bis jetzt nicht üblich, dass sie erstens mit dem Minister in
Kontakt gekommen sind und zweitens dass er für eine Arbeit sie auch
zumindestens mit Worten belohnt wurden.

Lejolle, der Mann aus dem Finanzamt, der nebenbei bemerkt meinen Steuer-
akt durch Jahre hindurch bearbeitet hat und den ich ihm Ministerium
vorgefunden habe, wird wahrscheinlich der Finanzexperte für uns werden,
Bei einer Aussprache, die ich mit ihm hatte, konnte ich feststellen,
dass er seiner Mitteilung nach keiner Partei angehört. Er erklärte
mir plausibel, dass er ins Handelsministerium deshalb gekommen ist,
weil er im Finanzministerium als er das Ansuchen um Umstellung in
den Ministerialdienst vorgelegt hatte, die Mitteilung bekommen hat,
da müsste er noch etliche Jahre warten, Wenn er aber etliche Jahre in
einer Unterbehörde sitzt, hat er keine Chance mehr, in eine Zentral-
stelle berufen zu werden, deshalb hat er die Gelegenheit beim Schopf
gepackt und ist in die Zentralverwaltung des Handelsministeriums über-
gewechselt. Derzeit arbeitet er bei Gröger in der Investitionsförderng
und Auskunftstelle und beschäftigt sich bei ihm ja natürlich mit finanz-
politischen Agenden. Er habe nun in die Arbeitsgruppe zum Finanzministe-
rium delegiert, die sich mit dem Bundesinvestitionsgesetz beschäftigen
soll. Da er sich sehr unsicher fühlte, wollte er von mir entsprechende
Richtlinien. Er verwendet das Wort "Weisung" gar nicht mehr, zu meiner
positiv grossen Überraschung. Ich sagte ihm sofort, dass er sich
zuerst einmal in die Materie einarbeiten soll, anschliessend daran
bin ich überzeugt wird er erkennen, dass die Vorstellungen, die ich
und andere Freunde im Wirtschafts- und Sozialbeirat entwickelt hatten,
auch seine Zustimmung finden würden, und erklärte ihm schon einige
Grundsätze. Im Grunde aber sagte ich, dass wir alle Leute ins Wasser
hineinschmeissen und die Tüchtigen ganz sicher schwimmen können und er
ist ein so eine tüchtiger Mann. Ich stellte ihm sämtliche Verbindungen

her und es werden sowohl die Geschäftsführer des Wirtschafts- und


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Sozialbeirates Reithofer und Birnbaum als auch insbesondere Sekt.Rat
Blaha vom Finanzministerium wird mit ihm reden und ihm entsprechendes
Material und Auskünfte geben.

In Kapfenberg, wo die Klubtagung stattfand, wurde die Tagesordnung
sehr gedehnt, weil Kreisky erst am Donnerstag nachmittag zur Klubta-
gung erscheinen wollte. Sowohl Häuser als auch Benya bemerkten sehr
negativ mir gegenüber, dass er eben jetzt irgendeine Eröffnung von
der Wüstenrot Bausparkasse vornehmen wird. Das Einleitungsreferat
von Androsch war ausgezeichnet. Er hat es, ohne dass er eigentlich
konkrete Ziffern genannt hat, nicht nur sehr gut aufgebaut sondern
sehr konstruktiv seine Politik dargelegt. Er erklärte auch sehr
plausibel, warum im nächstjährigen Budget weder für den Wohnbau
noch für die verstaatlichte Industrie Mittel bereitgestellt werden
könnten. Sofort meldete sich Weikhart und wies darauf hin, dass
er doch unbedingt einen kleinen Ansatz über einen Zuschuß zum Wohn-
bau vom Staatsbudget haben möchte, selbst wenn es sich um optische
50 Mill. S handeln sollte. Androsch machte – zwar nicht in der
Sitzung aber ausserhalb – die treffende Bemerkung, er ist ja Finanz-
minister und nicht Optiker. In den Wohnbaufonds liegen derzeit in
den Ländern 3 Mia S, die einen jährlichen Zinsertrag von 200 Mill. S
zusätzlich erbringen. Am Abend hatte ich noch mit jüngeren Genossen
Blecha, Fischer, Lanc, Peter Schieder aber auch Weikhart eine Dis-
kussion über das Reststimmenmandat. Alle waren der Meinung
die ich bereits seit Montag vehement vertrete, dass kaum eine Chance
besteht, dieses Mandat zu halten. Charly Blecha hatte errechnet,
dass die FPÖ nur 7,5 % der Wahlkartenwähler, das sind der jetzige
Durchschnitt der schon abgegebenen Stimmen, erhalten müssten. Und
die SPÖ über 50 % der abgegebenen Wahlkartenstimmen erhalten müsste,
um dieses Mandat zu erhalten. Nach den Ziffern aus dem März 1970
ist mit einer solchen Abgabe nicht zu rechnen, auch dann wenn die
SPÖ insbesondere Hintschig und Slavik behaupten, dass die Wahlkarten-
wähler zum grössten Teil Übersiedler sind, die von uns aufgefordert
wurden, sich Wahlkarten zu besorgen. Weikhart war der Meinung, dass
ich vielleicht doch Unrecht hätte, so wie übrigens auch die anderen
älteren Genossen, mit denen ich einige Tage vorher debattiert hatte,

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Tagesprogramm, 7.10.1970

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Rechnung "Narodna Radinost", Belgrad

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hs. Notizen (Rechnung Rückseite)

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hs. Notizen

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Tätigkeit: MR HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Min.Sekr. HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: -obmann


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Bundeskanzler
              GND ID: 118566512


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 129507873


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Finanzminister
                      GND ID: 118503049


                      Einträge mit Erwähnung:


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: GD Wr. Messe, Wr. SPÖ-GR-Abg., Stadtrat


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
                            GND ID: 107489872


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                              GND ID: 119083906


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