Freitag, der 25. September 1970

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Vertreter der Union Corporation, Südafrika, hatten sich endlich
jetzt einmal gemeldet. Prinz Hohenlohe, der Vorsitzende und Reprä-
sentant dieser Gesellschaft in Österreich und ihr direkter Vertre-
ter, Dr. Wiebols, ein Geologe, kamen, um mir über die Entwicklung
in Tirol zu berichten, wo sie selbst jetzt bereits spüren, dass der
Widerstand sehr gross sein wird. Dr. Wiebols allerdings erklärte,
wo immer eine Lagerstätte auf der Welt gefunden, diese auch tatsächlich
abgebaut wird. Früher oder später sind die Leute dann totfroh, dass
sich jemand dieser Tätigkeit annimmt. Er verwies auf Rockefeller in
Amerika, der zuerst ermordet werden sollte von den Siedlern und dann
aber letzten Endes zum Reichtum Amerikas so wesentlich beigetragen hat.
Wiebols erklärte mir, dass er mit der Bevölkerung im besten Einvernehmen
arbeite u.a. hätte er in Wiesenschrank dem Bauern Bachler, der von der
Landwirtschaftskammer beraten wurde, einen Vertrag angeboten, der
günstiger gewesen ist, als dieser angenommen hat. Anstelle der 3.- S
je m2 Pachtzins für 6 Monate hätte er ihm 10.- S pro m2 angeboten.
Mit Foidl konnte er deshalb zu keiner Einigung kommen, da dieser ur-
sprünglich für 200 m2 20.000.- S verlangt hat und in weiterer Folge
noch geglaubt hat, er könne dies noch hinaufsteigern. Ich erklärte,
den Herren, dass ich eine andere Meinung zu dieser Frage habe, ich
glaube, dass die Entwicklung sich jetzt gegen die Bergwerksgesell-
schaft immer stärker richtet und richten wird und dass kein Bauer
mehr auch nur einen Quadratmeter Grund an sie verpachtet, weil er
damit automatisch als ein Judas von Tirol, der seine Heimat an Afrika
verkauft, dargestellt wird. Ich empfahl der Gesellschaft – da ich mich
nicht in ein paar Jahren als schuldig bekennen müsste, sie nicht
richtig informiert zu haben – die Bohrungen und das Bergwerksprojekt
in diesem Raum einzustellen. Ich erwiderte, dass es doch sicher in
Tirol und in Österreich noch viele andere Lagerstätten gibt, die
von Tirol gerne abgebaut werden würden. um ihnen die kritische Situation
zu zeigen, zeigte ich Wiebols das Memonandum von Hofrat Kirchmeyr und
versprach ihnen eine Kopier der Versammlung und vor allem der Dis-
kussion mit den Verantwortlichen des Bezirkes Kitzbühel, den sogenannten
Opion Leaders – den Meinungsbildern – wie ich sie bezeichne. Hohenlohe
und auch Dr. Wiebols – dieser allerdings weniger – waren über meine
Ausführungen insofern erfreut, als sie erstens die Wahrheit erfuhren
und zweitens ich ihnen doch auch bestätigte, dass ein Bohren und


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eine Berwerkserrichtung in diesem Raum fast unmöglich sein würde
und versprache, ihrer Gesellschaft unverzüglich zu berichten.

Die Schweizer Delegation über die Vorbereitungen der EWG-Verhandlungen
hatte eine Arbeitstagung bei uns im Hause und Wanke und ich kamen
unangemeldet hinein, um die Atmosphäre der Verhandlungen feststellen
zu können. Ich hatte den Eindruck, dass es sich hier wirklich um
Gespräche zwischen Freunden handelt wobei allerdings natürlich die
Schweizer eigentlich noch mehr als wir Vorbehalte bezüglich eines
EWG-Arrangements haben. Jolles und Weidenauer dürften aber äusserst
tüchtige Leute sein und sie dürften auch bereits in der Schweiz
wesentlich mehr Vorarbeiten geleistet haben als wir in Österreich.
Bei diesen Verhandlungen in Wien aber bestand der grosse Vorteil,
dass Österreich bereits ein Papier, welches zur Eröffnungserklärung
als Grundlage dienen soll, vorbereitet hatte. Die Schweizer stimmten
im Grossen und Ganzen diesem Papier zu, erklärten nur, dass sie durch
die Eröffnungserklärung 1962 bezüglich einer eventuellen Harmonisierung
doch auch gebunden seien und gerne auch dieser Eröffnungserklärungszu-
sage herauskommen wollten. Österreich wieder hat ja bereits durch
10 Jahre ihre Stellungnahme modifiziert und sich vor allem immer stärker
in eine Harmonisierung hineintreiben lassen. Allerdings trifft uns
das Problem der Harmonisierung der Aussenzölle weniger, weil Öster-
reich hohe Zölle hat, wärhrend die Schweiz, wenn sie harmonisiert,
durch ihren niedrigen Zolltraf ihre Zölle anheben muss. Deshalb wird
die Schweiz der EWG ein perfektes Ursprun_gszeugnissystem anbieten,
ich fürchte allerdings, dass die EWG dies nicht akzeptieren wird., da
Ursprungszeugnisse ja nie funktionieren. Die Schweiz steht mit der
EWG auch auf einer wesentlich höheren Handelsstufe, denn manchmal
ist sie sogar an zweiter Stelle mit den Nicht-EWG-Ländern, während-
dem Österreich an fünfter Stelle rangiert. Die Schweiz hat derzeit
5,8 Mia sfr Warendefizit und nur plus 1,3 Mia sfr. Dienst-
leistungsüberschuß. Beide kamen überein, daß bei der Eröffnung insbe-
sondere die positive Neutralität der Schweiz und Österreichs vorge-
legt werden sollen und nicht als Entschuldigung der EWG mitgeteilt
werden, denn er nimmt an daß nach der Haagener Erklärung die Neutra-
lität nicht mehr vergewaltigt werden wird, sondern ganz im Gegen-
teil einen wesentlichen Bestandteil zwischen dem Vertrag, den die
EWG mit den neutralen Staaten treffen wird, sein wird. Bei den
Eröffnungsgesprächen vor den Ministern wird dieser Punkt besonders
herausgestrichen werden. Wenn dann die Gesprächsphase in die Kommis-
sionen

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verlegt wird, dann wird man – wenn es sich um die Detailprobleme
handelt und der Inhalt des Vertrages besprochen wird – eben immer
wieder auf die Erklärung bei der Eröffnungssitzung betreffend die
Neutralität berufen. Die Schweizer befürchten, daß die Engländer
bei diesen Verhandlungen uns in den Rücken schießen werden, weil
sogar die Iren sie haben wissen lassen, daß sie kaum Verständnis
für die Schweizer Belange haben. Bei den Dänen wieder wartet man,
daß sie ihre landwirtschaftliche Produktion nach beiden Vertrags-
teilen, sowohl der EWG als auch dann den neutralen Staaten verkaufen
wollen und deshalb nur diese Sonderinteressen sehen werden.

Bei der Arbeitssitzung mit Ceausescu wo auch der Handelsminister
Burtica anwesend war, berichtete ich über die Verhandlungen betref-
fend der Kooperation. Da die österreichische Kontrollbank mit Cifer
für die Beregnungsanlagen und Abfalter für die Verzinkungsanlagen
ganz konkrete Vorschläge gemacht haben, konnte ich der Kommission
mitteilen, daß die ersten Besprechungen sehr positiv verlaufen sind.
Ich hatte allerdings vorher bereits Burtica mitgeteilt, daß die
Zinssätze, die mit 8 1/2 % von der Kontrollbank angeschlagen wurden
und die auf größtes Erstaunen von seiten der Rumänen gestoßen sind,
daß man über diese Zinssätze noch reden könnte. Ich habe nicht den
Fehler gemacht bereits zu sagen, in welcher Höhe letzten Endes
abgeschlossen werden wird. Ebenso meinte Burtica ob nicht eine
Möglichkeit bestünde, die Laufdauer von 7 1/2 Jahren zu verlängern.
Nach Rücksprache mit Haschek von der Kontrollbank, konnte ich ihm
auch Andeutung einer Zusage machen. Der Rahmen von 20 Mio $ wurde
allgemein als befriedigend angesehen und auch akzeptiert. Bezüglich
des Bewässerungsprojektes sprach ich wunschgemäß noch mit dem
Dr. Banc, Vizeminister, der letzten Endes,wie Cifer meint, in
Rumänien die Entscheidung treffen wird. Er sagte mir zu, daß er
dieses Problem sehr genau auch prüfen wird. Allerdings hätten sie
noch andere Projekte, wie Burtica mir mitteilte. Scheinbar dürften
sie an diesem Bewässerungsprojekt Interesse haben, aber es ist
nicht sicher ob sie dies nicht mit anderen Ländern machen werden.
Die erste Tranche wurde ja an Engländer vergeben, wie mir Banc
mitteilte und die anderen Projekte sind derzeit noch nicht end-
gültig beschlossen. Allzusehr wollte ich mich auch nicht für dieses
Projekt einsetzen, denn sonst mußte der Eindruck entstehen, wir
hätten hier ein ganz besonderes – oder ich gar persönlich ein ganz
besonderes – Interesse. Sicher ist es unangenehm, wenn Cifer hier
schon sehr viele Ingenieur- und Consulting-Stunden aufgewendet hat
und jetzt vielleicht die Schweizer Gesellschaft, für die er dieses


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Projekt verarbeitet hat, der alleinige Kontrahent wird. Beim Abflug
des Ministerpräsidenten sagte mir noch der Sektionschef Jiresch, daß
er von dem Protokoll aber insbesondere – wie er sich ausdrückte –
von den Hofschranzen – sehr erschüttert sei und in Wirklichkeit nicht
verstehen könnte, daß dies alles noch möglich ist. Ich weiß nicht,
wieweit er mir hier entgegenkommen will, oder wie weit er hier wirk-
lich auch von dem Protokoll genauso genug hat wie ich. Er muß sich
allerdings ja danach halten, ich selbst kann mir erlauben, mich glatt
darüber hinwegzusetzen. Unter anderem ein sehr interessantes Detail: als
meine Frau bei einem Tisch – bevor das Essen begonnen hatte – im
Vorraum mit Frau Jonas Platz genommen hatte – kam ein "Protokollist"
und erklärte "außer der Frau Außenminister, bitte, alle Damen auf-
stehen". Meine Frau antwortete Gottsei Dank "nein, ich bleib hier
sitzen" und nachdem sie ihren Namen genannt hatte, hat er natürlich
ihr sofort die Hand geküßt und sich tausendmal entschuldigt. Beim
Abflug wurden wieder die 21 Kanonenschüsse abgefeuert und ich bin
wirklich beim ersten ein bißchen erschrocken, weil diese blöde Balle-
rei mir auf die Nerven geht. Kreisky sagte zu mir, dies müßte auch
eine neue Einführung der ÖVP-Regierung sein, denn er könnte sich
nicht erinnern, daß früher Salut gefeuert wurde. Ich glaube wirklich,
daß schön langsam alle immer mehr auf meine Linie einschwenken und
wenn wir nur Zeit genug haben, auch das Protokoll wirklich noch
geändert werden wird.

Bei der heutigen Diskussion mit Muliar haben wir uns ein Lastauto
besorgt und konnten daher auf dem Pritschenwagen entsprechend über
die Menge hinweg unsere Doppelkonference abführen. Interessanter-
weise waren diesmal auch Zeitungen anwesend und Frau Gröbmannsperger
vom "Kurier" wollte unbedingt von mir die Spitznamen der Regierungs-
mitglieder erfahren. Es tat mir unendlich leid, ihr in dieser
Beziehung nicht helfen zu können, meinen hatte sie natürlich schon
längst gewußt.

Abends hatte ich noch eine Diskussion mit der Jungen Generation –
ein sogenanntes "Österreich-Gespräch" in Schwechat in der Körner-
Halle. Ich halte von diesen gar nichts mehr, da höchstens einige
Genossen hinkommen und ein paar KP-ler und natürlich sind 20 Leute,
die man informieren kann, auch von Bedeutung – aber wir müßten
Mittel und Wege finden, wie wir an Neutrale herankommen, die letzten
Endes dann wirklich was da diskutiert wird weitergeben oder zumin-
destens neutralisiert werden können.

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Tagesprogramm, 25.9.1970


Tätigkeit: Schweizer Diplomat


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD VÖEST


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        Tätigkeit: Bundeskanzler
        GND ID: 118566512


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: GD Kontrollbank
          GND ID: 170084094


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 172850827


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Fa. Bauer, Inhaber Dienstpass HM


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: SC BKA


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